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Nr. 436 Ministerrat, Wien, 23. November 1882 – Protokoll II

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 23. 11.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Weigelsperg.

KZ. 116 – MRZ. 92

Protokoll II des zu Wien am 23. November 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Haltung gegenüber dem Ausschussantrage einer Gewerbegesetznovelle

I. ℹ️Der Handelsminister bringt zur Sprache die Reform der Gewerbeordnung bzw. die Frage der Haltung der Regierung gegenüber dem Antrage des Gewerbeausschuss[es] betreffend die Erlassung einer Novelle zum Gewerbegesetze1. Wie aus dem bezüglichen, hier anliegenden Entwurfe und dem Motivenberichte des Gewerbeausschusses hiezu hervorgehea, werde mit dem Antrage vorläufig eine Reform des I., II., III., IV. und VII. Hauptstückes der Gewerbeordnung beabsichtigt2.

Über die Stellungnahme der Regierung im Ganzen und Großen zum Reformwerke in der vorliegenden Gestalt wurde schon in der Ministerkonferenz vom 30. Jänner l. J. beraten, als der Referentenentwurf vorlag, welcher in den prinzipiell entscheidenden Punkten die Grundlage des jetzigen Ausschussantrages bilde. Damals entschied sich schon der Ministerrat für das Eingehen auf eine Partialreform und er[klärte sic]h auch hinsichtlich der [mer]itorischen Propositionen für [ei]ne Haltung bei den Ausschussberatungen in dem Sinne, dass die Regierung zwar bei ihrem durch die Regierungsvorlage gekennzeichneten Stand[p]unkte verbleibe, dass sie jedoch schließlich sich nicht entgegenstellen würde, falls das Haus auf die Ausschusspropositionen einginge. Der Handelsminister hebt sonach nochmals als die Hauptpunkte des vorliegenden Reformvorschlages hervor die bereits in der Ministerkonferenz vom 30. Jänner l. J. besprochenen Punkte: die Einteilung der Gewerbe (§ 1) und die mit der Aufstellung der Kategorie der „handwerksmäßigen“ Gewerbe im Zusammenhange stehende Forderung des Befähigungsnachweises (§ 24), dann die Genossenschaftseinrichtung (VII. Haupt[stück). Endlich] we[ist d]er Handelsminister auch auf die von der diesfälligen Regierungsproposition abweichende Bestimmung über die Schadloshaltung im Falle der Einstellung einer Betriebsanlage aus öffentlichen Rücksichten (§ 57 des Ausschussentwurfes) hin, wogegen er von seinem Standpunkte aus keine Einwendung zu erheben hätte. Der Handelsminister erbittet sich nunmehr die definitive Entscheidung des Ministerrates hinsichtlich der einzunehmenden Haltung.

Was zunächst den ersten Hauptpunkt, die Forderung des Befähigungsnachweises für eine Kategorie von als „handwerksmäßige“ bezeichneten Gewerben, anbelange, so könne der Handelsminister mit Rücksicht auf das von ihm schon in der Ministerkonferenz vom 30. Jänner l. J. [Gesagte und mit Rück]sicht auf die [ern]euten diesfälligen Kundge[b]ungen aus den Gewerbekreisen und bei der auch nunmehr in früher anders denkenden Kreisen für die Richtung der Proposition eingetretenen Umstimmung nur erneut dafür plädieren, dass die Regierung darauf eingehe3. Er glaube, dass von den vielen und weitgehenden Forderungen der Gewerbetreibenden wenigstens der Befähigungsnachweis nicht würde abgeschlagen werden können und hielte er es bei der heutigen Lage der Dinge geradezu für unmöglich, diesfalls auf dem Standpunkte der Regierungsvorlage zu verbleiben4.

