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Nr. 625 Ministerrat, Wien, 9. Februar 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 10. 2.), Bach 13. 2., Thinnfeld 10. 2., Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner 10. 2.; abw. Stadion.

MRZ. 417 – KZ. 637 –

Protokoll der am 9. Februar 1852 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

[I.] Organisierung der Bezirksämter (4. Beratung)

Fortsetzung der Beratung über die Einrichtung des Bezirksamtes und dessen Wirkungskreis1.

Der referierende Minister Dr. Bach las den nun an die Reihe gekommenen § 15 vor und erklärte sich für die Beibehaltung der darin enthaltenen Bestimmungen nach dem Antrage der Mehrheit der Kommissionsglieder, nämlich, daß für den Bezirkshauptmann jedenfalls die Befähigung der politischen Amtsgeschäfte erforderlich sei und daß bei dem Bezirksamte II. Klasse der Bezirkshauptmann auch die Richteramtsbefähigung haben müsse etc., und für die Verwerfung des Minoritätsantrages der Repräsentanten des Justizministeriums, welche wollen, daß mit Ausnahme des ersten Besetzungsaktes auch jeder Bezirkshauptmann bei den Ämtern der I. Klasse die Richteramtsbefähigung habe.

Der Minister Dr. Bach bemerkte, daß die Bezirkshauptmänner I. Klasse und die auf diese Posten Aspirierenden auch ohne eine solche ausdrückliche Bestimmung in diesem Paragraphe sich in der Folge für das Richteramt, ihres eigenen Vorteils wegen, befähigen werden; die Bezirkshauptmänner II. Klasse müssen schon jetzt diese Befähigung haben, und da diese sich in der Zukunft wohl auch um die Bezirkshauptmannsposten I. Klasse bewerben werden, so könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die Bezirkshauptmänner I. Klasse in der Folge für beide Linien qualifiziert sein werden; die Praxis werde es machen, daß die Bezirkshauptmänner I. Klasse nach einigen Jahren beide Befähigungen haben werden. Gegenwärtig aber, wo so viele jetzige Bezirkshauptmänner und ehemalige Kreisamtsbeamte zu unterbringen sein werden − und in nächster Zukunft – könne diese Qualifikation nicht gefordert werden, weil sonst alle jetzt Angestellten die Dispens von diesem Erfordernisse erhalten müßten und nur die eigentlichen Justizbeamten anstellbar wären. Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach dürfte es bis dahin, wo sich die oberwähnte Praxis herausgebildet haben wird, genügen, daß nur ein Beamter bei dem Bezirksamte I. Klasse vorhanden sei, der die strenge richterliche Qualifikation habe.

Der Justizminister Ritter v. Kraus sprach sich dagegen für die Aufnahme der Bestimmung in diesen Paragraphen aus, daß auch der Bezirkshauptmann I. Klasse die Befähigung zum Richteramte habe.|| S. 540 PDF ||

Für diese Bestimmung spreche schon die voraussichtliche Menge der Geschäfte, womit die Justizbeamten überhäuft sein werden, während die politischen Beamten bei den Bezirksämtern weniger zu tun haben dürften. In den Grundzügen vom 31. Dezember 1851 2 werde gesagt, daß in der inneren Einrichtung der Bezirksämter nach Umständen ein eigener Gerichts- oder politischer Beamter zugeteilt werden könne, was die beiderseitige Befähigung voraussetze. Überhaupt sei es nicht bloß wünschenswert, sondern notwendig, daß der Amtsvorsteher für beides qualifiziert sei, und wenn man schon von dem ihm untergeordneten Richter diese Qualifikation fordert, so könne man sie umso mehr von dem ihm vorgesetzten Amtsvorstande ansprechen.

Nach der Ansicht des Justizministers sollten die Bezirksämter so eingerichtet werden, daß jeder fähig sei, überall zuzugreifen, und daß insbesondere der Vorstand fähig sei, das ganze Amt zu übersehen.

Die Pfleger, bemerkte der Justizminister weiter, haben in beiden Linien geprüft sein müssen, und es haben sich keine Schwierigkeiten dabei ergeben.

Der Minister Graf Thun erklärte sich gegen das Prinzip, daß der Bezirkshauptmann jetzt oder in Zukunft die Qualifikation zum Richteramte habe. Es sei genügend, wenn er in politischen Geschäften gut bewandert ist und das gehörig administriert, was früher die Wirtschaftsämter gehabt haben (Verlassenschaften, Vormundschaften etc.). Nach seiner Ansicht wäre es ersprießlich, die beiden Sphären, mit Zuweisung eines bestimmen Personals für jede, zu scheiden und nicht zu streben, die Gerichtsbeamten in die politische Sphäre hineinzuziehen.

