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Nr. 114 Ministerrat, Wien, 29. August 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Wessenberg; BdE. 30. 8. und anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer, Wessenberg; BdE. Franz Karl (3. 9.).

MRZ. 2063 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 29. August 1848 unter dem Vorsitze des Conseilspräsidenten, Ministers des Hauses und des Äußern Freiherrn v. Wessenberg.

I. Stellung Ungarns zur Gesamtmonarchie

Laut des Ministerratsprotokolles vom 27. d. M. wurde beschlossen, die in eben diesem Protokolle besprochene Staatsschrift über die Stellung des Königreiches Ungarn zur Gesamtmonarchie vor und nach den Märzereignissen mittelst eines besonderen au. Vortrages unter Beifügung von Anträgen über den in der ungarisch-kroatischen Angelegenheit einzuhaltenden Gang Sr. Majestät vorzulegen1.

Dieser Vortrag nebst den infolge desselben an den Herrn Erzherzog Stephan, Palatin von Ungarn, und an den Ban von Kroatien, Freiherrn v. Jellachich, zu erlassenden Kabinettschreiben wurde nun in der heutigen Ministerratssitzung vorgelesen, und es wurde von keiner Seite dagegen etwas zu erinnern gefunden, worauf derselbe, von den sämtlichen Ministern gefertigt, vorgelegt wutde2.

II. Taxenverminderung für Studenten des Josephinums

Der Kriegsminister Graf Latour bemerkte, daß den ärztlichen Zöglingen der Josephsakademie die für ihre Rigorosen und Promotionen zu zahlenden Taxen (etwa 200f.) durch mehrere Jahre von Sr. Majestät dem Kaiser vorgeschossen wurden3. Da das Josephinum gegenwärtig mit der Universität vereinigt ist4, so erlaube er sich, an das Ministerium des öffentlichen Unterrichtes die Anfrage, ob an der Universität für die ärztlichen Rigorosen und Promotionen noch Taxen gezahlt werden. Diesen Gegenstand zu berühren, veranlasse ihn die Rücksicht, daß es den meistens mittellosen Militärärzten schwer fiele, solche Taxen zu entrichten. Der Minister Freiherr v. Doblhoff erwiderte, daß die Rigorosentaxen an der Universität, die einen Teil der Genüsse der Professoren etc. ausmachen, gegenwärtig noch entrichtet werden, daß aber das Ministerium des öffentlichen Unterrichtes die Absicht habe, diese Taxen zu vermindern, so wie es bereits die früheren Promotionen, die dabei üblichen Disputationen und Dissertationen und die damit verbundenen Kosten und Taxen || S. 607 PDF || aufgehoben hat5. Der Kriegsminister wolle nur diese Frage schriftlich in Anregung bringen, worauf dann die beabsichtigte Taxverminderung verfügt werden wird6.

III. Verlegung von Militär zur Disziplinierung der Eisenbahnarbeiter am Semmering

Der Minister des Inneren eröffnete, daß die Eisenbahnarbeiter am Semmering sehr häufig von der freien Fahrt auf der Eisenbahn Gebrauch machen. Über die an den Sektionsingenieur gestellte Frage, warum so vielen Arbeitern Freikarten gegeben werden, gab derselbe zur Antwort, daß die Beamten keine Freikarten geben wollen, daß sie aber oft von den Arbeitern überfallen werden und sich fügen müssen; würden sie es nicht tun, so wäre zu besorgen, daß alle dort befindlichen 1200 Arbeiter über sie kämen. Auch bemerkte der Ingenieur, daß dort, wo sich zahlreichere Arbeitergruppen zeigen, die Polizei sogleich verschwinden müsse. Dieser unleidliche Zustand, bemerkte der Minister, mache es notwendig, die erforderliche Militärmacht in die erwähnte Gegend zu verlegen, und zwar gleich eine Division, von welcher eine Kompanie in Baracken im Bahnhofe, die andere in Gloggnitz und Umgegend untergebracht werden könnte. Er werde diesfalls den Kreishauptmann und den Ingenieur vernehmen und sodann die weiteren Einleitungen treffen, um diesem anmaßenden Benehmen der Arbeiter Einhalt zu tun7.

Ges. 3. September. Franz Karl. Vidi.