Nr. 292 Ministerkonferenz, Wien, 11. Juni 1855 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet, VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend Buol, Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck; außerdem anw.anwesend Kempen.
MRZ. – KZ. 1758 –
Protokoll der zu Wien am 11. Junius 1855 abgehaltenen Konferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.
I. Reduktion und Ergänzung der Armee
Se. Majestät der Kaiser eröffnete die Konferenz mit einer Aufforderung an die Chefs der Obersten Verwaltungszweige, während der bevorstehenden Abwesenheit Sr. Majestät in dem einträchtigen Zusammenwirken fortzufahren, und insbesondere im Falle Versuche zur Störung der inneren Ruhe gemacht werden sollten, dieselben sofort mit aller Tätigkeit und größter Energie zu bekämpfen1. Se. k. k. apost. Majestät geruhten hierauf die Ah. Absicht auszusprechen, aus Sanitätsrücksichten für die Truppen in Galizien, sowie im Interesse des Staatsschatzes eine Standesreduktion bei der Infanterie durch Entlassung von 62.500 Mann der Reserve vorzunehmen, und auch eine Dislozierung der in Galizien dermal konzentrierten Truppenkörper anzuordnen2. Von noch weit größerem Belange in finanzieller Beziehung würden Reduktionen im Stande der Pferde sein; allein da bei allen größeren Armeereduktionen die Erfordernisse der jedesmaligen politischen Situation genau erwogen werden müssen, so wünschten Se. Majestät die Meinung des Ministers des Äußern über die Opportunität dieser Maßregeln zu hören. Minister Graf Buol äußerte, daß von seinem Standpunkte betrachtet gegen die angedeutete Reduktion im Stande der Infanterie, sofern sie ohne Ostentation durchgeführt würde, kein Anstand obwalten dürfte. Was die weiteren || S. 84 PDF || Reduktionen im Stand der Pferde betrifft, so könne der Minister dermal sich noch nicht mit voller Beruhigung über deren Rätlichkeit aussprechen. Es käme hiebei vorzüglich auf die Äußerungen an, welche von Petersburg sowohl wie von London und Paris über die jüngsten dahin gemachten Mitteilungen erfolgen werden. Ist man gleich berechtigt zu erwarten, daß diese Äußerungen nicht ungünstig sein werden, so scheine es doch geraten, dieselben abzuwarten, um ihre Tragweite genau zu prüfen.
Se. k. k. apost. Majestät geruhten sofort zu befehlen, daß die Sache nach dem Einlangen der erwarteten Äußerungen von den Ministern reiflich erwogen und Allerhöchstenorts darüber ein Gutachten nachgesendet werde.
Eine weiter Allerhöchstenorts in Anregung gebrachte Frage war die über die Vornahme einer Rekrutierung im laufenden Jahre zur Deckung des durch den natürlichen Abgang und durch die Entlassung der 62.500 Mann Reserven sich ergebenden beträchtlichen Ausfalles. Der Minister des Inneren würde es als eine große Wohltat für die Länder erkennen, wenn heuer keine Rekrutierung vorgenommen werden müßte, gewissermaßen als Kompensation für die 1854 stattgefundene zweite Rekrutierung; der gegenwärtige Zeitpunkt, wo die Ernte vor der Tür ist, sei für eine solche Maßregel, welche stets viel Bewegung im Lande verursacht und arbeitende Hände paralysiert, besonders ungünstig. Tritt noch in diesem Jahre vollends Frieden ein, so würde wohl eine Dringlichkeit zur Einberufung der Rekruten gar nicht vorhanden sein. Der durch die Einstellung der heurigen Rekrutierung sich ergebende Ausfall im Armeestande dürfte sich durch größere Aushebungen nach und nach, oder selbst mit einem Male im nächsten Jahre, hereinbringen lassen. Der Handelsminister bemerkte, ein Aufschub in der Rekrutierung sei um so wünschenswerter, als die für heuer zunächst berufene Altersklasse bereits erschöpft sei und man voriges Jahr schon auf die dritte, vierte, ja fünfte Altersklasse habe zurückgreifen müssen, was mit wesentlichen Nachteilen verbunden ist.
Se. Majestät geruhten Allerhöchst sich die Entscheidung über diesen Gegenstand noch vorzubehalten, brachten die beschleunigte Aktivierung der Bezirksämter in Galizien in Erinnerung3 und schlossen die Konferenz mit einer eindringlichen Ermahnung, in jedem Verwaltungszweige das finanzielle Interesse auf das Sorgfältigste zu wahren4.