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Nr. 25 Ministerrat, Wien, 2. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Ficquelmont; anw. Pillersdorf, Sommaruga, Latour, Krauß; BdE. Ficquelmont, Franz Karl (5. 5.).

MRZ. 608 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung am 2. Mai 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Äußern Grafen Ficquelmont.

I. Verlegung italienischer Geiseln aus Kufstein

Im Nachhange zu dem Ministerratsbeschlusse vom 30. April l. J., wonach den in Kufstein gefangenen Geiseln aus der Lombardei die Freiheit des Aufenthalts im Inneren der Monarchie Ag. eingeräumt wurde1, las der Minister des Inneren den Entwurf eines für die Wiener Zeitung bestimmten Artikels über diesen Ah. Gnadenakt vor, worin auch die Bereitwilligkeit der österreichischen Regierung ausgesprochen wird, den lombardisch-venezianischen Provinzen die Segnungen unserer freien Verfassung unter einer nationalen Regierung und des Anschlusses an einen mächtigen Staat zuteil werden zu lassen. Baron Pillersdorf glaubte nämlich, daß dieser Anlaß zu ergreifen wäre, um das Pazifikationswerk im Süden durch ein solches Entgegenkommen zu fördern, besonders da die Verhältnisse im Norden der Monarchie sich immer bedenklicher gestalten.

Sämtliche Minister waren mit der Tendenz dieses Entwurfes im wesentlichen einverstanden; doch glaubten der Ministerpräsident und der Finanzminister , daß die Zusicherung einer „völlig nationalen Regierung“ darin nicht auszusprechen wäre, aus dem doppelten Grunde: a) weil es bei Unterhandlungen durch die Klugheit geboten ist, nicht gleich anfangs alle Zugeständnisse auszusprechen, zu denen man bereit ist, und b) weil die Zusicherung einer völlig nationalen Regierung im lombardisch-venezianischen Königreiche den Forderungen der polnischen exaltierten Partei in Galizien neue Stützpunkte gewähren würde, und die Konstitution den Völkern Österreichs nur „Unverletzlichkeit der Nationalität und Sprache“ gewährleistet, nicht aber eine „nationale Regierung“ verspricht2.

II. Zusammenlegung der Zivil- und Militärgewalt in Krakau

Der vom Minister des Inneren vorgelesene neueste polizeiliche Bericht aus Krakau über die Bedenklichkeit der dortigen Lage und Stimmung3 führte den Ministerrat zu einer längeren Erörterung, infolge welcher anerkannt wurde, daß es für jetzt || S. 143 PDF || das Zweckmäßigste sei, die ganze Zivil- und Militärgewalt daselbst in einer Hand vereinigt zu lassen, und daß erst in der Folge die Abordnung eines höheren Zivilbeamten (Hofrat Zaleski) an der Zeit sein dürfte4.

III. Pensionierung des Kreishauptmannes v. Seydel

Der Minister des Inneren überreichte seinen Vortrag vom 2. l. M. 5 wegen Versetzung des Kreishauptmannes im Viertel unter dem Wiener-Wald Edler v. Seydel in den Ruhestand unter Ag. Verleihung des Leopoldordens – eine Auszeichnung, welcher Seydel durch sein 48jähriges, höchstverdienstliches Wirken im hohen Grade würdig sei, was auch von der allgemeinen Stimme ohne jeden Zweifel wird anerkannt werden. Der Ministerrat schloß sich diesem au. Antrage an6.

IV. Anrechnung früherer Dienstzeiten von Praktikanten beim Wiedereintritt in den Zivildienst

Nachdem jetzt öfter Fälle vorkommen, daß Praktikanten aus dem Zivil- in den Militärdienst temporär, mit Vorbehalt des Rücktritts überzugehen wünschen, so wurde beschlossen, derlei Individuen den Wiedereintritt mit Anrechnung ihrer früheren Dienstzeit vorzubehalten7.

V. Pferdeankauf für das Armeekorps in Böhmen

Der Kriegsminister überreichte einen Vortrag vom 30. April l. J.8, worin er den Bedarf zum Ankauf von Reit-, Zug- und Packpferden für das in Böhmen aufzustellende mobile Armeekorps nachweist, und um Bedeckung desselben aus den Finanzen mittelst einer außerordentlichen Dotation von 335.702 fl. bittet.

