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Nr. 624 Ministerrat, Wien, 7. Februar 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 7. 2.), Bach 13. 2., Thinnfeld 10. 2., Thun, Krauß, Baumgartner 10. 2.; abw. Csorich, Stadion.

MRZ. 407 – KZ. 636 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 7. Hornung 1852 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

[I.] Organisierung der Bezirksämter (3. Beratung)

Gegenstand der heutigen Beratung waren die §§ 9 bis 14 des Entwurfs über die Organisierung und den Wirkungskreis der lf. Bezirksämter1.

Zum § 9 ward auf Vorschlag des Justizministers statt des Satzes „insolange nicht von der Landesstelle eine andere Verfügung erfolgt“ folgende Form gewählt: „wenn nicht von der Landesstelle ein im Range höherer Beamter bestellt wird“, damit nicht etwa einer Landesstelle beifalle, einen dem Bezirksrichter im Range nachgehenden Beamten als Vertreter des Bezirkshauptmannes zu bestimmen; auch wurde nach dem Vorschlage des Finanzministers beliebt, diesen Zwischensatz erst am Ende des Paragraphes anzuhängen.

Der zweite Absatz des § 10 wurde vom Justizminister bezüglich der Justizbeamten für illusorisch erklärt. Bei der schon in der Sitzung vom 4. d. [M.] sub IV. dargestellten Masse der Justizgeschäfte und bei den hier beabsichtigten Ersparungen im Personalstande wäre es rein unmöglich, die Justizbeamten des Bezirksamtes auch noch zu anderen Geschäften zu verwenden. Der Justizminister müßte vielmehr hier wiederholt darauf zurückkommen, daß das Justizpersonale ausschließlich für den Justizdienst verwendet und nebst dem Bezirksrichter ein eigener Aktuar, ein Gerichtsdiener und die notwendigen Schreiber für die Justizpflege bestimmt werden.

Der Kultusminister , welcher sich übrigens einige allgemeine Bemerkungen über den ganzen Entwurf vorbehielt, erklärte hier, den Antrag des Justizministers insofern für wohlbegründet erkennen zu müssen, als die Justizgeschäfte in der hier vorausgesetzten Ausdehnung aufgefaßt werden. Allein, eben dieses schiene ihm nicht zweckmäßig, und er würde vorziehen, wenn auf die Einrichtung zurückgegangen würde, welche mit dem Hofdekrete vom 21. August 1788 in Ansehung der Ausübung der Gerichtsbarkeit durch Dominien und Herrschaften mittelst Teilung der Justizgeschäfte zwischen dem Wirtschaftsamte und dem Ortsgerichte getroffen worden ist2. Würde eine solche Teilung angenommen, wie es in der Tat der leitende Gedanke bei Errichtung gemischter lf. erster Instanzen gewesen sein muß, so wird auch die Bestimmung des zweiten Absatzes des § 10 rücksichtlich der Justizbeamten sich für ausführbar erkennen lassen.

Der Justizminister entgegnete, daß das Hofdekret vom 21. August 1788 hier keine Anwendung mehr finden könne. Es sei zu einer Zeit erlassen worden, wo das ABGB.|| S. 536 PDF || nicht bestand, welches die dort den Wirtschaftsämtern übertragenen Amtshandlungen ausdrücklich den Gerichten zugewiesen hat. An diesem System kann jetzt nichts geändert werden, und somit muß auch die gemischte Behandlung der Justizgeschäfte in kontentiosen und adeligen Richteramtssachen umso mehr entfallen, als die nur auf das damals untertänige Bauernvolk berechneten, im Interesse der Dominien gegebenen Bestimmungen des gedachten Hofdekrets teils mit dem Aufhören des Untertänigkeitsverbandes ihre Bedeutung verloren, teils bezüglich der Städtebewohner, Herrschaftsbesitzer, Adeligen, Geistlichen etc. aund bei kaiserlichen Gerichtena niemals Anwendung gefunden haben. b Über erhobene Zweifel, ob und wie die Übertragung der Justizgeschäfte an die Wirtschaftsämter mit den Anordnungen des bürgerlichen Gesetzbuches vereinbarlich seien, wurde mit Ah. Hofdekret vom 24. März 1825, Z. 20823, erklärt, es sei den Dominien zu überlassen, unter ihrer Haftung dafür zu sorgen, daß die Geschäfte, in Ansehung welcher das Wirtschaftsamt „die Gerichtsbehörde zu vertreten hat, an welche das ABGB. solche Geschäfte verweiset, durch einen Beamten erledigt werden, der die Fähigkeit besitzt, die darüber in dem ABGB. enthaltenen Vorschriften in Anwendung zu bringen; da das obrigkeitliche Amt jedes Dominiums ohne Unterschied, durch welche Organe dasselbe seine Gerichtsbarkeit in und außer Streitsachen ausüben läßt, als das einzige Ortsgericht zu betrachten ist, an welches sowohl die Parteien als das Obergericht sich zu halten haben“.

