Nr. 385 Ministerrat, Wien, 21. August 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 22. 8.), Krauß 23. 8., Bach 23. 8., Schmerling 18. 10., Bruck, Thun, Csorich, Kulmer 23. 8.; abw.abwesend Stadion, Thinnfeld.
MRZ. 3419 – KZ. 3487 –
- [I.] Ankauf des Kuković’schen Hauses in Agram für die Finanzbehörde
- II. Artikel des „Lombardo-Veneto“ über die lombardisch-venezianische Anleihe
- III. Auszeichnung für Johann Saazer
- IV. Auszeichnung für Ignaz Gulz
- V. Auszeichnung für Kajetan Höfferer und Ludwig Goubillon
- VI. Auszeichnung für Wilhelm Mück
- VII. Vorschlag für das Bistum Tarnow
- VIII. Auszeichnung für Franz Freiherr v. Sommaruga
- IX. Auszeichnung für Josef Wilim
- X. Studienordnung für 1851; Regulierung der Immatrikulationstaxen
- XI. Gemeindeordnung für Agram und Esseg
- XII. Kommissäre zur Fogaraser Bischofswahl
- XIII. Gesetzentwuf wegen Einbringung älterer Urbarialrückstände
- XIV. Spaltung unter den Juden
- XV. Todesurteile
- XVI. Differenz zwischen Banus und Justizminister über die Amtssprache
Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 21. August 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
[I.] Ankauf des Kuković’schen Hauses in Agram für die Finanzbehörde
Der Finanzminister referierte über den Ankauf des Kuković’schen Hauses in Agram für die Unterbringung der Landesfinanzbehörde.
Geschätzt ist es auf 56.000 fr. – der Eigentümer verlangt 75.000 fr. dafür. Einstimmig mit dem Vorsteher der Landesfinanzbehörde erachtete der Finanzminister, ohne übrigens die vom Minister Baron Kulmer hervorgehobene Erhöhung der Preise aller Realitäten in Agram zu verkennen, doch, daß in keinem Falle mehr 70.000 fr. dafür zu bieten wären, wozu auch die Zustimmung des Ministerrates erfolgte1.
II. Artikel des „Lombardo-Veneto“ über die lombardisch-venezianische Anleihe
Hielt sich der Finanzminister für verpflichtet, auf einen in der venezianischen Zeitung „Il Lombardo-Veneto“2 vom 14. d. [J.] erschienenen Artikel aufmerksam zu machen, worin die von dem Hofkommissär Schwind vorbereitete gedruckte Kundmachung in Betreff des lombardisch-venezianischen Anleihens, deren Veröffentlichung auf den Wunsch der Kommission sistiert worden war, infolge einer Indiskretion dem wesentlichen Inhalte nach abgedruckt und mit hämischen, die Maßregeln der Regierung gegenüber den Italienern verdächtigenden, auch in den Tatsachen unrichtigen Bemerkungen begleitet wird. Der Finanzminister fand es befremdend, daß solche Vorgänge im Belagerungszustande vorkommen können, und lud den Minister des Inneren ein, Vorkehrungen dagegen zu treffen, welcher seinerseits wohl die Anweisung des Statthalters zur gehörigen Verwarnung des betreffenden Journalisten zusicherte, dabei aber die Ansicht aussprach, daß die Widerlegung der unrichtig dargestellten Sachverhältnisse allenfalls mittelst eines ämtlichen Zeitungsartikels zu veranlassen sein dürfte.|| S. 222 PDF ||
Nach dem Erachten des Handelsministers wäre auch der Journalist zu der Angabe zu verhalten, auf welchem Wege er in den Besitz der besprochenen Kundmachung, rücksichtlich eines Exemplars davon gekommen ist3.
III. Auszeichnung für Johann Saazer
Der Kriegsminister beantragte im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren die Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes an den Offizial im Handelsministerium Johann Saazer als Gründer einer Stiftung für invalide Offiziere und Mannschaft. welche Stiftung dermalen schon ein Erträgnis von 339 fr. abwirft und zur Beteilung zweier Offiziere und von zwölf Mann bestimmt ist.
Der Handelsminister übernahm brevi manu die diesfälligen Akten zum Behufe der Abgabe seines Gutachtens über das Verhalten dieses Beamten4.
IV. Auszeichnung für Ignaz Gulz
Der Kriegsminister referierte weiters über den Antrag des zweiten Generaladjutanten Sr. Majestät GM. v. Kellner auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes an Dr. Gulz für seine Sendung nach Galizien zur Untersuchung der beim Militare herrschenden Augenentzündung.
Der Finanzminister und der Ministerpräsident fanden die angetragene Belohnung außer Verhältnis zu der Leistung, welche, auf eine einzige, in ihren Resultaten nicht einmal bekannte Kommission beschränkt, durch Ausdrückung der Ah. Zufriedenheit hinlänglich anerkannt sein dürfte.