Die Minister Ritter v. Baumgartner und v. Thinnfeld halten es zwar nicht für notwendig, aber doch jedenfalls für wünschenswert auszusprechen, daß der Bezirkshauptmann I. Klasse die Befähigung zum Richteramte habe.

Der Minister Dr. Bach würde aber nicht einmal diesen Wunsch aussprechen, indem nach seiner Überzeugung es sich in der Praxis von selbst machen werde. Derselbe bemerkte hier weiter, es sei nicht zu leugnen, daß die politischen Beamten sich für den Verwaltungsdienst mehr eignen als die Justizbeamten, welche asich in der Regel mehr als Vollzieher des gegebenen Gesetzes als die Diener und Vollzieher des kaiserlichen Willens betrachtena . Eben deshalb habe man die Bezirksämter mehr als politische Ämter mit verwaltender Tätigkeit der Verwaltung hingestellt und sie Bezirksämter und nicht Bezirksgerichte genannt.

Nach längerer Besprechung über die Bestimmungen des § 15 brachte der Ministerpräsident zuerst den Minoritätsantrag, nämlich das Amendement der Repräsentanten des Justizministeriums, daß nämlich – mit Ausnahme des ersten Besetzungsfalles – auch jeder Bezirkshauptmann bei den Ämtern der I. Klasse die Richteramtsbefähigung haben solle, zur Abstimmung.

Gegen die Annahme dieses Amendements sprachen sich die Minister Dr. Bach, v. Thinnfeld, Graf Thun und Ritter v. Baumgartner, also die Majorität aus, während für die|| S. 541 PDF || Adoptierung desselben nur die Minister Ritter v. Krauß und Freiherr v. Csorich stimmten.

Für die hierauf weiter zur Abstimmung gebrachte Aufnahme des Ausspruches, nach welchem es als wünschenswert erklärt werden soll, daß auch der Bezirkshauptmann I. K lasse die Befähigung zum Richteramte habe, erklärten sich die Minister Ritter v. Krauß, v. Thinnfeld, Freiherr v. Csorich und Ritter v. Baumgartner, daher die Majorität.

Die Minister Dr. Bach und Graf Thun stimmten gegen die Aufnahme dieser Bestimmung.

Nach dem Majoritätsbeschlusse wird nun nach dem zweiten Absatze des § 15 folgender Satz eingeschaltet: „Jedenfalls erscheint es wünschenswert, daß der Bezirkshauptmann I. K lasse die Befähigung zum Richteramte habe“, welchem Satze die Minister Dr. Bach und v. Thinnfeld noch die Worte „für die Zukunft“ eingeschaltet zu sehen wünschen.

Nach dem hierauf abgelesenen § 16 bemerkte der Justizminister , daß er bei dem Antrage der Repräsentanten seines Ministeriums, welche in Konsequenz der bei § 15 für alle Bezirkshauptmänner begehrten Richteramtsbefähigung bei den Ernennungen der Bezirkshauptmänner I. Klasse gleichfalls die entscheidende Einflußnahme der Justizbehörden beanspruchen, mit Rücksichtnahme auf den zum § 15 gefaßten Beschluß beharren müsse.

Hiernach wäre bei Ernennung der Bezirkshauptmänner nicht bloß der II. sondern auch der I. Klasse das Einvernehmen zwischen den Ministerien des Inneren und der Justiz zu pflegen. Wollte man dieses nicht, so würde es der Justizminister in Wahrung seines Wirkungskreises für angemessen halten, die politischen Beamten von den Justizbeamten zu trennen und die Ernennung der letzteren und die Ausfertigung der betreffenden Dekrete dem Justizminister zu überlassen.

Die Minister Dr. Bach, Edler v. Thinnfeld und Graf Thun erklärten sich für die Beibehaltung des Paragraphes, wie er angetragen ist, daß nämlich die Ernennung zu Bezirkshauptmannsstellen bei Bezirksämtern I. Klasse dem Ministerium des Inneren ohne weitere Rücksprache und bei Bezirkshauptmännern II. Klasse über vorläufiges Einvernehmen mit dem Justizministerium zustehe. Die Bezirksämter II. Klasse sind nämlich ein gemischtes Amt, bei denen die Ernennungen gemeinschaftlich, jedoch mit Wahrung des vorwaltend politischen Charakters zu geschehen hat.

Der Minister Ritter v. Baumgartner schloß sich dieser Ansicht mit der Beschränkung an, daß zwar die Ernennung der Bezirkshauptmänner I. Klasse vom Minister des Inneren ohne Einvernehmen und der Bezirkshauptmänner II. Klasse über Einvernehmen mit dem Justizminister, die Ernennung der Justizbeamten aber bei den Bezirksämtern I. K lasse von dem Justizminister im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren zu geschehen habe.

