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Nr. 441 Ministerrat, Wien, 12. Dezember 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 12. 12.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák (bei IV), Conrad, Welsersheimb, Dunajewski (bei IV), Pino; außerdem anw. Kubin.

KZ. 119 – MRZ. 97

Protokoll des zu Wien am 12. Dezember 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Verordnung zur Regelung des kleinen Veredlungsverkehres mit dem deutschen Zollgebiete

I.a ℹ️Der Handelsminister referiert über die zu erlassenden Anordnungen betreffend den sogenannten kleinen Veredlungsverkehr. In dem Gesetze vom 24. Dezember 1881, wornach die Dauer des großen Appreturverkehres bis 31. Dezember 1882 festgesetzt wurde, sei hinsichtlich des kleinen Veredlungsverkehrs bestimmt, dass er bis auf Weiteres unverändert in Wirksamkeit zu erhalten sei1.

Da es nunmehr mit der Auflassung des großen Veredlungsverkehres entsprechend erscheine, eine neue Regelung des kleinen Veredlungsverkehrs vorzunehmen, so wollte der Handelsminister in Übereinstimmung mit dem Finanzminister ursprünglich hiezu den Gesetzesweg betreten wissen, zumal das Gesetz vom 24. Dezember 1881 die Deutung zulasse, dass zu einer Änderung des bisherigen kleinen Verkehres eine gesetzliche Anordnung notwendig sei2. Die ungarische Regierung wollte sich aber zu einer [gesetzlich]en Regelung und zwar [wes]entlich aus dem Grunde nicht herbeilassen, weil sich im ungarischen Parlamente voraussichtlich ein günstiger Erfolg nicht erwarten ließe. Indessen erklärte sich die ungarische Regierung mit einer Regelung im Verordnungswege einverstanden3. Demnach proponiere er im Einvernehmen mit dem Finanzminister den Verordnungsweg und gelte es noch, die formelle Zustimmung der ungarischen Regierung zu dem verfassten Verordnungsentwurfe, wornach für den kleinen Verkehr gegenüber jetzt einige wegen der sonstigen Verkehrsumgestaltung notwendige Restriktionen eingeführt werden sollen, einzuholen.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung4.

II. Wegen Konzessionierung der Lokalbahnlinie Klostergrab–Mulde

II. ℹ️Der Handelsminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates behufs der Erwirkung der Ah. Konzession für die als Lokalbahn herzustellende Linie Klostergrab–Mulde, nachdem in der Ministerkonferenz vom 10. Oktober d. J. der Ministerrat sich für die Zulässigkeit der Konzessionierung dieser Linie als Lokalbahn ausgesprochen habe und die frühere hinsichtlich dieser Linie erteilte Konzession vom 4. September 1872 als erloschen erklärt wurde5. Die Frage hänge, wie gleichfalls schon in der Ministerkonferenz vom 10. Oktober l. J. dargelegt wurde, mit der Sanierung der Prag–Duxer Bahn zusammen. Die Beschaffung des Baukapitales per 3½ Millionen für die 16 Kilometer lange Strecke hänge zusammen mit der durch Ausgabe von Prioritäten über[haupt zu] beschaffenden Kapitali[en] für die Durchführung der Sanierung und sei der Termin für die Vollendung der Bahnstrecke auf zwei Jahre angesetzt. Die sonstigen Konzessionsbedingungen entsprechen im Allgemeinen den bei Lokalbahnen üblichen.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung6.

