Nr. 66 Ministerrat, Wien, 9. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Cordon, thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 10. 5.), Krauß 15. 5., Bach 15. 5., Cordon 15. 5., Thinnfeld, Kulmer.; abw.abwesend Stadion, Bruck.
MRZ. 1441 – KZ. 1240 –
- I. Empfang der Russen in Göding
- II. Konvention wegen Unterhalts der russischen Truppen
- III. Keine zweite Rekrutierung 1849
- IV. Proklamation des Kaisers an die Ungarn; Petition der Slowaken; Organisierung der Verwaltung in Ungarn
- V. Abstellung des bei den Truppen im Marchfeld wahrgenommenen Mißbrauchs
- VI. Bericht aus Berlin
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 9. Mai 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Minister des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Empfang der Russen in Göding
Der Minister Dr. Bach in Vertretung des Ministers des Inneren teilte mit, daß wegen des Empfangs der russischen Truppen in Göding die gehörigen Anstalten getroffen worden seien1, und
II. Konvention wegen Unterhalts der russischen Truppen
der Ministerpräsident verlas ein Schreiben des Generals Caboga aus Warschau, worin zum Behufe des Abschlusses einer Konvention mit der russischen Regierung über die Modalitäten des Unterhalts der russischen Hilfsvölker auf österreichischem Gebiete die Absendung eines Militärkommissariats- oder eines Finanzbeamten angesucht wird2. Als Grundlage der Konvention wird angegeben, daß die von der russischen Regierung der Armee nachgeführten Vorräte vom österreichischen Ärar bezahlt und überhaupt vom Eintritte der russischen Truppen auf österreichischem Gebiete der Unterhalt (l’entretien) derselben auf Rechnung des österreichischen Ärars komme.
Von Seite des Kriegsministeriums ist der Oberkriegskommissär Cantzler bereits nach Warschau zu obigem Zwecke abgeordert worden3. Da aber nach der Bemerkung des Finanzministers hierbei auch wichtige finanzielle Rücksichten eintreten, namentlich, von welchem Zeitpunkte an die Zahlungen des k.k. Ärars zu beginnen haben, welche Vorsichten bei Herstellung des Beweises der Liquidität der Lieferungsforderungen etc. zu beachten, wie sich in Ansehung der Geldverwechslung zu benehmen sei, so wurde auch die Abordnung eines Finanzbeamten, dessen Benennung der Finanzminister sich vorbehielt4, beliebt und von Seite des letzteren noch darauf aufmerksam gemacht, wie notwendig es sei, dem österreichischen Bevollmächtigten das Festhalten an der engeren Bedeutung des Ausdrucks „Unterhalt“ einzuschärfen, damit das österreichische|| S. 285 PDF || Ärar nicht etwa auch mit Soldforderungen, welche darunter nicht begriffen sind, belastet werde5.
Einer weiteren Anregung des Finanzministers, ob es nicht geraten wäre, zur Vermeidung von Konflikten im Kommando der Truppen in Ungern den Feldmarschall Grafen Radetzky zum Oberbefehl zu berufen, dem sich dann auch die Russen gerne unterwerfen würden, glaubte der Ministerrat nicht beitreten zu können, weil es ihm nicht angemessen schiene, den Feldmarschall schon itzt seiner bisherigen Wirksamkeit in Italien zu entziehen.
III. Keine zweite Rekrutierung 1849
Der Minister Dr. Bach in Vertretung des Ministers des Inneren referierte über die Äußerungen sämtlicher Länderpräsidien in betreff einer zweiten heurigen Rekrutierung6.
Alle erklären sich dagegen, es wurde daher auch nach dem Antrage des Ministers beschlossen, keine Rekrutierung für heuer mehr auszuschreiben, dagegen aber auf der Nachstellung der im ganzen mit etwa 15.000 Mann noch rückständigen Rekruten zu bestehen und, da ein wesentliches Hindernis in der Aufbringung des vollen Kontingents in dem ausnahmelosen Festhalten an dem vorgeschriebenen Minimalmaße per 5 Fuß gefunden wird, zum Behufe der Erleichterung dieser Nachstellung eine Nachsicht eintreten zu lassen, welche der Kriegsminister – freilich nur mit Widerstreben – mit einem Zoll zuzugestehen sich herbeigelassen hat7.
IV. Proklamation des Kaisers an die Ungarn; Petition der Slowaken; Organisierung der Verwaltung in Ungarn
Der gefertigte Ministerpräsident verlas den Entwurf des Barons Jósika zu einer von Sr. Majestät vor den letzten entscheidenden Schritten, insonderheit wegen des Einrückens der Russen an die Ungarn zu erlassenden Proklamation, welche in drei Sprachen, deutsch, ungrisch und slowakisch, auszuteilen sein würde.
Selbe wurde in der Hauptsache vom gesamten Ministerrate vollkommen gutgeheißen; nur der Finanz- und der Justizminister hätten gewünscht, daß darin einerseits der Umstand, wienach vorzüglich wegen schneller Beendigung der Wirren die Russen herbeigerufen worden, mehr hervorgehoben, andrerseits einige Erwähnung des künftigen Verhältnisses Ungerns zum Reiche gemacht werden sollte8.
Aus diesem und aus Anlaß einer vom Justizminister erwähnten Petition der Slowaken um Erwahrung der ihnen zugesicherten Gleichberechtigung9 kam auch die Frage in Anregung, wem die Organisierung der Zivilverwaltung Ungerns anzuvertrauen sei. Ohne daß sich über die Person vereinigt werden konnte, ward nur so viel festgestellt,|| S. 286 PDF || daß der damit zu Betrauende unabhängig vom Militärkommandanten nach einer ihm zu erteilenden Instruktion und unter eigener Verantwortung vorzugehen haben würde10.
V. Abstellung des bei den Truppen im Marchfeld wahrgenommenen Mißbrauchs
Der Finanzminister bemerkte, daß die k.k. Truppen im Marchfelde bloß auf Kosten des dortigen Landmanns leben sollen, und lud den Kriegsminister ein, dieses zur bedenklichen Exemplifikation gegenüber den russischen Truppen Anlaß gebende Vorgehen, wenn es sich bestätigen sollte, abstellen zu lassen11.
VI. Bericht aus Berlin
Ein Bericht des k.k. Gesandten in Berlin vom 7. d. über die dortigen Zustände und über die den österreichischen Interessen sich etwas mehr nähernden Absichten der preußischen Regierung in den deutschen Angelegenheiten wurde schließlich vom Gefertigten vorgelesen12.
Wien, den 10. Mai 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 16. Mai 1849.