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Nr. 423 Ministerrat, Wien, 21. Oktober 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 21. 10.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Kubin, Hankiewicz.

KZ. 99 – MRZ. 79

Protokoll des zu Wien am 21. Oktober 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Erlass einer Verordnung hinsichtlich des Vorganges beim Zusammentreffen von Ärialabzügen mit Privatforderungen bei der Exekution auf die Bezüge eines Beamten

I. ℹ️Im Auftrage des Finanzministers referiert Ministerialrat Hankiewicz über die zur Ausführung des G[esetzes vo]m 21. April 1882, RGBl. Nr. 123, betreffend die Exekution auf die Bezüge der im öffentlichen Dienste stehenden Personen1 zu erlassende Verordnung behufs Erzielung eines gleichmäßigen Vorganges bei der Behandlung der Einkommensteuer-, Diensttax- und Besoldungsvorschussabzüge, dann der Abzüge zur Deckung der Ärarialforderungen und zur Ergänzung der Dienstkautionen im Falle des Zusammentreffens mit Privatforderungen. Referent legt den aus der Anlage ersichtlichen Verordnungsentwurf vora und bemerkt, dass dem damit proponierten Vorgange von den übrigen Ministerien mit Ausnahme des Landesverteidigungsministeriums prinzipiell zugestimmt wurde2. Das Landesverteidigungsministerium vertrete einen prinzipiell abweichenden Stand[pun]kt dahin, dass Steuern, Diensttaxen und die Beträge zur Ergänzung der Dienstkaution nur von dem der Exekution unterliegenden Teile der Dienstbezüge hereinzubringen seien, sodass also mit Abzügen für diese Bestimmungen der zum eigenen Gebrauche freigelassene Gehaltsbetrag nicht belastet werde.

Der Landesverteidigungsminister legt vor, dass ber dafürhalteb, dass sich die Forderungen, für welche die fraglichen Abzüge geschehen, unter die im ersten Absatze des § 9 des Gesetzes vom 21. April 1882 allgemein als im administrativen Wege einzubringende bezeichneten Forderungen subsummieren lassen, welche nach dem Hofkammerdekrete vom 1. Dezem[ber] 1834 die Priorität vor allen Privatforder[un]gen haben, daher mit Letzteren nicht gleichzeitig konkurrieren sollen, und einen Abzug über das fixierte Existenzminimum nach dem Gesetze nur unter der Voraussetzung zulässig erscheinen lassen, dass der Gesamtabzug ausschließlich durch Forderungen solcher Natur und nicht auch mit durch Privatforderungen in Anspruch genommen werdec . Wenn er aber auch von der formellen Frage der bezüglichen Subsumption absehe und sich diesfalls dem Urteile des Justizressorts unterwerfen wolle, so glaube er, dass es dem Geiste des Gesetzes nicht entspreche, wenn das von demselben festgesetzte Existenzminimum durch kumulierte Abzüge privater undd administrativer Natur, ohne dass nach den sonstigen Anordnungen des Gesetzes eine Notwendigkeit hiezu vorläge, geschmälert werde. Ein derartiges Verfahren erscheine geeignet, nicht nur gesetzliche Umstände, sondern auch mannigfache Komplikationen in der Durchführung zu provozieren, und das Interesse der hievon betroffenen Staatsdiener willkürlich zu schädigene .

