Nr. 220 Ministerrat, Wien, 5. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 6. 12.), Krauß 8.12., Gyulai 7.12., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 7.12., Thun, Kulmer 7.12.; abw.abwesend Bach, Stadion.
MRZ. 4497 – KZ. 3852 –
- I. Neues Statut über Militärsupplentenstellung
- II. Hilfsbeamte für die österreichischen Bevollmächtigten beim deutschen Interim
- III. Eidesablegung der Bischöfe
- IV. Vormund für Kossuths Kinder
- V. Todesurteil gegen Hieronymus Bombana
- VI. Vertrag mit der Nationalbank über die Modalität der Tilgung der nachmärzlichen Ärarschuld
- VII. Niederösterreichische Provinzstaatsbuchhaltersstelle
- VIII. Option der Mailand-Venediger Eisenbahngesellschaft
- IX. Beendigung der Requisitionen und der Kommissionen zur Eintreibung der Multe im lombardisch-venezianischen Königreich
Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 5. Dezember 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Neues Statut über Militärsupplentenstellung
Der Kriegsminister trug vor den Entwurf eines neuen Statuts über die Stellung von Stellvertretern für Rekruten1.
Nach demselben übernimmt der Staat selbst die Sorge für die Stellung des Supplenten aus der Zahl der ausgedienten Kapitulanten und die Versorgung desselben mit einer lebenslänglichen Zulage von täglich 5, 10 oder 15 Kreuzern je nach der ersten, zweiten oder dritten Reengagierung gegen Empfangnahme des von dem Verpflichteten zu erlegenden Kapitals. Was den Betrag des letzteren betrifft, so wurde die Alternative vorgeschlagen, entweder 500 fr. in allen Provinzen gleich oder 800 fr. im lombardisch-venezianischen Königreiche, Südtirol, Görz und Triest, dann 500 fr. in den übrigen Provinzen.
Da sich der Ministerrat während der Anwesenheit des Kriegsministers, der die Sitzung um vier Uhr verlassen mußte, über die Wahl unter diesen Alternativen nicht entschieden hatte, so behielt sich der Kriegsminister vor, den Gegenstand nochmals zur Beratung zu bringen2.
II. Hilfsbeamte für die österreichischen Bevollmächtigten beim deutschen Interim
Der Ministerpräsident und Minister des Äußern erinnerte, daß die Mitglieder der für das deutsche Interim aufzustellenden Kommission einiger Hilfsarbeiter für Finanz-, Justiz- und Staatspolizeisachen bedürfen, und daß es angezeigt sei, nach dem Beispiele Preußens auch unsrerseits den österreichischen Kommissären einige höhere Beamte zu diesem Ende beizugeben. Der Ministerpräsident lud sofort den Finanz- und Justizminister zur Namhaftmachung solcher Individuen ein und behielt sich vor, an den abwesenden Minister des Inneren die gleiche Einladung ergehen zu lassen.
|| S. 869 PDF || Der Finanzminister brachte den Hofrat B. Nell in Vorschlag, der Justizminister behielt sich seinen Antrag vor3.
III. Eidesablegung der Bischöfe
Der Kultusminister referierte über die Anfrage des neuernannten Bischofs von Diakovár Strossmayer, vor wem er den Eid abzulegen habe4.
Da nach der früheren Übung solche Eide vor der Landesstelle und bei zufälliger Anwesenheit des neuernannten Bischofs in Wien vor der Hofkanzlei abgelegt zu werden pflegten, so dürfte es hiebei zu belassen und nur bezüglich der letzteren das an deren Stelle getretene Kultusministerium zur Eidesabnahme zu bestimmen sein5.
IV. Vormund für Kossuths Kinder
Der Justizminister zeigte mit Beziehung auf den Ministerratsbeschluß vom 27. Oktober sub No. I. an, daß für die Kossuthschen Kinder ein Vormund in der Person eines sicheren Czerneczky bestellt worden sei, dann
V. Todesurteil gegen Hieronymus Bombana
referierte er über das Todesurteil wider Hieronymus Bombana wegen Meuchelmordes mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, wogegen nichts erinnert wurde6.
VI. Vertrag mit der Nationalbank über die Modalität der Tilgung der nachmärzlichen Ärarschuld
Der Finanzminister brachte den mit der Nationalbank über die Modalitäten der Abtragung eines Teils der Staatsschuld an sie abzuschließenden Vertrag in Vortrag7. Die Hauptbestimmungen desselben sind: Die mittelst 24 Millionen der sardinischen Kriegsentschädigung und 60 Millionen des neuen Anleihens zu bewirkende Tilgung hat nur bezüglich der seit März 1848 vom Staate bei der Bank zu verschiedenen Zinsen gemachten Schulden im Gesamtbetrage von 96 Millionen sukzessive, nämlich nach Maß der einlangenden Kriegsentschädigungs- und Anleihensraten, einzutreten. Die Bank begnügt sich mit einer Verzinsung von zwei Prozent (nach der Durchschnittsberechnung entfielen bei zweieinhalb Prozent) und wünscht, daß die von der Kriegsentschädigung|| S. 870 PDF || für sie bestimmten Summen entweder in klingender Münze oder in fremden Devisen abgetragen werde.
Da der Ministerrat gegen diese vom Finanzminister empfohlenen Stipulationen nichts zu erinnern fand, so wird letzterer den Kontrakt sofort abschließen und die nachträgliche Ah. Genehmigung Sr. Majestät dazu sich erbitten8.
VII. Niederösterreichische Provinzstaatsbuchhaltersstelle
Derselbe referierte über den Vorschlag des Generalrechnungsdirektoriums zur Besetzung der niederösterreichischen Provinzstaatsbuchhaltersstelle (Vortrag vom 5. November 1849 KZ. 3504).
Da der vom Direktorium als vorzüglich geeignet erkannte Linzer Staatsbuchhalter Knorr nach Brünn bestimmt ist, wo die Unordnung im Buchhaltungswesen der energischen Einwirkung dieses Mannes bedarf, so teilte der Finanzminister und mit ihm der Ministerrat den Antrag des Direktoriums auf Ernennung des Johann Pretsch für die niederösterreichische Buchhaltersstelle9.
VIII. Option der Mailand-Venediger Eisenbahngesellschaft
Übergab der Finanzminister die Verhandlung über die Einlösung der Mailand-Venediger Bahn dem Justizminister zu näherer Prüfung der Rechtsfrage, inwiefern der Eisenbahngesellschaft die in den ursprünglichen Kontrakten vorbehaltene Option noch zustehe10.
IX. Beendigung der Requisitionen und der Kommissionen zur Eintreibung der Multe im lombardisch-venezianischen Königreich
Die vom Finanzminister vorgelesene Anzeige über die erfolgte Einstellung der Requisitionen im lombardisch-venezianischen Königreiche gab dem Handelsminister Anlaß zu der Bemerkung, daß die zur Einbringung der sogenannten Multe aufgestellten Kommissionen noch immer zur größten Bedrückung der Beteiligten fortbestehen, während ihre Funktionen nunmehr füglich den ordentlichen Verwaltungsbehörden übertragen werden könnten11. Der Ministerpräsident lud den Handelsminister ein, wegen Abstellung dieser Inkonvenienzen das Erforderliche einzuleiten12.
Wien, am 6. Dezember 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 12. Dezember 1849.