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Nr. 425 Ministerrat, Wien, 28. Oktober 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 28. 10.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad (10. 11.), Welsersheimb, Dunajewski, Pino.

KZ. 101 – MRZ. 81

Protokoll des zu Wien am 28. Oktober 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Staatsvoranschlag für 1883. Erörterung über Abstriche und Ersparungen in den Ressorts

I. ℹ️Der Finanzminister referiert über die Verhandlungen behufs der Feststellung des Staatsvoranschlages für 18831. Die regelmäßigen Reduk[t]ionsverhandlungen mit den einzelnen Ressorts seien abgeschlossen bis auf die Verhandlungen mit den Ministerien für Unterricht und Justiz2. Wegen des Zeitdrängnisses glaubte er, den Abschluss der Spezialverhandlungen mit den letzterwähnten beiden Ressorts nicht mehr abwarten zu sollen, um die Budgetfrage vor den Ministerrat zu bringen, zumal er annehme, dass die Austragung seiner besonderen Ersparungsdesiderien sich erleichtern dürfte, wenn zugleich die Finanzlage überhaupt, die er heute vorführen wolle, vor Augen gehalten werde. Der Minister erwähnt von den Posten der speziellen Reduktionsverhandlung mit dem Unterrichtsministerium folgende:

ℹ️Die Post von 131.000 fl. für Speziallehranstalten, unter denen [sich] besonders die Gewerbeschulen befinden, den Pauschalbetrag per 25.000 fl. für dieselben Zwecke, die Mehrauslagen für Volks- und Bürgerschulen in Triest, die Post für wissenschaftliche Reisen per 30.000 fl., welche gegenüber der vorjährigen Bewilligung um 5.000 fl. höher sei, obgleich außerdem ein besonderer Betrag per 5.000 fl. für Reisestipendien festgestellt wurde.

ℹ️Gegen den Pauschalbetrag für Gewerbeschulen wende sich der Finanzminister insbesondere auch deshalb, weil ein „Pauschalbetrag“ erstlich für ein Budget ein vager Begriff sei und weil anderseits solche Aufwendungen gemeiniglich nur die Keime für künftige fixe Belastungen des Budgets setzen. Gegen einen Mehraufwand für Volksschulen in Triest sprechen [d]oppelte Gründe. Erstlich sei es überhaupt eine Ungerechtigkeit gegenüber allen anderen Kronländern, dass in Triest der Staat für eine Last aufkommt, die in den übrigen Ländern dem Lande zufällt. Zweitens lehren die politischen Erfahrungen über Triest, dass die Opferwilligkeit des Staates keine entsprechenden Früchte trägt, indem sie nicht jene Stimmung erzeugte, die man vom österreichisch-patriotischen Standpunkte zu erwarten berechtigt wara,3. Was die wissenschaftlichen Reisen anbelange, so sei der mit Recht bekrittelte geringe Erfolg derselben gewiss keine Aufmunterung, für diesen Zweck noch mehr auszulegen.

ℹ️Bezüglich des Justizministeriums hebt der Finanzminister hervor, dass dessen Voranschlag für 1883 einen Mehr[auf]wand von 271.000 fl. aufweise. Davon entfallen allerdings 74.000 fl. an Mehrbezügen für Beamte infolge der Einrückung in höhere Gehaltsstufen. Indessen sei der Aufwand für Strafrechtspflege um 131.000 fl., der Aufwand für Justizbauten um 52.000 fl. gegenüber dem Vorjahre erhöht. Dies erwähne er über die noch nicht ausgetragenen Spezialverhandlungen.

Ohne weiters in Details eingehen zu wollen, müsse er betonen, dass es notwendig sei, in den Ressorts noch mehr Ersparungen vorzunehmen. Die Gründe hiefür leuchten ein aus der allgemeinen Lage der Finanzen. Nach der Voranschlagsübersicht betrage der Abgang für 1883 die Summe von 30,114.157 fl. Scheide man davon aus den Aufwand für Staatseisenbahnbauten per 20,300.000 fl., dann die Okkupationsauslagen mit 6,165.768 fl. und reduziere man endlich den Abgang noch um den anlässlich der Sanierung der Buschtěhrader Bahn an den Staat rückzuzahlenden Betrag von 1,121.482 fl., so ergebe sich für die laufende Gebarung noch immerhin ein Abgang in dem Betrage vom 4,769.891 fl.