Ministerialrat Ritter v. Hankiewicz erwidert, dass unter den im ersten Absatze des § 9 gedachten Forderungen [nac]h dem strikten Inhalte der Bestimmung nur die aus dem Dienstverhältnisse entspringenden Ärarialforderungen verstanden werde können, für deren Einbringung im administrativen Wege die Anordnung des Hofkammerdekretes vom 1. Dezember 1834, JGS. Nr. 26753 bestehe. Unter die in diesem Hofdekrete näher bezeichneten Forderungen lassen sich aber Steuern, Taxen, Abzüge zur Ergänzung der Dienstkaution nicht subsummieren. Nicht in dem Sinne sei das Existenzminimum freigelassen worden, dass davon überhaupt kein Abzug mehr solle geschehen können, sondern nur in dem Sinne der Befreiung von der Exekution. Der von der Exekution freigelassene Teil könne re[lativ] beträchtlich genug sein, um Abzüge zuzulassen. Aber auch wenn man das eigentliche Minimum von 800 fl. ins Auge fasse, so müsse man bedenken, dass eine Reihe von Beamten eben nur in diesem oder in einem noch geringerem Gehaltsbezuge stehe und dass man bei der Anwendung des Standpunktes des Landesverteidigungsministeriumsf von solchen Beamten weder Taxen noch Steuern einfordern könnte. Was speziell die Dienstkautionen anbelange, so müsse man bedenken, dass es sich hier um Abzüge handelt, welche für das Eigentum des Kautionserlegers geschehen, dass es nur eine Wohltat für den Kautionspflichtigen bedeutet, wenn man anstatt von vornherein den Erlag [der] Kaution zu fordern, dieselbe mittelst Abzügen erlegen lasse und dass dieser Vorgang ein besonderes Übereinkommen begreife.

Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák bemerkt, dass er der Anschauung des Vertreters des Finanzministeriums beistimme und die Deduktion des Landesverteidigungsministeriums nicht teilen könne.

Sektionschef Freiherr v. Kubin macht zu Punkt 3 des Verordnungsentwurfes aufmerksam, dass die Bestimmungen desselben nicht bloß hinsichtlich eigentlicher Ärarialforderungen, sondern auch hinsichtlich der Forderungen eines öffentlichen nicht eigentlich ärarischen Fonds werden zur Anwendung kommen müssen, [nac]hdem bei solchen Fondsanstalten – Redner weist beispielweise auf das Wiener Versatzamt hin – die Beamten der Behandlung nach dem für Beamte der Staatsanstalten bestehenden Normen unterstellt seien. Redner beantragt daher eine entsprechende Änderung der Stilisierung des Punktes 3 in Erwägung zu nehmen, um die erweiterte Anwendung zulässig erscheinen zu lassen, nachdem § 9 des Gesetzes dieser Ausdehnung nicht im Wege stehe und das Hofkammerdekret vom 1. Dezember 1834 nur die eigentlichen Ärarialforderungen im Auge habe.

Infolge dieser Anregung wird nach dem Antrage des Handelsministers die Abänderung der Stilisierung des Punktes 3 [sodan]n beschlossen, dass das Wort [„]Ärarial“ vor dem Worte „Forderungen“ sowie weiters die Anführung des Hofkammerdekretes vom 1. Dezember 1834 JGS. Nr. 2675 eliminiert werde. Die übrigen Bestimmungen des Verordnungsentwurfes werden nach der vorgelegten Fassung akzeptiert4.

II. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Statthaltereirat Franz Stähling

II. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Statthaltereirat der Statthalterei in Graz, Franz Stähling, in Anerkennung seiner vieljährigen, treuen und vorzüglichen Dienstleistung den Orden der Eisernen Krone III. Klasse zu [erw]irken und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung5.

III. Erwirkung des Sternes zum Komturkreuze des Franz-Joseph-Ordens für den Abt Leopold Wackařz

III. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Abt des Zisterzienserstiftes in Hohenfurt, Leopold Wackařz, anlässlich der Feier des 25-jährigen Jubiläums seiner Abtwahl, in Anerkennung seiner verdienstlichen Tätigkeit den Stern zum Komturkreuze des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken und teilt aus dem Inhalte [des] diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung6.

IV. Erwirkung des Franz-Joseph-Ordens für den Subprior Pater Karl v. Attlmayr

IV. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht referiert über die von Sr. kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzog Wilhelm gegebene und ihm mittelst Ah. Handschreibens vom 28. September 1882 zur Antragstellung übermittelte Anregung wegen Erwirkung einer Ah. Auszeichnung für den Subprior des Deutschen-Ordens-Priesterkonventes in Lana Pater Carl v. Attlmayr7. Auf Grundlage des vom Statthalter nach Einvernehmung des Fürstbischofes von Trient erstatteten Antrages, wornach Attlmayr einer Ah. Auszeichnung vollkommen würdig erscheint, beabsichtige der Minister für denselben anlässlich seines Priesterjubiläums in Anerkennung seines vieljährigen sehr ersprießlichen Wirkens das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung8.

