Nr. 488 Ministerrat, Wien, 22. April 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 23. 4.), P. Krauß 25. 4., Bach 24. 4., Bruck, Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 1361 – KZ. 1491 –
Protokoll der am 22. April 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Gesuch der sogenannten Luisenstraßen-Gesellschaft um Aufrechthaltung ihres Privilegiums
Der Ministerpräsident las eine ihm von dem Präsidenten der Gesellschaft der sogenannten Luisenstraße, einer Gesellschaft, welche die von Karlstadt nach Fiume führende Kommerzialstraße auf ihre Kosten erbaut hat, überreichte an den Ministerrat lautende Eingabe vor, worin diese Gesellschaft um öffentliche Anerkennung der fortdauernden Giltigkeit der in dem ihr erteilten Privilegium vom 14. Februar 1820 § 4 enthaltenen Bestimmung bittet, nach welcher die Adeligen und die ihnen Gleichgehaltenen mit Einschluß der Postanstalt zur Entrichtung des Weggeldes verpflichtet sein sollen, überhaupt daß die besagte Gesellschaft in ihrem teuer erworbenen Rechte geschützt werden wolle1.
Der Ministerpräsident wird diese Eingabe an die hierbei zunächst beteiligten Minister des Handels und des Inneren leiten2.
II. Schreiben Stefan Knićanins an Franz Brauner
Der Minister des Inneren Dr. Bach teilte dem Ministerrate den Inhalt zweier Schreiben mit, eines von dem serbischen Generalen Knićanin an den Dr. Brauner in Prag und ein zweites Knićanins an die tschechische Nation. Wie bekannt, haben die Tschechen dem General Knićanin zwei mit großer Kunst gearbeitete Pistolen verehrt, wofür derselbe ihnen als Gegengeschenk den Säbel übersendet, mit welchem er gegen die Ungarn gefochten hat3.
|| S. 426 PDF || Da Knićanin diesen Säbel der Regierung übergeben hat, er ein berühmter General und mit dem österreichischen Theresienorden geziert ist, so meinte der Minister des Inneren, daß es am besten wäre, diesen Säbel samt dem einbegleitenden Schreiben des Knićanin an den Statthalter von Böhmen, Baron Mecséry, mit der Weisung gelangen zu machen, er möchte beide Gegenstände im Nationalmuseum niederlegen und aufbewahren lassen.
Von dieser Verfügung wären sowohl der Dr. Brauner als der General Knićanin, der letztere durch das betreffende kaiserliche Konsulat, in die Kenntnis zu setzen.
Der Ministerrat stimmte dem Minister des Inneren bei, daß in dieser Richtung an Baron Mecséry geschrieben werde4.
III. Salzpreisregulierung
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf die Regulierung der Salzpreise zum Vortrage, eine gegenwärtig umso dringendere Maßregel, als alle Zwischenzollinien aufgehoben werden sollen5. In Ansehung des gegenwärtigen Bestandes bemerkte derselbe, daß in den deutschen Provinzen der Salzhandel frei sei und daselbst keine eigenen Salzverschleißer bestehen. Im lombardisch-venezianischen Königreiche werde gerade das entgegengesetzte System beobachtet, da dort, so wie für den Tabak auch für das Salz eigene Verschleißer bestellt sind. In Ungarn bestehe für das Salzgefäll ein von beiden abweichendes System, eine Art Mittelding, es sind daselbst zwar keine Salzverschleißer aufgestellt, aber das Land ist reichlich mit Salzmagazinen versehen, aus welchen die Handelsleute das benötigte Salz beziehen. Der Hauptgrund dieser Einrichtung in Ungarn war der, weil das Land keine Straßen hat und das Salz eines der ersten Lebensbedürfnisse ist, und man den Bezug und die Anschaffung dieses Bedürfnisses nicht von den Zufällen der Kommunikation hat abhängig machen wollen.
In Ungarn sind die Salzpreise nach einem gewissen Systeme festgestellt worden. Es wurde ein sogenannter Radikalpreis für das Salz bestimmt, zu welchem Preise nur die Transportkosten zu jedem Magazin zugeschlagen werden sollten. Dieses wurde jedoch nicht genau beobachte, und es haben willkürliche Zuschläge, daher auch willkürliche Salzpreisbestimmungena stattgefunden. Der Finanzminister bemerkte weiter, daß seit längerer Zeit Verhandlungen in der Richtung gepflogen wurden, ob nicht das Salz aus den deutschen Ländern nach Ungarn und umgekehrt frei verfügt, d. i. der Salzhandel freigegeben werden soll. Die ungarischen Behörden hielten jedoch die Freigebung des Salzhandels gegenwärtig noch nicht für ausführbar und eine Übergangsmaßregel für notwendig, welche darin zu bestehen hätte, daß vorderhand etliche und 40 Salzmagazine aufgelassen, eine Anzahl von Salzämtern im Lande aber beibehalten werden. Was die Salzpreise anbelangt, so wäre wie bisher ein Grundpreis festzusetzen, bestehend in den Gestehungskosten des Salzes mit einem Zuschlage von 5 fr. per Wiener Zentner, welchem Preise nur noch die Transportkosten zu den einzelnen Magazinen zuzuschlagen wären.
