Nr. 470 Ministerrat, Wien, 15. März 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 16. 3.), P. Krauß 20. 3., Bach 31. 3., K. Krauß, Bruck, Thinnfeld 17. 3., Thun, Csorich 19. 3., Kulmer 17. 3.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. – KZ. 1113 –
Protokoll der am 15. März 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Abholung des Reichsgesetzblattes durch Wiener Behörden und Ämter
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß machte auf die Unzukömmlichkeit aufmerksam, daß das Reichsgesetzblatt für die Behörden und Ämter hier in Wien durch die kleine Post zugesendet werde, was dieser unnötigerweise viele Arbeit und Mühe verursache, und daß es viel einfacher und angemessener wäre, wenn die hiesigen Behörden an den Tagen, an welchen durch die Wiener Zeitung die Herausgabe einer neuen Nummer des Reichsgesetzblattes angekündigt wird oder sonst zu einer anderen Zeit, dieses Gesetzblatt bei der Staatsdruckerei durch die ihnen zu Gebote stehenden Amtsdiener abholen ließen, und ersuchte um die diesfalls erforderliche Einleitung1.
II. Behandlung der Hypothekargläubiger der durch Aufhebung der Urbarialleistungen betroffenen Güter (2. Beratung)
Hierauf wurde die gestern begonnene Beratung über die Bestimmungen für das Verfahren der Gerichtsbehörden zur Durchführung des Ah. Patentes vom 25. September 1850 rücksichtlich der Zuweisung der Kapitalsabfertigung für die infolge der Grundentlastung aufgehobenen oder abzulösenden Bezüge fortgesetzt2.
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß fand sich mit Berufung auf die neuesten preußischen Gesetze (vom Jahre 1850) über die Grundentlastung, deren Hauptbestimmungen er anführte, zu dem Antrage veranlaßt, daß man auch hierorts den Parteien hinsichtlich des wegen der Grundentlastung zu treffenden Übereinkommens einen größeren Spielraum gewähren möge, als es in dem Entwurfe vorgesehen ist. Auch in Preußen sucht man die Grundentlastung durch die Ausgabe von Rentenscheinen durchzuführen, welche in einer Reihe von 56 1/12 Jahren zurückgezahlt werden. Der Verpflichtete tilgt dort seine Schuldigkeit an die Rentenbank und die Rentenbank an den Berechtigten. Hat der Verpflichtete seine Schuldigkeit entrichtet, so hat der Berechtigte kein anderes Recht, als|| S. 336 PDF || Rentenbriefe (Rentenscheine) von der Rentenbank zu fordern und zu übernehmen. Bei Fideikommissen und den unter öffentlicher Aufsicht oder Kuratel stehenden Gütern werden die Rentenscheine zu Gerichtshanden erlegt, und es wird den Parteien überlassen, sich untereinander auszugleichen.
Nach der Ansicht des Finanzministers sollte man auch bei uns das Maß des Zwanges hinsichtlich des Verfahrens bei der Grundentlastung auf das mindeste beschränken und gleich beim Anfange den Gutsbesitzern und Gläubigern hinsichtlich der Abfindung die Wahl lassen. Der Richter hätte von Amtswegen nicht einzuschreiten und abzuwarten, ob die Hypothekargläubiger oder der Gutsbesitzer um die Einleitung einer Verhandlung bitten. Die Parteien würden ein Übereinkommen treffen, und nur dann, wenn dieses nicht zustande käme, würde der eine oder der andere um das Verfahren einschreiten. Dieses würde vorzüglich dann der Fall sein, wenn das Gut stark belastet ist.
Da man diese Idee des Finanzministers, den bei der Grundentlastung Beteiligten keinen Zwang anzutun, gut fand und voraussetzen kann, daß die meisten Gutsbesitzer mit den Gläubigern in den Fällen, wo das Gut nur wenig belastet ist, sich verständigen werden und nur dort, wo eine starke Belastung des Gutes vorhanden ist, ein gerichtliches Einschreiten notwendig erscheinen dürfte, um welches aber die eine oder die andere Partei einschreiten wird, und ein Vorgang, wie ihn der Finanzminister vorschlägt, das Geschäft der Gerichtsbehörden bei der Grundentlastung wesentlich vereinfachen und erleichtern wird, einigte man sich dahin, durch einen an gehörigen Orte einzuschaltenden Paragraph auszusprechen, daß der Richter in Grundentlastungssachen anur auf Ansuchen der einen oder der anderen Partei das Verfahren einzuleiten habe, und daß bis dahin die Obligationen nicht hinauszugeben odera zu Gerichtshanden zu erlegen seien.
Zu § 28 bemerkte der Minister Graf Thun , daß von den Gläubigern, welche eine pupillarmäßige Hypothek haben, wohl keine Einsprache zu besorgen sei, daß aber Gläubiger, deren Hypothek nicht so gut oder gar schlecht ist, solche Einsprache tun und ihre Bezahlung aus dem Entlastungskapitale fordern werden. In diesem Falle, bemerkte der Minister, wäre es aber höchst unbillig, besonders in dem Falle, wenn die Papiere über pari stünden, den Gutsbesitzer verhalten zu wollen, einen solchen Gläubiger mit den Obligationen nach dem Nennwerte zu bezahlen.