V. Verweigerung der Lehrerkonferenzkosten seitens des Vorarlberger Landtages

V. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht teilt mit, dass laut eines an ihn eingelangten Telegrammes, der Vorarlberger [Lan]dtag abermals die Kosten für die Lehrerkonferenzen verweigert habe und dass vom Regierungsvertreter im Landtage die in der Ministerkonferenz vom 5. September 1882 genehmigte Erklärung betreffend die Hereinbringung dieser Kosten aus den eingezahlten Landeszuschlägen abgegeben wurde. Die Mitteilung wird zur Kenntnis genommen9.

VI. Einbringung einer Regierungsvorlage im Reichsrate wegen Abänderung des Anhanges der Reichsratswahlordnung betreffend Wahlbezirke der Landgemeinden in Galizien anlässlich der Errichtung des Bezirksgerichtes Czarny-Dunajec

VI. ℹ️Im Auftrag des Ministerpräsidenten als Leiters des Ministeriums des Innern referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin über die Einbringung einer Regierungsvorlage im Reichs[rate betre]ffend die Abänderung der Bestimmungen des Anhanges zur Reichsratswahlordnung in Betreff der Wahlbezirke in Galizien d) Landgemeinden Z. 4. Es handle sich dabei lediglich darum, wegen der Errichtung eines neuen Bezirksgerichtes in Czarny-Dunajec, diesen Gerichtsbezirk in dem bezüglichen Anhange anzuführen. Die bisherigen Grenzen des fraglichen Wahlbezirkes bleiben unberührt. Der Ministerrat erklärt zur Einbringung der Vorlage seine Zustimmung10.

VII. Frage der Berechnung der Dauer einer Landtagsperiode anlässlich des Krainer Landtages. Frage der Auflösung des Krainer Landtages

VII. ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin über die Frage der Dauer der Landtagsperiode des jetzigen Krainer Landtages. [D]er Landtag wurde im Juli [18]77 gewählt und trat am 12. September 1878 zusammen11. Würde die sechsjährige Periode vom Zeitpunkt der Wahl an gerechnet, so wäre dieselbe im Juli 1883 abgelaufen. Bei der Annahme des Beginnes der Periode jedoch vom Zeitpunkte des Zusammentrittes des neugewählten Landtages an würde die sechsjährige Periode erst am 11. September 1884 ablaufen. Die Frage wurde in einem Berichte des Landespräsidenten von Krain angeregt12 und vertrete der Landespräsident darin die Ansicht, dass die Landtagsperiode vom Zeitpunkte der Wahl der Abgeordneten an zu berechnen sei, sodass demnach die jetzige Periode des Krainer Landtages mit Juli 1883 ende.

An diese Argumentation anknüpfend erörtere der Landespräsident die Frage der Vor[nahme der Wah]len, wobei er es wieder als geboten voraussetzt, dass die neue Landesvertretung bis zur Zeit der im Sommer künftigen Jahres stattfindenden Jubiläumsfeier des Anschlusses Krains an das Ah. Kaiserhaus, zu welcher Feier Se. Majestät nach Krain zu kommen beabsichtigen, schon vorhanden sein solle, um Sr. Majestät im Namen des Landes die Huldigung darzubringen13. Nachdem der Landespräsident glaubt, dass der ziemlich unmittelbar vor die Jubiläumsfeier fallende Zeitpunkt der natürlichen Endigung der Landesperiode zur Vornahme der Neuwahlen nicht geeignet sei, so beantragt der Landespräsident, den Landtag jetzt aufzulösen und die Neuwahlen noch in diesem Herbste vorzunehmen. Es handle sich vor allem, sich darüber auszusprechen, wie die [je]tzige Landtagsperiode zu berechnen sei.