|| S. 427 PDF || Dieses an sich richtige Prinzip ist nach der weiteren Auseinandersetzung des Finanzministers nicht unbedingt in allen Provinzen durchführbar. In Tirol, Istrien, Dalmatien, der Militärgrenze und den nördlichen Komitaten Ungarns (Arva, Turocz, Liptau, welche ihr Salz aus Galizien und [für] mindere Preise beziehen) bestehen nämlich niedrigere Salzpreise, und da es sich jetzt nicht darum handeln kann, die Salzpreise dort zu erhöhen, so wäre diesen Ländern und Komitaten die Wohltat der mindern Salzpreise nicht zu entziehen.
Die Frage, wie sich dies kombinieren lasse, um nämlich alle Zwischenlinien für das Salz aufhören zu machen und den Ertrag des Salzgefälles zu sichern, dann der Bevölkerung gewisser Bezirke das Salz um einen mäßigeren Preis zukommen zu lassen, dürfte nach der Ansicht des Finanzministers in der Einrichtung des Limitosalzes ihre Lösung finden.
Die Limitosalzpreise bestehen seit längerer Zeit in der Militärgrenze, Kroatien, Tirol etc. Es wird eine gewisse ausgemittelte Menge des Salzes diesen Ländern um einen geringeren Preis überlassen, das Mehr des Bedarfes muß aber um die gewöhnlichen Preise angeschafft werden. Diese Einrichtung (des Limitosalzes) wäre daher in den Komitaten Arva, Turocz, Liptau, in der Marmarosch, in Siebenbürgen, in Kroatien jenseits der Save, in der kroatischen bund slawonischenb Militärgrenze etc. einzuführen oder beizubehalten. Der Finanzminister deutete die Mengen des Salzes an, welche diesen Ländern um den Limitopreis zu überlassen wären, und die politischen Behörden hätten die zugestandenen Quantitäten nach einem billigen Maßstabe auf die Gemeinden zu verteilten. Ferner machte der Finanzminister die Preise des Salzes ersichtlich, wie sich dieselben nach den verschiedenen Provinzen und den verschiedenen Erzeugungsplätzen künftig stellen würden.
In Istrien, so lange es nicht in den Zollverband einbezogen wird, bliebe der Salzpreis, wie er itzt ist. Dasselbe gälte auch von den Preisen in Dalmatien. Im lombardisch-venezianischen Königreiche habe es mit den Salzpreisen ein eigenes Bewandtnis. Dort waren die Salzpreise früher per Zentner über 12 fr. CM. Durch die Ereignisse des Jahres 1848 gedrängt, habe sich die Regierung bestimmt gefunden, eine bedeutende Herabsetzung dieser Preise eintreten zu lassen. Ferner bestehe daselbst ein Hindernis der freien Bestimmung der Salzpreise in dem Vertrage mit Modena und Parma. Dieser Vertrag enthalte unter andern die Bestimmung, daß die lombardischen Salzpreise als die normalen Salzpreise gelten sollen, nach welchen sich die Salzpreise in den gedachten Staaten zu richten haben.
Die Tendenz dieser Bestimmung war, daß die gedachten Staaten ihre Salzpreise herabsetzen. Diesfalls wird nun der Antrag gestellt, daß die Salzpreise in der Lombardie den diesfälligen Preisen in Parma und Modena gleichgehalten werden. Diese Bestimmung erscheint den Finanzen der gedachten Staaten günstig, und die Zollinie kann bei dieser Annahme fallen. Die Regierungen dieser beiden Staaten wären von dieser ihren Finanzen keineswegs nachteiligen Verfügung in die Kenntnis zu setzen.
Diese hier von dem Finanzminister angetragene Salzpreisregulierung hätte vorläufig für fünf Jahre zu gelten.
|| S. 428 PDF || Der Ministerrat erklärte sich mit den sämtlichen Anträgen des Finanzministers einverstanden, welcher denselben gemäß nun den au. Vortag an Se. Majestät erstatten wird6.
IV. Neue Redaktion des Strafgesetzbuches (7. Beratung)
Hierauf wurde zur Fortsetzung der Beratung über das zu revidierende Strafgesetzbuch übergegangen7.
Der Justizminister fand vor allem bezüglich des § 51 (48 alt) noch folgendes zu bemerken: In dem § 346 der neuen Strafprozeßordnung werde den Schwurgerichten das Recht eingeräumt, in allen Fällen, wo nach dem Gesetze die Strafe zwischen zehn und 20 Jahren oder auf Lebenszeit auszumessen ist, dieselbe wegen vorhandener Milderungsumstände zwar nicht in der Art, aber in der Dauer herabzusetzen, jedoch auch in dieser nicht unter drei Jahre8. In Fällen, für welche die Strafe im Gesetze zwischen fünf und zehn Jahren bestimmt ist, dürfe der Gerichtshof dieselbe wegen mildernder Umstände sowohl in eine gelindere Art verändern, als auch in der Dauer, jedoch nie unter ein Jahr herabsetzen.
