Nr. 477 Ministerrat, Wien, 28. März 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 29. 3.), P. Krauß (III–VII) 2. 4., Bach 5. 4., Bruck, Thun (III–VII), Csorich, K. Krauß, Kulmer; abw.abwesend Stadion, Thinnfeld.
MRZ. – KZ. 1108 –
- I. Eingabe des niederösterreichischen Gewerbevereins
- II. Auszeichnungen für Angelius Bednarik und Stephan Márton
- III. Staatsvoranschlag (Militär, Unterricht, Bauwesen)
- IV. Systemisierung von Scharfrichterstellen in Wien, Prag und Brünn
- V. Organisierung der Laibacher Polizeidirektion
- VI. Strafgesetzentwurf (3. Beratung)
- VII. Auszeichnung für Johann Ulrich
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 28. März 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Minister des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Eingabe des niederösterreichischen Gewerbevereins
Der Ministerpräsident übergab dem Handelsminister zur geeigneten Verfügung eine an den Ministerrat gerichtete Eingabe des niederösterreichischen Gewerbsvereins wegen Sistierung der Ausführung der in Beratung gestandenen neuen Zollgesetzgebung1.
II. Auszeichnungen für Angelius Bednarik und Stephan Márton
Erhielt der Minister des Inneren die Zustimmung des Ministerrats zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf a) Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes an den Prior des Konvents der Barmherzigen Brüder in Großwardein, Angelius Bednarik, wobei nur der Ministerpräsident bemerkte, daß vielleicht die Verleihung eines Porträts Sr. Majestät dem Konvent angenehmer sein würde, desgleichen b) des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Richter Stephan Márton in Varbó.
An der Besprechung der vorstehenden Angelegenheiten haben die Minister der Finanzen und des Kultus nicht teilgenommen2.
III. Staatsvoranschlag (Militär, Unterricht, Bauwesen)
Der Finanzminister brachte die definitive Feststellung des Staatsvoranschlages pro 1851 in Vortrag3.
a) Militäraufwand. Nach den wiederholt gefaßten, auch von Sr. Majestät genehmigten Beschlüssen des Ministerrats soll der Militäraufwand auf jährlich 85 Millionen als Maximum angeschlagen werden. Gleichwohl sind in den ersten fünf Monaten des laufenden Verwaltungsjahres bei 56 Millionen fr. dafür ausgegeben worden, was mit Hinzurechnung der für jedes der noch übrigen sieben Monate mit sieben Millionen veranschlagten Aufwands eine Gesamtsumme von 105 Millionen Gulden, d. i. mehr als die Hälfte der Gesamtstaatseinnahmen ausmacht. Daß es bei einer solchen Gebarung unmöglich ist, Mittel aufzutreiben, um die so dringenden Maßregeln zur Verbesserung der Valutaverhältnisse|| S. 370 PDF || in Angriff zu nehmen, liegt am Tage. Es muß also an eine weiterea Beschränkung des Militäraufwands mit Ernst gedacht werden. Hierzu scheinen für heuer zwei Posten geeignet: die Reichsbefestigungsarbeiten, welche im ganzen auf 30 Jahre präliminiert, für heuer mit 5,245.000 fr. in den Voranschlag eingestellt, wohl kaum so dringend sein dürften, daß sie nicht auf bessere als die itzigen, finanziell kritischen Zeiten sollten verschoben werden können, dann der mit 518.000 Mann im Kombattantenstande, 32.000 Mann in den Zentralbranchen, zusammen mit 550.000 Mann (ungerechnet 53.000 Invalide und Pensionisten) ausgewiesenen Armeestand, welcher für das Bedürfnis der gegenwärtigen friedlichen Verhältnisse offenbar zu groß, eine Reduktion auf den Stand von 400.000 Mann zulassen dürfte.
