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Nr. 97 Ministerrat, Wien, 15. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 16. 6.), Krauß 18. 6., Bach 18. 6., Gyulai 17. 6., Thinnfeld 17. 6., Kulmer 18. 6.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1970 – KZ. 1673 –

Protokoll der am 15. Juni 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Auswärtigen und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Reise des Zaren und des Fürsten Paskiewitsch zur Armee; Sendung von 600.000 fl. an Franz Grafen Zichy v. Vásankeő; Zuweisung zweier Rechnungsführer

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate mit, daß Graf Zichy, wie er durch einen Kurier meldet, Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland die erhaltene Depesche zu Füßen gelegt, daß der Kaiser die Absicht ausgesprochen habe, seine Truppen in Dukla besuchen zu wollen und daß der Feldmarschall Paskiewitsch heute Warschau verlasse, um sich zur Armee zu begeben1. Zichy machte zugleich den Antrag, ihm 600.000 fl. in Anweisungen auf die ungarischen Landeseinkünfte und gleichzeitig einen oder zwei Rechnungsführer zu senden.

Diese Rechnungsführer wären, wie der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte, von der Hofkriegsbuchhaltung zu nehmen, weil diese die Militärverrechnungen am besten kennen. Was die Überweisung der erwähnten 600.000 fl. in Anweisungen auf die Einkünfte Ungarns anbelangt, wird die Erledigung dem Finanzminister mit der Bemerkung überlassen, daß der Minister Dr. Bach, an welchen Zichy diesfalls auch geschrieben, den Kurier anweisen werde, sich morgen im Finanzministerium wegen Übernahme der diesfälligen Depeschen einzufinden2.

II. Abhaltung eines Ministerrates unter dem Vorsitze des Kaisers

Der Ministerpräsident bemerkte weiter, daß Se. Majestät bald die Abhaltung eines Ministerrates in Schönbrunn wünschen, in welcher Beziehung der Minister Dr. Bach bemerkte, einiges zu einer solchen Beratung bereits vorbereitet zu haben3.

III. Protest Bayerns gegen die von Preußen ausgegangene Reichsverfassung

Der Ministerpräsident eröffnete hierauf, daß der königlich bairische Minister von der Pfordten, ein aufgeklärter, wohlgesinnter Mann, bei ihm war. Er reiset nach Berlin, um der dortigen Regierung zu sagen, daß Bayern zu der von Preußen ausgehenden Reichsverfassung nicht raten könne, lieber wolle es durch die Revolution zugrundegehen als durch diese Verfassung; er werde gegen das Kapitel vom Reichsoberhaupte und andere damit zusammenhängende Gegenstände insbesondere protestieren4.

IV. Nachrichten aus Paris

Aus Frankreich seien gute Nachrichten eingelangt. Die große Interpellation in der römischen Sache wurde mit 361 gegen 200 und einige Stimmen im Sinne der guten Partei beantwortet, die Kammer benehme sich ganz vernünftig, wolle dem Papste keine Bedingungen vorschreiben und diesfalls in Übereinstimmung mit den anderen Mächten vorgehen5.

V. Schleichhandel über die March

Der Kriegsminister Graf Gyulai teilte mit eine Anzeige des Kommandierenden aus Mähren, daß Leute aus Ungarn über die mährische Grenze mit Waffen kommen, nicht nur um Wildschaden zu verursachen, sondern auch um auf Kähnen über die March den Schleichhandel zu treiben6. Ferner

VI. Empfang der aus Rastatt zurückgekehrten k.k. Truppen

daß die Militärautoritäten des Landes gestern den zu Wasser von Linz ankommenden kaiserlichen Truppen von Rastatt bis Nußdorf mit der Bande entgegengingen. Se. Majestät erschienen ebenfalls daselbst und richteten einige Worte an die Ankommenden, was einen sehr guten Eindruck hervorgebracht habe7. Endlich

VII. Österreichische Besatzung in Frankfurt

daß ein großer Teil der Reichstruppen von Frankfurt abmarschiert sei, daß aber die kaiserlichen Truppen daselbst zurückgeblieben seien8.

