MRP-3-0-08-1-19160205-P-0085.xml

|

Nr. 85 Ministerrat, Wien, 5. Februar 1916

RS. fehlt; Abschrift von Tagesordnungspunkt IV; Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung: Hhsta.,Kabinettskanzlei, Protokoll 1916 .

P. Ehrhart; VS. Stürgkh; anw. Hohenlohe-Schillingsfürst, Georgi, Hochenburger, Forster, Hussarek, Trnka, Zenker, Morawski, Leth, Spitzmüller; außerdem anw. Streit (bei I. und II.).

KZ. 5 – MRZ. 4

I. Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz, mit der das Gesetz vom 21. Dezember 1912, RGBl. Nr. 235, betreffend die Stellung der Pferde und Fuhrwerke abgeändert wird

[I.–III. fehlt.]

IV. Verhandlungen des k. k. Finanzministers mit dem kgl. ung. Finanzminister und dem deutschen Staatssekretär Dr. Helfferich über Maßnahmen zur Besserung der valutarischen Verhältnisse

IV. ℹ️ Quelle: Abschrift in Fa., FM., Präs. Bd. a.Nr. 66 (Vorträge des Herrn Finanzministers im Ministerrat 1916) a .

Der Finanzminister möchte den Ministerrat über die Ergebnisse der Verhandlungen informieren, die in den letzten Tagen zwischen ihm, seinem ungarischen Kollegen und dem deutschen Staatssekretär Dr. Helfferich1 stattfanden und die in erster Linie einer Aussprache über die Maßnahmen dienen sollten, durch welche eine Besserung der valutarischen Verhältnisse herbeigeführt werden könnte2.

Dass die letzteren sich für die Zentralmächte seit Kriegsbeginn ziemlich ungünstig gestalteten, sei bekannt. Ohne in eine eingehende Erörterung über die Ursache dieser Tatsache einzutreten, möchte der sprechende Minister speziell auf ein hier in Betracht kommendes Moment hinweisen, nämlich, dass teils mit Rücksicht auf die internationalen Verkehrsschwierigkeiten3, teils infolge der durch den Krieg bedingten Aufzehrung der eigenen Produkte die Ausfuhr außerordentlich zusammengeschrumpft sei, während eine gleiche Einschränkung hinsichtlich der Einfuhr nicht Platz greifen konnte4, da man aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen auf den Import zahlreicher kostspieliger Artikel angewiesen ist. Daraus ergebe sich eine Verschiebung der Zahlungsbilanz, die naturgemäß eine Steigerung der Devisenkurse gegenüber jenen Zentren, mit denen ein wirtschaftlicher Verkehr überhaupt besteht, und im Zusammenhange damit ein Disagio der eigenen Valuta mit sich bringt. Diese Erscheinung trete umso schärfer hervor, als der von der Entente eingeschlagene Weg, die Zahlungsbilanz wenigstens für die Gegenwart durch Kreditoperationen im neutralen Auslande zu verbessern, den Zentralmächten nicht offenstehe. Das Disagio bestehe für Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich gemeinsam im Geldverkehr mit dritten Staaten. Es zeige sich aber auch noch im Besonderen im Verkehr zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reiche zuungunsten unserer Monarchie, da, abgesehen von sonstigen Momenten, wir vielfach Lieferungen aus dem Deutschen Reiche brauchen, wodurch fortgesetzt Zahlungen nach Deutschland notwendig werden. Die Verschlechterung des Kronenkurses gegenüber der Mark5 verschärfe und kompliziere natürlich die Schwierigkeiten, in denen sich unsere Valuta im Allgemeinen befindet. Um einige illustrative Ziffern zu nennen, möchte der sprechende Minister darauf hinweisen, dass unsere Valuta im Verhältnis zu Holland gelegentlich ein Disagio von 70–75% aufgewiesen und dass der Markkurs gegenüber der Parität von rund 118 bereits eine Höhe von 150 K erreicht habe, wobei allerdings erfreulicherweise zu ergänzen sei, dass die Verhältnisse gerade in den allerletzten Tagen – vielleicht schon unter dem Einflusse der in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen Tatsache der Verhandlungen mit Dr. Helfferich – eine gewisse leichte Besserung zeigen. Die Vorsorge für die Sicherung des Geldwesens und die Stützung der Valuta sei nicht nur für jeden der beiden Staaten an sich von der größten Bedeutung, sondern sie liege auch im wohlverstandenen gemeinsamen Interesse der Verbündeten, da das finanzielle Durchhalten im Kriege und somit die Chancen eines gemeinsamen Sieges wesentlich davon abhängen. Unter diesen Umständen sei es nahegelegen, wie dies schon in früheren Phasen des Krieges geschehen sei, in Verhandlungen mit dem Deutschen Reiche zu treten und dessen Förderung für unsere Bestrebungen zur Sicherung der Valuta zu erwirken6. Hiebei musste natürlich in erster Linie die Besserung des Kronenkurses gegenüber der Mark ins Auge gefasst werden, während die gemeinsame Verbesserung des Kronen- und Markkurses gegenüber den Währungen dritter Staaten eine weitere Etappe des Programmes bilde.