In der ersteren Beziehung, nämlich wegen der Reichsbefestigungsarbeiten, gab der Ministerpräsident die beruhigende Zusicherung, daß vermöge der mit dem Chef des Generalquartiermeisterstabs gepflogenen Rücksprache eine angemessene Einschränkung bei dieser Post für heuer wohl werde tunlich sein.
bÜber die Zulässigkeit dessen könne der Kriegsminister sich nicht aussprechen, es schiene ihm jedoch, weil vorerst die notwendigsten Befestigungsbauobjekte beantragt sind, daß damit wohl auch unaufgehalten fortgefahren werden sollte.b Über die Zulässigkeit dessen könne der Kriegsminister sich nicht aussprechen, es schiene ihm jedoch, weil vorerst die notwendigsten Befestigungsbauobjekte beantragt sind, daß damit wohl auch unaufgehalten fortgefahren werden sollte.
Was aber die Reduktion der Armee betrifft, so erklärte der Kriegsminister, daß infolge seiner jüngsten Anträge eine Ersparung von vier Millionen bewirkt worden, und nach Reduzierung der vier Bataillons der ungrischen und italienischen Regimenter eine weitere Ersparung um eine Millionen in Aussicht sei, hiermit aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo alle Anschaffungspreise auf das doppelte gegen früher gestiegen, alles getan worden, was möglich sei, wenn man nicht den Bestand der Armee bloß von den Ziffern des Budgets abhängig machen wolle.
Infolge dieser Herabminderungen würde sich alsdann der pro 1851 oben mit 105 Millionen veranschlagte Militäraufwand auf 100 und, nach Abschlag der eigenen Einkünfte der Militärverwaltung (welche Abrechnung jedoch der Finanzminister nicht zugestehen will) per fünf Millionen mit 95 Millionen darstellen.
Der Finanzminister bedauerte, wenn ein günstigeres Resultat nicht zu erzielen wäre, und verband damit den Antrag, daß wenigstens fürs künftige Jahr die Normalziffer von 85 Millionen als Maximum eingehalten und Se. Majestät in einem eigenen Vortrage gebeten werden mögen, diese Ziffer als unüberschreitbares Präliminär für den Militäraufwand vorzuschreiben.
b) An den Unterrichtsminister stellte er die Anfrage, ob nicht die mit 800.000 fr. angesetzte Reserve bedeutend, etwa auf 100.000 fr. reduziert werden könnte, was von Seite des Unterrichtsministers bis zum Belaufe von 200.000 fr., im äußersten Falle selbst bis zu dem vom Finanzminister angedeuteten Minimum zugestanden wurde, weil mehrere projektierte Einrichtungen infolge der in Ungern derzeit noch bestehenden Hindernisse unterbleiben werden.|| S. 371 PDF ||
c) Beim Voranschlage für das Ministerium des Handels und der öffentlichen Bauten, welcher bereits von diesem Ministerium selbst um sechs Millionen reduziert worden ist, glaubte der Finanzminister in der Rubrik der neuen Straßen- und Wasser-, dann der Eisenbahnbauten eine Einschränkung umso mehr beantragen zu sollen, als der Voranschlag noch auf 34 Millionen gesetzt ist.
Der Handelsminister erklärte sich bereit, einige der minder dringenden Hafen-, Zentralseebehördegebäudec und Molobauten, wo möglich, verschieben zu wollen, eine Einschränkung bei den Eisenbahnbauten aber nicht zugestehen zu können, weil gerade bei diesen an dem schnellen Ausbau alles gelegen ist, durch welchen allein das darauf verwandte Kapital dem Staate wieder nutzbringend gemacht wird.
Der Finanzminister behielt sich vor, seine diesfälligen Desiderien im schriftlichen Wege zu eröffnen4.
IV. Systemisierung von Scharfrichterstellen in Wien, Prag und Brünn
Der Justizminister erhielt die Zustimmung des Ministerrats zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Systemisierung besoldeter Scharfrichterstellen für Wien, Prag und Brünn (à 400 fr. für den Herrn und 200 fr. für die Knechte), was zusammen eine Auslage von 1800 fr. verursachen wird5.
V. Organisierung der Laibacher Polizeidirektion
Ebenso erhielt der Minister des Inneren die Zustimmung des Ministerrats zur Beantragung der Reorganisierung der Polizeidirektion, Stadthauptmannschaft in Laibach, für welche mit Beschränkung auf den äußersten Bedarf in dieser durch die Lage an einem Ausgangspunkt der Eisenbahn wichtiger gewordenen Stadt nur eine Vermehrung um einen Konzeptsadjunkten und einen Kanzlisten, zusammen mit 1400 fr., bei einem Gesamtaufwande von 6700 fr. angesprochen wird6.