VIII. Urbarialentschädigungsgesetz für Böhmen, Mähren und Schlesien

Der Minister Dr. Bach machte folgende Mitteilungen: das Entschädigungsgesetz für Böhmen, Mähren und Schlesien sei bereits ausgearbeitet und werde nun dem Finanzminister mitgeteilt, um dann ungesäumt in Tätigkeit gesetzt zu werden9.

IX. Suspendierung der Verhängung des Belagerungszustandes über die drei an Ungarn grenzenden Kreise Mährens

Graf Lažanzký habe das Ansuchen gestellt, mit der Erklärung des Kriegsstandes in den drei an Ungarn stoßenden Kreisen Mährens nicht vorzugehen, weil sich dieselben die ganze Zeit hindurch ausgezeichnet gut und loyal benommen haben10.

Der Ministerrat stimmte diesfalls der Ansicht des Ministers Dr. Bach bei, die Sache fahren zu lassen11.

X. Statuto costituzionale del Regno Lombardo-Veneto

Heute sei dem Minister vom Grafen Montecuccoli vom 11. aus Verona das Statuto costituzionale del Regno lombardo veneto, wie es aus der Beratung in Mailand hervorgegangen, zugekommen, was er nächstens dem Ministerrate vorbringen werde12.

XI. Annahmeschwierigkeiten von Tresorscheinen im lombardisch-venezianischen Königreiche; Militäraufwandsverminderung

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf zwei Zuschriften des Grafen Montecuccoli, die Tresorscheine betreffend, zur Sprache13.

Montecuccoli bemerkt, daß die Tresorscheine im Kurse verlieren, und klagt über die Anstände, welche von Seite des Militärs gegen diese Scheine gemacht werden. Auch sei es dringend notwendig, den Militäraufwand in Italien bald zu vermindern. Die Anträge des Grafen Montecuccoli, um den Tresorscheinen Ansehen zu verschaffen, gehen im wesentlichen dahin, 1. wegen zwangsweiser Annahme der Tresorscheine eine Bestimmung zu treffen, 2. möchten Se. Majestät als Befehlshaber der Armee eine Weisung an die Armee ergehen lassen, a) daß die Tresorscheine bei den Zahlungen mit gewissen Beschränkungen verwendet und angenommen werden, und b) daß mit Ende Juni d.J. die Truppen in Italien auf den Friedensfuß gestellt werden. Sollten neuerdings kriegerische Umstände eintreten, so könnten die Truppen dann wieder auf den gegenwärtigen Kriegsfuß gesetzt werden. Hierdurch würden die Auslagen um beiläufig eine Million Lire monatlich weniger betragen.

Der Minister Ritter v. Bruck erklärte sich in seiner Einbegleitung gegen den Zwangskurs der Tresorscheine, meinte aber, daß unverzinsliches Papiergeld in kleineren Beträgen|| S. 410 PDF || (zu 10 und 5 Lire) neben den größeren Scheinen in Gang zu bringen wäre, was gewiß von guter Wirkung sein würde. Mit der Erlassung eines Kabinettschreibens an den Feldmarschall Grafen Radetzky wegen Verminderung des Militäraufwandes durch Versetzung der Truppen auf den Friedensfuß mit der in Italien üblichen Zulage erklärte sich Minister Bruck einverstanden14.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte, daß die Anträge des Grafen Montecuccoli zwei Hauptpunkte betreffen: a) Verminderung der Militärauslagen und b) Maßregeln, um den Tresorscheinen Ansehen zu verschaffen. Ad a) ob eine Verminderung der Militärauslagen eintreten könne, hänge von der Beurteilung des Kriegsministers ab. Dieser wird die Sache in Überlegung nehmen und morgen sich darüber aussprechen15. Ad b) Um den Tresorscheinen Ansehen zu verschaffen, ist Graf Montecuccoli für den Zwangskurs, während sich der Minister Bruck dagegen erklärt. Der Finanzminister wünscht den Zwangskurs nicht so im Interesse der Finanzen als des Landes so lange als möglich hintanzuhalten. An Verminderung der Kriegssteuer und der Requisitionen ist in Italien noch lange nicht zu denken. Die Zinsen tragenden Tresorscheine sind darauf berechnet, eine Verminderung der Lasten zu erzielen. Nach der Ansicht des Finanzministers wären agrößere Korporationen und die Gemeinden aufzufordern, die Tresorscheine als Zahlung anzunehmen.a Jenen, welche sich negativ erklären, wäre ein Zwangsanleihen zur Deckung der Tresorscheine aufzulegen. Damit wäre ferner die Erklärung zu verbinden, daß jene Gemeinden, welche die Tresorscheine annehmen, solche zur Hälfte als Steuer abführen können, welche Begünstigung den anderen Gemeinden nicht zu bewilligen wäre.