Dagegen wurde erinnert, daß dem Gutsbesitzer eine solche Zahlung nicht zugemutet werde und daß es ihm freistünde, in dem gegebenen Falle die Obligationen zu veräußern und dem Gläubiger nominell nur das zu geben, was er zu fordern berechtigt ist. Um diese Rücksicht sicherzustellen, genüge es, dem § 28 nach dem Worte „muß“ nur noch die Worte einzuschalten „oder von dem Schuldner nicht auf eine andere Art befriedigt wird“, wornach dieser Paragraph zu lauten hätte: „Ist ein förmliches Übereinkommen nicht zustande gebracht worden, so hat jeder erschienene Gläubiger, dessen Forderung nicht ihrer Natur nach auf Grund und Boden haftend bleiben muß, oder der von dem Schuldner nicht auf andere Art befriediget wird, nach der bücherlichen Rangordnung das Recht zu fordern, daß er aus dem Entlastungskapitale befriediget werde.“|| S. 337 PDF ||
Für den § 31 brachte der referierende Justizminister Ritter v. Krauß folgende von dem Entwurfe abweichende Textierung in Antrag: „Erklärt sich der Berechtigte, daß das Entlastungskapital unter die Gläubiger zu verteilen sei, so müssen die Gläubiger, welche den auf den ersten zwei Dritteilen des Wertes von Grund und Boden haftenden Forderungen nachgehen, und zwar zuerst der letzte, dann der nächst vorhergehende usw., sich auf das Entlastungskapital weisen lassen.
Wird dieses Kapital durch eine solche Zuweisung nicht erschöpft, so ist der Rest dem Berechtigten auszufolgen.
Als Gutswert wird das Hundertfache der einfachen Grundsteuer ohne Zuschuß angenommen.“
Da durch diese Bestimmungenb alle Verhältnisse gehörig berücksichtiget erscheinen dürften, erklärte man sich damit einverstanden, cnur könnte nicht unbedingt angeordnet werden, daß der letzte Gläubiger vor dem nächst vorhergehenden u.s.f. zu befriedigen sei, da bei einem überlasteten Gute die vorhergehenden Gläubiger des ihnen auf das Entlastungskapital zustehenden Vorrechtes beraubt würden. Der Finanzminister meinte daher, daß stets den in besserer Priorität stehenden Gläubigern die Wahl, ob sie auf …[Blatt im Original abgeschnitten], freizulassen wäre. Nach seinem Erachten wäre daher in dem Falle, wo das Gut nicht bis zu zwei Dritteilen des Wertes belastet ist, der Grundsatz auszusprechen, daß derjenige Teil der Hypothekarschulden auf das Entschädigungskapital zu übertragen wäre, welcher dem Verhältnisse des gedachten Kapitals zu dem Werte des Gutes entspricht. Diese Zuweisung hätte die in der Priorität nachstehenden Posten zu treffen, wenn die vorgehenden Gläubiger nicht die Zuweisung auf das Entlastungskapital in Anspruch nehmen, oder ein anderes Übereinkommen zwischen sämtlichen Teilhabern nicht erzielt wird. Dadurch würde der § 8 des Ah. Patentes vom 25. September 1850 wesentlich verbessert und den Einwendungen, die gegen denselben erhoben werden können, begegnet.c nur könnte nicht unbedingt angeordnet werden, daß der letzte Gläubiger vor dem nächst vorhergehenden u.s.f. zu befriedigen sei, da bei einem überlasteten Gute die vorhergehenden Gläubiger des ihnen auf das Entlastungskapital zustehenden Vorrechtes beraubt würden. Der Finanzminister meinte daher, daß stets den in besserer Priorität stehenden Gläubigern die Wahl, ob sie auf …[Blatt im Original abgeschnitten], freizulassen wäre. Nach seinem Erachten wäre daher in dem Falle, wo das Gut nicht bis zu zwei Dritteilen des Wertes belastet ist, der Grundsatz auszusprechen, daß derjenige Teil der Hypothekarschulden auf das Entschädigungskapital zu übertragen wäre, welcher dem Verhältnisse des gedachten Kapitals zu dem Werte des Gutes entspricht. Diese Zuweisung hätte die in der Priorität nachstehenden Posten zu treffen, wenn die vorgehenden Gläubiger nicht die Zuweisung auf das Entlastungskapital in Anspruch nehmen, oder ein anderes Übereinkommen zwischen sämtlichen Teilhabern nicht erzielt wird. Dadurch würde der § 8 des Ah. Patentes vom 25. September 1850 wesentlich verbessert und den Einwendungen, die gegen denselben erhoben werden können, begegnet.
dDie übrigen Stimmen scheinen diesem Antrage beigetreten zu sein.d
Der § 32 wird aus dem Grunde ganz weggelassen, weil die darin enthaltene Bestimmung in der Vorschrift über die Grundentlastung ihren angemessenen Platz finden wird.
