Nr. 159 Ministerkonferenz, Wien, 13. September 1853 I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek,. VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 14. 9.), Bach 20. 9., K. Krauß, Baumgartner 20. 9.; abw.abwesend Thun.
MRZ. – KZ. 3903 –
Protokoll der am 13. September 1853 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Patent über die Urbarialentschädigung in Ungarn, in der serbischen Woiwodschaft mit dem Temescher Banat und in Kroatien
Der Minister des Inneren referierte über den Entwurf eines kaiserlichen Patentes, wodurch die Bestimmungen, in welcher Art und aus welchen Quellen die ermittelte Urbarial- und Zehententschädigung den Berechtigten unter Wahrung der Rechte aller dabei Beteiligten zu leisten ist, sowie wegen Aufhebung des Moratoriums1 für das Königreich Ungarn und die Woiwodschaft Serbien mit dem Temescher Banate und Kroatien festgestellt werden.
Die kaiserlichen Patente vom 2. März 1853, Nr. 39/1853 des Reichsgesetzblattes, über die Durchführung der Urbarialentschädigung und Grundentlastungim Königreiche Ungarn, in Kroatien und in der Woiwodschaft sprechen im §9 aus, daß ein besonderes Patent bestimmen werde, in welcher Art und aus welchen Quellen || S. 323 PDF || die Entschädigung der Berechtigten unter Wahrung der Rechte aller dabei Beteiligten geleistet werden soll2. Bei der offenbaren Dringlichkeit der baldigen Erlassung der in dem erwähnten 9 vorbehaltenen Bestimmungen hielt sich der mit der Vollziehung der gedachten Patente beauftragte Minister des Inneren verpflichtet, die legislative Lösung dieses Gegenstandes ungesäumt in Verhandlung zu nehmen. Zu diesem Ende hat derselbe gleich im Monate März d. J. das Gutachten Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht, Militär- und Zivilgouverneur von Ungarn, dann des Militär- und Zivilgouverneurs der Woiwodschaft Serbien und des Ternescher Banats Grafen v. Coronini über die Frage eingeholt, ob und unter welchen Modifikationen die bezüglich der Auszahlung der Entschädigungskapitalien mittelst Grundentlastungsobligationen und Wahrung der Rechte der Gläubiger und sonstigen Anspruchnehmer für die östlichen Kronländer erlassenen zwei Patente vom 11. April 1851, Nr. 83/1851 und Nr. 84/1851 des Reichsgesetzblattes, in Ungarn und bzw. in der Woiwodschaft und dem Ternescher Banate zur Anwendung gebracht werden können und ob nicht das für den Kredit des Landes so schädliche Moratorium, für dessen Fortdauer mit der Ausmessung der Entschädigung jeder weitere Grund entfalle, unter einem aufgehoben werden könne3. Ihre diesfalls eingelangten Äußerungen, in welchen sich, was das Moratorium betrifft, Graf Coronini für die Aufhebung desselben mit dem 1. November 1853, Se. kaiserliche Hoheit aber für die schleunige Aufhebung im allgemeinen aussprachen, dann die beiden Patente vom 11. April 1851 bildeten die Grundlage des oberwähnten Entwurfes eines kaiserlichen Patentes. Der diesfällige Gesetzesentwurf wurde in einem Komitee des Ministeriums des Inneren mit Beiziehung der Abgeordneten des Justiz- und des Finanzministeriums einer reiflichen und eindringlichen Erörterung unterzogen4. Nach dem einstimmigen Erachten der Kommission, welchem auch der Minister des Inneren beigetreten ist, sind die Bestimmungen der Patente vom 11. April 1851, welche sich bereits anderwärts erprobt haben5, auch in Ungarn, insofern die abweichenden Verhältnisse keine Änderung notwendig machen, vollkommen anwendbar. Die beiden