Nr. 154 Ministerkonferenz, Wien, 20. August 1853 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 20. 8.), Bach 30. 8., Thun, Baumgartner 31. 8.; abw.abwesend K. Krauß.
MRZ. – KZ. 3441 –
- I. Organisierung der Bezirksämter in Kärnten
- II. Organisierung der Bezirksämter in Krain
- III. Organisierung der Bezirksämter in Salzburg
- IV. Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz in Kroatien und Slawonien
- V. Organisierung der Oberlandesgerichte in Lemberg und Krakau
- VI. Gouverneursloge im Triester Theater
- VII. Rekurs gegen Oberlandesgerichtsentscheidungen im summarischen Verfahren
- VIII. Rechtsstellung der Juden
- IX. Realschule für SüdtiroI
- X. Pension für die Professorswitwe Mathilde Doppler
- XI. Dienstposten für pathologische Chemie an der Universität Krakau
- XII. Unterrichtssprache an der Universität Krakau
- XIII. Rangansprüche der Kultus- und Unterrichtsreferenten bei den politischen LandessteIlen
- XIV. Begutachtung des Studienplans durch den Pester Akademischen Senat
Protokoll der zu Wien am 20. August 1853 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein. Der Minister des Inneren referierte über die Organisierungsanträge.
I. Organisierung der Bezirksämter in Kärnten
Für die Bezirksämter in Kärnten, welches 28 Bezirke mit 27 gemischten Bezirksämtern und einem politischen Amte zusammen mit einem Personalstande von 229 Individuen und einem Aufwande von 106.338 fr. erhalten würde1.
II. Organisierung der Bezirksämter in Krain
Für die Bezirksämter in Krain. Dieses Kronland hätte 30 Bezirke zu umfassen; in 28 Bezirken wären gemischte Bezirksämter, in zwei, nämlich im Bezirke Neustadtl und Umgebung von Laibach, für welche Städte Gerichtshöfe erster Instanz beantragt sind, politische Bezirksämter zu errichten. Der Gesamtpersonal- und Salarialstatus wurde mit 265 Individuen und 123.704 fr. beantragt2.
III. Organisierung der Bezirksämter in Salzburg
Für die Bezirksämter im Herzogtume Salzburg, wornach in diesem in 20 Bezirke abzuteilenden Kronlande 19 gemischte und ein politisches Bezirksamt mit einem Personale von 130 Individuen und einer Beköstigung von 65.984 fr. jährlich zu bestehen haben würden3.
IV. Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz in Kroatien und Slawonien
Statt des Justizministers4 über die Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz in Kroatien und Slawonien. Ein Landesgericht in Agram zugleich als Berggericht für Kroatien, dann drei Kreisgerichte in Essek, Warasdin und Fiume, letzteres zugleich als Seegericht für das kroatische Küstenland, mit 152 Individuen und 104.378 fr. an Bezügen würden hiernach bestellt werden5.
V. Organisierung der Oberlandesgerichte in Lemberg und Krakau
Statt des Justizministers über die Systemisierung des Personal- und Besoldungsstandes für die Oberlandesgerichte zu Lemberg und Krakau. Ersteres würde hiernach einen Gesamtstatus von 52 Individuen mit 75.132 fr., letzteres von 31 Personen mit 43.066 fr. jährlich erhalten.
Gegen diese Anträge wurde von keiner Seite etwas eingewendet6.
VI. Gouverneursloge im Triester Theater
Der Minister des Inneren referierte über die Meinungsdifferenz, welche laut seines Vortrags vom 12. August 1853, KZ. 3339, MCZ. 2695, zwischen ihm und dem Finanzminister in betreff der vom Militär- und Zivilgouverneur in Triest angesuchten Bestreitung einer Loge im dortigen Theater aus dem Staatsschatze obwaltet. Der Minister des Inneren glaubte, seinen Antrag dafür aus Rücksichten der Dezenz und der nicht allzu reichlichen Dotation dieses Gouverneurs (18.000 f. im ganzen) rechtfertigen zu können, wogegen der Finanzminister keinen haltbaren Grund aufzufinden vermochte, eine fortlaufende Auslage auf das Ärar hierwegen zu übernehmen, nachdem die Anwesenheit Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Ferdinand Maximilian, Höchstwelchem Graf Wimpffen die Staatsloge abgetreten hat, in Triest oft unterbrochen und alsdann auch die Loge wieder zur Verfügung des Gouverneurs gestellt ist.