Der Ministerpräsident betont, dass die Frage des Befähigungsnachweises wohl auch bei den Verhandlungen im Ministerrate, welche der Einbringung der Regierungsvorlage voran[gegangen, zwar an]g[enom]men wurde, dass man aber von der Anschauung ausging, dass die Sache noch nicht geklärt sei, weshalb es entsprechend erscheine, zuerst die Genossenschaften ins Leben treten zu lassen, um dann sicherer aufgrund des von denselben abgegebenen Gutachtens vorgehen zu können. Inzwischen, und während die Verhandlungen über die Vorlage schwebten, sei nun aber die diesfällige Anschauung der Gewerbekreise schon dezidiert an den Tag getreten. Damit wurde, wenn auch nicht in der vom Ministerrate in Aussicht genommenen Weise, doch tatsächlich das Votum der Praxis hinsichtlich der Einführung des Befähigungsnachweises erbracht. Man könne also sagen, dass nunmehr jene Konstatierung des Bedürfnisses eingetreten sei, in Erwartung welcher die Entscheidung im Schoße der Re[gierung früher in] suspenso be[lass]en wurde. Dazu komme, dass sich jetzt auch solche Kreise für den Befähigungsnachweis erklärt haben, welche nach ihrer sonstigen Anschauung prinzipiell dagegen sein müssten. Aus diesen Gründen müsse er sich jetzt für den Befähigungsnachweis aussprechen. Auch gebe er schließlich zu bedenken, dass, wenn die Regierung jetzt gegen die Forderung Front machen sollte, die Stellung im Abgeordnetenhause geradezu zu einer unmöglichen würde.

Minister Freiherr v. Pražák stützt sein Votum für das Eingehen auf den Befähigungsnachweis auf dieselben Gründe, welche vom Ministerpräsidenten angeführt wurden. Die Regierung wisse jetzt, wie die gewerbetreibenden Kreise über [di]e [F]rage denken. Die Forderung der Gewerbsleute gehe sogar weiter als die des Ausschusses, indem man die handwerksmäßigen Gewerbe durch das Gesetz selbst aufgezählt wissen wolle5.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski betont, dass nach den Emanationen des Gewerbetages allerdings die Frage, ob die gewerbetreibenden Kreise für den Befähigungsnachweis seien, ihre Lösungb erlangt habe.

Minister für Kultus und Unterricht beruft sich auf sein schon in der Ministerkonferenz vom 30. Jänner l. J. für den Befähigungsnachweis abgegebenes Votum und bemerkt, dass er sich darin durch die neuerlichen Emanationen des Gewerbetages bestärkt fühle. Die sehr weitgehenden For[derungen] de[s Gew]erbetages [war]en in Wesenheit ein Notschrei [d]es kleinen Gewerbes, welches von der Industrie erdrückt wurde und nun nach den Gründen suche, welche diese Lage verursacht haben mögen. Er könne jedoch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass in anderen Ländern, wie z. B. im südlichen Frankreich, das kleine Gewerbe floriere, ohne dass ein Befähigungsnachweis bestehe. Der Grund sei offenbar, dass dort das kleine Gewerbe schon genügsam gekräftigt war, als die Großindustrie hereinkam, und es daher dem Drucke dieser widerstehen konnte. Er betone dieses Moment, weil er glaube, dass für die Regierung bei der Zugestehung des Befähigungsnachweises wesentlich nur der Gesichtspunkt maßgebend sein könne, das kleine Gewerbe durch eine bessere Ausbildung zu kräftigen. Von diesem Ge[sichts]punkte a[us]gehend würde er es, wenn wir mit unseren Gewerbeschulen heute schon weit genug vorwärts wären, für angemessen halten, wenn der in Alinea 4 des § 24 der Vorlage erwähnte Nachweis der Befähigung durch ein Zeugnis über den mit Erfolg zurückgelegten Besuch einer gewerblichen Unterrichtsanstalt in die erste Linie der zu fordernden Nachweise der Befähigung gestellt würde und zwar in der Weise, dass die anderen Nachweisungen nur unter Umständen, etwa an Orten, wo sich keine Gewerbeschule befindet, anstelle des Schulzeugnisses treten könnten. Heute wäre allerdings eine solche allgemeine Bestimmung durch das Gesetz noch nicht möglich. Doch möchte er wünschen, dass in Gewärtigung der Entwicklung des Gewerbeschulwesens dieses Moment jetzt [schon die] Durchführung ins [Au]ge gefasst und sohin allenfalls im Verordnungswege auf die vorzugsweise Nachweisung der gewerblichen Schulausbildung aufmerksam gemacht würde, um auf diese Weise den Übergang zur künftigen Regelung in dem von ihm angedeuteten Sinne zu vermitteln.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski macht darauf aufmerksam, dass die Anschauung am letzten Gewerbetage gerade umgekehrt dahin ging, dass das Zeugnis der Gewerbeschule nicht als ausreichend zu betrachten und daher auch für solche, welche die Gewerbeschule absolviert haben, noch die Lehrzeit zu fordern sei. Er glaube, dass diesfalls auf die Anschauung der Praktiker mehr Gewicht zu legen sei.