Aus dem Vorausgelassenen erhellet, daß die Trennung der Justizgeschäfte in streng juridische und nicht juridische eine willkürliche, durch kein Gesetz bestimmte, dem ABGB. ganz unbekannte Scheidung ist und daß man itzt auf eine dem itzigen Verhältnissen nicht angemessene Teilung der Justizgeschäfte nicht mehr zurückkommen könne, sondern den geprüften Justizbeamten die Behandlung der Justizgeschäfte im ganzen Umfange überlassen müsse.

Der Kultusminister erwiderte zwar, daß die Bestimmungen des Hofdekrets von 1788 auch nach dem Jahre 1812 trotz des ABGB. bis 1848 in Anwendung geblieben sind, mithin dieses Gesetz ein Hindernis nicht sein könne; auch der Minister des Inneren bestätigte, daß der Idee der gemischten lf. ersten Instanzen allerdings auch die Teilung der Geschäfte in der besprochenen Weise zum Grunde liege, so wie sie schon aus dem Begriffe der organischen Einheit des Bezirksamts fließe. Indessen werde diese Frage füglicher dann erörtert und gelöst werden können, wenn es sich um die Feststellung des Wirkungskreises der Bezirksämter handeln wird.

Zum dritten Absatz des § 10 ward die vom Justizminister angetragene Hinweglassung des Satzes „mit Ausnahme der im § 5 und 6 erwähnten Beamten“ angenommen, weil sonst eine besondere Bestimmung darüber erforderlich wäre, wer diesen Beamten den achttägigen Urlaub zu erteilen berechtigt sein soll. Auch muß ja dem Bezirkshauptmann als Chef des Amtes wenigstens diese Befugnis auch rücksichtlich der in §§ 5 und 6 erwähnten Beamten zustehen.|| S. 537 PDF ||

Im § 12 ward über Antrag des Ministers für öffentliche Bauten die Verpflichtung der Baubeamten zur Befolgung der Anordnungen der Bezirksämter durch den Beisatz „der administrativen Anordnungen“ näher bezeichnet, weil in technischer Hinsicht eine solche Verpflichtung nicht bestehen kann.

Im § 13 beantragte der Finanzminister die Hinweglassung des Schlusses „und insolange dies nicht tunlich, ein verhältnismäßiges Quartiergeld“, um alles Zweifelhafte und Schwankende zu beseitigen; es ist hinreichend, wenn bestimmt wird, daß der Bezirkshauptmann freie Wohnung zu genießen hat.

Was den zweiten Absatz des Paragraphes wegen der Notariats- etc. Gebühren betrifft, so trat der Justizminister dem Minoritätsgutachten der Kommission auf Streichung dieses Absatzes bei, weil – abgesehen von allen materiellen Gründen – die Frage, ob die Notare auf dem Lande einzugehen haben, erst in der Verhandlung ist4.

Der Ministerrat nahm keinen Anstand, dem Antrage beizutreten, daß dieser Absatz hier wegbleibe.