Zu § 33 hinsichtlich der in einigen Kronländern gesetzlich bestehenden Oktava bemerkte der Minister Dr. Bach , daß die Basis des Bestandes dieser Last das Untertans- und das Jurisdiktionsverhältnis der ehemaligen Patrimonialherrschaften war. Nun habe aber das Untertansverhältnis mit dem 7. September 1848 und das Jurisdiktionsverhältnis der ehemaligen Obrigkeiten mit dem 1. Juli 1850, von welchem Tage an die Jurisdiktion vom Staate übernommen wurde, aufgehört, und da nach Ablauf von drei Jahren die Haftung zu erlöschen hat, so hätte seiner Ansicht nach auch die Haftung der Oktava in Ansehung des Untertansverhältnisses vom 7. September 1851 und in Ansehung des Jurisdiktionsverhältnisses vom 1. Juli 1853 aufzuhören, und hätte sich von da an nur auf Fälle aus früherer Zeit zu erstrecken.|| S. 338 PDF ||
Eine soeben hierüber im Zuge begriffene Verhandlung werde der Minister Dr. Bach nächstens an das Justizministerium leiten.
Jedenfalls würde er aber, und auch der Minister Graf Thun , des Dafürhaltens sein, daß wenigstens die Haftung der Oktava nicht auf das Entlastungskapital übertragen werde, weil durch eine solche Übertragung das Geschäft der Grundentlastung sehr erschwert und kompliziert würde, indem zur Bestimmung dieser Oktava jederzeit der Gutswert erhoben werden müsste.
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß würde wohl keinen Anstand gegen die Aufhebung der Oktava hinsichtlich der Urbarialschuldigkeiten finden, könnte aber für eine solche Aufhebung hinsichtlich des Waisenvermögens ejetzt noch nicht stimmen, weil es bedenklich wäre, die ehemaligen Jurisdicenten in Ansehung dieses Teils schon jetzt aller Haftung zu entheben, so lange die Liquidation der Waisenkassen nicht erfolgt ist.e
Der Justizminister Ritter v. Krauß fand dagegen zu erinnern, daß das Entschädigungsrecht, somit auch die Haftung, erst binnen drei Jahren von dem Tage an erlösche, an welchem der Schade bekannt worden ist, was eine vorläufige Liquidation erheische. Werden die Liquidationen von Seite des Staates in Ansehung der Pupillarkapitalien, Verlassenschaften etc. (welche übrigens möglichst zu beschleunigen sein werden) einmal durchgeführt und der allenfällige Schade bekannt gemacht worden sein, dann erst werde diese Haftung binnen drei Jahren aufgehoben werden können. Bis dahin müsse das mit der Oktava belastete Gut nach dem diesfalls bestehenden Gesetze vom 18. April 1784, und zwar so lange in Haftung verbleiben, bis ein neues Gesetz darüber erlassen wird, und diese Haftung habe sich nicht bloß auf den Grund und Boden des Gutes, sondern auch auf die nun aufgehobenen Urbarialschuldigkeiten beziehungsweise den dieselben repräsentierenden Entlastungsfonds als aliquoten Teil des Gutswertes zu erstrecken.
Der letzte Absatz des § 35 hätte in folgender Art zu lauten: „Im letzteren Falle kann der nach Abzug der vorhergehenden, auf die Entlastungssumme gewiesenen Forderungen erübrigende Entlastungskapitalsrest vor Austragung der Sache nicht weiter verteilt werden.“
Der § 36 hätte sich auf folgenden Ausspruch zu beschränken: „Kapitalien, die nicht fällig sind, müssen sichergestellt werden“; und der Schlußsatz des § 37 so zu lauten: „Alle Forderungen sind im Falle der Überweisung auf das Entlastungskapital nach den bestehenden Gesetzen auf Konventionsmünze zu berechnen.“
Die Textierung des § 48, welcher ausspricht, daß nach eingetretener Rechtskraft der richterlichen Erledigung die dadurch auf das Entlastungskapital verwiesenen Forderungen nach Maß der erfolgten Überweisung im öffentlichen Buche zu löschen sind usw., wäre nach der Bemerkung des Ministers Dr. Bach , welcher man beigetreten ist, dahin angemessen zu modifizieren, daß die Löschung im öffentlichen Buche erst dann einzutreten habe, wenn dem Gläubiger die Obligationen ausgefolgt worden sind.|| S. 339 PDF ||
Am Schlusse dieses Paragraphes wäre ferner zur Verwahrung gegen jeden Mißbrauch noch die Bestimmung aufzunehmen, daß, wenn die Urkunden nicht beigebracht worden sind, die Amortisation derselben zu veranlassen sei3.
Wien, am 16. März 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 11. April 1851.