Dieser Betrag erhöhe sich jedenfalls um die pro 1880 für den gemeinsamen Staatshaushalt nachzuzahlende Summe von 2,046.449 fl.4, ferner werde für die Evidenthaltung des Grundsteuerkatasters notwendig sein ein Nachtragskredit von 600.000 fl., endlich müssen für kleinere Nachtragskredite gerechnet werden 100.000 fl. [Dem]nach summiere sich das nach Ausscheidung von Staatseisenbahnbau- und Okkupationskredit verbleibende normale Defizit auf rund 7,500.000 fl., wobei die Zinsenlast, welche im Jahre 1883 zunächst in die Kombination eingezogen erscheine und der Rückschlag, welchen die Überschwemmungen in mehreren Ländern auf den Steuerertrag ausüben müssen5, vorläufig nur mit einem Abschlage von 500.000 fl. bei der Grundsteuer in Berechnung gebracht wurde. Dies sei die Lage, trotzdem für 1883 sich eine Steigerung der Staatseinnahmen um 13,604.854 fl. ergebe.

Die diesfalls präliminierten Mehreingänge verteilen sich auf: direkte Steuern mit 316.000 fl., indirekte Abgaben (ohne Zuckersteuer) mit 2,373.526 fl., [Post-] und Telegrafenwesen mit 694.760 fl., Staatseisenbahnbetrieb mit 364.314 fl., Zuckersteuer mit 379.280 fl., Zollmehrertrag mit 9,475.974

ℹ️Die Unglücksfälle durch Überschwemmungen, die sich soeben wieder erneuern, dürften möglicherweise das Budget im Sinne der Erhöhung des Defizits alterieren. Bei der jetzt zu übersehenden Lage schon müsse pro 1883 ein Abgang von 32 bis 33 Millionen durch Kredit bedeckt werden. Angesichts dessen müsse der Finanzminister zunächst daran erinnern, dass die gegenwärtige Regierung wiederholt das Versprechen gegeben habe, das Möglichste zu tun, um die Beseitigung des Defizits zu erwirken.

Weiters könne er nicht unerwähnt lassen, dass er aus mündlichen Berichten der Finanzbeamten von einer in der Bevölker[ung] herrschenden Missstimmung vernommen habe, welche infolge der in der letzten Session beschlossenen Steuergesetze eingetreten sei6. Wenn eine solche Missstimmung auch keine wirkliche Gefahr in sich begreife, so müsse sie doch immer in Rechnung gezogen werden, insbesondere deshalb, weil der Eintritt von Ereignissen nicht unmöglich sei, welche den Staat veranlassen müssten, die Opferwilligkeit noch weiter und nicht bloß in finanzieller Beziehung allein in Anspruch zu nehmen7.

Die Lage des Geldmarktes sei momentan eine sehr schwierige. Die Papiere seien stark gesunken und sei nicht Aussicht auf ein baldiges Steigen derselben vorhanden8. Außer dieser allgemeinen, die Kreditoperation zur Defizitsbedeckung erschwerenden Lage müsse man auch in Rechnung [ne]hmen einem Mangel an Vertrauen in der Geschäftswelt deshalb zu begegnen, weil eben die Ausgleichung des Defizits nur einen sehr langsamen Fortgang nehme. Er müsse insbesondere betonen, dass nichts so sehr den Kredit eines Staates gefährde als das Vorhandensein eines steten Defizits in der laufenden Gebarung und müsse er erinnern, dass die Gefährdung des Kredites zugleich die Machtstellung des Reiches gefährde.

Aus allen diesen Gründen halte er eine weitere Einschränkung in der laufenden Gebarung für dringend geboten und stelle er daher das eindringliche Ersuchen, dass von den Aufwänden aller Ressorts zusammen noch ca. eine Million gestrichen werde. Der Finanzminister wolle sein Ressort nicht ausnehmen [und,] so schwierig es auch gerade bei diesem Ressort sei, trachten, noch einen Abstrich von etwa 300.000 fl. beim Finanzressort vorzunehmen. Mit der Reduzierung in den Ausgaben der Ressorts werde die Regierung am deutlichsten den ernstlichen Willen zeigen, dem Gleichgewichte zustreben zu wollen. Wenn man einmal das Gleichgewicht in der laufenden Gebarung erreicht haben werde, dann werde auch der Zeitpunkt gekommen sein, um die Kredite für Eisenbahnbauten auszuscheiden und auf besondere Titres zu basieren. Man werde diesen Modus dann vorteilhaft anwenden können, weil für die Kreditinanspruchnahme nicht mehr das Drängnis des augenblicklichen Bedürfnisses vorhanden sein werde.