Die Frage wurde bereits dreimal im Ministerrate erörtert. Das erste Mal geschah dies in der Konferenz vom 1. Juli 1876, wo der Ministerrat dem vom damaligen Minister des Innern Freiherrn v. Lasser vertretenen Standpunkte zustimmte, dass der Beginn jeder Landtagsperiode vom Tage des ersten Zusammentrittes des neugewählten Landtags an gezählt werde14. Das zweite Mal wurde derselbe Standpunkt in der Ministerkonferenz vom 4. Februar 1878 approbiert15. Das dritte Mal wurde die Frage in der Ministerkonferenz vom 1. April 1882 mit Rücksicht auf die Dauer der Periode des jetzigen galizischen Landtages ventiliert16. Bei dieser Gelegenheit wurde vom Finanzminister Dr. Ritter v. Dunajewski bemerkt, [dass der Beginn der L]an[d]tagsperiode nach dem Termine der ersten Einberufung anstatt nach dem Zeitpunkte seiner Wahl gegen das allgemeine konstitutionelle Prinzip verstoße und betont, dass bei der Möglichkeit einer verschiedenen Auslegung der bezüglichen Bestimmungen der Landtagsordnung die Sache auf jeden Fall zum Mindesten sehr zweifelhaft sei, weshalb von einer förmlichen Entscheidung der Frage abzusehen wäre. Vom Ministerpräsidenten wurde darauf erwidert, dass ein Anlass zu einer förmlichen Entscheidung nicht vorhanden sei, dass er aber von dem bisherigen Usus nicht abweichen möchte. Vom Ministerrate wurde die Absicht des Ministerpräsidenten beim bisherigen Vorgange zu bleiben, zur Kenntnis genommen.

Auch jetzt wolle der Minister[präsid]ent auf dem Standpunkte des bisherigen Usus der Berechnung der Landtagsperiode von dem Zeitpunkte des ersten Zusammentrittes des neugewählten Landtages an verbleiben und sich in diesem Sinne in der Erledigung an den Landespräsidenten aussprechen.

Der Finanzminister bemerkt, dass man eine solche Berechnung der Dauer einer parlamentarischen Periode, welche nirgends in Europa stattfinde und eine Ausnahme von dem diesfälligen allgemeinen Grundsatze der Berechnung nach der Mandatsdauer darstelle, wohl nur dann machen könnte, wenn sich das Gesetz in ganz bestimmter Weise dafür ausspräche, was aber seines Erachtens nicht der Fall sei.

Sektionschef Freiherr v. Kubin führt die bezüglichen, in den Landesstatuten aller Länder gleichlau[tende]n Bestimmungen der Landesverordnung an17. Im § 6 wird gesagt: „Die Funktionsdauer des Landeshauptmannes und dessen Stellvertreters, dann der gewählten Mitglieder des Landtages (die Landtagsperiode) wird auf sechs Jahre festgesetzt.“ Weiters heißt es im § 14: „Die Funktionsdauer der Mitglieder des Landesausschusses und der Ersatzmänner ist jener des Landtages, der sie gewählt hat, gleich.“ Darnach sei stets nur von der „Funktionsdauer“ und niemals von einer Mandatsdauer die Rede und die Funktionsdauer der Mitglieder eben werde, wie die Anführung in parenthesi besage, als die Landtagsperiode angesehen. Die Funktion der gewählten Mitglieder des Landtages beginne aber erst mit dem Zusammentritte des Landtages. Es spreche sich sohin das Gesetz ganz deutlich dafür aus, dass [die] Dauer der Periode vom er[s]ten Zusammentritte des neugewählten Landtages an zu berechnen sei.

