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Nr. 87 Ministerrat, Wien, 16. und 17. Februar 1916

RS. fehlt; Abschrift von Tagesordnungspunkt I; Ministerratsvortrag zu Tagesordnungspunkt V; Wortlaut der Ah. Entschließung: Hhsta.,Kabinettskanzlei, Protokoll 1916.

P. Ehrhart; VS. Stürgkh; anw. Hohenlohe-Schillingsfürst, Georgi, Hochenburger, Forster, Hussarek, Trnka, Zenker, Leth, Spitzmüller; außerdem anw. Loewenfeld-Russ (bei II.); abw. Morawski.

KZ. 7 – MRZ. 6

I. Valutabeschaffung für die Getreidebezüge aus Rumänien

I. ℹ️ Quelle: Abschrift in Fa., FM., Präs. Bd. a. Nr. 66 (Vorträge des Herrn Finanzministers im Ministerrat 1916) a .

Der Finanzminister möchte anknüpfend an seine Darlegungen in der Sitzung vom 5. Februar d. J. über das Ergebnis der in Ansehung der Beschaffung der Valuta für die Getreidebezüge aus Rumänien gepflogenen Verhandlungen berichten1.

Dank dem Entgegenkommen der deutschen Regierung sei eine schwere Sorge, welche auf der Geldwirtschaft Österreichs lastete, behoben und eine sonst unvermeidliche starke Verringerung der Metalldeckung der Oesterreichisch-ungarischen Bank vermieden. Die deutsche Regierung habe sich nämlich bereit erklärt, den auf Österreich-Ungarn entfallenden Gegenwert für die Getreidebezüge aus Rumänien2 – abgesehen von den in Gold zu entrichtenden Zöllen – unter den gleichen Bedingungen wie die in der vorerwähnten Sitzung erörterten 600 Millionen gegen Schatzwechsel als Anlehen zur Verfügung zu stellen, wobei die definitive Feststellung der Ziffer vorbehalten wurde; diese werde von der faktischen Realisierung der Getreidebezüge abhängen, welche zur Hälfte für Österreich-Ungarn und zur Hälfte für Deutschland bestimmt sind. Nach den Meldungen der Unterhändler, die den neuen Getreidevertrag mit Rumänien und die damit in Verbindung stehenden finanziellen Transaktionen verhandeln, sei für einen Bedarf an Lei-Valuta in der Höhe von ungefähr 500 Millionen Lei Vorsorge zu treffen, wovon etwa 50 Millionen Lei auf einen restlichen Bedarf aus dem früheren Getreidevertrage entfallen, 50 Millionen Lei auf andere Warenbezüge aus Rumänien und zirka 400 Millionen Lei auf den neuen Getreidevertrag. Hievon werden schätzungsweise 100 Millionen Lei aus der Valuta von Exporten nach Rumänien und zirka 40 Millionen Lei sonst auf dem freien Markte beschaffbar sein (durch Verwertung rumänischer Coupons, rumänischer Rente etc.), sodass ein restlicher Bedarf an Lei in der Höhe von 360 Millionen zu decken sein wird. Von diesen 360 Millionen Lei werde ein Drittel, nämlich 120 Millionen Lei, in effektivem Golde zu erlegen sein, um der rumänischen Nationalbank die Dritteldeckung für die von ihr zu emittierenden Lei-Noten per 360 Millionen zu verschaffen; in dieser Summe von 120 Millionen Lei in Gold seien die Exportzölle von ca. 80 Millionen Lei bereits inbegriffen. Von den 120 Millionen Lei in Gold werden zirka 60 Millionen Lei auf Österreich-Ungarn, 60 Millionen auf Deutschland entfallen.

