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Nr. 379 Ministerkonferenz, Wien, 13. Dezember 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 13. 12.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 4552 –

Protokoll der zu Wien am 13. Dezember 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Dispens vom Eheaufgebot in Siebenbürgen; weltliche Dispens von Hindernissen in Ungarn und Siebenbürgen

Vermöge der §§ 38 und 39 des neuen Ehegesetzes für Katholiken ist die Dispens vom Aufgebote, wenn sie kirchlicherseits erteilt worden, auch bei der politischen Behörde anzusuchen1.

Nachdem in Siebenbürgen abisher die Anhänger allera Konfessionen in dieser Beziehung bloß an ihre kirchlichen Vorschriften gebunden sind, so träfe die Vollziehung jeder Bestimmung des mit 1. Jänner 1857 in Wirksamkeit tretenden Ehegesetzes die dortländigen Katholiken allein. bBei dem Umstande, daß in diesem Kronlande die Rücksichten der Parität schroffer hervortreten als anderwärts, hat der Bischof von Siebenbürgen hiervon Anlaß genommen, eine Vorstellung in der Richtung zu machen, daß auch die Anhänger anderer Konfessionen verhalten werden, die Dispens von Aufgeboten auch bei der politischen Behörde anzusuchen oder daß das Gesetze in diesem Punkte auch in seiner Wirksamkeit bezüglich der Katholiken vorläufig suspendiert werde. Gleichzeitig hat auch die siebenbürgische Statthalterei aus eigenem Antriebe einen Bericht über den Gegenstand erstattet und darauf angetragen, daß es bei der bisherigen, zur Zeit der Einführung des ABGB ausdrücklich aufrecht erhaltenen Übung, der zufolge sich lediglich mit der kirchlichen Dispens begnügt wird, verbleibeb Bei dem Umstande, daß in diesem Kronlande die Rücksichten der Parität schroffer hervortreten als anderwärts, hat der Bischof von Siebenbürgen2 hiervon Anlaß genommen, eine Vorstellung in der Richtung zu machen, daß auch die Anhänger anderer Konfessionen verhalten werden, die Dispens von Aufgeboten auch bei der politischen Behörde anzusuchen oder daß das Gesetze in diesem Punkte auch in seiner Wirksamkeit bezüglich der Katholiken vorläufig suspendiert werde. Gleichzeitig hat auch die siebenbürgische Statthalterei aus eigenem Antriebe einen Bericht über den Gegenstand erstattet und darauf angetragen, daß es bei der bisherigen, zur Zeit der Einführung des ABGB3 ausdrücklich aufrecht erhaltenen Übung, der zufolge sich lediglich mit der kirchlichen Dispens begnügt wird, verbleibe. Sowohl der Kultusminister als auch die übrigen Votanten erklärten sich unter den || S. 247 PDF || cbeiden oben erwähntenc Modalitäten für die erstere, nämlich für die Einführung der Bestimmung der §§ 38 und 39 auch bei den anderen Konfessionen. Denn sie erscheint als eine allgemeine politische, polizeiliche Maßregel, die zur Verhinderung der Schließung ungültiger Ehen und gewissermaßen als Kontrolle der Beobachtung der kirchlichen Gesetze in Ehesachen eingesetzt ist. Allein sie kann nicht sofort und unmittelbar für die Akatholiken vorgeschrieben werden, bevor nicht der dermal gesetzliche Stand derselben in Siebenbürgen in dieser Beziehung konstatiert ist. Der Kultusminister wird daher mit Beistimmung der Konferenz unverweilt die Verhandlung durch die Landesbehörde einleiten, damit nach Erhebung des dermaligen gesetzlichen Zustandes der Akatholiken in Siebenbürgen die Anordnung der §§ 38 und 39 auch für sie eingeführt werde. Bis zur Entscheidung hierüber aber wünschte er, bei der besonderen Stellung der Konfessionen in diesem Lande, daß jene Paragraphen auch für die Katholiken suspendiert werden möchten.