Diese Bestimmungen habe man hier durch den § 51 gleichfalls aussprechen wollen. Nachdem jedoch gegenwärtig die Verfassung der Strafprozeßordnung für jene Länder im Zuge ist, in welchen (wie in Italien, Kroatien, Dalmatien, Ungarn, Galizien etc.) die Schwurgerichte nicht eingeführt werden sollen9, und in diesen Ländern den Gerichten das Recht zur Milderung der Strafe nach dem alten Gesetzbuche nur so weit zustehen dürfte, daß nämlich der Gerichtshof bei Verbrechen, auf welche eine Strafe von zehn bis 20 Jahren festgesetzt ist, bis auf fünf Jahre, bei Verbrechen, auf welche eine Strafe von fünf bis zehn Jahren bestimmt ist, bis auf zwei Jahre die Strafe mildern darf, und eine noch weitere Milderung nur dem Obersten Gerichtshofe zustehen soll, so meinte der Justizminister, daß bei diesen verschiedenen Strafmilderungsbestimmungen der § 51 aus dem Strafgesetzbuche umso mehr auszulassen wäre, als die diesfalls nötigen Bestimmungen ohnedies in den betreffenden Strafprozeßordnungen vorkommen. Der zu diesem § 51 angetragene Zusatz: „Die in dem § 18 lit. c festgesetzte Strafe des Kautionsverfalles kann der Gerichtshof wegen solcher Milderungsumstände nie unter die Hälfte des gesetzlichen Strafausmaßes herabsetzen“, wäre dem § 18, wo von dem Verfalle der Kaution die Rede ist, in angemessener Textierung anzuhängen.
Die Textierung des § 74 wurde in nachstehender Weise vereinbart: „Das Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit wird in folgenden Fällen begangen:
Erster Fall. Wenn jemand für sich allein oder in Verbindung mit anderen die von der Regierung zur Verhandlung öffentlicher Angelegenheiten berufene Versammlung, die|| S. 429 PDF || Gerichte und öffentlichen Behörden in ihrem Zusammentritte, Bestande oder in ihrer Wirksamkeit gewalttätig stört oder hindert oder auf ihre Beschlüsse durch gefährliche Bedrohung einzuwirken sucht“.
Dieser Änderung zufolge wird auch die Marginale entsprechend geändert werden müssen.
Der § 76 hätte, nachdem die Gerichte und öffentlichen Behörden, um ihnen einen gleichen Schutz mit den zur Verhandlung öffentlicher Angelegenheiten berufenen Versammlungen zu gewähren, bereits in den § 74 aufgenommen worden sind, in folgender Art zu lauten:
„Zweiter Fall. Eben dieses Verbrechens macht sich derjenige schuldig, welcher die im § 74 bezeichneten Handlungen gegen gesetzlich anerkannte Körperschaften oder gegen Versammlungen begeht, die unter Mitwirkung oder Aufsicht einer öffentlichen Behörde gehalten werden.“
Diesem Paragraphe ist nach dem Antrage des Ministers Dr. Bach und mit Zustimmung des Ministerrates noch der Zusatz beizufügen: „soweit der Fall sich nicht als ein anderes, schwereresc Verbrechen darstellt“.
§ 78 wäre in der fünften Zeile statt des Wortes „anderweitigen“ das Wort „anderen“ zu setzen.
Die bisherigen §§ 85 und 86 (§§ 77 und 78 alt) wären in einen Paragraphen nach der in dem beiliegenden lithographierten Blatte angetragenen Textierung zusammenzuziehen.
Hinsichtlich der am Schlusse dieses Paragraphes angedrohten Todesstrafe glaubten sich die Minister der Finanzen und des Kultus gegen diese Strafe aussprechen zu sollen, weil es nicht wohl angehe, die Beschaffenheit der Strafe, besonders der Todesstrafe, von einem rein zufälligen Umstande abhängig zu machen, und wenn dem Täter die böse Absicht auf Tötung eines Menschen nachgewiesen werden kann, er nach anderen Paragraphen zu dieser Strafe verurteilt werden kann, die Aufnahme derselben hier also nicht notwendig erscheine.
Dagegen haben die übrigen Stimmführer, also die Majorität, sich für die ungeänderte Annahme des ganzen Paragraphes, daher auch für die Todesstrafe, erklärt, weil die sonst nicht nachweisbare böse Absicht in der Handlung selbst angenommen werden muß, und die Größe des möglichen Schadens (denn es können viele Menschen auf einmal dadurch verunglücken) die Androhung der höchsten Strafe erheischt10.
Wien, am 23. April 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 3. Mai 1851.