Dieser Ansicht trat dann auch der Kriegsminister selbst bei5.
V. Auszeichnung für Kajetan Höfferer und Ludwig Goubillon
Der Handelsminister unterstützte das Einschreiten des FZM. Baron Welden um Verleihung einer Auszeichnung an die 1848 in gefahrvollen Aufträgen ausgesandten Postkondukteure Höfferer und Goubillon mit dem Auftrage auf das silberne Verdienstkreuz6, wogegen sich sowenig [ergab] als gegen den weiteren Antrag
VI. Auszeichnung für Wilhelm Mück
auf Auszeichnung des im ungrischen Kriege durch rühmliche Tätigkeit sich verdient gemacht habenden Eisenbahningenieurs Wilhelm Mück mit dem goldenen Verdienstkreuze7.
VII. Vorschlag für das Bistum Tarnow
Der Kultusminister schlug unter allseitiger Zustimmung für das durch Woytarowicz’ Resignation erledigte Bistum Tarnow den vom galizischen Landeschef in jeder Hinsicht empfohlenen Przemyśler Domherrn Hoppe vor und wird hiernach den Vortrag an Se. Majestät erstatten8.
VIII. Auszeichnung für Franz Freiherr v. Sommaruga
Der Kurator des Theresianums Graf Taaffe hat aus Anlaß des Abtretens des Oberlandesgerichtspräsidenten Baron Sommaruga von dem Amte eines Kuratorstellvertreters, welches er durch so viele Jahre mit Auszeichnung versah, auf eine Ah. Anerkennung für denselben angetragen. Diese hätte, da Baron Sommaruga bereits das Ritterkreuz des St.Stephansordens besitzt, entweder in dem Kommandeurkreuze desselben oder in dem Großkreuze des Franz-Joseph-Ordens zu bestehen.
Der Ministerrat entschied sich einstimmig für das letztere9, und
IX. Auszeichnung für Josef Wilim
nahm den Antrag auf Verleihung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Schullehrer Wilim Josef an10.
X. Studienordnung für 1851; Regulierung der Immatrikulationstaxen
Der Unterrichtsminister referierte weiters über die Studienordnung für das Schuljahr 1850/51.
Sie ist im wesentlichen auf der Basis derjenigen entworfen, die pro 1850 gegolten hat11, und enthält nur einige im Interesse der Frequentation getroffene Änderungen, als die Vermehrung der obligaten Kollegien, Numerierung der Plätze etc.
Eine wesentliche Reform hätte die Bemessung und Verwendung der Immatrikulationstaxen zu erleiden. Erstere wie letztere sind an den verschiedenen Universitäten verschieden; es wäre daher die Immatrikulationstaxe im allgemeinen mit 2 fr. für jeden Studenten ohne Unterschied des Standes festzusetzen und das Erträgnis unter den Rektor, die Dekane, die Universitätsbibliothek und die Quästur zu gleichen Teilen zu verteilen.
Hierdurch entfiele die bisherige Teilnahme der Witwensozietät der hiesigen Fakultätsdoktoren, deren Ansprüche, wenn solche zu Recht bestehen, in einer besonderen Verhandlung zu würdigen wären12. Der Unterrichtsminister glaubt übrigens nicht, daß von diesen Sozietäten Rechtsansprüche an den fraglichen Fonds erhoben werden können, weil zwischen den zum Fonds einzahlenden Studenten und den Witwen derjenigen Fakultätsdoktoren, die sich beliebig der Wiener Sozietät angeschlossen haben, kein so innerer und notwendiger Zusammenhang besteht, um eine Beitragsleistung der ersteren für Zwecke der letzteren zu rechtfertigen.
Allein da, nach der Bemerkung des Minister des Inneren , die Teilnahme der Wiener Fakultätsdoktoren-Witwensozietät auf den von der Kaiserin Maria Theresia sanktionierten Statuten von 1760 beruht13, mithin allerdings einen Rechtstitel für sich hat, da ferner – wie der Finanzminister bemerkte – abgesehen von der Rechtsfrage auch ein|| S. 224 PDF || Nexus zwischen den kontribuierenden Studenten und den partizipierenden Doktoren nicht geleugnet werden kann, indem ja diese aus jenen hervorgehen und es jedenfalls unpolitisch wäre, der Gesellschaft den fast hundertjährigen Besitz eines für ihre Existenz wichtigen Bezugs zu entziehen, um ihn den an Taxen und Sporteln aller Art teilnehmenden Rektoren und Dekanen zuzuwenden, so war die Mehrheit des Ministerrates zwar für die Regulierung der Immatrikulationsgebühren, jedoch nicht für die Ausschließung der genannten Gesellschaft von dem bisherigen Bezuge aus denselben. Letzteres könnte, nach dem Erachten des Handelsministers , nur im Wege einer Vermittlung mit der Gesellschaft bewirkt werden14.