Patente vom 11. April 1851 wurden übrigens für Ungarn etc. in eines zusammengezogen, weil die ungarischen Entlastungsfonds es vorderhand nur mit Steuerzuschlägen als ihrer Dotation zu tun haben und aeinstweilen die Frage über die Abstattung der Entschädigung durch die Verpflichteten unberührt bleibta . || S. 324 PDF || Der Minister des Inneren glaubte daher, nur die abweichenden Bestimmungen des in der Rede stehenden Patentsentwurfes von den Patenten vom 11. April 1851 zum Vortrage bringen zu sollen. Diese beschränken sich auf folgende wenige: Die Überweisung der ermittelten Entschädigung auf den Entlastungsfonds und das Verfahren dabei konnten für Ungarn etc. nicht nach den Patenten vom Jahre 1851 adaptiert werden, weil die Rechte dritter Personen, welche bei Zuweisung der Entschädigungskapitalien zu wahren kommen, nach den österreichischen und ungarischen Gesetzen ganz verschieden sind; es mußte daher in den diesfalls zu erlassenden Bestimmungen auf die bisherigen und durch das Avitizitätsgesetz und durch die Einführung der österreichischen Gesetze daselbst in einer wesentlichen Umgestaltung begriffenen Rechtszustände Ungarns geeignete Rücksicht genommen werden6 In den Kronländern, für welche das Patent vom 11. April 1851, RGBl. Nr. 84/1851, Wirksamkeit hat, konnten dingliche Rechte nur durch Eintragung in die öffentlichen Bücher erworben werden, und diese weisen den Eigentümer des Gutes, zu welchem das an die Stelle der aufgehobenen Bezüge getretene Entschädigungskapital als unterm baren Bestandteil gehörte, und alle Personen nach, welche auf das Gut und sohin auch auf das ein Zugehör desselben bildende Entschädigungskapital dingliche Rechte erworben haben. In Ungarn und dessen Nebenländern dagegen sind über den Besitz adeliger Güter, bei denen es sich um Zuweisung des Entschädigungskapitals handelt, gar keine öffentlichen Bücher geführt worden, man weiß daher nicht genau, wer auf das Entschädigungskapital einen rechtlich begründeten Anspruch habe. Dieser Unterschied allein begründet und rechtfertigt eine Abweichung von dem Patente vom 11. April 1851, Nr. 84/1851. In Ungarn etc. müssen nebst den Gläubigern auch alle jene, welche auf das Entschädigungskapital als ein Zugehör des Gutes einen avitischen, pfandrechtlichen oder sonst zivilrechtlich begründeten Anspruch stellen, durch Edikt aufgefordert werden, ihre Ansprüche bei dem zur Verhandlung zuständigen Gerichte anzumelden. In jenen Kronländern, für welche das Patent vom 11. April 1851, Nr. 84/1851, gilt, gab die Intabulation ein dingliches Recht auf das Entschädigungskapital. Es war daher bloß über die Befriedigung der intabulierten Gläubiger zu verhandeln. In Ungarn dagegen muß zuerst über die Bezugsberechtigung auf das Entschädigungskapital und dann erst über die Zuweisung des Kapitals selbst verhandelt werden. Damit aber die Rechtsbeständigkeit dieser letzteren Verhandlungen gesichert erscheine, ist es notwendig, die Unterlassung der Anmeldung mit der Ausschließung von der Zuweisungsverhandlung über das Entschädigungskapital zu sanktionieren. Eine weitere Abweichung von den Patenten vom 11. April 1851 besteht in folgendem: In Ungarn etc. betragen die Rückstände an Zinsen des Urbarialentschädigungskapitals, wenn dessen Verzinsung|| S. 325 PDF || von der Zeit des Aufhörens der Urbarialbezüge, d. i. vom 1. Mai 1848, gewährt wird7, schon fünf volle Jahresraten, sohin ein Viertel der ganzen Urbarialkapitalentschädigungssumme, und