Nr. 72 Ministerrat, Wien, 18. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 19. 5.), Bach 19. 5., Krauß 19. 5., Cordon 19. 5., Thinnfeld, Kulmer; abw.abwesend Stadion, Bruck.
MRZ. 1546 – KZ. 1337 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 18. Mai 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Beschwerde der Ghelenschen Erben
Eine Beschwerde der v. Ghelenschen Erben, daß die Proklamation Sr. Majestät an die Völker Ungerns vom 12. d. früher in anderen Zeitungen als in ihrer privilegierten Wiener Zeitung erschien, veranlaßte den Beschluß, vorerst erheben zu lassen, auf welchem Wege andere Journale, namentlich der österreichische Kurier in den Besitz derselben gelangten, sodann aber die Veranstaltung zu treffen, daß künftighin derlei ämtliche, zur öffentlichen Kundmachung bestimmte Akte kontraktmäßig immer zuerst der Wiener Zeitung zugemittelt werden1.
II. Ob Gewerbsvereine als politische Vereine zu behandeln sind
Der Justizminister entwickelte seine Ansicht über eine vorgekommene Anfrage, ob Gewerbsvereine als politische Vereine zu behandeln seien, dahin, daß dieselben in die Kategorie derjenigen gehören, welche nach den alten Vereinsdirektiven zu behandeln sind, und daß, sie als politische Vereine zu erklären, umso weniger geraten sein dürfte, als sie dann, selbst wenn sie früher jeder politischen Wirksamkeit fremd gewesen wären, sich wirklich als politische Vereine konstituieren würden. Erlauben sie sich Ausschreitungen, so verfallen sie der durch das Assoziationsgesetz vorgesehenen strengeren Behandlung2.
Der Ministerrat, mit dieser Ansicht einverstanden, empfahl indes eine besondere Überwachung der genannten Vereine.
III. Telegraphisches Netz für die gesamte Monarchie
Der Minister Bach besprach ein über seine Andeutung entworfenes Projekt des englischen Ingenieurs Loosey zu einem telegraphischen Netze über die ganze österreichische Monarchie3. Nach demselben würde 1. Wien mit allen Hauptstädten der Provinzen,|| S. 309 PDF || 2. diese Hauptstädte untereinander, 3. die einzelnen Provinzialhauptstädte mit den vorzüglichsten Orten der betreffenden Provinz in telegraphische Verbindung gesetzt. Zu den unberechenbaren Vorteilen der Ausführung eines solchen Projekts, wodurch die Regierung gewissermaßen allwissend und allgegenwärtig gemacht würde, stehen die mit ziemlicher Genauigkeit zu berechnenden Kosten in gar keinem Verhältnisse; sie würden für das ganze Netz 1,770.000 f. und, wenn man sich vorerst auf die Ausführung der Partien 1 und 2 als der allerwichtigsten beschränken wollte, etwas über eine halbe Million Gulden betragen.
Jedenfalls erschiene das Projekt einer eindringlichen Würdigung wert zu sein, und es erging – wegen Abwesenheit des Handels- und öffentlichen Arbeiten Ministers, zu dessen Ressort diese Angelegenheit eigentlich gehörte, – durch den Finanzminister die Einladung an das Ministerium des Inneren, das in der Rede stehende Projekt dem mit der Einrichtung des Telegraphenwesens vollkommen vertrauten Sektionschef Baumgartner Andrä zur Beurteilung und Gutachten mitzuteilen4.
IV. Besetzung der Ministerien des Inneren und des Unterrichts
Die Minister Bach und Ritter v. Thinnfeld äußerten, bei der Ungewißheit über Graf Stadions Wiedereintritt ins Ministerium, wiederholt den dringenden Wunsch, daß für die von ihnen bisher supplierten Ministerien des Inneren und des Unterrichts baldmöglichst die geeigneten Männer gefunden werden mögen. Der Minister Bach deutete insbesondere auf die Möglichkeit der Erleichterung des Ministeriums des Inneren durch Ausscheidung des Departements des Kultus aus demselben hin, welches einem eigenen Minister und – wie er glaubte – einem Ungern übertragen werden könnte. Es wurden auch die Namen: Kübeck, Montecuccoli für das Innere, Jósika, Ürményi für den Kultus, Schmerling, Baumgartner für den Unterricht genannt. Allein, man kam zu keinem Beschlusse und es wurde sich vorderhand auf das Festhalten an den Bestimmungen des Protokolls vom 15. Mai 1849/I beschränkt5.