Nr. 475 Ministerrat, Wien, 24. März 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 25. 3.), P. Krauß 26. 3., Bach 28. 3., Bruck, Thinnfeld (keine BdE.Bestätigung der Einsicht); Thun, Csorich, K. Krauß, Kulmer; abw.abwesend Stadion.
MRZ. – KZ. 1246 –
- I. Text des § 30 des Patents über Grundentlastungsentschädigungskapitalien (6. und letzte Beratung)
- II. Begnadigungsgesuch des Albert Trampusch
- III. Begnadigungsantrag für 15 politische Verbrecher
- IV. Adelsstand für Johann Polivka
- V. Behandlung des Franz Freiherr v. Kemény
- VI. Neues Bequartierungsreglement (1. Beratung)
- VII. Verdienstkreuz für Kaspar Falk, Albrecht Lazarich und Johann Stephan Heinrich
- VIII. Auszeichnung für James Thal
- IX. Reorganisierung des ungarischen Städtewesens
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten am 24. März 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Text des § 30 des Patents über Grundentlastungsentschädigungskapitalien (6. und letzte Beratung)
Der Justizminister las die infolge Ministerratsbeschlusses vom 22. d. [M.] sub Nr. 994 zwischen ihm, dem Kultus- und dem Minister des Inneren vereinbarte Fassung des § 30 des Patents über die Zuweisung der Grundentlastungsentschädigungskapitalien an die Hypothekargläubiger vor, wogegen nichts mehr eingewendet aund sohin die Verhandlung darüber geschlossena wurde1.
II. Begnadigungsgesuch des Albert Trampusch
Der Justizminister unterstützte das vom Obersten Gerichtshofe bevorwortete Gesuch des Albert Trampusch um Nachsicht des nur einige Monate betragenden Rests der ihm wegen Verbrechens gegen die Sicherheit des Staats zuerkannten zweijährigen Kerkerstrafe.
Der Ministerrat fand keinen entscheidenden Grund, auf diese Bitte einzugehen.
III. Begnadigungsantrag für 15 politische Verbrecher
Eben dieser Minister brachte eine Liste zu begnadigender politischer Verbrecher in Vortrag, welche sich mehr als Verführte und Werkzeuge der Destruktiven denn als wirklich für die öffentliche Sicherheit gefährliche Individuen darstellen, und wegen ihres seitherigen guten Betragens im Straforte von den Vorständen der betreffenden Anstalt empfohlen werden.
Nach genauer Durchsicht des Verzeichnisses und Abwägung aller hier eintretenden Rücksichten durch den Minister des Inneren vereinigte man sich in dem Sr. Majestät zu erstattenden Antrage rücksichtlich der wegen Teilnahme am Aufruhr in Krakau Verurteilten: bei drei Individuen eine Herabsetzung der Strafe, bei acht Individuen die Nachsicht des Strafrestes, rücksichtlich der aus Mähren und Schlesien vorhandenen bei drei und von den Pragern einen zur Begnadigung zu empfehlen.
Insofern unter den hiebei nicht Begriffenen Militärindividuen sich befinden, welche einer Berücksichtigung wert erscheinen, hätte der Justizminister mit dem Kriegsminister in Rücksprache zu treten2.
IV. Adelsstand für Johann Polivka
Reproduzierte der Justizminister das schon einmal im Ministerrate vom 16. November 1851 sub Nr. 46173 von seinem Vorfahrer vorgetragene Adelungsgesuch des Registraturdirektors des Obersten Gerichts- und Kassationshofes, Johann Polivka, und unterstützte dasselbe auf das wärmste, indem Polivka nicht nur durch seine 40-jährige, in jeder Beziehung vorzügliche Dienstleistung, sondern auch insonderheit durch die uneigennützige Überlassung seiner mit unsäglichem Fleiße gesammelten 24 Faszikel alter Gesetze und einen wahren Schatz für die Rechtsgeschichte enthaltenden Urkunden an die Regierung, sich einen wesentlichen Anspruch auf eine Auszeichnung erworben hat. Da auch der Minister des Inneren sich verpflichtet fühlte, das Gesuch Polivkas zu unterstützen, so vereinigte sich der Ministerrat in dem durch den Justizminister an den Minister des Inneren zur Vortragserstattung an Se. Majestät zu leitenden Einraten auf Ag. Verleihung des Adelsstands an den Bittsteller4.
V. Behandlung des Franz Freiherr v. Kemény
Der Minister des Inneren referierte über den Anspruch des ehemaligen Ständepräsidenten und Leiters des Gubernii in Siebenbürgen Baron Kemény auf eine Pension5.
Bei Verhängung des Kriegszustandes über das Land im Jahre 1848 hat Kemény gegen die Unterordnung des Gubernii unter die Militärgewalt protestiert und ist in diesem Proteste durch ein Ah. Kabinettschreiben (dessen Original übrigens bisher nicht aufgefunden wurde) bestätigt worden6. Dieses Ah. Kabinettschreiben vom 14. November 1848 ward jedoch später widerrufen, das Gubernium aufgelöst und Baron Kemény entlassen, die Militärautorität aber in ihre volle Wirksamkeit wieder eingesetzt7. Gleichwohl hat erst der Zivil- und Militärgouverneur Baron Wohlgemuth die Entlassung Baron Keménys durch Einstellung des Gehalts desselben vollständig ausgeführt. Es handelt sich nun bei dem von Baron Kemény unter Berufung auf jenes Ah. Kabinettschreiben erhobenen Anspruche auf die normalmäßige Behandlung um die genaue Beurteilung der Rechtsfolgen der erwähnten Entlassung Baron Keménys, ob sie nämlich als eigentliche Dienstentsetzung oder als Versetzung in den Stand der Disponibilität anzusehen sei. Zur vollständigen beruhigenden Aufklärung aller hier eintretenden Verhältnisse dürfte nach dem Erachten des Ministers des Inneren eine Kommission aus bRäten des Ministeriums des Innerenb mit Zuziehung zweier Räte des Obersten Gerichtshofes berufen werden, welche demnach über die Behandlung Baron Keménys ihr Gutachten zu erstatten hätte.