Der Handelsminister würde sich dem Vorschlage des Ministers für Kultus und Unterricht zuneigen, wenn wir in entsprechender räumlicher Verteilung eine genügende Anzahl wirklicher Werkschulen besäßen, in welchen neben der theoretischen Ausbildung zugleich die genügende praktische Ausbildung erlangt würde. Solange dies nicht erreicht sei und namentlich auch solange nicht für die Ausbildung in den verschiedenen gewerblichen Richtungen gesorgt sei, müsste er Bedenken tragen, auch im Verordnungswege anzuordnen, dass die Schulausbildung vorausgestellt werde. Andererseits möchte er allerdings nicht wieder so weit gehen, als es der Gewerbetag forderte. Zur entsprechenden Zeit könne man ja eine Änderung der Bedingungen vornehmen.

[D]er Minister für Kultus [un]d Unterricht muss nur wiederholt betonen, dass die Regierung den Befähigungsnachweis gerechtfertigt nur zulassen könne als ein Mittel zur Hebung des kleinen Gewerbes und dass andere Gesichtspunkte wie Einschränkung der Konkurrenz usw. für sie nicht maßgebend sein können. Die Hebung werde aber nur stattfinden, wenn besser gearbeitet werde und die notwendige Vorbedingung einer besseren Arbeitsleistung sei die Erlangung einer theoretischen Fachbildung. Deshalb plädiere er für die Voranstellung der Schulausbildung.

Der Ackerbauminister ist mit Rücksicht auf den von ihm stets festgehaltenen Standpunkt dafür, dass die Regierung die Sache der Forderung des Befähigungsnachweises zur ihrigen mache.

Der Finanzminister erklärt, er habe nicht die vollkommene Sicherheit, dass mit dem Eingehen auf die Ausschussanträge etwas Gutes geschaffen werde. Was erstlich die formelle Seite der Bestimmungen des § 1 anbelange, so sei die Einteilung der Gewerbe in „a) freie Gewerbe oder b) konzessionierte Gewerbe oder c) handwerksmäßige Gewerbe“ eine der Gesetzeslogik Gewalt antuende; denn die drei aufgeführten Kategorien basieren auf verschiedenen Einteilungsgründen. Der Einteilungsgrund für a) und b) sei ein öffentliches Rechtsverhältnis, für c) aber bilde den Einteilungsgrund lediglich ein gewerbliches Moment. Die Einteilung müsste doch logisch korrekt auf einen einheitlichen Grund basiert werden, wornach sie dann etwa zu lauten hätte: Die Gewerbe wer[den einge]teilt in a) unbedingt [fre]ie, oder b) bedingt freie [(]von dem Befähigungsnachweise abhängige) oder c) in konzessionierte. Ferner seien die Definitionen der konzessionierten und der handwerksmäßigen Gewerbe in den Alineas 2 und 3 des § 1 überflüssig, nachdem in den späteren Bestimmungen die Bedingungen für die Ausübung dieser Gewerbe normiert seien. Dies zur Form.