haben eine Höhe erreicht, welche das zur Tragung verpflichtete Land nicht bar aufbringen, sohin nur kapitalisieren und durch Schuldverschreibungen zahlen kann, eine Maßregel, welche nicht nur von der Notwendigkeit geboten, sondern umso mehr zulässig ist, als im Grundentlastungspatente die bare Zahlung der verfallenen Raten oder Zinsenrückstände nicht in Aussicht gestellt wurde, und die hier ebenso wie in Galizien gerechtfertigt erscheint8, weil die Verpflichteten keinen Teil der Urbarialentschädigung wie in andern Kronländern tragen. Was die gegebenen Rentenvorschüsse anbelangt, welche nur partiell und aus Gnade gewährt worden sind, so sind dieselben nur auf Abschlag von der Rente und, wenn die Rente erschöpft ist, dann auf Abschlag des Kapitals in Rechnung zu nehmen. Was die Aufhebung des Moratoriums anbelangt, äußerte der Minister des Inneren, das Moratorium sei den Besitzern von Gütern, mit deren Besitztume aufgehobene Urbarialitäten verbunden waren, aus dem Grunde zugestanden worden, weil sie für die aufgehobenen Urbarialbezüge keine Entschädigung im Momente der Aufhebung erhielten, sohin den Genuß der Nutzungen aus den Urbarialbezügen entbehren mußten. Dieser Grund erlösche in dem Zeitpunkte, in welchem der Entlastungsfonds als Zahler bereit ist, dem Bezugsberechtigten die Urbarialentschädigung zu erfolgen. Der Minister des Inneren glaubt, daß das dem Kredite des Landes so nachteilige und für die Gläubiger so lästige Moratorium auch mit Rücksicht auf die Umstände, daß sich mittlerweile der Grundwert in Ungarn etc. so bedeutend gehoben hat, daß das Avitizitätsgesetz größere Sicherheit für den Besitz gewährt und dessen Disponibilität sichert, daß die Grundherren hohe Preise ihrer Produkte genießen und daß Eisenbahnlinien den Absatz derselben ungemein erleichtern, wenn auch nicht sogleich, doch ohne Anstand mit dem 1. November 1854 aufgehoben werden könnte und sollte. Die Frist von noch mehr als einem Jahre sei vollkommen hinreichend, um auf den Eintritt der Aufhebung des Moratoriums ganz vorbereitet zu sein. Daß das Moratorium Gut für Gut nach der Zuweisung der Entschädigung für jedes Gut verlöschen gemacht werde, hält der Minister des Inneren nicht für angemessen, weil dadurch der unsichere und gehemmte Rechtszustand auf eine lange Reihe von Jahren zum großen Nachteile der Gläubiger, deren Interessen auch Berücksichtigung verdienen, ausgedehnt werden würde. Die Bestimmungen des in der Rede stehenden Patentsentwurfes für Ungarn hätten auch auf die dermalen einen politischen Bezirk des Königreichs Kroatien bildende Murinsel (Bezirk Čakathurn) Anwendung zu finden9. || S. 326 PDF || Wenn diese Bestimmungen die Ah. Genehmigung Sr. Majestät für die oben genannten Kronländer erhalten haben werden, wird der Minister des Inneren dieselben auf das Kronland Siebenbürgen mit Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse dieses Landes adaptieren und zur Ah. Schlußfassung vodegen10
Die Ministerkonferenz fand gegen die obigen Anträge des Ministers des Inneren nichts zu erinnern11.
II. Revision des österreichischen Zolltarifs (= Sonderprotokoll Nr. 160)
Der Minister der Finanzen und des Handels Ritter v. Baumgartner referierte hierauf über den korrigierten österreichischen allgemeinen Zolltarif, worüber ein besonderes Protokoll aufgenommen worden ist12.
Wien, am 14. September 1853. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz ]oseph. Olmütz, 23. September 1853.