Der sprechende Minister sei nun in der angenehmen Lage mitzuteilen, dass die einschlägigen Verhandlungen dank der entgegenkommenden und von wahrhaft bundesfreundlichem Geiste getragenen Haltung des Vertreters der deutschen Regierung ein sehr befriedigendes Resultat gezeitigt haben. Der deutsche Staatssekretär habe die prinzipielle Zusicherung gegeben, dass Deutschland mit der Mark jetzt und für die Zukunft für die Krone eintreten werde, soweit dies nach der Sachlage nur überhaupt erfolgen könne. Konkret habe der deutsche Staatssekretär zugesichert, dass für die Monarchie während der nächsten sechs Monate je 100 Millionen Mark zur Verfügung gestellt werden, was zusammen mit dem bereits früher eingeräumten Betrage von 800 Millionen im Ganzen 1.400 Millionen ergebe. Die Fälligkeit der ersten Rate von 100 Millionen Mark werde auf den 15. Jänner zurückdatiert, sodass die Monarchie im Laufe des Monats Februar über zwei Raten, mithin zusammen über 200 Millionen Mark disponieren wird. Die erste Rate solle gegen Schatzwechsel zur Verfügung gestellt werden, für die weiteren Raten seien die Modalitäten noch vorbehalten. Im Allgemeinen aber werde der von Deutschland gewährte Betrag ein Guthaben darstellen, über welches die österreichische und die ungarische Regierung in Berlin zu quotenmäßigen Anteilen verfügen und welches je nach Bedarf abgehoben und für Zahlungen in Deutschland benützt wird. Inwieweit die betreffenden Mittel auch zu Zahlungen an das neutrale Ausland Verwendung finden können, sei ebenfalls eine Frage, über die noch zu verhandeln sein werde. Was die seinerzeitige Rückzahlung dieser Beträge anbelangt, so habe der deutsche Staatssekretär zwar natürlich eine formale Bindung nicht übernehmen können. Es sei jedoch nach seinen Erklärungen kein Zweifel darüber, dass Deutschland nicht daran denke, die Monarchie auf diese Weise späterhin in eine schwierige Lage zu bringen; ja es erscheine sogar die Hoffnung berechtigt, die jetzt gewährten Darlehen seinerzeit in eine fundierte Schuld überleiten zu können. Der deutsche Staatssekretär habe, wie der sprechende Minister nebenbei erwähnen wolle, auch noch einen anderen Vorschlag gemacht, in der Meinung, unseren Bedürfnissen dadurch besser entgegenzukommen. Bei Gewährung fixer Beträge bestehe nämlich die Möglichkeit, dass sich die Monarchie entweder über den jeweiligen Bedarf hinaus an Deutschland verschulde, oder aber dass in einem bestimmten Zeitraum die betreffende Summe nicht ausreicht, mithin der Zweck nicht erreicht wird. Unter diesem Gesichtspunkte habe Dr. Helfferich die Idee labiler Beträge angeregt, die je nach Bedarf erhöht oder herabgesetzt werden könnten. Der sprechende Minister verkenne nicht, dass dieser Gedanke im Prinzip sehr viel für sich habe und jedenfalls von einem sehr intensiven Bestreben, unseren Interessen zu dienen, eingegeben sei. Er glaube aber, dass es Schwierigkeiten machen werde, für seine Verwirklichung eine praktische und verlässliche Form zu finden. Man stehe daher vorläufig auf der Basis des ersten deutschen Anbotes fixer Beträge von je 100 Millionen Mark monatlich. Hiebei sei zu ergänzen, dass schon aufgrund früherer Verhandlungen eine Beistellung deutscher Valuta für die Getreideankäufe in Rumänien7 in Betracht komme. Dr. Helfferich habe nun ausdrücklich erklärt, dass dadurch die von ihm jetzt zugesicherten Beträge nicht berührt werden und dasjenige, was Deutschland uns für die Getreideankäufe in Rumänien zur Verfügung gestellt hat oder noch zur Verfügung stellen wird, in die ersteren nicht eingerechnet werden solle. Durch das Entgegenkommen der deutschen Regierung werde es wohl möglich sein, nicht nur das weitere Hinabgleiten des Kronenkurses gegenüber der Mark zu verhindern, sondern auch die Relation wesentlich zu verbessern. Wie schon früher angedeutet, werde es sich aber auch darum handeln, die Kurse der beiden Währungen gemeinsam gegenüber dem Auslande zu stützen, und in dieser Richtung sei ein einvernehmliches Vorgehen der Deutschen und der Oesterreichisch-ungarischen Bank vorgesehen.