Die Entscheidung hierüber dem Allerhöchsten Ermessen Ew. Majestät anheimstellend vereinigte sich die Konferenz in dem vom Minister des Inneren dahin modifizierten Antrage: daß dem Begehren des Gouverneurs für ein Jahr gewillfahrt, sohin aber aufgetragen werde anzugeben, ob das Hindernis der Benützung der Loge durch ihn behoben sei oder nicht7.
VII. Rekurs gegen Oberlandesgerichtsentscheidungen im summarischen Verfahren
Der Minister des Inneren referierte statt des Justizministers über den Vortrag vom 12. August 1853, KZ. 3367, MCZ. 2709, wegen Erlassung einer Erläuterung, daß gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts in summarischen Prozessen, || S. 292 PDF || durch welche das Verfahren in erster Instanz aufgehoben und ein neues angeordnet wurde, ein abgesonderter Rekurs zulässig seia .
Sowohl der referierende Minister als auch die übrigen Stimmführer der Konferenz teilten die Ansicht des Justizministeriums und waren daher für die Zulassung abgesonderter Rekurse in den in Rede stehenden Angelegenheiten8.
VIII. Rechtsstellung der Juden
Über die Regulierung der Verhältnisse der Juden in den verschiedenen Kronländern ist vom betreffenden Referenten beim Ministerium des Inneren ein umfassendes Elaborat geliefert worden, um dessen Vortrag in der Konferenz es sich handelt9. Nachdem dasselbe aber sehr umfangreich und detailliert ist, so glaubte der Minister des Inneren, daß dasselbe vorerst in einem Komitee aus Abgeordneten der einschlägigen Ministerien und der Obersten Polizeibehörde beraten werden sollte, zu welchem Ende er es lithographieren lassen und an die betreffenden Ministerien mit der Einladung zu dem gedachten Komitee verteilen wird. Die Konferenz stimmte bei10. Wegen der noch beim Justizministerium anhängigen Verhandlung über die Maßregeln zur Ordnung der jüdischen unbeweglichen Güterbesitzfähigkeitsangelegenheit erläßt der Minister des Inneren unter einem die Einladung zur baldigen Mitteilung des Resultats an das abgedachte Ministerium11.
IX. Realschule für SüdtiroI
Der Unterrichtsminister referierte über die Frage, in welcher der beiden Städte, Trient oder Roveredo, die infolge Ah. Entschließung für Südtirol genehmigte Realschule errichtet werden soll12. Für Trient wird angeführt, daß es größer und volkreicher (mit 14.000 Einwohner) als Roveredo (mit 8000) sei, daß es im Zentrum des Landes liege und eine wohlhabendere Bevölkerung beherberge. Für Roveredo, daß dessen Umgebung reicher und industrioser, besonders in der Seidenkultur, sei, daß die Gemeinde den namhaften Beitrag von 30.000 fr. und die Lokalitäten zu der Schule widmen wolle, als Sitz einer gelehrten Gesellschaft der Hauptort der literarischen Tätigkeit des Landes seib, auch bei Einrichtung des Obergymnasiums Opfer gebracht habe und schon unter der italienischen Regierung zum Sitze einer ähnlichen Schule bestimmt war. Der Kreispräsident in Trient spricht sich für diese Stadt, der Statthalter für Roveredo aus13. Auch der Handels- und der Unterrichtsminister haben gefunden, daß wichtigere Rücksichten für Roveredo sprechen als für Trient.
Der Unterrichtsminister stellte daher den Antrag auf die Wahl Roveredos, und sämtliche Stimmführer der Konferenz traten diesem Antrage bei14.