Was das Sachliche des Befähigungsnachweises anbelange, so könnte ihm eine Begründung jedenfalls nur von dem Gesichtspunkte aus gegeben werden, welchen Minister Freiherr v. Conrad hervorgekehrt habe. Wir haben leider bei allen unseren Reformen das Unglück, dass sie immer unter dem Drange politischer Verhältnisse entstehen und deshalb politisch gefärbt werden. So wurde im Jahre 1859 plötzlich über Nacht mit der neuen Gewerbeordnung die Gewerbefreiheit eingeführt6, ohne dass der Übergang vorbereitet worden war, ohne dass man durch gewerblichen Unterricht Vorsorgen getroffen hatte. Die Folgen dieses Vorganges äußern sich nun in der Geltendwerdung einer ganz entgegengesetzten Strömung. Die Überzeugung des Finanzministers sei, dass der Grund des Niederganges des Gewerbes nicht in dem Mangel des Beschäftigungsnachweises liege. Die Gründe seien vielmehr die, dass das kleine Gewerbe schlechter arbeite, als es könnte, und dass die Gewerbsleute weniger sparen, als sie sollten, und andererseits dass die Industrie mit den natürlichen und vom Staate selbstverständlich nicht [zu] []den Faktoren einer [höhe]ren Arbeitsleistung und ei[n]er größeren Kapitalskraft auf das Kleingewerbe drücken. Der Finanzminister muss wohl zu erwägen geben, ob sich die Regierung nicht eine moralische Verantwortung für die künftige Entwicklung der Dinge auflade, wenn sie jetzt die Erwartung wachrufe, dass sich die Verhältnisse des Handwerkerstandes nunmehr bessern werden. Namentlich, wenn sich die Gesellschaft in einem wirklich leidenden Zustande befinde, scheine es dem Finanzminister doppelt erwägenswert, ob man solche Erwartungen wachrufen solle. Der von der Regierung bei der Einbringung ihrer Reformvorschläge bezüglich der Frage des Befähigungsnachweises eingenommene Standpunkt sei seines Erachtens jedenfalls besser gewesen. Man wollte damals, dass erst die Erfahrung nach Bildung der Genossenschaften abgewartet werden solle. Nun sage man freilich, die Erfahrung sei durch die Emanationen des Gewerbetages erbracht. Die Sache sei aber doch sehr verschieden. Etwas anderes sei ein Votum organisierter Genossenschaften, etwas anderes ein Votum einer freien Versammlung Gewerbetreibender. Dann sprachen am Gewerbetage auch nur die Meister allein. Diese sprachen nicht für den Nachwuchs. Eine Repräsentanz der Interessen des Letzteren hätte sich vielleicht anders ausgesprochen.

Der Finanzminister kann endlich nicht unterlassen, des Widerspruches zu gedenken, welcher vom allgemein wirtschaftlichen Standpunkte aus betrachtet darin liege, dass [man von] den Handwerkern [ein]en Befähigungsnachweis [f]ordere, hingegen für die Betreibung der Landwirtschaft, die gewiss auch ein schwieriges Handwerk sei, von einem solchen Nachweise absehen zu können glaube7. Allerdings müsse auch er zugeben, dass vom politischen Standpunkte aus die Lage der Regierung eine ganz unhaltbare werden würde, wenn sie der Forderung jetzt entgegenträte. Denn die Frage werde von den Freunden und den Gegnern der Regierung nur parteimäßig behandelt. Glaube die Regierung indessen, dass es gut sei, den Befähigungsnachweis einzuführen, dann möchte er aber raten, mit voller Entschiedenheit einzutreten. Denn nichts sei schlechter und gefährlicher, als wenn die Regierung, indem sie auf solche entscheidende Fragen eingeht, den Eindruck nur einer halben Geneigtheit mache.

