Nr. 374 Ministerrat, Wien, 29. Julius 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 30. 7.), Krauß 31. 7., Bach 31. 7., Schmerling, Csorich, Bruck, Thinnfeld 31. 7., Thun, Kulmer 31. 7.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 3086 – KZ. 2598 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 29. Juli 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Taxen für den Kardinalshut des Erzbischofs von Olmütz
Der Ministerpräsident eröffnete, daß Se. Heiligkeit der Papst die Absicht haben, dem Fürsterzbischofe von Olmütz den Kardinalshut zu verleihen1.
Da es wünschenswert ist, daß die Zahl der Kardinäle in der Monarchie, die dermalen auf zwei, darunter ein Italiener, beschränkt ist, vermehrt werde, die Entrichtung der mit der Kardinalswürde verbundenen Taxen (über 3000 Scudi) aber dem Erzbischofe von Olmütz, dessen Einkommen durch die Zeitverhältnisse sowie durch den lediglich im Interesse seiner hohen geistlichen Würde gemachten Aufwand geschmälert ist, einige Verlegenheit bereiten dürfte, so stellte der Ministerpräsident die Frage, ob diese Taxen nicht etwa auf das Ärar zu übernehmen wären.
Der Ministerrat war der Meinung, daß hierauf, insofern kein Einschreiten des Erzbischofs vorliegt, nicht einzugehen wäre, weil das Erzbistum Olmütz anerkannt eine der reichsten Pfründen der Monarchie ist und ein Zugeständnis in diesem Falle zu Konsequenzen für andere führen würde2.
II. Anleihe im lombardisch-venezianischen Königreiche
Der Finanzminister las das Protokoll über die Modalitäten des endlichen Abschlusses des lombardisch-venezianischen Anleihens samt den von ihm hinauszugebenden Erledigungspunkten3.
Hiernach würde die Summe des Anleihens, ursprünglich zwischen 120–150 Millionen beantragt, mit 130 Millionen Lire festgesetzt, hieran dasjenige, was durch die Subskription aufgebracht worden, eingerechnet, der Rest durch Submission beigeschafft und die Differenz des Subskriptions- und des Submissionspreises von dem Lande getragen werden, welches überhaupt für diese als Schuld der lombardisch-venezianischen Provinzen anzuerkennende, eigentliche Landesschuld einzustehen hat.|| S. 179 PDF ||
In dem Maße, als das Geld für das Anleihen eingeht, jedenfalls aber nach Vollendung der Einzahlung, wo nicht früher, werden die Schatzscheine vertilgt, und es wird kein Papiergeld mit Zwangskurs mehr hinausgegeben. Ebenso wird nach Vollendung der Einzahlung der ao. Zuschuß zur Grundsteuer in der Art reduziert, daß er auf das in den übrigen Kronländern titulo der Einkommensteuer umgelegte Perzent herabgebracht wird. Der von den Landesabgeordneten geäußerte Wunsch, daß die eingehenden Gelder nächst der Tilgung der Schatzscheine zum Ausbau der lombardisch-venezianischen Eisenbahn verwendet werden mögen, entspricht den Absichten der Regierung. Ebensowenig unterliegt es einem Anstande, den Verhandlungen wegen des Anleihens die angesuchte Tax- und Stempelfreiheit zu gewähren. Dem Verlangen aber, für die Submissionsverhandlung eine Frist von zwei Monaten zuzugestehen, kann bei der schon in reichlichem Maße gewährten Schonung und Nachsicht keine Folge gegeben, es muß vielmehr darauf gedrungen werden, daß nach Verlauf einer angemessenen Frist, etwa 14 Tage, zur Verlautbarung der Aufforderung zur Submission die öffentliche Submissionsverhandlung stattfinde und abgeschlossen werde, nach deren fruchtlosem Ablaufe aber sogleich die zwangsweise Repartition der noch aufzubringenden Summe auf das Land eintrete, wozu der Repartitionsschlüssel bereits vorliegt4.
Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden, der Handelsminister in der Voraussetzung, daß die Regierung selbst die ganze Verhandlung übernehme, der Minister des Inneren mit dem Beisatze, daß beim Abschlusse des Anleihens der Kommission der entscheidende Einfluß nicht entzogen und wegen Einziehung der Schatzscheine sowie wegen Verminderung des Steuerzuschlags eine bestimmte Zusicherung hinausgegeben werde5.
III. Gesuch Franz Graf Schliks zu Bassano und Weißkirchen um eine Belohnung
Der Finanzminister referierte über das von dem abgetretenen Kriegsminister vergutachtete Majestätsgesuch des GdK. Grafen Schlik, worin er in Berücksichtigung seiner und seiner Ahnen Verdienste, dann seiner bedrängten ökonomischen Lage um eine ähnliche Gnadenbezeigung, wie selbe den Feldmarschällen Radetzky, Windischgrätz etc. zuteil geworden, bittet6.
Ohne die wichtigen Dienste zu verkennen, welche Graf Schlick überhaupt und insbesondere im letzten ungrischen Feldzuge geleistet hat, glaubte der Ministerrat doch darin kein entscheidendes Motiv finden zu können, um auf eine Donation für ihn antragen zu sollen, weil solche bisher immer nur den Obersten Befehlshabern, nicht bloßen Korpskommandanten zuteil geworden sind und eine Ausdehnung auf letztere nur zu weiteren,|| S. 180 PDF || dem Ärar beschwerlichen Konsequenzen führen würde. In Erwägung der mißlichen pekuniären Verhältnisse des Grafen Schlick aber vereinigte man sich in dem Beschlusse, demselben mit einem Darleihen oder Ablösung der ihn am meisten drückenden Schulden unter günstigen Bedingnissen zu Hilfe zu kommen, zu welchem Ende der Finanzminister sich vorbehielt, mit Grafen Schlik das Weitere zu besprechen7.
IV. Päpstliche Werbdepots im lombardisch-venezianischen Königreiche und in Tirol
Über das vom Minister der auswärtigen Angelegenheiten befürwortete Einschreiten des päpstlichen Kriegsministers um Gestattung der Errichtung von Depots für Werbung der päpstlichen Schweizer Garde im lombardisch-venezianischen Königreiche und in Tirol äußerte der Minister des Inneren wesentliche Bedenken8. Er besorgt ein bedeutendes Zusammenströmen müßiger und schwer zu überwachender Ausländer, nicht bloß Schweizer, sondern auch der politischen Flüchtlinge aus Deutschland, und glaubt, von seinem Standpunkte aus gegen ein solches Zugeständnis, insbesondere was Tirol betrifft (im lombardisch-venezianischen Königreiche will Feldmarschall Graf Radetzky selbst nichts davon wissen), sich umso mehr verwahren zu müssen, als dort nicht die Mittel zur Abwehr von Unzukömmlichkeiten zu Gebote stehen wie im lombardisch-venezianischen Königreiche, das mit einer starken Militärmacht gedeckt ist9.