X. Pension für die Professorswitwe Mathilde Doppler
Die zwischen dem Unterrichtsminister, laut dessen Vortrag vom 18. August 1853, KZ. 3480, MCZ. 2802, und dem Finanzministerium bestehende Meinungsdifferenz über die Pensionsbehandlung der Wiener Universitätsprofessorswitwe Mathilde Doppler und ihrer fünf Kinder wurde durch die Erklärung des Finanzministers behoben, daß er aus den im Vortrage entwickelten Gründen dem Antrage des Unterrichtsministers auf eine Pension von 400 fr. für die Witwe und einen Erziehungsbeitrag von 80 f. für jedes Kind beitrete.
XI. Dienstposten für pathologische Chemie an der Universität Krakau
Mit dem Vortrage vom 18. August 1853, KZ. 3481, MCZ. 2803, bringt der Unterrichtsminister die Anstellung eines pathologischen Chemikers mit 600 fr. Gehalt an der medizinischen Fakultät in Krakau in der Person des Dr. Vincent Kleczinski, dann für das chemisch-pathologische Laboratorium pro 1853 eine Dotation von 200 fr., für die künftigen Jahre eine Dotation von jährlich 150 fr. bzw. 100 fr. in Antrag. Das Finanzministerium erklärte sich vorderhand gegen diese neue Belastung des Staatsschatzes. Nachdem jedoch der Finanzminister heute die Wichtigkeit eines solchen Instituts für die Klinik anerkannt und sich || S. 294 PDF || für den Antrag des Unterrichtsministers ausgesprochen hat, so behebt sich hiermit die zwischen den beiden Ministerien obwaltende Differenz.
XII. Unterrichtssprache an der Universität Krakau
Bei einer Semestralsitzung des Akademischen Senats in Krakau ist der Antrag gestellt worden, die deutsche Sprache statt der bisherigen polnischen als Unterrichtssprache einzuführen, und durch Stimmenmehrheit – jedoch mit einigen Einschränkungen – angenommen worden. Als Hauptmotiv wurde die Abnahme der Zahl der Studierenden an dieser Universität angeführt, indem die meisten Eltern ihre Söhne, um ihnen das Fortkommen im künftigen Staatsdienste zu erleichtern, auf deutsche Universitäten schicken. Auch der vielen Militärchirurgen wurde erwähnt, welche die medizinischen Studien daselbst hören möchten, jedoch wegen Unkenntnis der polnischen Sprache es nicht tun können15. Die zur Sprache gebrachten Modifikationen betreffen bei der juridischen Fakultät, daß die Vorträge über polnisches und französisches Recht fortan polnisch abgehalten werden dürfen und daß einigen Professoren, welche über Publica lesen, polnische Vorträge gestattet, endlich denjenigen Professoren, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, durch einige Jahre Zeit gelassen werde, sich fürs Deutsche auszubilden. Bei der medizinischen Fakultät: ebenfalls dieses letztere Zugeständnis für die zwei Professoren der Physiologie und Anatomie, dann die Beibehaltung der polnischen Sprache für die Veterinärkunde und Geburtshilfe, da diese Gegenstände zunächst für die Ausbildung von Kurschmieden und Hebammen auf dem Lande, also für Schüler aus dem Volke, bestimmt sind.
Der Landeschef hat sich zwar für die Einführung der deutschen Sprache ohne alle Einschränkungen ausgesprochen16. Dem Unterrichtsminister , welcher den Gegenstand hier zum Vortrag brachte, schien jedoch dies nicht angemessen, weil sonst die polnische Literatur sich ganz dem Einflusse der Regierung entziehen und höchstwahrscheinlich ausschließlich antiösterreichischen Tendenzen folgen würde. Er trug daher an, die Einführung der deutschen Sprache als Unterrichtssprache an der Krakauer Hochschule in thesi und nach Maßgabe des praktischen Bedürfnisses zu genehmigen, ohne die Zulässigkeit polnischer Vorträge ganz auszuschließen. Hiernach wären bei der Juristenfakultät alle Hauptfächer, welche Gegenstand der Staatsprüfung sind, in deutscher Sprache zu lehren, polnisches und französisches Recht fortan in polnischer Sprache vorzutragen, || S. 295 PDF || und denjenigen Professoren, welche über Publica lesen, zu gestatten, neben den deutschen auch polnische Vorträge zu halten; bei der medizinischen Fakultät: die Abhaltung polnischer Vorlesungen über Veterinärkunde und Geburtshilfe zuzulassen, endlich bei der philosophischen als Regel festzusetzen, daß die Vorträge über Naturwissenschaften, Geschichte und Philosophie deutsch gehalten, jedoch auch mit Bewilligung des Ministeriums ein oder anderes Kollegium neben dem Deutschen in polnischer Sprache gelesen werde. Was die Professoren betrifft, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so wäre ihnen, wenn sie deutsche Kollegien zu halten haben, vorderhand noch einige, etwa drei, Jahre die Fortsetzung ihrer Vorträge in polnischer Sprache zu gestatten, da es hart wäre, sie nun ohne weiteres dieses Mangels wegen vom Lehramte zu entfernen.
