Nr. 110 Ministerrat, Wien, 5. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 6. 7.), Krauß 10. 7., Bach 14. 7., Gyulai 17. 7., Kulmer 10. 7.; abw.abwesend Stadion, Bruck, Thinnfeld.
MRZ. 2211 – KZ. 2018 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 5. Julius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern etc. FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Po-Schiffahrts-Vertrag mit Modena
Der gefertigte Ministerpräsident trug vor ein Schreiben des Handelsministers vom 30. Juni in betreff der Unterhandlung eines Po-Schiffahrts-Traktats mit Modena1. Nach demselben besteht die dortige Regierung auf der Abtretung des Gebiets von Rolo als conditio sine qua non des abzuschließenden Traktats, und der Minister rät auf die Zugestehung dieser Abtretung ein, indem er zur Aufklärung der ihm dagegen infolge Ministerratsverhandlung vom 23. und 24. Juni, Z. 2083/II und 2113/I, gemachten Einwendungen bemerkt, daß es sich diesfalls eigentlich nur [um] eine Grenzberichtigung handle, daß Österreich die am linken Po-Ufer gelegenen Inseln erhalten, für den Verlust des nur 13.000 Lire ertragenden Rologebietes durch die infolge der freien Schiffahrt zu erwartenden Ersparung von jährlich 128.000 Lire an Flußzollgebühren für Ärarialtransporte mehr als entschädigt, bei Verweigerung der Abtretung aber diese, schon seit 33 Jahren schwebende Unterhandlung statt zum Abschluß geführt, abermals und zwar in unabsehbare Ferne hinausgerückt werden würde.
Der Justizminister erklärte hiergegen zuvörderst, daß die Abtretung Rolos nicht infolge einer Grenzberichtigung stattfände, weil die Grenze weder zweifelhaft noch streitig sei, daß daher auch der Auslegung des § 6 der Reichsverfassung2 in dem vom Minister Bruck angedeuteten Sinne nicht stattgegeben werden könne; er bemerkte ferner, daß die freie Po-Schiffahrt Österreich schon nach der Wiener Kongreß-Akte zukomme, daß mithin darum, weil Österreich seither nicht auf seinem Rechte bestanden, nicht auch noch itzt, wo Österreich durch Herstellung der Ordnung in Oberitalien und insbesondere der rechtmäßigen Regierung in Modena selbst aAnsprüche auf Dankbarkeit erworbena, eine fortgesetzte Nachgiebigkeit, ja gar noch ein Preis dafür verlangt werden könne. Und insoferne der Ministerpräsident die Abtretung von Rolo als Gegenpreis für den der modenesischen Regierung anzusinnenden Beitritt zum italienischen Zollvereine|| S. 462 PDF || wenigstens in Aussicht stellen zu sollen erachtete, entgegnete der Justizminister, daß er auch dagegen Bedenken trage, weil die Lega Doganale mit den italienischen Staaten bereits im Prinzip ausgesprochen worden ist3, mithin der Beitritt dazu keines besonderen Preises mehr bedarf, übrigens die Zugestehung eines besondern Preises an Modena auch andere italienische Staaten, namentlich Parma, zu ähnlichen Forderungen veranlassen würde. Bezüglich der als Kompensierung für Rolo angedeuteten Inseln am linken Po-Ufer wurde bemerkt, daß selbe ohnehin Österreich gebühren, nachdem traktatenmäßig der Talweg des Po als Grenze zu gelten hat4, daß daher jedenfalls näher aufgeklärt werden müßte, warum jene Inseln nicht schon längst von uns in Besitz genommen worden, dann in welchem Verhältnis ihre Größe und Erträgnis zu dem Gebiete von Rolo stehe.
In diesem Sinne wird der Ministerpräsident dem Minister Bruck mit der Modifikation jedoch antworten, daß (bei den entschiedenen Vorteilen, welche die Lega Doganale darbietet, die auch der Finanzminister anerkannte) der Antrag wegen Rolo bis zum Schlusse der Verhandlung über die Lega in der Schwebe erhalten und, falls die modenesische Regierung fortan darauf bestünde, ihr als Gegenpreis für den Beitritt zur Lega und unter der Bedingung, daß Österreichs finanzielles Interesse durch die Abtretung nicht leide, in Aussicht gestellt werde5.
II. Stand der Sachen in der Toskana
Ein Bericht eben dieses Ministers verbreitet sich über die Schwäche der toskanischen Regierung zur Erhaltung der Ordnung im Lande und über die hierwegen vom Oberbefehlshaber des dortigen k.k. Heeres ergriffenen Maßregeln6.
III. Verwendung Anton Freiherrn v. Puchner
Aus Anlaß einer vom Kriegsminister in Vortrag gebrachten Eingabe des FZM. Baron Puchner, worin er sich als vollkommen hergestellt und zur Übernahme des Generalkommandos in Siebenbürgen oder eines jeden andern Postens bereit meldet7, wurde bei der schon früher (Ministerratsprotokoll vom 9. und 12. Juni, Nr. 1855/IX und Nr. 1907/XII) anerkannten Untunlichkeit, ihm das Kommando in Siebenbürgen wieder zu übertragen, beschlossen, daß wegen dessen Berufung zu dem Posten eines Präsidenten des Obersten Militärgerichtshofs Vortrag an Se. Majestät zu erstatten sei8.
IV. Änderung des Urbarialentschädigungspatents für Ungarn
Der Vertreter des Ministers des Inneren verlas den nach dem Wunsche des FZM. Baron Haynau modifizierten Entwurf des Patents für Ungern wegen der Entschädigung|| S. 463 PDF || für aufgehobene Urbarialien9 (wovon der Vortrag vom 2. Juli 1849, MRZ. 2188 handelt), wobei übrigens bloß die nähere Bezeichnung der Treulosen, welche von den Vorschüssen auf Rechnung der Entschädigung ausgeschlossen werden sollen, angenommen wurde, nicht aber auch die Ausschließung derselben von dem Entschädigungsrechte überhaupt, da dieses nach der Bemerkung des Finanzministers als auf frühere Ah. Zusicherungen gegründet nicht mehr entzogen werden kann, und eine diesfällige Einschränkung zur Beunruhigung und wirklichen Benachteiligung der zahlreichen Gläubiger der Berechtigten gereichen würde10.