III. Wegen Konzessionierung der Lokalbahnlinie von Segen Gottes nach Okřižko

III. ℹ️Der Handelsminister referiert mit Rücksicht auf das gelegentlich des Vertrages zur Regelung der Verhältnisse mit der Staatsbahngesellschaft zur Erwähnung gebrachte Zugeständnis über die beabsichtigte Erwirkung der Lokalbahnkonzession an die k. k. privilegierte österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft für die Trasse von Segen Gottes über Namiest und Trebitsch nach Okřížko mit einer Abzweigung nach Groß Meseritsch, welche Linie das wichtigste Stück der mährischen Transversalbahn bilde7. Die Länge der Hauptlinie betrage 52,3 Kilometer, die Länge der Abzweigung 22,2 Kilometer, sodass sich die Gesamtlänge auf 74,5 Kilometer belaufe. Der Bautermin gehe bis 1. September 1885. Eine Kaution sei über Verlangen der Staatsverwaltung vorbehalten. Die effektiven Baukosten betragen für die Hauptlinie 4,418.000 fl., für die Abzweigung 929.000 fl. Sonach werde das Nominalanlagekapital auf 5,347.000 fl. veranschlagt. Die Geldbeschaffung geschehe durch Ausgabe von Obligationen der österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft. Die Konzessionsbedingungen seien die üblichen; die Steuer- und Gebührenbefreiungen, die nach dem Lokalbahngesetze zu[zubilligenden. Für] besondere Konzes[sionserwerbu]ngen werden aufgestellt ein Péage für die Staatsverwaltung, sodann die sofortige Einlösbarkeit nach Bauvollendung gegen Übernahme der faktischen Kapitalslast, welche das 5%ige Verzinsungs- und Tilgungserfordernis des effektiven Anlagekapitals nicht übersteigen darf, Kumulativeinlösung ab 1. Jänner 1895 nach dem Reinerträgnisse der sämtlichen österreichischen Linien der Gesellschaft, endlich besondere Rechnung unter Kontrolle der Staatsverwaltung.

Der Ministerrat erklärt zur Konzessionserwirkung seine Zustimmung8.

IV. Gesetzesvorlagen über die für Kärnten und Tirol aus Staatsmitteln zu gewährenden Hilfen

IV.b ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin über die im Reichsrate einzubringenden Vorlagen betreffend die für Kärnten und Tirol zu gewährenden, vom Ministerium des Innern proponierten Hilfen aus Staatsmitteln9.

Die Vorlage für Kärnten begreife folgende Hilfen:

a) Die Überlassung des nach der kaiserlichen Verordnung vom 26. September l. J. für unverzinsliche Vorschüsse gewährten Betrages von 150.000 fl. zur Verabfolgung von nicht rückzahlbaren Unterstützungen10.

b) Die Gewährung eines in fünf gleichen Jahresraten, vom Jahre 1886 angefangen, rückzahlbaren Darlehens von 50.000 fl. an das Land behufs der Herstellung von Landesobjekten.

c) Die Gewährung eines Betrages von 100.000 fl. behufs Erfolgung von Vorschüssen an Gemeinden und Einzelne gegen [Haftun]g des Landes und Rück[za]hlung in zehn gleichen Jahresraten, vom Jahre 1886 angefangen.

d) Eine Vorschussbeitragsleistung zu den auf 282.000 fl. veranschlagten Kosten der Gailregulierung im Ausmaße von ⅗ der Kosten gegen dem, dass das Land die übrigen ⅖ der Kosten übernehme.

Die Vorlage für Tirol begreife nachstehende Hilfen:

a) Die Gewährung eines Betrages in der Gesamtsumme von 582.000 fl. für die Regulierung der Etsch und die damit zusammenhängenden Regulierungen an der Eisackausmündung und an der neutralen Etschstrecke.

b) Eine Beitragsleistung von vier Millionen Gulden für Regulierungen und Herstellungen an anderen Flüssen und Wildbächen unter bestimmten Bedingungen für den Verwendungsvorgang und die Konkurrenzregelung und gegen die Bildung eines Regulierungsfonds.

c) Die Gewährung eines Betrages von drei Millionen Gulden zur Verabfolgung von Vorschüssen an Konkurrenzen, Gemeinden und Einzelne unter der Haftung des Landes und gegen Rückzahlung in 15 gleichen Jahresraten, vom Jahre 1886 angefangen.

d) Die Gewährung eines Betrages von einer Million Gulden zur Verwendung für nicht rückzahlbare Unterstützungen sowie zu Aufforstungen.

