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Nr. 11 Ministerrat, Wien, 10. August 1914

RS.; P. Ehrhart; VS. Stürgkh; BdE. und anw. (Stürgkh 10. 8.), Georgi, Hochenburger, Heinold, Forster, Hussarek, Trnka, Schuster, Zenker, Engel, Morawski.

KZ. 57 – MRZ. 40

Protokoll des zu Wien am 10. August 1914 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh.

I. Erwirkung der Erlassung einer kaiserlichen Verordnung betreffend den Schutz der zu Zwecken der Kriegsführung aus ihrem Aufenthaltsorte zwangsweise entfernten Zivilpersonen

I. ℹ️ Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz betreffend den Schutz der zu Zwecken der Kriegsführung aus ihrem Aufenthaltsorte zwangsweise entfernten Zivilpersonen.

Die kriegerischen Verhältnisse können es mit sich bringen, dass im Interesse der Kriegsführung die Notwendigkeit besteht, die Zivilbevölkerung aus einzelnen Orten zu entfernen. Es sei nun notwendig, für diesen Fall Vorkehrungen zu treffen, damit die von ihrem Wohnsitz entfernten Personen anderwärts Unterkunft und, falls sie nicht für sich selbst vorzusorgen imstande sind, Arbeitsgelegenheit oder sonstige Versorgung finden1.

II. Erwirkung der Erlassung einer kaiserlichen Verordnung betreffend die Kolportage von Sonderausgaben periodischer Druckschriften aus Anlass der Kriegsereignisse

II. ℹ️ Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz betreffend die Kolportage von Sonderausgaben periodischer Druckschriften aus Anlass der Kriegsereignisse.

Nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung sei die Kolportage nicht zulässig, anderseits lasse sie sich aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen angesichts des ungeheuren Bedürfnisses der Öffentlichkeit nach Nachrichten nicht ganz vermeiden. Es erscheint daher zweckmäßig, sie in einem beschränkten und geregelten Ausmaße zuzulassen. Bei den im Wege der Durchführung zu treffenden Anordnungen werde auch an die Einhebung einer Gebühr für kriegshumanitäre Zwecke gedacht2.

III. Zollfreie Einfuhr von Getreide

III. ℹ️ Der Leiter des Finanzministeriums erinnert daran, dass bereits in der Sitzung des Ministerrates vom 8. d. M. die zollfreie Einfuhr von Getreide in Aussicht genommen worden sei. Er möchte nun bedingungsweise, nämlich unter der Voraussetzung, dass die bereits erbetene Zustimmung Ungarns tatsächlich einlange3, dieses Projekt auf breiterer Basis in die Wege leiten. Zu diesem Zwecke beabsichtige er eine kaiserliche Verordnung zu erwirken, wodurch die Regierung ermächtigt wird, für Waren, die als Nahrungsmittel sowie zur Befriedigung anderer notwendiger Lebensbedürfnisse für Menschen oder als Futtermittel für Haustiere dienen, auf die Dauer der durch den Kriegszustand herbeigeführten außerordentlichen Verhältnisse die bestehenden Zölle ganz oder teilweise aufzuheben. Nach Eintritt normaler Verhältnisse wären die getroffenen Maßnahmen im Verordnungswege wieder außer Kraft zu setzen.

Der Ministerrat stimmt unter der vom Leiter des Finanzministeriums gekennzeichneten Voraussetzung der Erwirkung einer solchen kaiserlichen Verordnung zu4.

IV. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone II. Klasse für den Sektionschef im Ministerratspräsidium, Josef Klimscha

IV. ℹ️ Der Ministerpräsident erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone II. Klasse für den Sektionschef im Ministerratspräsidium Josef Klimscha. Der Genannte, geboren 1866, steht seit 1891 im Staatsdienst und fungiert seit 1907 als Vorstand der Präsidialkanzlei des Ministerratspräsidiums. Im April 1912 durch die Ag. Verleihung des Titels und Charakters eines Sektionschefs ausgezeichnet, wurde er im Dezember desselben Jahres zum Sektionschef befördert; seit mehreren Jahren sind ihm auch das staatsrechtliche Departement und das Rechnungsdepartement des Ministerratspräsidiums unterstellt. Infolge seiner hervorragenden Fähigkeiten, seiner strengen Gewissenhaftigkeit und seiner vorbildlichen Hingebung an den Ah. Dienst hat er es verstanden, den ihm übertragenen, nicht nur äußerst umfangreichen, sondern vielfach auch besonders heiklen Aufgaben unter schwierigen Verhältnissen im vollsten Umfang gerecht zu werden, sodass nach jeder Richtung die Voraussetzungen für ein neuerliches Zeichen Ah. Anerkennung gegeben wären5.

V. Erwirkung des Adelstandes für den Stabsarzt in der Evidenz der Landwehr Dr. Josef Winter in Wien und des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Oberarzt im Verhältnisse der Evidenz der Landwehr, außerordentlichen Professor für allgemeine und experimentelle Pathologie und Adjunkt am serotherapeutischen Institut in Wien Dr. Rudolf Kraus

V. Der Minister für Landesverteidigung erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur ℹ️Erwirkung des Adelstandes für den Stabsarzt in der Evidenz der Landwehr, Dr. Josef Winter in Wien und des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Oberarzt im Verhältnisse der Evidenz der Landwehr außerordentlichen Professor für allgemeine und experimentelle Pathologie und Adjunkt am serotherapeutischen Institut in Wien, ℹ️Dr. Rudolf Kraus. ℹ️Dr. Josef Winter hat sich durch seine überaus munifizenten Widmungen für die Zwecke der öffentlichen Gesundheitspflege, insbesondere aber für das Rote Kreuz ungewöhnliche Verdienste erworben. Hervorzuheben ist auch die Tatsache, dass er nach den Ratschlägen des Professors Kraus, der seinerzeit am Balkan Studien zur Bekämpfung der Kriegsseuchen gemacht hatte, auf seine Kosten sechzehn mobile Epidemielaboratorien anfertigen ließ und sie dem Ministerium für Landesverteidigung übergab. ℹ️Dr. Rudolf Kraus hat sich im Interesse der szientifischen und praktischen Vorbereitung der Kriegskrankenpflege, speziell der Bekämpfung der Kriegsseuchen mit großer Hingebung betätigt und neben seiner bereits erwähnten Mitarbeit an der Schaffung der mobilen Epidemielaboratorien mehrere aktive Landwehrärzte zu tüchtigen Bakteriologen herangebildet6.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 19. Oktober 1914. Franz Joseph.