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Nr. 18 Ministerrat, Wien, 5. September 1914

RS.; P. Uebelhör; VS. Stürgkh; BdE. und anw. (Stürgkh 5. 9.), Georgi, Hochenburger, Heinold, Forster, Hussarek, Trnka, Schuster, Zenker, Engel, Morawski.

KZ. 70 – MRZ. 47

Protokoll des zu Wien am 5. September 1914 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh.

I. Erlassung einer Verordnung des Justizministeriums betreffend weitere Ausnahmen von der Stundung privatrechtlicher Forderungen (kaiserliche Verordnung vom 13. August 1914, RGBl. Nr. 216)

[I.] ℹ️ Der Justizminister führt aus, dass es teils geboten, teils durch Zweckmäßigkeitsgründe nahe gelegt erscheine, aufgrund der im § 7 der kaiserlichen Verordnung vom 13. August 1914, RGBL. Nr. 216, erteilten Ermächtigung durch Ministerialverordnung weitere Ausnahmen von der Stundung privatrechtlicher Geldforderungen festzusetzen1.

Pfandbriefanstalten und sonstige Emissionsbanken können der Pflicht zur Verzinsung und Tilgung der von ihnen ausgegebenen Pfandbriefe und mündelsicheren Bankschuldverschreibungen nur dann nachkommen, wenn sie von ihren Schuldnern die Zinsen und Annuitäten der Forderungen erhalten, aufgrund deren die Pfandbriefe und Bankschuldverschreibungen ausgegeben wurden; die Pflicht zur Verzinsung und Tilgung dieser Forderungen müsse daher von der Stundung ausgenommen werden (§ 3 unter P. a der im Entwurfe anverwahrten Verordnung)a . Es empfehle sicher ferner, von der Stundung der Zinsen und Annuitäten von Hypothekarforderungen der Sparkassen und Waisenkassen nunmehr abzusehen (§ 3 unter P. b). Auch die Hypothekarschuldner, die ihre Häuser nicht vermieten oder ihren Grundbesitz selbst bewirtschaften, dürften im Allgemeinen in der Lage sein, die genannten Beträge zu bezahlen, namentlich die Landwirte, die ihre diesjährige gute Ernte zu hohen Preisen abzusetzen vermochten. Die Mittel, die den Sparkassen und Waisenkassen zufließen, kommen wieder teils im Wege der Rückzahlung von Einlagen, teils durch neue Kreditgewährung dem Verkehr zugute. Damit die Hypothekarschuldner von dem Wiederaufleben der Zahlungspflicht nicht überrascht werden, sei der Wirksamkeitsbeginn der neuen Vorschrift auf den 16. September hinausgeschoben (§ 8). Überdies werde ausgesprochen, dass ein Verzug in der Zahlung von Zinsen und Annuitäten, die vor dem 30. September fällig geworden sind oder fällig werden, den Gläubiger nicht zur Kündigung oder sofortigen Rückforderung des Kapitals berechtigt (§ 7). Ebenso wie die Zinsen und Annuitäten von Hypothekarforderungen der Sparkassen werden auch die Zinsen und Annuitäten von Forderungen der Sparkassen gegen Gemeinden und andere öffentliche Körperschaften von der Stundung ausgenommen, weil deren Einkünfte, insbesondere die Umlage von der Stundung nicht betroffen werden (§ 3 unter P. c). Die Vorschriften über die Rückzahlung von Guthaben in laufender Rechnung werden durch die Bestimmung ergänzt, dass Abhebungen ohne Beschränkung auf einen bestimmten Betrag zulässig sind, soweit sie zur Berichtigung nicht gestundeter Zinsen und Annuitäten oder zur Erfüllung der Verbindlichkeiten erforderlich sind, die einer Pfandbriefanstalt oder sonstigen Emissionsbank aus der Verzinsung und Tilgung ihrer Pfandbriefe und mündelsicheren Bankschuldverschreibungen erwachsen (§§ 4 und 5). Entsprechend der von der Stundung nicht berührten Pflicht zur Entrichtung von Steuern und öffentlichen Abgaben werde ausgesprochen, dass zur Erfüllung dieser Pflicht aus Einlagen gegen Einlagebuch, die bei Banken oder Sparkassen vor dem 1. August 1914 gemacht wurden und am 16. September noch den Betrag von 2.000 K übersteigen, auf Verlangen des Gläubigers 20% der restlichen Einlage durch Überweisung oder Übermittelung an die mit der Einhebung betraute Kasse flüssig zu machen sind (§ 6). Die als privatrechtliche Geldforderungen gegenwärtig der Stundung unterliegenden Forderungen der Vereinskrankenkassen und Ersatzinstitute auf Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pensionsversicherung werden von der Stundung ausgenommen, damit auch die genannten Kassen und Institute ihren Verpflichtungen gegen die Versicherten und deren Angehörige genügen können (§ 2). § 1 der Verordnung übernehme im Interesse der Übersichtlichkeit die Bestimmung der Verordnung vom 25. August 1914, RGBl. Nr. 2232, über die Geldforderungen für verkaufte Sachen und gelieferte Waren aufgrund eines vor dem 1. August abgeschlossenen, später erfüllten Vertrages.

Der sprechende Minister beabsichtige diese Verordnung ehestens hinauszugeben und erbitte sich hiezu die Zustimmung des Ministerrates. Der Ministerrat erteilt die erbetene Zustimmung3.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 16. Dezember 1914. Franz Joseph.