Der Finanzminister muss [] Erwähnung tun, dass in der öffentlichen Meinung immer hervorgehoben werde, das Wachsen des Defizits sei hauptsächlich den Delegationen und ihrem Einflusse zuzuschreiben. Der Finanzminister habe nun aus einer von ihm angestellten Betrachtung der Bewegung der ordentlichen Ausgaben vom Jahre 1874 bis zum Jahre 1880 ersehen, dass in diesem Zeitraume die ordentlichen gemeinsamen Ausgaben um 2⅓% herabgegangen, hingegen die diesseitigen ordentlichen Verwaltungsauslagen um 2,56% gestiegen seien. Man möge also auch dieses Moment in Beachtung nehmen.

Der Finanzminister erwähnt schließlich, dass auch der Pensionsetat und besonders für Gnadengaben sich heuer um ½ Million steigere und dass die Steigerung [wesen]tlich da[s] Justizressort betreffe. Der Finanzminister sei nicht in der Lage, anzugeben, in welchen Positionen die Abstriche behufs der von ihm erwünschten Gesamtreduzierung zu machen wären, muss aber eindringlichst bitten, dass die Ressortminister darauf eingehen, indem er überzeugt sei, dass sich die entsprechenden Posten finden lassen werden.

ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt, dass er sich die zwingenden Gründe für die möglichste Sparsamkeit stets schon bei der ursprünglichen Feststellung des Ressortsvoranschlages gegenwärtig halte und dass er umso mehr von vorneherein geneigt sei, der tunlichsten Einschränkung das Wort zu reden, als er nach seinen Erfahrungen im Verwaltungsdienste [wo]hl wisse, wie schwer der kleine Mann die Steuerlast trage.

ℹ️Das Unterrichtsbudget müsse sich indessen naturnotwendig steigern. Die Weiterentwicklung jedes Systems erfordere eine allmählige Aufwandsvermehrung. Der Geist der Zeit stellt von Jahre zu Jahr erhöhte Anforderungen an das Bildungswesen, schon die Vermehrung der Bevölkerung an sich erzeuge ein erhöhtes Bildungsbedürfnis und aus beiden Gründen ergebe sich die Notwendigkeit der Erhöhung des Lehrerstandes und der anderen Bildungsaufwände.

ℹ️Was die vom Finanzminister bezüglich des Unterrichtsressorts speziell erwähnten Posten anbelange, so müsse er zunächst bemerken, dass heute keine Gattung von Schule eine Einschränkung der Mittel weniger vertrage als die Gewerbeschulen, [wesha]lb er am allerwenigsten die Behinderung der Entwicklung dieser Schulen zulassen möchte, welche im eigentlichen Sinne Schulen von produktiver Bedeutung seien. Während eine Anstalt wie die Wiener Hochschule für Bodenkultur, welche den verhältnismäßigen kolossalen Aufwand von 300.000 fl. jährlich erheische, in einem Jahre nur etwa vier Zöglinge der Praxis übergebe, leisten die Gewerbeschulen den Gewerbetreibenden wahrhaften Sukkurs und gehen die daselbst herangebildeten Kräfte reißend in die industriellen Etablissements ab, welch Letztere wieder vermöge der Bereicherung mit fachmännisch gebildeten Kräften in Aufschwung gebracht werden.

ℹ️Der Minister beleuchtet die Wichtigkeit einiger Budgetposten dieses Gebietes und legt mit Berufung auf die vorerwähn[te] die Unmöglichkeit einer Reduzierung derselben dar. Hinsichtlich des erwähnten Pauschalbetrages bemerkt der Minister, dass derselbe nur zur Entwicklung bereits bestehender Gewerbeschulen verwendet werden solle. Von den Auslagen für wissenschaftliche Reisen wolle er sich einen Abstrich gefallen lassen. Was die Vermehrung der Volksauslagen für Triest anbelange, so bemerke er, dass die Schülerzahl 2.000 betrage und dass jetzt nur die notwendige Konsequenz der früheren Errichtung von Parallelklassen von der ersten Klasse aufgezogen werden müssen. Die Einschränkung könnte für die Zukunft dadurch geschehen, dass man mit Parallelabteilungen von unten an nicht mehr begänne.