Dieser Ansicht trat sohin die Stimmenmehrheit des Ministerrates (die Minister Ritter v. Krauß, Edler v. Thinnfeld, Graf Thun, Freiherr v. Csorich und auch der Ministerpräsident) bei, welcher sonach zum Ratsbeschlusse erwuchs. Nur der Minister des Inneren erklärte, bei seiner obigen Meinung zu beharren.

Bei dem hierauf zur Sprache gekommenen dritten Absatze des § 16 bemerkte der Finanz- und Handelsminister Ritter v. Baumgartner , daß es wünschenswert sei,|| S. 542 PDF || sich hier über ein Prinzip zu einigen, nach dessen Annahme sich so manches andere von selbst entwickeln würde. Bei den Bezirksämtern bestehen dreierlei Beamte: politische, Justiz- und Finanzbeamte. Nach seiner Ansicht wäre die Ernennung der politischen Beamten im Prinzipe den politischen Behörden, die Ernennung gemeinschaftlicher Beamten dem Einvernehmen der einschlägigen Behörden und die Ernennung von Beamten, welche nicht gemeinschaftlich und nicht politisch sind, wie die Steuerbeamten, welche der Finanzlandesbehörde und dem Finanzministerium unterstehen, der Finanzbehörde oder den Statthaltern als Vorstand der Steuerlandesbehörde zu überlassen, dieser, wenn nicht der Statthalter zugleich Vorsteher der Finanzlandesbehörde ist, im Einvernehmen mit der politischen Landesbehörde. Dort, wo im Lande die Vereinigung der Ansichten der Behörden über einen Besetzungsfall nicht stattfände, wäre die Sache an das Finanzministerium zu leiten, welches sich weiter mit dem Ministerium des Inneren in das Einvernehmen setzen würde. Die leitende Idee ist, daß jedem Ministerium das Seinige gewahrt werde, daß aber jedes die erforderliche weiter Rücksprache mit dem Ministerium des Inneren pflege. Die innere Verschmelzung des Bezirksamtes würde darunter nichts leiden, der Bezirkshauptmann bliebe dabei immer die erste Person und würde das Amt leiten. So wenig es dienstschädlich ist, daß der Statthalter unter jedem Ministerium, katexochen aber unter dem Ministerium des Inneren steht, eben so wenig wäre ein Dienstnachteil aus dem gedachten Antrage des Ministers Ritter v. Baumgartner zu besorgen.

Der Minister v. Bach erklärte sich damit nicht einverstanden. Bis jetzt bestanden drei verschiedene erste Ämter, das Bezirksamt, das Bezirksgericht und das Steueramt, was für die Zukunft aufhören und dafür nur ein gemeinschaftliches Bezirksamt ins Leben treten soll. Nicht die einzelnen Beamten dependieren, sondern das ganze Amt als solches. Das ganze Bezirksamt untersteht dem Statthalter. Die Divergenz, welche auch bei der Disziplinarbehandlung der Beamten große Schwierigkeiten haben dürfte, hat man vermeiden wollen.

Bei der vorgenommenen Abstimmung vereinigte sich mit dem Minister Bach nur der Minister v. Thinnfeld, während die übrigen Stimmführer, sohin die Majorität, dem Antrage des Ministers Ritter v. Baumgartner beitraten.

Diesem Beschlusse gemäß wurde der vierte Absatz des § 16 dahin modifiziert: „Bei Meinungs­verschiedenheit ist vorläufig die Entscheidung des Ministeriums der Finanzen einzuholen, welches mit dem Ministerium des Inneren Rücksprache nimmt.“

Bei dem fünften Absatze, der Ernennung der Grundbuchsführer sowie der Bezirksadjunkten und Aktuare, nahm der Justizminister , konsequent mit dem vorerwähnten Beschlusse, weil diese Beamte Justiz- oder gemischte Beamte sind, auch den Einfluß der Justizbehörden in Anspruch.

Der Minister des Inneren erklärte sich dagegen, weil für das Grundbuch, das Waisenamt etc. nicht juridisch gebildete Männer erforderlich sind, sondern, wie die Erfahrung es vielfältig bestätige, nur Individuen, welche die spezielle Eignung für diese Geschäfte im zureichenden Grade besitzen.

Bei der Abstimmung über diesen Punkt traten dem Minister Dr. Bach die Minister Edler v. Thinnfeld, Freiherr v. Csorich, dann die Minister Graf Thun und Ritter v. Baumgartner , diese letzteren mit dem Beisatze bei, daß sie noch um einen Schritt || S. 543 PDF || weiter gehen und selbst das Einvernehmen mit dem Oberlandesgerichte in diesem Falle nicht für notwendig halten würden, wenn die Individuen sonst die erforderliche Qualifikation, welche die politischen Behörden beurteilen können, besitzen.

Hiernach ist das am Schlusse des § 16 sub II vorkommende Minoritätsvotum zum Beschlusse erwachsen3.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 17. Februar 1852.