Hinsichtlich der §§ 56 und 57 hat der Finanzminister keine prinzipielle Einwendung vorzubringen.

Nach einer kurzen Diskussion über eventuell vorzunehmende Stilisierungsänderungen konstatiert der Ministerpräsident, dass sich der Ministerrat für das Eingehen auf die Statuierung der Kategorie handwerksmäßiger Gewerbe mit der Erforderlichkeit des Befähigungsnachweises erklärt habe.

Der Handelsminister bemerkt nunmehr, dass er jedoch gegenüber den noch weitergehenden am Gewerbetage zum Ausdruck gekommenen Bestrebungen jedenfalls an der Bestimmung des Alinea 7 [des § 1 de]s Entwurfes, wornach [die] Bezeichnung der handwerks[m]äßigen Gewerbe dem Verordnungswege vorbehalten werde, sowie ferner an der Bestimmung des Alinea 4 des § 1 des Entwurfes, wornach Handelsgewerbe und fabriksmäßig betriebene Unternehmungen von der Einreihung unter die handwerksmäßigen Gewerbe ausgenommenen bleiben sollen, unbedingt festhalten wolle. Höchstens möchte er, was letzteres Moment anbelange, zugeben, dass zu § 38 des Entwurfes eine Zusatzbestimmung aufgenommen werde, welche vorbeuge, dass nicht auf dem Umwege der Anmeldung eines Handelsgewerbes ein handwerksmäßiges Gewerbe betrieben werde.

Der Ministerrat erklärt sich mit der so proponierten Haltung einverstanden.

Sektionsrat Freiherr v. Weigelsperg legt nun mit Rücksicht auf die bereits in der Ministerkonferenz vom 30. Jänner d. J. gebrachte Auseinandersetzung den Standpunkt des Entwurfes hinsichtlich der Genossenschaften dar. Die Absicht der Regierung in der Vertretung der eigentlichen Gewerbsgenossenschaft, die Meister mit den Gehilfen zu vereinigen, wurde von allen Faktoren, die sich über die Frage aussprachen, als undurchführbar erklärt. Eine Parität hielt man für unmöglich, weil die Parität der Interessen nicht vorhanden sei. Eine Minoritätsvertretung der Gehilfen neben den Meistern würde Erstere nicht befriedigen und faktisch nur ein Element der Friedensstörung bilden. Kurz, man erkannte, dass die Vereinigung beider Elemente [an die]ser Stelle nur die Konti[nu]ität des Zwistes in der Genossenschaftsvertretung bedeuten würde. Deshalb werde jetzt proponiert, dass in der Genossenschaft zur Vertretung der allgemeinen Interessen des Gewerbes nur die Meister allein Platz nehmen, hingegen die Gehilfen eine besondere Versammlung zur Wahrnehmung ihrer speziellen Interessen bilden sollen. Eine Vereinigung der Gehilfen und der Gewerbsinhaber solle nur stattfinden im Vorstande der Krankenkasse, welcher, entsprechend den höheren Beiträgen der Gehilfen, mit ⅔ aus Gehilfen und mit ⅓ aus Gewerbsinhabern zu bestehen hat, und weiters im schiedsgerichtlichen Ausschuss, welcher aus einer gleichen Anzahl von Mitgliedern aus dem Stande der Gewerbsinhaber und der Gehilfen zu bestehen hat und wo der jeweilige Obmann und dessen Stellvertreter von den Mitgliedern des Ausschusses abwechselnd aus den Meistern und aus den Gehilfen und zwar in der Weise zu wählen sind, dass die Meister die bezüglichen Funktionäre aus dem Kreise der Gehilfen und umgekehrt die Gehilfen aus dem Kreise der Meister wählen. Dieser Modus dürfte das Vertrauen beider Kreise gewinnen und scheine das paritätische Verhältnis an dieser Stelle namentlich beim Bestande der Forderung des Befähigungsnachweises deshalb wichtig, weil sich dann häufig Streitigkeiten über die Ausstellung des Arbeitszeugnisses ergeben dürften, bei welchen die Geltendmachung der Gesichtspunkte beider Interessenkreise gewiss dienlich sei.