Da die Aufstellung eines mobilen Armeekorps in Böhmen eine Bundespflicht Österreichs ist und die Zahl der Bespannungspferde ohnehin auf den strengsten Bedarf beschränkt wurde, so vereinigte sich der Ministerrat mit dem vorliegenden Antrage.

Nachdem bei diesem Anlasse auf die Möglichkeit des durch einen europäischen Krieg herbeigeführten Bedarfs einer noch größeren Truppenaufstellung besprochen und vom Grafen Latour bemerkt worden war, daß zur Vorbereitung auf einen solchen Fall nichts anderes erübrige, als die 2. Landwehrbataillons zu errichten, entgegnete der Finanzminister, daß diese Maßregel eine allzu empfindliche Last für den Staatsschatz bilden würde, und glaubte darauf hindeuten zu sollen, daß durch sukzessive Konzentrierung und Abrichtung von Abteilungen der Nationalgarde mit geringen Kosten eine sehr brauchbare Reserve gebildet werden könne9.

VI. Beförderungen durch Radetzky

Der Ministerrat stimmte dem Antrage des Grafen Latour wegen Ag. Genehmigung der vom Feldmarschalle Grafen Radetzky bereits verfügten Ernennung des Hauptmannes Stephan Seyffert von Graf Gyulai Infanterie zum Major und des Grenadierbataillonskommandanten von Erzherzog Albrecht Infanterie Majors Franz Plietz zum Oberstleutnant10, nachdem diese Ernennungen in dem Ministerialvortrage vom 2. Mai 1848 11 befriedigend motiviert erscheinen12.

VII. Belassung FML. Ignaz Ritter v. Legeditschs in Galizien; Entsendung FML. Joseph v. Gedeons nach Hermannstadt

Der Kriegsminister glaubte sich unter Zustimmung des Ministerrates die Ah. Genehmigung der wegen dringender Dienstesrücksichten bereits verfügten Belassung des FML. Legeditsch als Divisonär in Galizien13 und die Sendung des FML. Gedeon statt des Ersteren nach Herrmannstadt erbitten zu sollen14.

VIII. Auszeichnung für Lorenz Laurenti

Ebenso wird einstimmig über den Vortrag des Kriegsministers vom 2. l. M. 15 darauf angetragen, daß dem Bauunternehmer Lorenz Laurenti zu Codroipo, welcher sich um die schleunigste Herstellung der Brücke über den Tagliamento durch löblichen Eifer und zweckmäßige Anstalten großes Verdienst erworben und dadurch die kriegerischen Operationen wesentlich gefördert hat, die kleine goldene Ehrenmedaille verliehen werde16.

IX. Ernennung Joseph Fontanas zum Präses des Kollegialgerichtes in Zara

Der Justizminister trug unter Vorlegung seines Vortrages vom l. Mai 184817 darauf an, daß die eben erledigte Präsesstelle des Kollegialgerichtes zu Zara dem quieszierten venezianischen Appellationsgerichtsrate Fontana Ag. verliehen werde, der durch Talent, Rechtlichkeit und Treue an Ew. Majestät dieses Postens vollkommen würdig erscheine, und wobei auch sein Quieszentengehalt in Ersparung komme18.

X. Begnadigung für Franz Salat

Mit dem Vortrage des Justizministeriums vom 2. Mai 1848 19 wird das gegen Franz Salat wegen Raubmord geschöpfte Todesurteil vorgelegt und auf Ag. Nachsicht der Todesstrafe angetragen, nicht wegen persönlicher Rücksichten oder eigentümlicher Milderungsumständen, sondern bloß deswegen, weil die Todesstrafe überhaupt von der || S. 145 PDF || neueren Kriminalrechtslehre angefochten wird, dieselbe vielleicht auch schon bei der nächsten reichsständischen Versammlung in die Frage gestellt werden dürfte, und es mithin geraten ist, die Anwendung einer Strafart von zweifelhaftem Erfolge, wie die Todesstrafe, dermal lieber durch Anwendung des Ah. Begnadigungsrechtes zu umgehen20.

Den au. Anträgen unter 9 und 10 wurde einstimmig beigepflichtet, und es werden somit die den Beschlüssen des tg. Ministerrates entsprechenden Resolutionsentwürfe der Ah. Sanktion ehrerbietigst unterzogen.

Am .. Mai 1848. Ficquelmont. Ges. 5. Mai. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, 6. Mai 1848.