Nr. 39 Ministerrat, Wien, 16. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner, Lebzeltern interimistischer Leiter des Außenministeriums
- RS.Reinschrift; RdA. Pipitz; VS.Vorsitz Pillersdorf; anw.anwesend Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner, Lebzeltern (interimistischer Leiter des Außenministeriums); außerdem anw.anwesend Born; BdE.Bestätigung der Einsicht Pillersdorf (17. 5.), Franz Karl (17. 5.)
MRZ. 809 – KZ. –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 16. Mai 1848 unter dem Vorsitze des interimistisch mit dem Präsidio des Ministerrates beauftragten Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.
I. Wiener Unruhen vom 15. Mai 1848; Rücktritt des Ministeriums
Der Minister des Inneren bemerkte mit Bezug auf die im Ministerrate v. 15. Mai ad I. beschlossenen Maßregeln, es sei heute die Aufgabe des Ministerrates, 1. die dort dem Volke gemachten und mittelst einer einstweiligen Kundmachung veröffentlichten Konzessionen1 nunmehr in einer der Wichtig[keit] des Gegenstands angemessenen Form unter der Ah. Sanktion Ew. Majestät und unter der Gegenfertigung der Minister zur allgemeinen Kenntnis zu bringen.
Diese Aufgabe glaubte der Ministerrat nach dem Antrage seines Vorsitzenden mittelst der angeschlossenen Proklamation am zweckmäßigsten bewerkstelligen zu können2.
Zu bemerken ist dabei nur, daß Baron Krauß sich gegen die in dieser Proklamation enthaltene Folgerung, als ob eine konstituierende Reichsversammlung nur aus einer Kammer bestehen könne, für seine Person verwahren zu müssen erklärte; 2. Ew. Majestät in einem eigenen au. Vortrage Rechenschaft von den diesfalls gefaßten Beschlüssen abzulegen und auch einem fürs Publikum geeigneten Aufsatz über die Motive des Vorgangs durch die Wiener Zeitung zu veröffentlichen.
Beidem ist in dem weiters angeschlossenen Entwurfe entsprochen worden3, und es wird hierzu noch bemerkt, daß die heute vom Polizeioberdirektor vor dem Ministerrate mündlich abgestatteten Rapporte über förmliche Anwerbung der Arbeiter zur Beihilfe bei Durchsetzung der gestrigen Anschläge, über deren Ansammlung vor den Toren der Stadt und im Inneren derselben mit Werkzeugen aller Art, über ihre Vereinigung mit den Studenten und den Abgesandten der Nationalgarde und der Bürger auf dem Dominikanerplatze, wo der Anschlag besprochen und von wo vereint der Zug gegen die Burg angetreten wurde, endlich über die höchst bedenkliche Stimmung eines großen Teils der Nationalgarde, welche einzelne Abmahnende oder Widersprechende übertäubte oder gar insultierte, vollkommen die Richtigkeit der in dem gedachten au. Vortrage geltend gemachten Momente bestätigen.
3. [Es sei] bei der beschlossenen Niederlegung der Stellen die au. Zusicherung zu geben, daß die Minister selbe bis zur Ernennung ihrer Nachfolger in der bisherigen || S. 234 PDF || Art fortführen werden, und endlich Ew. Majestät ein Mann au. vorzuschlagen, welcher mit der Bildung des neuen Ministeriums beauftragt werden dürfte.
Hier bemerkte Baron Krauß, daß die Abdankung der Minister sich nicht auf alle beziehen dürfte, und daß Baron Pillersdorf im Amte bleiben und das neue Ministerium konstituieren sollte.
Allein Freiherr v. Pillersdorf glaubte dieses Ansinnen umso mehr ablehnen zu müssen, als gerade diejenigen Maßregeln, welche wegen ihres im Publikum erregten Widerstands den Rücktritt des Ministeriums veranlaßten, von ihm selbst ausgegangen sind.
Da übrigens unter den einer solchen Aufgabe gewachsenen Männern der zum Minister des Äußern ernannte Baron Wessenberg, Graf Stadion (obwohl in Galizien kaum entbehrlich und hier den Intrigen der Polen ausgesetzt) und Graf Montecuccoli bezeichnet worden sind, so gedächte Baron Pillersdorf Ew. Majestät dieselben in folgender Reihe au. in Antrag zu bringen: 1. Wessenberg, 2. Montecuccoli, 3. Stadion4.
II. Herabsetzung der Personalsteuer in den Kreisen Zara und Spalato
Der Finanzminister machte im Einverständnis mit dem Ministerio des Inneren den Antrag, die Personalsteuer in den Kreisen Zara und Spalato auf die Hälfte herabzusetzen5. Schon mit Vortrag vom 22. Juni 1841, st. r. Z. 3677/34446, wurde deren Auflassung beantragt, weil sie in den übrigen Kreisen Dalmatiens nicht besteht. Allein, mit Ah. Entschließung vom 2. Oktober n. J.7 wurde befohlen, diesen Gegenstand bis zur Einführung des stabilen Katasters auf sich beruhen zu lassen. Gegenwärtig wird der Antrag vom Gubernium erneuert8, und der Finanzminister glaubt denselben nur darum nicht in seiner vollen Ausdehnung unterstützen zu können, weil Dalmatien passiv ist, und, wird die Personalsteuer ganz aufgelassen, der mißliche Fall eintreten würde, dereinst eine andere Steuer an deren Stelle einführen zu müssen. Er würde daher für die Herabsetzung derselben auf die Hälfte sein, und hiernach auch das Erforderliche veranlassen, wenn ihm gestattet wird, von der Ah. Entschließung vom 2. Oktober 1841 abzugehen, wofür noch der Grund spricht, daß das stabile Kataster in Dalmatien in kurzer Zeit eingeführt sein wird.
Hiergegen wurde nichts zu erinnern befunden9.