Auf die Frage des Finanz[minist]ers, ob man diesfalls nicht das Land verhalten wolle, bemerkt der Minister für Kultus und Unterricht, dass er jetzt Verhandlungen dahin beabsichtige, dass von der Stadt wenigstens ein Pauschalbeitrag geleistet werde.

ℹ️Der Finanzminister macht auf die eventuelle Möglichkeit der Streichung oder Reduzierung eines Baupostens per 25.000 fl. für die Czernowitzer Universität aufmerksam. Jedenfalls scheine es nach der Meinung des Finanzministers möglich, von der Baupost für das neue Wiener Universitätsgebäude einen Betrag abzustreichen. Nachdem man im vorigen Jahre eine Million bewilligt habe und kaum anzunehmen sei, dass dieser Betrag schon aufgewendet wurde, so dürfte 1883 der Betrag von 500.000 fl. genügen. Der Minister für Kultus und Unterricht will sich in dieser Beziehung informieren und dann, wenn der in Aussicht genommene Baufortschritt nicht beeinträchtigt erscheint, eine bezügliche Reduktion vornehmen.

ℹ️Der Ministerpräsident macht aufmerksam auf die Erzielung von Ersparungen bei den Lehrerbildungsanstalten. Diese Anstalten waren in der ihnen gegebenen Ausdehnung entsprechend, als bei dem Übergange zum neuen Schulsysteme allerwärts neue Lehrkräfte in großer Anzahl benötigt wurden. Heute sei das Bedürfnis gedeckt und seien die Stellen durchwegs mit jungen Kräften besetzt. Für die Herstellung des nötigen Nachwuchses brauche man den großen Aufwand nicht mehr. Daher trete auch jetzt die Folge ein, dass die Lehrerinnenbildungsanstalten von den Familienb [schlicht und] einfach benützt werden, um den Kindern auf Kosten des Staates eine höhere Erziehung zuzuwendenc . Weiters macht der Ministerpräsident darauf aufmerksam, ob es sich nicht empfehlen dürfte, die Ackerbauhochschule in Wien, an welcher nach der früheren Bemerkung des Ministers für Kultus und Unterricht ein Zögling auf 50.000 fl. zu stehen kommen, aufzuhebend . Der Finanzminister schließt sich diesen Anregungen des Ministerpräsidenten an.

ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt, dass er sich eben mit der Frage der Reduzierung der Lehrerbildungsanstalten beschäftige. Man könne schon auch wegen der anderweitigen Unterbringung der Lehrkräfte dabei nur allmählig vorgehen. Schon sei jetzt der Vorgang eingeschlagen, dass an eden Lehrerinnenbildungsanstalten teilweisee nur jeder zweite Jahrgang eröffnet werde. Bei der Ackerbauhochschule dürfte die Einführung von Staatsprüfungen vielleicht bald zu einer solchen Klärung führen, woran sich weitere Schritte ohne Vorwurf knüpfen können.

ℹ️Minister Freiherr v. Ziemiałkowski bemerkt, er halte den Wunsch und das Verlangen des Finanzministers, dass von dem laufenden Aufwande noch weitere ausgiebige Abstriche gemacht werden, für vollkommen gerechtfertigt. Doch könne er nicht damit einverstanden sein, dass man zu diesem Behufe kleinere Abstriche bei Aufwänden macht, die an und für sich notwendig sind. Er möchte vielmehr dafür den Weg betreten wissen, dass man jene Anstalten, welche nicht not[wendig] sind, aufhebt. Dahin gehören erstlich die Hochschule für Bodenkultur in Wien, ferner die Universität in Czernowitz, welche ein ganz künstliches Gewächs sei und keinem Bedürfnisse entspreche, weiters verschiedene entbehrliche Gymnasien namentlich in Mähren und Böhmen, endlich die Lehrerbildungsanstalten, von denen ohne jede Beeinträchtigung des Zweckes die Hälfte aufgelassen werden könntef . Kleine Abstriche bei den notwendigen Gewerbeschulen haben keinen Zweck. Gehe man aber an die Beseitigung des Überflüssigen, so werde man dadurch nebst ausgiebiger Ersparung zugleich auch noch mehr Mittel für die notwendigen Anstalten erlangen.

