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Nr. 578 Ministerrat, Wien, 3. November 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 4. 11.), P. Krauß 8. 11., Bach 5. 11., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Thinnfeld, Kulmer.

MRZ. 3716 – KZ. 3798 –

Protokoll der am 3. November 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Donauschiffahrts- und Grenzberichtigungsvertrag mit Bayern

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner brachte A) den Schiffahrts-, dann B) den Grenzberichtigungsvertrag mit Bayern zum Vortrage1.

Ad A). Was zunächst die Regulierung der Schiffahrt auf der Donau und den Grenzflüssen Inn und Salzach betrifft, bemerkte der Minister, daß man sich beiderseits darüber geeinigt habe und der Vertrag zum Abschlusse bereits reif sei2.

Die wesentlichen hierbei verabredeten Punkte sind folgende:

a) Es sollen künftig keine Vorrechte für die Beschiffung der Donau bestehen, kein Privilegium diesfalls mehr erteilt werden; b) die Wasserzölle sollen auf bestimmte Größen ermäßiget werden; c) man will sich über die Festsetzung der Strom- und Hafenpolizei einigen und das ganze im Einvernehmen beider Staaten so ordnen, als wenn beide Ufer einem Staatsgebiete angehören würden; d) Österreich verpflichtet sich, den nicht österreichischen Schiffen, wenn sie das österreichische Gebiet betreten, dieselben Rechte einzuräumen, welche den österreichischen Schiffen zustehen, was auch vice versa von Bayern der Fall ist; e) hinsichtlich des gegenwärtig bestehenden Privilegiums der österreichischen Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft ist, wie Minister Ritter v. Baumgartner bemerkte, ein Separatartikel verabredet worden, nach welchem dieses Verhältnis fortdauert und die beiden Schiffahrtsgesellschaften (die bayerische und die österreichische) sich ausgleichen mögen, wie weit jede zu fahren berechtiget sein soll. Der Minister v. Baumgartner fände keinen Anstand zu bewilligen, daß nach Ablauf der Dauer des Privilegiums kein neues mehr verliehen werden soll. In der ersten Zeit des Aufkommens einer neuen Erfindung oder Unternehmung sind Privilegien allerdings gut, welche aber nach größerer Entwicklung der Industrie und des Handels nicht notwendig, ja in mehrfacher Beziehung nachteilig erscheinen; es sei daher zweckmäßig, daß Österreich indirekt ausspreche, das gedachte Privilegium nicht mehr verlängern zu wollen; f ) in Absicht auf die Kanalgebühren|| S. 319 PDF || (Gebühren auf künstlichen Wasserstraßen) behält sich jede Regierung das Recht vor, diese Gebühren nach Bedarf zu regeln, sie zu erhöhen oder zu ermäßigen; g) von österreichischer Seite hat man endlich den Wunsch ausgesprochen, daß hinsichtlich der Triftung auf den Flüssen Saalach und Salzach die österreichischen Untertanen das nämliche Recht haben sollen wie die bayerischen3. Dieser Gegenstand ist aber, wie der referierende Minister bemerkte, zum Abschlusse noch nicht reif, an sich von minderer Wichtigkeit und wird dem weiteren Übereinkommen zwischen den Anrainern vorbehalten.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß fand sich zu der Bemerkung veranlaßt, daß nach diesem Vertrage Waren, welche auf der Donau durch Österreich gesendet werden, also auf der leichteren Wasserstraße, transitozollfrei sein sollen, während sie doch bei dem Transporte auf den Eisenbahnen den Zoll zu entrichten haben. Bisher sei bei uns der Grundsatz festgehalten worden, den Transitozoll zu fordern, und eine Erleichterung oder Freiheit der Schiffahrt bedinge noch keine Änderung des Zollsystems. Nachdem wir jedoch gegen diese Freiheit wieder den Gewinn erzielen, daß unser Transit auf dem Inn zollfrei ist, und die Verhandlung sich in einem Stadium befindet, in welchem eine Änderung nicht mehr wohl tunlich ist, so wolle er diesen Punkt (welchen übrigens der Handelsminister bei Übernahme des Ministeriums so vorfand, wie er ist) nicht weiter beanständen.