Die übrigen Glieder des Ministerrates erklärten sich sämtlich für den sogleichen Zwangskurs der Tresorscheine nach dem Antrage des Grafen v. Montecuccoli. Ihre für diese Ansicht geltend gemachten Gründe sind im wesentlichen, daß durch die Vernehmung der verschiedenen Gemeinden verschiedene Erklärungen, daher eine Ungleichheit hervorkäme. Der Zweck der Maßregel sei, Geld zu schaffen, und zwar bald, der von dem Finanzminister vorgeschlagene Weg erfordere dagegen sehr viel Zeit. Den Gemeinden über die Akzeptation der Tresorscheine in einem im Belagerungsstande befindlichen Lande ein Votum zu lassen, sei unzukömmlich und würde unsere Autorität daselbst schwächen. Dann sei kein Grund vorhanden, Italien anders zu behandeln als die treu gebliebenen Provinzen oder Ungarn, wo überall schon der Zwangskurs besteht.

Nach dem Beschlusse des Ministerrates ist demnach in Italien für die Tresorscheine ein Zwangskurs auszusprechen. Der Finanzminister wird diese Angelegenheit Sr. Majestät zur Ah. Genehmigung vorlegen, dabei aber nach dem Antrage des Ministers v. Bruck die|| S. 411 PDF || Einführung des unverzinslichen Papieres (zu 10 und 5 Lire) der wünschenswerten Ausgleichung wegen zur Sprache und Ah. Genehmigung bringen16.

XII. Ausgabe von Münzscheinen

Der Finanzminister bemerkte weiter, daß in Ansehung der bereits besprochenen Münzscheine zwei Meinungen bestehen, die eine, daß sie der Staat selbst hinausgebe, die andere, daß man diese Hinausgabe den Kommunen überlasse17. Diese zweite Alternative fände der Finanzminister gefährlich, weil man die Summe nicht kontrollieren könnte und Verfälschungen leichter möglich wären. Es wäre zu erklären, daß, ungeachtet die Scheidemünze immerfort geprägt werde, man damit nicht auslange und es deshalb notwendig sei, mit Münzscheinen zu Hilfe zu kommen, welche seinerzeit gegen Scheidemünze eingelöst werden. Die Münzscheine wären den Kommunen nach Bedarf zur Hinausgabe zu übergeben. Hiernach ginge das Geschäft durch die Kommunen, und bei den Münzscheinen bestünde doch Gleichförmigkeit. Das Zerschneiden der Banknoten wird dadurch entbehrlich, welches nach zwei Monaten ganz zu verbieten wäre. Die Einlösung der Münzscheine geschieht, wie schon früher erwähnt wurde, nach Serien.

Dagegen ergab sich keine Erinnerung18.

XIII. Änderung des Kupfergeldvorrates

Schließlich erwähnte der Finanzminister noch, daß auch bei unserem Kupfergelde eine Änderung notwendig sein werde. Bis zum Jahre 1816 sei der Zentner Kupfer auf 213 f. 20 Kreuzer ausgeprägt worden, nach dieser Zeit um die Hälfte schwerer auf 106 f. 40 Kreuzer19. Der Kupferwert sei aber dessenungeachtet noch viel geringer, und dennoch verschwindet selbst das Kupfergeld. Es wäre zu sagen, daß bdas bisherige Kupfergeld werde eingezogen werden und das selbe Geld kömmtb zum Vorscheine. Künftig wäre das Kupfergeld wieder der Zentner zu 213 f. 20 Kreuzer auszuprägen und das alte Kupfergeld nach sechs Monaten nicht mehr anzunehmen. cHierüber kam es zu keinem Beschlussec .20

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 21. Juni 1849.