Hiergegen erklärten sich aber alle übrigen Stimmführer der Konferenz, weil es ihnen bedenklich schien, von einem kaum gegebenen Gesetze eine Ausnahme zugunsten eines Teils der Katholiken zu gestatten und hiermit die wünschenswerte Gleichheit der Behandlung aller Katholiken der Monarchie in Frage zu stellen, gegen welche eine vorübergehende Ungleichheit zwischen Katholiken und Akatholiken gewiß der mindere Übelstand sein würde; weil ferner das neue, in Übereinstimmung mit den katholischen Kirchensatzungen verfaßte Eherecht von den Katholiken überhaupt nicht im Sinne einer Verschlimmerung ihrer konfessionellen Stellung aufgefaßt werden kann, und der Grund zum etwaigen Mißvergnügen der Katholiken wegen dieses speziellen Verhältnisses zu den Akatholiken in Siebenbürgen dadurch behoben wird, daß man die Gleichhaltung der letzteren mit den ersteren in bezug auf das Aufgebot veranlasse; weil endlich, wenn die §§ 38 und 39 in Siebenbürgen suspendiert werden sollten, das Gleiche auch in Ungern geschehen müßte, nachdem dort im wesentlichen, dwenigstens soweit es sich um die Beziehungen zwischen den griechisch-unierten und griechischnichtunierten Glaubensgenossen handeltd, die gleichen Rücksichten wie in Siebenbürgen eintreten. Unter diesen Umständen wird sich der Kultusminister darauf beschränken, die Verhandlung wegen Anwendung der §§ 38 und 39 auf die Akatholiken in Siebenbürgen unverzüglich einzuleiten. Das neue Ehegesetz für Katholiken enthält weiters die Bestimmung, daß, wenn von Ehehindernissen oder Verboten die kirchliche Dispens erteilt worden, dieselbe auch von der weltlichen Behörde erteilt werden könne. Außerdem aber bestimmt es nichts darüber, ob die weltliche Behörde und unter welchen Bedingungen sie die Dispens verweigern dürfe, wenn die kirchliche Dispens vorliegt. In den deutschen Kronländern hat sich diesfalls die Praxis geregelt. In Ungern und Siebenbürgen aber, wo bisher Ehesachen ausschließlich den Kirchengesetzen unterlagen, ist die Sache neu und bedarf daher einer Normierung umso mehr, als es möglicherweise einem akatholischen Komitats-oder Bezirksvorsteher einfallen könnte, katholische Ehedispenswerber trotz der beigebrachten kirchlichen Dispens willkürlich abzuweisen. Der Kultusminister gedenkt daher, die Weisung zu erlassen, daß die politischen || S. 248 PDF || Behörden in den Fällen, wo die kirchliche Dispens vorliegt, in der Regel auch die weltliche Dispens zu erteilen und nur bei ganz besonderen Anständen die Anzeige an die Landesstelle zu erstatten haben. Hiermit war die Konferenz einverstanden, vorausgesetzt, daß diese Weisung sich auf alle Konfessionen zu erstrecken habe.

Eine Anfrage, welche Behörde in Provinzialhauptstädten, wo kein Bezirksamt eine Jurisdiktion hat, zur Dispenserteilung nach den §§ 38 und 39 kompetent sei, wird der Kultusminister als eine den Wirkungskreis der politischen Behörden betreffende Angelegenheit an den Minister des Inneren leiten, welcher die Entscheidung dahin zu erteilen gedenkt, daß dort der Magistrat dazu berufen sei4.

II. Pension der Professorswitwe Franziska Petřina

Die zwischen dem Unterrichts- und dem Finanzminister obwaltende Differenz über die Bemessung der Pension für die Professorswitwe Franziska Petřina (Vortrag vom 29. November 1856, KZ. 4664, MCZ. 4295) wurde durch den Beitritt des Finanzministers zu dem günstigeren Antrage des Unterrichts- beziehungsweise des Handelsministers behoben.

III. Errichtung eines Obergymnasiums in Capodistria

Unter der Bedingung, daß das in Capodistria zu errichtende Obergymnasium in den oberen Klassen wenigstens mit deutscher Unterrichtssprache eingerichtet werde, gab der Finanzminister die zeuge des Vortrags vom 23. November 1856, KZ. 4663, MCZ. 4293, verweigerte Zustimmung zu dem Antrage des Unterrichtsministers beziehungsweise zu der diesfälligen Mehrauslage von jährlich 1700 fr. aus dem Staatsschatze.

IV. Entschädigung der Gemeinde Rzedzin und Szynwald

Der Handelsminister referierte über die Meinungsverschiedenheit, welche laut seines Vortrags vom 15. November 1856, KZ. 4485, MCZ. 4108, zwischen ihm und dem Minister des Inneren einer-, dann dem Finanzminister andererseits in betreff der Bitte der Gemeinden Rzedzin und Szynwald um eine Entschädigung für die bei der Schotterlieferung in den Jahren 1855 und 1856 erlittenen Verluste obwaltet. Während der Finanzminister auf seiner Einsprache gegen jedes diesfällige Zugeständnis beharrte, weil dies zu Konsequenzen für andere Gemeinden führen würde, deren gleiche Ansprüche nach dem Inhalte des Berichts der Landesregierung in Aussicht stehen dürften, erklärten sich die übrigen Stimmführer der Konferenz aus den vom Handelsminister im Vortrage geltend gemachten Rücksichten für die Bewilligung einer gnadenweisen Pauschalabfertigung mit beiläufig der Hälfte des auf 1652 fr. 55 1/4 Kreuzer berechneten Entschädigungsbetrags5.

V. Abfertigung der Lokomotivführerswitwe Maria Kleinkofsky

Die Differenz zwischen dem Handels- und dem Finanzminister über die der Lokomotivführerswitwe Maria Kleinkofsky zu bewilligende Abfertigung (Vortrag vom 29. November 1856, KZ. 4648, MCZ. 4276) behob sich dadurch, daß beide Minister sich über den Mittelbetrag von 125 fr. einigten, welcher der Bittstellerin außer dem schon angewiesenen annoch zu erfolgen wäre.

VI. Unterstützung der Lazarettdirektorswitwe Anna Melizzi

Ungeachtet der Einsprache des Finanzministers, welche derselbe gegen den Antrag des Handelsministers vom 3. Dezember 1856, KZ. 4755, MCZ. 4366, wegen einer Unterstützung von 100 fr. für die Lazarettdirektorswitwe Anna Melizzi des Prinzips und der Folgerungen wegen aufrechterhielt, glaubte der Handelsminister doch, unter Beitritt der Majorität der Konferenz, obigen Antrag der Ah. Gnade Sr. Majestät empfehlen zu dürfen.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Vortrags zur Kenntnis. Franz Joseph. Verona, 9. Jänner 1857.