Der sprechende Minister möchte bei dieser Gelegenheit auch auf die Maßnahmen zu sprechen kommen, die intern in der österreichisch-ungarischen Monarchie und speziell in Österreich zur Stützung der Valuta zu ergreifen sein werden. In dieser Richtung sei zunächst zu konstatieren, dass das unorganisierte, dem Einzelnen überlassene Operieren mit Devisen jedenfalls die Entwicklung der valutarischen Verhältnisse stärker störe, als dies bei einer planmäßigen Gebarung hinsichtlich der Importe und Auslandszahlungen der Fall sein müsste. Es handle sich also darum, eine vernünftige Organisation zu schaffen. Zu diesem Ende solle der gesamte Devisenhandel bei der Oesterreichisch-Ungarischen Bank konzentriert werden, sodass die einzelnen Finanzinstitute die Devisen, die in ihre Disposition gelangen, dem Noteninstitute übergeben und dieses dann im einzelnen Falle, wenn eine Zahlung an das Ausland infrage kommt, unter genauer Prüfung des tatsächlichen Bedürfnisses die erforderlichen Devisen zur Verfügung stellt. Bei Vorliegen ernster Importbedürfnisse werde die Bank die Zahlungsmittel bereitwilligst hergeben, bei überflüssigen, wirtschaftlich nicht rationellen Auslandsbezügen aber natürlich versagen. Eine weitere Maßnahme sei hinsichtlich der Zollzahlung geplant. Bisher sei es nämlich möglich gewesen, die Zölle nicht in effektivem Golde, sondern mittels von der Bank zur Verfügung gestellter sogenannter Zoll-Goldanweisungen zu begleichen. Diese Begünstigung soll in Zukunft nur mehr für notwendige Importartikel zugestanden werden, während für andere, vergleichsweise dem Luxus dienende Gegenstände die Zollzahlung in effektivem Golde vorgeschrieben wird. Da nun der Einzelne in der Regel kein Gold besitzt, die Bank es aber für solche Zwecke nicht bereitstellen wird, so höre die Möglichkeit der Zollzahlung überhaupt auf. Es werde somit gegen überflüssige Importe eine doppelte Kautel geschaffen sein, insoferne hiefür weder die Devisen zur Zahlung im Auslande, noch Gold zur Erlegung des Zolles zur Verfügung stehen werden. Bei Importen der Staatsverwaltung sei natürlich ein Kontrollrecht der Bank nicht in Aussicht genommen. Der sprechende Minister müsse aber umso nachdrücklicher das Ersuchen stellen, sich in dieser Beziehung der äußersten Zurückhaltung zu befleißen. Indem er hiemit eine solche Bitte an die Vertreter der einzelnen Ressorts richte, behalte er sich vor, auch an die Heeresverwaltung in analoger Weise heranzutreten. Diese letztere weise nämlich den höchsten Markbedarf auf und zwar habe derselbe bis vor Kurzem monatlich etwa 30 Millionen Mark betragen, sei aber im Februar 1916 mit 65 Millionen Mark angemeldet worden. Wenn nun in der angedeuteten Richtung nicht eine wirksame Zurückhaltung eintrete, stehe man vor den ernstesten Konsequenzen. Es würde nämlich der seit Kriegsbeginn ohnedies auf nahezu die Hälfte zusammengeschmolzene Goldschatz der Bank in einer Weise in Anspruch genommen werden, die den Bestrebungen zur Stützung der Valuta während des Krieges und ihrer Retablierung nach dem Kriege die letzte Grundlage entzöge.