Der Minister des Inneren erhielt zu dieser Einleitung die Zustimmung des Ministerrates8.
VI. Neues Bequartierungsreglement (1. Beratung)
legte derselbe Minister den mit dem Kriegs- und Finanzministerium bearbeiteten Entwurf eines neuen Bequartierungsreglements für sämtliche Kronländer zur einstweiligen|| S. 360 PDF || Durchsicht und sohinigen Beratung – zunächst in der Absicht vor, um der gegenwärtig durch Willkür aller Art drückenden Militäreinquartierung in den ungrischen Städten die unumgänglich nötige und dringende Erleichterung zu verschaffen9.
Die Erörterung der einzelnen Bestimmungen des neuen Gesetzes der bevorstehenden Beratung vorbehaltend, glaubte der Minister vorderhand, unter kurzer Darstellung der Hauptgrundzüge desselben, die Einführung desselben allgemein befürworten und die Absicht aussprechen zu sollen, daß Se. Majestät dringend zu bitten wären, dem sonach Ah. zu sanktionierenden neuen Normale durch die gemessensten Orders an das Militare die wahrhafte Geltung zu verschaffen10.
VII. Verdienstkreuz für Kaspar Falk, Albrecht Lazarich und Johann Stephan Heinrich
Der Minister des Inneren erhielt die Zustimmung des Ministerrates zu nachstehenden Auszeichnungsanträgen: a) auf das goldene Verdienstkreuz für den Bürgermeister Falk in Enns, b) auf dasselbe mit der Krone für den Landrat Albrecht Lazarich, c) auf das gleiche Ehrenzeichen für den quittierten Rittmeister Heinrich in Pest11.
VIII. Auszeichnung für James Thal
Ebenso stimmte der Ministerrat der Absicht des Handelsministers bei, für den k. k. Generalkonsul in St. Petersburg James Thal auf Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens bei Sr. Majestät anzutragen12.
IX. Reorganisierung des ungarischen Städtewesens
Der Minister des Inneren referierte über die vom Landeschef Ungerns beantragte Organisierung des ungrischen Städtewesens13.
Das ungrische Städtewesen befindet sich dermal in vollständiger Auflösung, es ist dringend nötig, dasselbe zu ordnen und Organe wieder einzusetzen, mit denen der überall zerrüttete Haushalt der ungrischen Städte geregelt und die Vermittlung ihrer Angelegenheiten mit den neu organisierten Verwaltungsbehörden bewirkt werden kann.
Zur Reaktivierung der alten städtischen Verfassung Ungerns zurückzukehren schien weder den Städten selbst erwünscht, noch den Landesbehörden tunlich; auch die auf einer allzu breiten Basis fußenden Bestimmungen der 1848er Landtagsartikel über Bildung der städtischen Vertretung dürften unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht|| S. 361 PDF || anwendbar sein. Baron Geringer und der Minister des Inneren waren daher des Erachtens, daß für den gegenwärtigen Übergangszustand im Wege der provisorischen Verordnung ein den Gemeindeordnungen in den deutschen Kronländern ähnliches Institut mit nachfolgenden, durch die besonderen Ausnahmsverhältnisse gebotenen Beschränkungen eingeführt werde, als: das Wahlrecht bleibt bloß auf den Besitz und die Steuerzahlung (nach einem auszumittelnden Zensus) mit Ausschluß der sogenannten Kapazitäten, wenn sie nicht in die Klasse der Besteuerten fallen, beschränkt; die Zahl der Gemeindeausschüsse richtet sich nach dem Verhältnisse der Bevölkerung und wächst von 12 für jede 6000 Seelen mehr auf 18, 24, 30, 36 bis zum Maximum von 42 Repräsentanten; der Gemeinderat wählt nach Wahlkörpern, und die Gemeindevorstände werden von der Regierung ernannt, die Magistratsräte von derselben bestätigt.
Der Wirkungskreis erstreckt sich auf die ökonomischen und Lokalpolizeiangelegenheiten, wovon alle wichtigeren der Kontrolle der Regierung vorbehalten bleiben.
Der Finanzminister würde einen größeren Wert darauf legen, wenn eben für die Dauer der gegenwärtigen Übergangsperiode, statt ein neues Institut einzuführen, dem höchstwahrscheinlich auch in den deutschen Landen eine wesentliche Reform bevorsteht, lieber auf cdiejenigen Bestimmungen der alten ungrischen Städteverfassung, die sich als zweckmäßig bewährten, mit Berücksichtigung dessen, was die gegenwärtigen geänderten Verhältnisse erheischenc, zurückgekehrt und darin nur die Modifikation vorgenommen würde, daß zur Stärkung des konservativen Elements die Regeneration der Gemeinderepräsentanz in die Hände der Höchstbesteuerten gelegt wird.
Der Minister des Inneren erhob zwar gegen die Rückkehr zu der alten Einrichtung wegen der Schwierigkeit ihrer Ausführung Bedenken, er fand indessen die vom Finanzminister im Laufe der ausführlicheren Besprechung hervorgehobenen Momente so gewichtig, daß er den Gegenstand einer nochmaligen Erörterung vorbehalten zu wollen erklärte14.
Wien, am 25. März 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 11. April 1851.