In betreff des Personal- und Besoldungsstandes der Bezirksämter (Beilage ad § 13) kam man – nach längerer Deliberation – zu dem Beschlusse, die Besoldung der Bezirkshauptleute mit 1200, 1100 und 1000 f., jene der Bezirksrichter mit 1000, 900 und 800 f. in der Art zu systemisieren, daß in jedem Kronlande nur zwei Gehaltsstufen bestehen und deren Kategorien von 1200 und 1100 oder 1100 und 1000 f. je nach den Teuerungsverhältnissen der Länder bestimmt werden sollen.

Für den Aktuar beantragte der Justizminister nebst der X. Diätenklasse eine Besoldung von c600 f., wenigstensc 500 f., weil die angetragenen 400 f. außer allem Verhältnisse zu der angestrengten Dienstleistung und vorausgegangenen mehrjährigen, meist unentgeltlichen Verwendung dieses Beamten stehen dund es doch nicht zulässig ist, einen solchen Beamten geringer zu besolden, als einen Türsteher oder Kanzlistend . Der Minister für Landeskultur trat diesem Antrage bei.

Der Minister des Inneren und mit ihm die übrigen, also mehreren Stimmen aber erklärten sich für die Beibehaltung der im Schema angesetzten 400 f., indem dieser Gehalt für eine erste Anstellung, besonders auf dem Lande als hinreichend angesehen werden kann und höhere Gagen in der Regel den Sporn, Beförderung zu suchen, benehmen.

Gegen die übrigen Ansätze im vorliegenden Schema ergab sich keine Erinnerung.

Was die in das Schema aufgenommenen Anmerkungen betrifft, so war man zu 3. mit Rücksicht auf den oben angenommenen Grundsatz, daß für die Bezirkshauptleute in jedem Kronlande nur zwei Gehaltsstufen bestehen sollen, einhellig der Meinung, daß statt der angetragenen Abteilung nach Sechsteln oder Neunteln die Hälfte der höheren, die andere Hälfte der minderen Gehaltsstufe einzureihen seien, daß sowohl die Bezirkshauptleute als die übrigen Beamten des Bezirksamtes für die Gehaltsabstufungen|| S. 538 PDF || angetragen sind, in jedem Kronlande in ihrer Kategorie einen Konkretalstatus zu bilden, und wo zwei Abstufungen sind, zur Hälfte in der höhern, zur Hälfte in der minderen, bei drei Abstufungen aber (wie bei den Kanzlisten) zu einem Drittel in der höchsten, einem Drittel der mittleren und einem Drittel in der untersten Stufe zu stehen haben sollen.

Zur Anmerkung 4. beantragte der Justizminister die Erhöhung der ad a) vorgeschlagenen Adjuten von 200 und 250 auf 300 f., damit nicht die Konzeptspraktikanten mit ihren Vorstudien und bei ihrer wirklich angestrengten Dienstleistung schlechter daran seien, als die Diurnisten und selbst als die Diener.

Der Minister für Landeskultur trat dem Antrage des Justizministers insofern bei, als zwei Kategorien, je nach den Preisverhältnissen in den verschiedenen Kronländern à 300 und 250 f. geschaffen würden.

Die übrigen, also mehreren Stimmen vereinigten sich aber mit dem Minister des Inneren für die Beibehaltung des im Schema gemachten Ansatzes.

Bei § 14 gab der Minoritätsantrag Anlaß, die Frage, ob die Vorrückung überhaupt, oder bei welchen Kategorien als graduell anzusehen sei, Anlaß zu einer längeren Besprechung, besonders in Ansehung der Bezirkshauptleute. Das Resultat war jedoch, daß man sich für die Beibehaltung des § 14 nach dem Majoritätsentwurf aussprach, weil die Gehaltsabstufungen selbst bei den höheren Dienstposten so gering sind (je um 100 f.), daß sie den Aufwand an Zeit nicht lohnen, der mit der Verhandlung über den jedesmaligen Besetzungsvorschlag verbunden ist. Übergehungen in einzelnen Fällen aus Strafe sind ohnehin nicht ausgeschlossen5.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 17. Februar 1852.