ℹ️Der Finanzminister formuliert seinen Wunsch dahin, dass vom Ressort des Unter[richtsministers] nach Ermessen des Ressortministers hinsichtlich der Verteilung noch ein Gesamtabstrich per 200.000 fl. vom jetzigen Stande des pro 1883 präliminierten Erfordernisses gemacht werde. Der Minister für Kultus und Unterricht sagt diesen Abstrich zu.

ℹ️Es wird zur Verhandlung hinsichtlich des Justizressorts übergegangen. Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák bemerkt: In der Tat weise der Justizvoranschlag eine Steigerung von 271.000 fl. auf. Aber die Steigerung des Justizaufwandes sei natürlich. Alljährlich wachse die Bevölkerung, die Agenden vermehren sich, neue Gerichte müssen errichtet werden. Was speziell die vom Finanz[minister] zur Erwähnung gebrachte Vermehrung der Kosten der Strafrechtspflege anbelange, so könnte er hiebei absolut keinen Abstrich machen. Der präliminierte Aufwand lehne sich strikte an das Bedürfnis an. Wegen zu geringer Veranschlagung dieser Posten habe man im Jahre 1881 eine Überschreitung von 30.000 fl. gemacht und dürfte auch das Jahre 1882 eine beträchtliche Überschreitung ergeben. Ersparungen lassen sich allenfalls nur bei zwei Posten im Extraordinarium machen, nämlich bei Neubauten und bei der Anlegung der Grundbücher, wo die Ersparungen Hinausschiebungen bedeuten. In der Diskussion wird der Gesichtspunkt hervorgekehrt, dass sich bei Bauposten am zweckmäßigsten erste Raten streichen ließen.

ℹ️Der Finanzminister möchte beim Justizressort noch einen Abstrich von 100.000 fl. vorgenommen wissen. Der Leiter des Justizministeriums erklärt sich bereit, bei Bauten 60.000 fl. und bei Anlage von Grundbücher 40.000 fl., sohin zusammen noch 100.000 fl., abzustreichen.

Der Finanzminister sagt, sonach wäre mit Einrechnung des vom Finanzressort noch zu machenden Abstriches per 300.000 fl. ein Gesamtabstrich von 600.000 fl. erzielt und blieben, um eine Million Abstrich voll zu machen, noch 400.000 fl. abzustreichen übrig, was die anderen Ressorts auf sich nehmen möchten.

Nach kurzer Diskussion erklären sich der Ackerbauminister und der Handelsminister jeder zu einem Gesamt[abstric]he von 100.000 fl. und der [Mi]nisterpräsident als Träger des Ressorts des Ministeriums des Innern zu einem Gesamtabstriche von 107.000 fl. bereit.

ℹ️Der Landesverteidigungsminister erklärt, dass sein Ressort so knapp auf das notwendigste Bedürfnis präliminiert sei, dass er nicht in der Lage wäre, nur einen Kreuzer noch abzustreichen. Er verhehle sich nicht die traurige Lage der Finanzen. Er habe auch viel über die Lasten nachgedacht, welche der heutige Heeresaufwand dem Staate auferlege. Indessen sei es Tatsache, dass wir an Billigkeit der Organisation den anderen Staaten weit voran seien. Man könnte also nur durch Reduktion helfen. Dies aber sei eine Frage der auswärtigen Politik und der Verhältnisstellung zu den anderen Mächten, worüber [er] nicht zu [reflek]tieren brauche. Alle Mächte haben in den letzten Jahren Wehrkräfte vermehrt, selbst Italien sei uns nunmehr numerisch überlegen. Bei uns sei währenddem nur in der Entwicklung der Landwehr ein weiterer Schritt getan geworden und sei es gewiss verhältnismäßig sehr billig, eine Armee von mehr als 100.000 Mann Landwehr, von der man hoffen könne, dass sie im ernsten Momente eine wirkliche Unterstützung sein werde, um 3½ Millionen im Frieden erhalten zu können. Um dieses Werk können uns die anderen Staaten beneiden. Es war nur möglich, weil man sich auf das dringendst Notwendige beschränkte. Der Minister sei jetzt im Begriffe durch gorganisatorische Maßregelng eine Erhöhung der Leistungs[fähig]keit der Landwehr bewirken, hoffe aber dabei, das seit Jahren ohnedies nicht erhöhte Budget für die nächste Zeith stetig zu erhalten. Von der Landwehr lasse sich absolut nichts streichen.