Außerdem proponieren beide Vorlagen die Gewährung der Stempel- und Gebührenbefreiung für die mit der Hilfsaktion zusammenhängenden Geschäfte und proponiere insbesondere die Vorlage für Tirol die [gleich]e Begünstigung auch für [das] dortige Landesanlehen sowie die Begünstigung der Verwendung der Teilschuldverschreibungen des Landesanlehens zur Anlegung von Stiftungs- und Pupillengeldern sowie zu Kautionen. Referent bemerkt schließlich, dass vom Landtage Kärntens eine Haftung des Landes für die Vorschüsse nicht beschlossen wurde, weil während der Tagung des Landtages die Frage noch nicht vorlag. Deshalb dürfte, wie dies in anderen Fällen geschehen sei, man sich damit begnügen können, wenn sich der Landesausschuss nomine des Landtages für die Haftung erkläre11.

Der Finanzminister erklärt, aus finanziellen Gründen in die vorgebrachten Propositionen, wornach für Kärnten und Tirol zusammen bei zehn Millionen Gulden beansprucht werden, nicht ganz eingehen zu können.

Was Kärnten anbelangt, so hat der Finanzminister nur zu beanständen, dass für die Regulierung des Gailflusses der Beitragsschlüssel von ⅗ des Staates zu ⅖ des Landes angenommen werden wolle, weil damit eine Präjudiz für andere künftige Fälle von derlei Beitragsleistungen geschaffen werden würde. Daher schlägt der Finanzminister vor, dass der Beitrag des Staates zur Gailregulierung mit der Hälfte der Kosten gegen Übernahme der anderen Hälfte seitens des Landes normiert werde.

Was Tirol anbelangt, so hat der Finanzminister gegen die Beitragsleistung zur Etschregulierung mit Rücksicht auf den schon bisher eingenommenen Konkurrenzmaßstab nichts zu erinnern. [Den] Beitrag per vier Millio[nen] Gulden für andere Flussregulierungen in Tirol will der Finanzminister zugeben, jedoch in der Weise verteilt wissen, dass für das Jahr 1883 ein Beitrag von 500.000 fl. und für die nächstfolgenden vier Jahre ein jährlicher Beitrag von 875.000 fl. erfolgt werde. Behufs der Erteilung von Vorschüssen hält der Finanzminister dafür, dass nur eine Summe von 1,500.000 fl. und zwar mit der Modalität zu gewähren sei, dass die Entnehmung von Vorschüssen auf den Zeitraum bis Ablauf des Jahres 1883 beschränkt werde, indem sich der Finanzminister hinsichtlich dieser Beschränkung auf die mit ihm übereinstimmende Anschauung des Landeshauptmannes von Tirol beruftc . Endlich erklärt der Finanzminister, für Unterstützungen nur auf einen Betrag von 500.000 fl. eingehen zu können. Mit den anderweitigen Propositionen der Entwürfe erklärt sich der Finanzminister einverstanden.

In der Diskussion wird nur Stellung genommen gegenüber der vom Finanzminister proponierten Beschränkung für die Entnehmung von Vorschüssen auf den Termin bis Ende 1883, und wird vom Referenten Sektionschef Freiherrn v. Kubin sowie vom Minister Freiherrn v. Ziemiałkowski und vom Ministerpräsidenten unter Hinweisung auf die Erfahrungen bei der analogen Hilfsaktion in Böhmen hervorgehoben, dass es unbedingt notwendig sei, einen längeren und mindestens einen dreijährigen Termin zu setzen, weil man bei [so ausgedeh]nten Verheerungen, die erst allmählich nach Jahren repariert werden können, in den meisten Fällen nicht in der Lage sei, im Voraus den Aufwand zu ermitteln, insbesondere wird auch vom Ministerpräsidenten betont, dass die Anschauung des Landeshauptmannes von Tirol für diese Frage deshalb nicht als maßgebend angesehen werden könne, weil die Repräsentanz des Landes bei der vom Lande für die Vorschüsse übernommenen Haftung im Interesse der Verminderung des Risikos des Landes selbstverständlich wünsche, mit der Vorschussaktion bald fertig zu werden.

Der Ministerrat beschließt, dass für die Verabfolgung von Vorschüssen ein Termin von drei Jahren gesetzt werde, und erklärt sich in allen übrigen Punkten für die Anträge des Finanzministers, wornach sich für die beiden Entwürfe die aus der Anlage ersichtlichen Fassungen ergebend . Der Ministerpräsident erhält die Ermächtigung des Ministerrates zur Einbringung dieser Entwürfe12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 26. Dezember 1882. Franz Joseph.