Nr. 239 Ministerkonferenz, Wien, 25. Juli 1854 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: K. Krauß
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 26. 7.), Bach 29. 7., Thun, Baumgartner; anw.anwesend K. Krauß.
MRZ. – KZ. 2863 –
Protokoll der am 25. Juli 1854 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Subvention für den Bischof in Scutari
Der vorsitzende Minister der auswärtigen Angelegenheiten referierte über das von dem hiesigen Erzbischofe1 begutachtete Ansuchen des katholischen Bischofs zu Scutari2 in Albanien um eine jährliche Subvention zur Reaktivierung des dortigen katholischen Seminariums.
Zu Scutari bestand bis zum Jahre 1848 zur Ausbildung des katholischen Klerus für Albanien ein Seminarium, welches von der Propaganda zu Rom3 unterhalten wurde. Im Jahre 1848 ging dieses Seminar ein, weil die Propaganda nicht mehr die Mittel hatte, dasselbe zu unterstützen. Der hiesige Erzbischof meint, daß wegen des moralischen Eindrucks, den die Erhaltung des Seminars auf die dortige katholische Bevölkerung machen würde, und weil Österreich traktatmäßig den Schutz über den katholischen Kultus in Albanien usw. auszuüben hat, Se. Majestät au. zu bitten wären, zur Reaktivierung jenes Seminars, damit nämlich wie früher eine verhältnismäßige Anzahl von Klerikern darin unterhalten und die notwendigen Professoren salariert werden können, || S. 299 PDF || einstweilen eine Dotation jährlicher 3000 fr. (versteht sich precario modo) Ag. aus dem Ärar zu bewilligen4. Der Finanzminister hat sein Einverständnis mit diesem Antrage bereits erklärt. Bei der Besprechung hierüber in der Ministerkonferenz glaubte dieser Minister, ohne übrigens die jährliche Leistung des erwähnten Betrages zu beanständen, nur bemerken zu sollen, daß nach seiner Ansicht ein viel besserer Erfolg bezüglich der in der Rede stehenden Angelegenheit erzielt werden könnte, wenn junge angehende Priester aus jenen Gegenden in Österreich einen guten Unterricht erhielten und dann gehörig ausgebildet in ihr Vaterland wieder zurückversetzt würden. Dies würde sie an Österreich anhänglicher machen, auch wüßte man dann gewiß, wie der Subventionsbetrag verwendet wird, während er jetzt der Übersicht entgeht und man vielleicht auch nicht wissen wird, daß das Seminar mit österreichischer Unterstützung erhalten wird. Der Finanzminister verkennt übrigens nicht, daß es vielleicht politisch wichtig sein mag, die angehenden Priester in ihrem Vaterlande bilden zu lassen, daß aber abgesehen von diesem Umstande es immerhin besser wäre, wenn sie ihre Bildung in Österreich erhalten könnten.
Die Ministerkonferenz erklärte sich mit der Leistung der jährlichen Unterstützung von 3000 fr. an den katholischen Bischof zu Scutari zu dem besagten Zwecke einverstanden5.
II. Auszeichnung für den Direktor der Flachsröstanstalt in Mähren Ignaz Oberleitner
Der Minister der Finanzen und des Handels Ritter v. Baumgartner bemerkte, daß er seinen letzten Ausflug nach Mähren zur Besichtigung einiger der wichtigsten technischen Etablissements daselbst benützt habe. Unter diesen nähme die Leinenindustrie dortlands eine der ausgezeichnetsten Stellen ein, eine Industrie, welche vorzüglich geeignet ist, den Notstand von den dortigen, meistens auf diese Industrie beschränkten Gebirgsgegenden fernzuhalten. Wie wichtig und nutzbringend diese Industrie sei und wie sehr der Wert des Gegenstandes durch rationelles Rösten und anderweitiges zweckmäßiges Behandeln des Flachses erhöht werde, beweise die Erfahrung, indem der Zentner Flachs, welcher früher 15 fr. kostete, jetzt nach Einführung der zweckmäßigeren Methode der Flachsbereitung um 46 fr. verkauft wird, weil aus so einem Flachse viel feineres und besseres Garn erzeugt werden kann. Das in anderen Ländern früher eingeführte rationelle Rösten, Hecheln usw. des Flachses habe diese Industrie aus unseren Gegenden weggezogen, und nur eine gleiche verbesserte Methode könne diesen Industriezweig bei uns wieder in Aufnahme bringen.
Um diesen Zweck zu erreichen, habe sich vor einigen Jahren in Mähren eine Aktiengesellschaft gebildet, welche durch eine Reihe von Jahren jährlich 5000 fr. auf ein zweckmäßigeres Verfahren des Röstens, Hechelns usw. des Flachses verwendet, bei welcher jeder, der sich mit dem neuen Röstverfahren vertraut machen || S. 300 PDF || will, Belehrung erhalten kann. Der Direktor dieser Röstanstalt ist der Schönberger Bürger Ignaz Oberleitner, ein Mann, der sich um diesen Industriezweig besondere Verdienste erworben hat und nicht Zeit und Kosten spart, um denselben zum Frommen der dortigen Gebirgsgegend in Aufnahme zu bringen.
Der referierende Finanz- und Handelsminister hält sich für verpflichtet, für diesen verdienstvollen Mann teils zur Anerkennung der bereits erworbenen Verdienste, teils zur Aufmunterung, in seinem diesfälligen nützlichen Bestreben fortzufahren, auf die Ag. Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone au. anzutragen, mit welchem Antrage sich die Ministerkonferenz vollkommen einverstanden erklärte6.
III. Auszeichnung für den Zuckerfabriksbesitzer Florentin Robert
Derselbe Minister bemerkte weiter, daß er bei Gelegenheit seiner erwähnten Reise auch die Zuckerindustrie aus Runkelrüben, welche ihr Zentrum in der Gegend von Brünn aufgeschlagen hat, insbesondere die Zuckerfabrik in Selowitz einer näheren Prüfung unterzogen habe. Der Mann, der sich in diesem Zweige besonders hervortut, ist der Besitzer dieser Fabrik, Florentin Robert, ein Franzose von Geburt und Bruder des hiesigen mit dem österreichischen Adel ausgezeichneten Bankiers Louis Robert. Florentin Robert hat die wichtigsten Erfindungen in seinem Fache selbst gemacht, so z. B. ein Mittel erfunden, die letzten Spitzen von Rüben, welche bisher nicht benützt wurden, zur Zuckerfabrikation zu verwenden und auch daraus die letzten Elemente des Zuckers herauszubekommen. Es gereicht ihm zum Verdienste, daß er gar kein Geheimnis aus seinen Erfindungen macht und sie bereitwillig jedem, der es wünscht, erklärt. Den Ertrag eines von ihm erwirkten Privilegiums in diesem Fache überläßt er seinen Arbeitern. Der referierende Minister beabsichtigt für dieses verdienstvolle Individuum zur Belohnung und Aneiferung auf die Ag. Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens bei Sr. Majestät au. anzutragen.
Die Ministerkonferenz erklärte sich auch mit diesem Antrage vollkommen einverstanden7.
Wien, am 26. Juli 1854. Gf[af] Buol.
A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 10. August 1854.