ℹ️Das Gendarmeriebudget müsse infolge des Andringens mehrerer Landeschefs auf Vermehrung der Posten eine Erhöhung erfahren. Der Finanzminister wollte nun, dass man in der Landwehr um den Betrag heruntergehe, um welchen das Gendarmeriebudget erhöht werden müsse. Dies sei unmöglich. Die beiden Budgetkapitel haben gar keinen Konnex miteinander. Nachdem die Landwehr keine Reduktion ertrage, müsste er also, falls es der Ministerrat wollte, in die Gendarmeriepostenvermehrung nicht eingehen. Es wird von dem Ansinnen eines weiteren Abstriches beim Landesverteidigungsministerium ab[ge]gangen.

ℹ️Minister Freiherr v. Ziemiałkowski glaubt, hinsichtlich der Erzielung von Ersparungen im Allgemeinen auf das zurück kommen zu sollen, was er im verflossenen Jahre gelegentlich der Einsetzung der Ersparungskommission vorgebracht hatte9, dass man nämlich rationelle und erfolgreiche Ersparungen nur durch eine Reorganisation der Verwaltung in allen Zweigen werden erreichen können. Der Minister macht in dieser Beziehung zunächst wieder auf die Abschaffung der dritten Instanzen für Rekursentscheidungen und auf die Steuereinhebung durch die autonomen Organe aufmerksam10.

II. Über einen au. Vortrag des Ministers für Kultus und Unterricht wegen Errichtung, Erweiterung und Subvention von Mittelschulen

II. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht referiert in An[gele]genheit der beabsichtigten Maßnahmen über die vorgebrachten Anregungen wegen Errichtung und Erweiterung von Staatsmittelschulen, dann wegen Übernahme und Subventionierung von Kommunalmittelschulen. Die in dieser Beziehung heuer bei ihm eingebrachten Anliegen bezogen sich auf 32 Anstalten. Nach einer eingehenden Sichtung der Anträge habe er unter Beachtung der Frequenzverhältnisse und einer entsprechenden Regionaleinteilung in Einvernehmen mit dem Finanzminister die Berücksichtigung von acht Petitionsfällen, womit pro 1883 eine Auslage von 26.500 fl. verbunden sein würde, ins Auge gefasst und an Se. Majestät wegen Ah. Genehmigung der beantragten Maßnahmen au. Vortrag erstattet. Hierüber sei von Sr. Majestät der Ah. Auftrag gegeben werden, „den Gegenstand vorerst im Ministerrate vorzutragen und dabei zu erwägen, ob der Zustand der Finanzen eine solche jährlich steigende Auslage für Mittelschulen gestatte und ob nicht etwa in Böhmen und ganz besonders in Mähren bei Überfüllung dieser Länder mit Mittelschulen, durch Auflassung weniger wichtiger solcher Schulen die Mehrkosten kompensiert werden könnten.“11

Der Minister bemerkt, dass bei der Berücksichtigung der fraglichen Fälle nur das Allernotwendigste geschehe und dass überall, wo eingegriffen werden wolle, die Frequenzverhältnisse so bedeutend seien, dass etwas getan werden müsse. Die Notwendigkeit der endlichen Errichtung eines dritten [Gymna]siums in Krakau leucht[e ei]n, wenn man bedenkt, dass an beiden dortigen Gymnasien 40 Klassenabteilungen bestehen. Ebenso seien die Errichtungen in Kremsier und Smichow und die Erweiterung in Weißkirchen unvermeidlich. Für Deutschbrod, Taus und Časlau sollen nur bis auf Weiteres Subventionen gewährt bzw. erhöht werden. Was endlich Elbogen anbelange, so stelle die Gemeinde bei der Übernahme der Kommunalrealschule in die Verwaltung des Staates das Lehrgebäude samt Einrichtung, eine Turnhalle, Naturalquartier für den Direktor etc. bei und verpflichte sich außerdem zu einem Zuschusse jährlicher 10.000 fl. Der Minister wolle übrigens bezüglich Elbogen, wie er auch schon im au. Vortrage angedeutet habe, [] der Übernahme nur auf die Unterrealschule beschränken und glaube er, dass dann die Beiträge der Gemeinde zur Erhaltung so ziemlich ausreichen dürften.