Ferner bemerkte der Finanzminister, daß nach dem verabredeten Vertrage von beiden Staaten Aufsichtsabteilungen ihre Amtshandlungen pflegen dürfen. Die Aufsichtsschiffe sollen aber nicht berechtiget sein, auf dem Strome jemanden anzuhalten, außer in dem Falle, wenn er auf einer Verletzung der Strompolizeiordnung betreten wird, in welchem Falle den Wachtschiffen Folge zu leisten ist. Diese Textierung, meint der Finanzminister, könnte zu Unzukömmlichkeiten, Widersetzlichkeiten, überhaupt zu unangenehmen Auftritten Veranlassung geben. Nach seiner Meinung wäre der Textierung die Deutung zu geben, daß den Wachtschiffen jedenfalls Folge zu leisten ist, wenn es sich aber zeigt, daß kein hinreichender Grund zur Anhaltung vorhanden war, so wäre der daran Schuldtragende zur Verantwortung und Strafe zu ziehen. Dies könnte in Form einer Erklärung, daß die oberwähnte Stelle so zu verstehen sei, noch nachträglich veranlaßt werden.

Der Ministerrat fand dagegen nichts zu erinnern. Ebenso wurde ad B) hinsichtlich des Grenzberichtigungsvertrages keine Erinnerung gemacht, durch welchen Vertrag ein beinahe Jahrhunderte dauernder Streit auf eine beide Seiten zufriedenstellende Weise geordnet und geschlichtet wird4.

II. Unterbringung gedienter Militärs in Zivilanstellungen (2. Beratung)

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte hierauf als Fortsetzung der letzten Beratung über die zu treffenden Bestimmungen den Übertritt der gedienten Militärs in|| S. 320 PDF || Zivilanstellungen betreffend die prinzipielle Frage zum Vortrage, ob zur Sicherstellung der genauen Handhabung dieser Bestimmungen eine dem Gesamtministerium unterstehende Kommission hier niedergesetzt werden, oder ob die Evidenzhaltung der Militärbewerber um Zivilanstellungen wie bisher bei dem Kriegsministerium statthaben soll oder nicht5.

Er bemerkte, daß sich die aus Abgeordneten der Ministerien zusammengesetzte Kommission dahin geeinigt habe, es werde der beabsichtigte Zweck am besten dadurch erreicht, wenn eine eigene Kommission hier eingesetzt wird, bei welcher die Evidenzhaltung aller Militärbewerber um Zivilanstellungen gepflogen und von welcher die Verwaltungsbehörden das Materiale hinsichtlich dieser Anstellungen erhalten würden.

Die Kommission würde dazu beitragen, die Übersicht und Ausgleichung zu erleichtern und die unteren Behörden in der Aufmerksamkeit zu erhalten. Man habe auch berücksichtigt, daß gewisse Zweige der Administration (wie die Eisenbahnen, Telegraphen, das Postwesen) hier in Wien ihren Zentralsitz haben, von wo aus auf solche Anstellungen der ausgiebigste Einfluß genommen werden könnte. Ferner habe die Erfahrung der vergangenen Zeiten dargetan, daß ohne eine solche spezielle Behörde die diesfälligen Anordnungen nach und nach in Vergessenheit geraten.

Der Minister des Inneren habe, diese Ansichten der Kommission teilend, sich mit ihrem Antrage vereiniget.

Bei der im Ministerrate darüber gepflogenen Besprechung wurden vor allem die vielen praktischen Schwierigkeiten hervorgehoben, welche eine solche Kommission im Gefolge haben würde.

Es wurde bemerkt, daß nicht eine neue Behörde geschaffen werden sollte, welche viele Kräfte in Anspruch nehmen würde und ohne welche der beabsichtigte Zweck gleichfalls erreicht werden kann. Man könne die Anzustellenden – wider ihren Willen – nicht daoder dorthin zuweisen, ein Einschreiten von ihrer Seite sei daher notwendig, worin sie sagen, was sie wünschen und wozu sie sich fähig halten, zumal mit einigen Stellen (wie bei den Kondukteuren) eine Kautionsleistung verbunden ist und man nicht wissen kann, ob sie auch der oder jener besitzt. Eine Vormerkung beim Kriegsministerium, welches nach seiner Stellung zunächst berufen ist, über die anzustellenden Militärs zu wachen, würde dem Zwecke am besten entsprechen, an welches Ministerium von jeder Anstellung eines Militärs ohnehin eine Mitteilung zu dem Ende geschehen muß, damit der Angestellte außer Gebühr gesetzt werde.