Der Ministerpräsident möchte zunächst namens des Ministerrates der besonderen Befriedigung über das Entgegenkommen der deutschen Regierung und über die vom Finanzministerium in den gegenständlichen Verhandlungen erzielten sehr erfreulichen Resultate Ausdruck geben. Was speziell die Verhütung überflüssiger Importe im Wege der Modalitäten für die Zollzahlung anbelangt, so sei der geplante Vorgang gewiss zu billigen. Immerhin sei zu erwägen, dass derselbe praktisch nicht nur gegenüber dem neutralen Auslande, sondern besonders auch gegenüber Deutschland in die Erscheinung treten werde und es sei daher notwendig, in einer Weise vorzugehen, welche diese Maßnahme auch des entferntesten Anscheines einer unfreundlichen Haltung gegenüber der Produktion des verbündeten Reiches entkleide. Der Ministerpräsident möchte daher ersuchen, dass dem Ministerium des Äußern durch Übermittlung des Aktes Gelegenheit geboten werde, rechtzeitig von den geplanten Schritten Kenntnis zu nehmen. Besonders erwünscht seien die Maßnahmen zur Hinderung des Importes von Luxusartikeln, die auf dem Umwege über die Schweiz aus dem feindlichen Auslande kommen. Es sei kein Geheimnis, dass der Markt in Modeartikeln höherer Kategorie noch immer von Frankreich beherrscht werde und dass französische Artikel der Bekleidungsindustrie, sonstige Modegegenstände, Parfümerien, etc. in sehr breitem Ausmaße durch die Schweiz zu uns gelangen. Man müsse es nun gewiss lebhaft begrüßen, wenn derartigen Importen auf das Wirksamste entgegengetreten werde. Was endlich die Zurückhaltung bei Bestellungen der Staatsverwaltung im Auslande anbelangt, so werden sich gewiss sämtliche Ressortchefs die Wichtigkeit dieses Gesichtspunktes unausgesetzt vor Augen halten. Auch halte er eine nachdrückliche Demarche in diesem Sinne bei der Heeresverwaltung für angemessen.

In einer sich an diese Ausführungen anschließenden Erörterung finden die Vorschläge des Finanzministers und des Ministerpräsidenten einmütige Billigung und es wird deren wirksamste Unterstützung im Wirkungskreise der einzelnen Ressorts zugesichert8.

[V.–XII. fehlt.]

Ah. E. fehlt.