Der Finanzminister bemerkt, dass er für die vorliegenden Fälle gegenüber der Geltendmachung dringender Bedürfnisse schließlich geglaubt habe, zustimmen zu müssen. Doch sei er auch der Anschauung, dass in Böhmen und Mähren sich zu viele, namentlich zu viele deutsche Mittelschulen befinden und dass es daher entsprechend sei, durch Aufhebung der überflüssigen Anstalten für die Mittel die notwendigen zu gewinnen. Minister Freiherr v. Pražák glaubt, dass es entsprechend und das beste Korrektiv wäre, [wen]n die Mittelschulen ganz aus dem Reichsbudget ausgeschieden und in die Landesbudgets übernommen würden.

Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt, dass durch die in Einleitung begriffenen Maßnahme der Aufhebung des Staatsuntergymnasiums zu Stražnitz und der Auflassung der deutschen Parallelklassen in der Unterabteilung des Staatsgymnasiums zu Wallachisch Meseritsch12 beiläufig das wieder hereingebracht werden dürfte, was mittelst des infrage stehenden au. Antrages zur Aufwendung erbeten werde. Er erbitte sich daher zu seiner au. Antragstellung die Zustimmung des Ministerrates.

Der Ministerrat erklärt [] der Minister für Kultus und Unterricht sich zu einem Gesamtabstriche von 200.000 fl. vom Unterrichtsvoranschlage herbeigelassen habe und mit Rücksicht auf die hinsichtlich Stražnitz und Wallachisch Meseritsch in Aussicht genommenen Auflassungen seine Zustimmungi,13.

III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Finanzrat Joseph Topitsch

III. ℹ️Der Finanzminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Finanzrat und Oberamtsdirektor Joseph Topitsch anlässlich der Pensionierung desselben in Anerkennung seiner mehr als 40-jährigen treuen und vorzüglichen Dienstleistung das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. [De]r Ministerrat erklärt seine Zustimmung14.

IV. Einbringung eines Gesetzentwurfes im Reichsrate wegen Gebührenbefreiung für die Verhandlungen der Kirchen- und Pfarrergiebigkeiten in Krain

IV. ℹ️Der Finanzminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zur Einbringung eines Gesetzentwurfes im Reichsrate betreffend die Stempel- und Gebührenbefreiung der Verhandlungen zur Durchführung der Ablösung der Giebigkeiten und Naturalleistungen für Kirchen und Pfarrer in Krain. Der Entwurf sei gleichlautend mit den diesfälligen die gleichen Ablösungen in anderen Ländern begünstigenden Gesetzen15. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung16.

V. Verordnung behufs Durchführung der Bestimmungen der Wahlgesetznovelle über die Beschränkung der Auswanderung durch die Wehrpflicht

[V.] ℹ️Der Landesverteidigungsminister referiert über die Hinausgabe einer speziellen Anordnung zur Durchführung der im § 54 der Wehrgesetznovelle enthaltenen, die Auswanderung mit Rücksicht auf die Wehrpflicht beschränkenden Bestimmungen17. Der Gegenstand hatte bei der Beratung der fraglichen Bestimmung im Reichsratej Anlass zu Debatten gegeben, wobei von ihm erklärt wurde, dass die Regierung von dem gesetzlichen Rechte nur einen durch die rationellsten Gründe gebotenen Gebrauch machen werde18. Er habe über die bezüglichen Verhältnisse die Landeschefs befragt und auf Grundlage der von denselben eingelangten Berichten beabsichtige er die aus der Anlage ersichtliche Verordnung zu erlassenk, deren Hinausgabe gleichzeitig mit [der Publi]kation der Wehrgesetznovelle zu geschehen hätte.

Die Verordnung wird verlesen und wird der Inhalt derselben vom Ministerrate genehmigend zur Kenntnis genommen19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 11. Dezember 1882. Franz Joseph.