Um Vereinbarungen bezüglich der Valutabeschaffung herbeizuführen, habe nun Staatssekretär Dr. Helfferich dem sprechenden Minister durch einen Delegierten mitteilen lassen, dass er die hinsichtlich der Valuta für das frühere Getreidegeschäft mit Rumänien getroffenen Vereinbarungen3, wonach die Valuta für dieses Geschäft uns von Deutschland durch ein Darlehen zur Verfügung gestellt werden wird, auch auf das neue Getreidegeschäft auszudehnen bereit sei, so zwar, dass durch unseren Valutabedarf für dieses Geschäft der uns für andere Zwecke zugesicherte Betrag von monatlich 100 Millionen Mark nicht beeinträchtigt werde. Was speziell den auf Österreich-Ungarn entfallenden Goldbetrag anbelangt, so sei es der deutschen Regierung allerdings zu ihrem großen Bedauern nicht möglich, denselben bereitzustellen. Es mache schon die größten Schwierigkeiten, den für Deutschland erforderlichen Goldbetrag ohne einen merklichen Rückgang des Goldschatzes der deutschen Reichsbank zu beschaffen, der aber aus politischen Gründen unter allen Umständen vermieden werden müsse, zumal der Bankausweis veröffentlicht und daher auch den Feinden bekannt wird4. Unter diesen Umständen sei die deutsche Regierung ganz außerstande, in diesem Belange der Monarchie durch Goldbeistellung zu Hilfe zu kommen. Da aus dem gesamten Anerbieten des Staatssekretärs Dr. Helfferich die werktätige Absicht eines weitgehenden Entgegenkommens klar hervorgehe und sein Standpunkt in Ansehung der Goldfrage zweifellos als voll begründet anerkannt werden müsse, so könne eine Inanspruchnahme unserer Goldbestände nicht vermieden werden. Demgemäß sei im Einvernehmen mit dem kgl. ung. Finanzminister die Abgabe des für unseren Import benötigten Goldquantums im Wege der Oesterreichisch-ungarischen Bank in Aussicht genommen, dagegen aber der Wunsch geäußert worden, dass der dieser Goldmenge entsprechende Markbetrag Österreich-Ungarn als weiteres Darlehen zur Verfügung gestellt werde, damit der Metallschatz der Österreichisch-ungarischen Bank inklusive der Devisen in seiner Gänze nicht tangiert wird. Auch in dieser Richtung habe uns die deutsche Regierung ein sehr dankenswertes Entgegenkommen bewiesen. Nach den nun bestehenden Vereinbarungen werde von den auf Österreich-Ungarn entfallenden 180 Millionen Lei, wovon 60 Millionen Lei in Gold zu entrichten sind, Deutschland nicht bloß 120 Millionen Lei – wie dies zweifellos nach den Erklärungen des Staatssekretärs Dr. Helfferich der Fall sein würde – sondern auch von den 60 Millionen Lei, die in Gold bezahlt werden, einen Betrag von 30 Millionen durch den nach der Münzparität entsprechenden Markbetrag an uns refundieren; diese Lösung werde vom Standpunkte des Statuts der Oesterreichisch-ungarischen Bank den Vorteil bieten, dass anstelle des abgegebenen Goldbetrages ein Betrag von 30 Millionen von Markdevisen unter den Aktiven der Bank erscheine und dass Österreich-Ungarn daher lediglich einen dem rumänischen Ausfuhrzolle ungefähr entsprechenden Betrag von 30 Millionen Lei bar in Gold zu leisten hätte.

Der Ministerpräsident gibt der besonderen Genugtuung darüber Ausdruck, dass durch das Entgegenkommen der deutschen Regierung die mit den Getreideimporten aus Rumänien verbundenen Besorgnisse beseitigt worden seien5. Die der Monarchie von dieser Seite neuerlich gewährte Förderung gehe wohl wesentlich über das Maß dessen hinaus, was unter den gegebenen Verhältnissen beansprucht oder erwartet werden konnte. Der sprechende Minister glaube daher, dass der Ministerrat die Eröffnungen des Finanzministers nur mit hoher Befriedigung über das günstige Ergebnis der einschlägigen Verhandlungen und mit den Gefühlen wärmster Dankbarkeit für das verbündete Reich zur Kenntnis nehmen könne. Der Ministerrat schließt sich dieser Auffassung einmütig an6.

[II.–IV. fehlt.]

Zu V. Erwirkung einer gnadenweisen Erhöhung der Versorgungsgenüsse der Finanzsekretärswitwe Olga Irrall

Zu V. ℹ️ Quelle: Ministerratsvortrag FM: Fa., FM., Präs., Bd. a.Nr. 66 (Vorträge des Herrn Finanzministers im Ministerrat 1916) b .

Der Gatte der Genannten [Olga Irrall], Dr. Josef Irrall, hat mehr als 19 Jahre, zuletzt als Finanzsekretär bei der Finanzbezirksdirektion in Wien gedient und ist im Oktober 1915 an Lungentuberkulose gestorben. Irrall, der sich stets als vorzüglicher, gewissenhafter und pflichtgetreuer Beamter bestens bewährt hat, wäre in absehbarer Zeit (März 1916) der Bezüge der VII. Rangsklasse teilhaftig geworden. Die Witwe, welche Mutter einer elfjährigen Tochter, vermögenslos und erwerbsunfähig ist, steht im Bezuge der normalmäßigen Versorgungsgenüsse der VIII. Rangsklasse (Witwenpension jährlicher 1.400 K und Erziehungsbeitrag jährlicher 280 K für die Tochter). In Anbetracht des Umstandes, dass aufgrund amtsärztlichen Gutachtens die Vermutung besteht, dass Dr. Irrall sich eine Infektion in den Amtsräumen des Steuerreferates der Bezirkshauptmannschaft Hietzing, welcher er in der Zeit vom Jänner 1904–August 1910 zugeteilt war, zugezogen hat, und im Hinblick auf die sonstige besondere Rücksichtswürdigkeit des Falles beabsichtigt der Finanzminister ganz ausnahmsweise die Ag. Bewilligung einer Gnadenzulage jährlicher 400 (vierhundert) Kronen zur normalmäßigen Witwenpension und einer Gnadenzulage jährlicher 80 (achtzig) Kronen zum normalmäßigen Erziehungsbeitrag auf die gesetzliche Dauer dieser Bezüge Ah. Ortes zu erwirken. Da dies ein Abgehen von den vom Ministerrate am 23. Mai 1900 beziehungsweise 12. Februar 1910 beschlossenen Grundsätzen7 in sich schließt, erbittet sich der Finanzminister zu dieser au. Antragstellung die Zustimmung des Ministerrates8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. [Franz Joseph.] Wien, 2. April 1916.