In der Hauptsache war die Konferenz mit diesen Anträgen einverstanden; in Absicht auf das letzterwähnte Zugeständnis aber bemerkten die Minister des Inneren und der Finanzen , daß, nachdem bei der medizinischen Fakultät gerade die beiden allerwichtigsten Materien, Physiologie und Anatomie, von der deutschen Sprache nicht mächtigen Professoren gelehrt werden, es von dem größten Interesse für den Unterricht sei, das Provisorium nicht so lange dauern zu lassen, vielmehr diese Professoren entweder anzuhalten, lateinische Vorlesungen zu geben, welche auch von deutschen Studenten verstanden werden, oder durch Aufstellung von deutschlesenden Adjunkten oder Dozenten dem dringenden Bedürfnisse des Unterrichts abzuhelfen. Auf die Entgegnung des Unterrichtsministers , daß doch nicht sogleich mit der Entfernung dieser in ihren Fächern ausgezeichneten Lehrer vorgegangen werden könnte und es auch nicht leicht sein wird, sogleich ganz geeignete deutsche Dozenten zu finden, auch zu hoffen sein dürfte, daß Professoren, welche, wie z. B. Majer von der Physiologie, doch etwas Deutsch können, etwa in einem Jahre sich darin so ausbilden werden, um in der Folge Deutsch tradieren zu können, vereinigte man sich in dem Antrage, den Professoren der Frage die Fortsetzung ihrer Vorlesungen in polnischer Sprache noch im nächsten Jahre zu erlauben, nach dessen Ablauf sich zeigen wird, ob sich diese Hoffnung realisiert hat oder ob zur Anstellung anderer Lehrer geschritten werden muß. Der Minister des Inneren glaubte insbesondere, daß dieses letztere den gedachten Professoren ausdrücklich zu erklären wäre17.
XIII. Rangansprüche der Kultus- und Unterrichtsreferenten bei den politischen LandessteIlen
Der Kultus- und Unterrichtsminister ersuchte den Minister des Inneren um die Mitteilung, welche politischen Landesstellen bereits organisiert sind, || S. 296 PDF || und um die Verfügung, daß den im wechselseitigen Einvernehmen zu bestellenden Kultus- und Unterrichtsreferenten, insofern sie aus den schon angestellten oder aus Ministerialsekretären höherer Kategorie gewählt werden, durch die mittlerweile etwa erfolgende Besetzung der anderen Statthalterei- oder Regierungsratsstellen in ihren Rangansprüchen kein Nachteil erwachse. Der Minister des Inneren sicherte eine schriftliche Äußerung hierüber zu, mit dem Bemerken jedoch, daß, da mit der Besetzung nicht bis zur Ernennung der Kultusreferenten gewartet werden kann, denselben ihr Rang einstweilen vorbehalten werden dürfte18.
XIV. Begutachtung des Studienplans durch den Pester Akademischen Senat
Durch ein Mißverständnis ist es geschehen, daß dem Pester Akademischen Senate das Gutachten über die neue Studieneinrichtung abgefordert wurde. Da dies keineswegs in der Absicht des Ministeriums gelegen war, so ersuchte der Unterrichtsminister den Minister des Inneren um die Verfügung der Zurücknahme des diesfälligen Auftrags, worauf der letztgenannte Minister die Einleitung zusagte, daß der Senat im Wege der Statthalterei in Ofen von der Erstattung jenes Gutachtens enthoben werde19.