VI. Strafgesetzentwurf (3. Beratung)
Fortsetzung der Beratung über das Strafgesetz7.
Da gegenwärtig bei den Dresdener Konferenzen die Verhandlung über ein Kartell wegen Behandlung der Kreditspapierverfälscher oder Nachmacher im Zuge und es wichtig ist, den österreichischen Bevollmächtigten über die hierwegen unsererseits zu stellende Proposition genau zu informieren8, so ward über Antrag des Handelsministers das Kapitel 11, §§ 103–114, praeferenter in Beratung genommen, hinsichtlich der dem Bevollmächtigten|| S. 372 PDF || zu gebenden Weisung aber sich dahin geeinigt, daß er die Bestimmungen des Kartells für alle öffentlichen Kreditspapiere, die nach österreichischen Gesetzen als Münzen gelten, dann für die von einer öffentlichen (k. k.) Kasse ausgestellten Schuldverschreibungen in Anspruch nehme9.
Bezüglich des Textes im Strafgesetz selbst ergab sich nur ad § 104 die Bemerkung des Finanzministers , ob nicht, statt die vielfältigen, an sich wandelbaren, zum Teil schon in der Einberufung begriffenen Sorten im Strafgesetzte zu benennen, vielmehr auf eine besonders hierwegen zu erlassende Kundmachung hingewiesen werden sollte, wogegen jedoch der Justizminister erinnerte, daß auch im alten Strafgesetze von 1803 die damals bestandene, freilich einzige Gattung „Bankozettel“ auch im Gesetze aufgenommen war.
Übrigens ward in eben diesem Paragraphe auf Antrag des Finanzministers die Benennung der viglietti [sic!] di tesoro mit „lombardisch-venezianische Schatzscheine“ berichtigt.
Zu § 112 wünschte der Finanzminister , daß auch andere Änderungen, z. B. des Namens, des vinculi etc. bei öffentlichen Obligationen vom Gesetzte getroffen werden möchten – wogegen jedoch der Justizminister erinnerte, daß solche Änderungen ohne Zweifel als Verfälschung einer öffentlichen Urkunde unter dem Kapitel vom Betruge ihre Ahndung finden würden.
Zurückkehrend zu der in der letzten Sitzung abgebrochenen Beratung über das II. Hauptstück wünschte der Finanzminister vor allem ad § 9 oder 19 die Aufzählung der [in] § 18 festgesetzten Geldstrafen für Preßverbrechen unter den Strafen oder Verschärfungen in genere.
Auf die Bemerkung des Ministers des Inneren jedoch, daß § 18 nicht sowohl eigentliche Strafen als vielmehr die Rechtsfolgen der Verurteilung wegen Preßverbrechen aufzähle, ward sich darin geeiniget, die §§ 9 und 17 unberührt zu lassen, dagegen im Marginale des § 18 statt „Strafbestimmungen“ bloß „besondere Bestimmungen“ zu setzen und nach dem Antrage des Ministers des Inneren die sub c) enthaltene Bestimmung des Kautionsverfalls als die allezeit eintretende zuerst, also sub littera a) aufzunehmen und ihr jene sub b) folgen zu lassen, die sub a) endlich vorkommende aber einem eigenen Paragraphe vorzubehalten, alle drei Bestimmungen aber nach § 26 folgen zu lassen, dwomit der Justizminister sich einverstanden erklärted womit der Justizminister sich einverstanden erklärte.
Zu § 25 b) und e) ward evom Kultusminister angetragen, die Entziehung des Rechts der Wiedererlangung als rein administrativ zu streichene .
Bei lit. F ward die Beratung abgebrochen10, nach deren Schluß noch
VII. Auszeichnung für Johann Ulrich
der Unterrichtsminister die Zustimmung des Ministerrats zu dem Antrage auf Verleihung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Herzogenburger Schullehrer Johann Ulrich erhielt11.
Wien, am 29. März 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 8. April 1851.