Der Justizminister Ritter v. Krauß bemerkte, daß es vollkommen genügen dürfte, wenn bei Stellen, welche für die Militärs ausschließend vorbehalten sind (wie bei Dieners- und unteren Manipulationsposten), sich an das Kriegsministerium gewendet würde, die Kompetenten mit ihren Eigenschaften behufs der Anstellung bekannt zu geben. Bei Stellen, für welche die Militärs mit Vorzug zu berücksichtigen kommen, könne von der Konkursausschreibung nicht Umgang genommen werden. In solchen Fällen wäre nur das Kriegsministerium von der Konkursausschreibung zu dem Ende in Kenntnis zu setzen, damit es die Einleitung treffe, daß die Militärs, welche eine solche Stelle zu erhalten|| S. 321 PDF || wünschen, ihre Gesuche darum binnen einer festgesetzten Frist, etwa von vier Wochen, einzureichen haben, bis wohin solche Stellen nicht besetzt werden dürfen. Auch wäre es dem Zwecke entsprechend, wenn in das Armeeverordnungsblatt aufgenommen würde, daß bei einem ausgeschriebenen Konkurse sich jeder um die gewünschte Stelle in der vorgeschriebenen Frist melden möge.

Der Ministerrat hat sich gegen die Aufstellung der angetragenen Kommission ausgesprochen, und es wurde der Ratsbeschluß dahin formuliert, auszusprechen, a) daß alle Behörden für die genaue Beobachtung der rücksichtlich der Anstellung der Militärs im Zivile gegebenen Vorschriften verantwortlich sind, b) daß bei Stellen, welche die ausschließliche Widmung für Militärs haben, wenn bei der besetzenden Stelle Militärindividuen nicht vorhanden sind, sich um Namhaftmachung und Zuweisung solcher an die Militärbehörden gewendet und nur dann mit Verleihung der Stelle an Zivilisten vorgegangen werde, wenn keine Militärs zu haben sind, und c) daß bei Stellen, rücksichtlich welcher die Militärs mit Vorzug zu berücksichtigen sind, in der Konkursausschreibung jederzeit bemerkt werde, daß bei Besetzung derselben auf die hiezu geeigneten Militärs vorzugsweise werde Bedacht genommen werden.

Der Minister des Inneren hat sich vorbehalten, die diesem Beschlusse entsprechenden Paragraphe zu formulieren und auch auf die nachträglich von dem FML. Grafen v. Degenfeld zu den Paragraphen 5 und 8 gemachten, von dem genannten Minister zur Kenntnis des Ministerrates gebrachten Bemerkungen Rücksicht zu nehmen.

Übrigens wurde noch beschlossen, daß die Bestimmungen hinsichtlich des Übertritts gedienter Militärs in Zivilsanstellungen in Form einer kaiserlichen Verordnung zu erlassen sind6.

III. Auszeichnung für Peter Schnell und Carl Fabritius

Schließlich wurde über Antrag des Kriegsministers Freiherrn v. Csorich einstimmig beschlossen, für zwei Bürger aus Kronstadt in Siebenbürgen, nämlich den Apotheker Peter Schnell und den Kaufmann Carl Fabritius, welche, als der Generalmajor Schurttera sich gegen die Walachei zurückziehen mußte, hundert Zentner Pulver bei Kerzenlicht mit großer Lebensgefahr auf die Wägen verladen und der österreichischen Truppe nachgesendet, dadurch das Ärar vor bedeutendem Schaden, das Militär vor Aufliegen|| S. 322 PDF || an Schußbedarf bewahrt und überdies auch bewirkt haben, daß dieses Materiale nicht in die Hände der Rebellen geraten ist, büberdies ersterer für den Bedarf der Truppen Zünder aus eigenen Mitteln erzeugt hat,b Auszeichnungen von der Ah. Gnade Sr. Majestät, und zwar für den Apotheker Schnell mit dem goldenen und für den Kaufmann Fabritius mit dem silbernen Verdienstkreuze, zu erbitten7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 8. November 1851.