XI. Gemeindeordnung für Agram und Esseg
Die vom Minister des Inneren mit Zuziehung von Vertrauensmännern entworfene Gemeindeordnung für die Städte Agram und Esseg gab zu keiner Erinnerung Anlaß15, ebenso wenig
XII. Kommissäre zur Fogaraser Bischofswahl
der Vortrag desselben Ministers wegen Bestimmung des Großwardeiner griechisch-katholischen Bischofs Erdélyi und des Gubernialrates Gebbel als lf. Kommissäre zur Vornahme der Wahl des Fogarasser griechischen Bischofs16.
XIII. Gesetzentwuf wegen Einbringung älterer Urbarialrückstände
Der Minister des Inneren referierte über die Grundzüge des von einer Kommission aus Abgeordneten der drei Ministerien des Inneren, der Justiz und der Finanzen entworfenen Gesetzes über die Modalitäten zur Einbringung der älteren Urbarialgabenrückstände17. Weder die diesfälligen Bestimmungen noch die für die bezüglichen Verhandlungen angesprochene Stempelfreiheit unterlagen einer Einwendung18.
XIV. Spaltung unter den Juden
Der Ministerpräsident glaubte die Aufmerksamkeit der Minister auf die zwischen den Juden aufkommende Spaltung in Beziehung auf ihren Kultus mit dem Bemerken lenken zu sollen, daß es notwendig sein dürfte, schon itzt den Gang ins Auge zu fassen, welchen die Regierung diesem Zerwürfnisse gegenüber einzuschlagen habe19.
XV. Todesurteile
Gegen den Antrag des Justizministers auf Nachsicht der Todesstrafe wider Franz Schikula und Thomas Hajek wegen Mordes ergab sich keine Erinnerung20.
XVI. Differenz zwischen Banus und Justizminister über die Amtssprache
Die Gerichtseinführungskommission in Kroatien hat in der Kundmachung der zu besetzenden Stellen unter andern den Wunsch ausgesprochen, daß Bewerber, welche der deutschen Sprache mächtig sind, ihre Gesuche in dieser Sprache oder wenigstens mit einer deutschen Übersetzung einreichen möchten. Dies hat eine Reklamation des Agramer und Warasdiner Komitats veranlaßt, worin der Ban gebeten wird, der gedachten Kommission diesen Übergriff zu verweisen. Der Ban hat den Komitaten in der darauf erteilten Antwort zwar das Übertriebene ihrer Besorgnise vorgestellt, indem die kroatische Nationalität durch kaiserliche Entschließungen garantiert sei, zugleich aber die Zusicherung gegeben, daß er das Nötige veranlassen werde, damit ähnliche Vorfälle sich nicht mehr ereignen. Zu diesem Ende hat der Ban in einer (kroatischen und deutschen) Zuschrift an den Justizminister vorgestellt, welche Aufregung die gedachte Kundmachung im Lande hervorgerufen, und den Wunsch ausgesprochen, daß ähnliche Vorgänge nicht mehr vorkommen mögen, woraus eine Einschränkung des dienstlichen Gebrauchs der Nationalsprache abgeleitet werden könnte21.
So grundlos diese letzere Besorgnis gegenüber dem von der Gerichtseinführungskommission ausgesprochenen, ganz zweckmäßigen Wunsche auch ist, so würde der Justizminister doch darüber hinausgehen, wenn nicht die Vorstellung der Komitate und die vom Ban hierauf erteilte Antwort in allen Zeitungen erschienen wäre. Dieser Umstand macht aber eine Erwiderung von Seite des Ministers umso notwendiger, als es nicht angeht, einerseits den ganz ungegründeten Vorwurf einer Verletzung der Nationalität hinzunehmen, andererseits aber eine Einschränkung der Wirksamkeit der Zentralgewalt von Seite eines Landeschefs zu dulden. In diesem Sinne würde der Justizminister dem Ban antworten und die Kundmachung der Einführungskommission rechtfertigen.
Der Minister des Inneren hätte zwar geglaubt, daß die Sache auf sich beruhen könnte, um nicht noch mehr Aufhebens davon zu machen. Aber der Ministerpräsident hielt eine Erwiderung und zwar mit Hinweisung auf die Äußerung des Ban selbst, daß kein Grund zu Besorgnissen aus jener Kundmachung abzuleiten war, für ebenso angemessen als die Aufnahme dieser Erwiderung in die Zeitung.
Der Justizminister behielt sich demnach vor, den diesfälligen Erlaß an den Ban zu entwerfen und nächstens in Vortrag zu bringen22.
Wien, am 22. August 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 23. Oktober 1850.