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Nr. 4 Ministerrat, Wien, 29. Juli 1914

RS.; P. Ehrhart; VS. Stürgkh; BdE. und anw. (Stürgkh 29. 7.), Georgi, Hochenburger, Heinold, Forster, Hussarek, Trnka, Schuster, Zenker, Engel, Morawski.

KZ. 49 – MRZ. 33

Protokoll des zu Wien am 29. Juli 1914 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh.

I. Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung über die Sonn- und Feiertagsruhe im Gewerbebetriebe

I. ℹ️ Der Handelsminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates, eine kaiserliche Verordnung aufgrund des § 14 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 18671 über die Sonn- und Feiertagsruhe im Gewerbebetriebe zu erwirken.

Der Handelsminister soll im Wege dieser kaiserlichen Verordnung2 ermächtigt werden, im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister für Kultus und Unterricht während der Dauer der derzeitigen kriegerischen Verwicklungen das Gesetz vom 16. Jänner 1895, RGBl. Nr. 21, betreffend die Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe im Gewerbebetriebe sowie die Novelle hierzu vom 18. Juli 1905, RGBl. Nr. 125, durch Verordnung ganz oder teilweise zeitweilig außer Wirksamkeit zu setzen. Die durch die kriegerische Verwicklung hervorgerufenen Störungen des normalen gewerblichen Lebens lassen vielfach eine intensive Sonntagsarbeit unerlässlich erscheinen und zwar in einem ausgedehnteren Umfang, als dies nach den bestehenden gesetzlichen Normen zugelassen werden könnte. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, im Wege der provisorischen Gesetzgebung die Möglichkeit zu schaffen, die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen vorübergehend außer Kraft zu setzen3.

II. Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung wegen Ermächtigung zur Aufnahme eines kurzfristigen Anlehens

II. ℹ️ Der Leiter des Finanzministeriums erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung behufs Ermächtigung zur Aufnahme eines kurzfristigen Anlehens behufs Bestreitung der durch den Krieg mit Serbien bedingten militärischen Ausgaben.

Der Leiter des Finanzministeriums möchte es vermieden sehen, in dem Text der zu erwirkenden kaiserlichen Verordnung, der ja zur allgemeinen Kenntnis kommt, eine Ziffer zu nennen, da eine Information der Öffentlichkeit gerade in dieser Richtung die Verhandlungen der Regierung auf dem Anlehensmarkte erschweren könnte. Er glaube daher, dass die Limitierung des Anlehensbedarfes durch den Zweck, nämlich die Beschaffung der Geldmittel für die Expedition nach Serbien, zum Ausdrucke zu bringen wäre. Intern bemerke er jedoch, dass er dermalen an die Aufnahme einer schwebenden Schuld im Ausmaße von 500 Millionen Kronen denke und zwar im Wege der Ausgabe von innerhalb 2½ Jahren rückzahlbaren Kassenscheinen. Wenn möglich, werde er trachten, eine entsprechende Quote dieser Kassenscheine im Auslande zu platzieren. Durch die Summe von 500 Millionen Kronen würde zwar nicht die Gesamtheit, aber doch der überwiegende Teil der von den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern aufzubringenden Mittel für die serbische Kampagne gedeckt werden. Sollte infolge einer Verschärfung der internationalen Lage eine allgemeine Mobilisierung oder gar eine militärische Auseinandersetzung mit einer Großmacht notwendig werden, so müsste allerdings behufs Deckung des Geldbedarfes zu anderen Maßnahmen geschritten werden4.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 1. Oktober 1914. Franz Joseph.