Minister Freiherr v. Pražák [erinn]ert, dass bei diesem Ka[pi]tel der Regierungsstandpunkt [v]erlassen wurde, indem er der Ansicht sei, dass bei der Vereinigung beider Elemente in der Genossenschaftsversammlung namentlich unter der Bedingung der Teilnahme nur der schon etwas älteren Gehilfenelemente sich viel eher ein gedeihlicher Modus Vivendi hätte entwickeln können, als bei der lediglichen Vereinigung, ohne dass die gedachte Beschränkung gesetzt wäre, im Schiedsgerichtsausschusse auf einem Punkte, wo das Objekt des gemeinsamen Zusammenwirkens schon immer ein Streitgegenstand sei. Der Minister besorgt auch, dass dieses Kapitel bei den Verhandlungen im Parlamente Schwierigkeiten mache, indem wahrscheinlich nun von der Opposition für die Vertretung der Gehilfen eingestanden werden [d]ürfte. Er möchte daher für alle Fälle raten, bei diesem Kapitel nicht vorschnell die Zustimmung der Regierung zum Ausschussantrage zu erklären. Eventuell aber schiene es ihm wenigstens wünschenswert, noch die Bestimmung aufzunehmen, dass nur solche Gehilfen in den Schiedsgerichtsausschuss gewählt werden können, welche wenigstens drei Jahre als Gehilfen im Gewerbe tätig gewesen sind. ℹ️Die Folge der Ausschließung der Gehilfen aus der Genossenschaftsversammlung dürfte wahrscheinlich die erneute Forderung nach Arbeiterkammern sein8.

Der Handelsminister bemerkt, dass man sich schon in der Ministerkonferenz vom 30. Jänner l. J. für den im Ausschussentwurfe eingenommenen Standpunkt erklärt [habe. Er selb]st halte diesen [gegen]über der früheren An[sch]auung für einen Fortschritt. Für die Genossenschaftsversammlung fehle eben die Interessenidentität beider Elemente dort, aber wo die Gehilfen ihre Interessen haben, seien sie auch vertreten. Der Minister erwähnt noch, dass es im Falle, als die Opposition sich auf das Kapitel der Hilfsarbeiter würfe, gut wäre, zu sagen, dass die Regierung dieses Kapitel sowie das der Fabriksinspektoren in Behandlung zu nehmen bereit sei. Die Voraussetzung für ersteres Kapitel wäre allerdings die Einbringung eines Gesetzes über die Haftpflicht bei Unfällen. Der Leiter des Justizministeriums Freiherr v. Pražák bemerkt, dass er ein solches Gesetz vorbereite und demnächst darüber dem Ministerrate Mitteilung machen werde9.

Der Ministerrat erklärt sich bezüglich der Haltung gegenüber dem Entwurfe des Gewerbeausschusses dahin, dass von Seite der Regierung für die Forderung des Befähigungsnachweises eingetreten, den übrigen Propositionen des Entwurfes aber nicht entgegengetreten werde10.

II. Enquête über Invaliditätsversorgung

II. ℹ️Der Handelsminister erbittet sich und erhält die prinzipielle Zustimmung des Ministerrates zur Veranstaltung einer Enquête behufs der Beratung der Prinzipien für Invaliditätsversorgung der Arbeiter und behält sich der Handelsminister vor, die bezüglichen der Enquête [vorzulegen]den Fragepunkte [dem] Ministerrate mitzuteilen11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 26. Dezember 1882. Franz Joseph.