Nr. 201 Ministerrat, Wien, 3. November 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thun, Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 4. 11.), Krauß 8.11., Bach 7.11., Gyulai 5.11., Schmerling 5.11., Bruck, Thun, Thinnfeld, Kulmer 5.11.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 4014 – KZ. 3443 –
Protokoll der am 3. November 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Nachrichten aus Widin
Zu Anfang der Sitzung wurden zwei Berichte, einer des Generalen Edler von Hauslab an den Oberkommandanten in Ungarn Freiherrn von Haynau, der andere dieses letzteren an den Ministerpräsidenten vorgelesen und dadurch die neuesten interessanten Nachrichten aus Widin, die Übernahme der Insurgentenflüchtlinge betreffend, deren bereits 3.171 von der serbischen Seite her nach Österreich zurückgeführt worden sind, zur Kenntnis des Ministerrates gebracht1.
Ein Aufsatz über die Übernahme dieser Flüchtlinge und die dabei stattgehabten Vorgänge befindet sich in der Abendbeilage zur Wiener Zeitung vom 3. November d.J.
II. Pensionen der Witwen der nichtunierten griechischen Geistlichen in der Bukowina
Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun regte den Zweifel an, ob ein Erlaß des (vorigen) Ministers des Inneren, nach welchem die Witwen und Waisen der nichtunierten griechischen Geistlichen in der Bukowina aus dem dortigen Religionsfonde die Pensionen und Erziehungsbeiträge, und zwar mit analoger Anwendung der für die Staatsbeamten geltenden Normen, erhalten sollen, in das Reichsgesetzblatt aufzunehmen und kundzumachen sei2. Dem Grafen Thun scheint der erwähnte, wenngleich gut dotierte Religionsfonds nicht berufen zu sein, zu solchen eigentlich keine geistlichen Angelegenheiten betreffenden Auslagen verwendet zu werden. Auch würde ein solcher Vorgang auf die griechisch unierten Geistlichen des Landes einen sehr ungünstigen Eindruck machen.
Nach seiner Ansicht wäre die erwähnte Verfügung nicht in das Reichsgesetzblatt aufzunehmen und zu publizieren, dieselbe dürfte vielmehr noch einmal, und zwar am zweckmäßigsten bei der bevorstehenden Zusammenkunft der griechisch nichtunierten Bischöfe in Wien, zur Besprechung und Schlußfassung gebracht werden, womit sich der Ministerrat vollkommen einverstanden erklärte3.
III. Urlaub für Carl Fürsten Schwarzenberg
Der Kriegsminister Graf Gyulai erwirkte die Zustimmung des Ministerrates, dem neuen Zivil- und Militärgouverneur von Mailand Fürsten Carl Schwarzenberg seinem Gesuche gemäß einen sechswöchentlichen Urlaub vor dem Antritte seines Amtes zu gewähren4.
IV. Allgemeines Privat-, See- und Handelsrecht für die österreichischen Kron- und die deutschen Bundesländer
Der Justizminister Ritter von Schmerling stellte die Anfrage, ob der nun mit Ah. Entschließung vom 2. d.M. resolvierte Vortrag vom 25. Oktober 1849 wegen Erzielung eines allgemeinen Privat-, See- und Handelsrechtes für alle österreichischen Kron- und deutschen Bundesländer5 publiziert werden, dann ob ein Schritt diesfalls bei der deutschen Zentralgewalt geschehen soll, bevor noch eine Beistimmung der sämtlichen deutschen Regierungen zu dieser neuen provisorischen Zentralgewalt erfolgt ist.
Die erste Frage wurde mit dem Beisatze bejaht, daß eine solche und zwar baldige Publikation sogar wünschenswert erscheine.
Hinsichtlich der zweiten Frage wurde bemerkt, daß die Voreinleitungen zur Erzielung des erwähnten gemeinschaftlichen Privat-, See- und Handelsrechtes zuerst beifällig aufgenommen werden müssen, bevor ein direkter Schritt deshalb bei der Zentralgewalt gemacht wird, zu welcher übrigens die Beistimmung von allen Seiten einläuft6.
Auch wurde bemerkt, daß in Hinkunft ähnliche Angelegenheiten so viel wie möglich nach Frankfurt zu leiten sein werden, um die Zentralgewalt dadurch zu kräftigen und den Verwaltungsrat in Berlin zu schwächen7.
Der Minister Ritter von Bruck erinnerte bei diesem Anlasse, daß wegen der Postkonkurrenz der hier angedeutete Weg werde eingeschlagen werden, awenn die Zustimmung auf die angegangene Aufforderung nicht erfolgen würdea .
Wien, den 4. November 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Schönbrunn, 11. November 1849.