Der Finanzminister bemerkt, es sei allerdings richtig, dass Funktion und Mandat an sich zwei verschiedene Begriffe seien, aber hier vereinigen sich beide in eine Würde, die des Abgeordneten. Die Bestimmung des § 6 lasse sich ebenso dahin interpretieren, dass die Funktionsdauer der gewählten Mitglieder als Mandatsträger auf sechs Jahre festgesetzt werde. Wenn man die Funktion des Abgeordneten nur in der Ausübung des Mandats im Landtage sehe, so könnte man schließlich auch zur Auslegung kommen, dass die Landtagsperiode so lange zu dauern habe, bis die Funktionszeitläufe der Abgeordneten und bzw. sonach die Tagungszeit[länge] des Landtages sich auf sechs Jahre summieren, wobei man dann, da die Funktion im Landtage jährlich höchstens einige Monate dauere, auf eine Periode von vielleicht 20 Jahren hinauskäme. Wie schon die hinsichtlich des jetzigen Krainer Landtages vorgebrachte Berechnung zeige, würden nach der bisherigen Auslegungsweise bis zum natürlichen Ablaufe der Landtagsperiode die gegenwärtigen Mandate sieben Jahre und zwei Monate dauern. Der Finanzminister erklärt, dass er die Berechnung der Landtagsperiode vom Zeitpunkte des Zusammentrittes des Landtages an geradezu als einen Bruch der Landesverfassung betrachten müsste.

Der Handelsminister erklärt, dass er in Überein[stim]mung mit der Anschauung des Finanzministers die Berechnung der Periode nach der Mandatsdauer für die richtige halte.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski erklärt sich für die bisherige Auslegung. Gegen die Anschauung des Finanzministers spreche wesentlich der Umstand, dass in § 6 der Landesordnung der Landeshauptmann und die gewählten Mitglieder hinsichtlich ihrer Funktionsdauer zusammengehalten seien. Nachdem nun der Landeshauptmann, der erst nach der Wahl ernannt werde, seine Funktion jedenfalls nicht früher als nach der Einberufung des Landtages beginnen könne, so sei klar, dass das Gesetz den Beginn der Funktionsdauer der gewählten Abgeordneten von dem Zeitpunkte des Zusammentrittes des Landtages an rechnen wolle. Anders sei das Verhältnis beim Reichsrate, aber hiefür bestehe die bestimmte gesetzliche Anordnung, dass die Abgeordneten auf die Dauer von sechs Jahren gewählt werden und dass nach Ablauf dieser Wahlperiode Neuwahlen zu erfolgen haben.

Der Minister Freiherr v. Pražák und Freiherr v. Conrad erklären sich für die Anschauung des Ministers Freiherrn v. Ziemiałkowski und weist Minister Freiherr v. Conrad insbesondere auch auf den Umstand hin, dass die Abgeordneten ihre Funktion nicht beginnen können, bevor sie nicht die Gelobung geleistet haben.

Der Ministerpräsident bemerkt, er wolle immerhin zugeben, dass die Frage zweifelhaft sei. Aber wenn hinsichtlich des Vorgehens in einer Verfassungsfrage zwei verschiedene Ansichten geltend gemacht werden, setze sich die Regierung der Gefahr eines Vorwurfes gewiss viel weniger aus, wenn sie bei dem seit einer Reihe von Jahren bestehenden Usus bleibe. Wenn er sich übrigens die Frage vorlege, ob es aus dem gegenwärtigen Anlasse notwendig sei, eine förmliche Entscheidung über die Berechnung der Landtagsperiode zu fällen, so müsse er sich antworten, dass zu einer solchen Entscheidung auch heute eine unbedingte Notwendigkeit nicht vorhanden sei, zumal ja, wie aus allem hervorleuchte, die eigentliche Intention des Landespräsidenten nur dahin gehe, die baldige Auflösung des jetzigen Landtages zu erwirken.

Nachdem die von ihm beabsichtigte Entscheidung über die vom Landespräsidenten vorgeschobene Prinzipienfrage zu Gegenbemerkungen Anlass gegeben habe, so lasse er diese Frage fallen und gehe auf die zweite Frage, auf die Frage über, ob der Krainer Landtag aufzulösen sei? Der Ministerpräsident gibt dem Ministerrate zu erwägen, ob es entsprechend wäre, den jetzigen Landtag noch weiter und auch das künftige Jahr fungieren zu lassen und ob es namentlich opportun wäre, bei Gelegenheit der erwähnten Jubiläumsfeier und der [Anw]esenheit Sr. Majestät in Krain noch den gegenwärtigen Landtag zu haben. Er als Minister des Innern hielte es nicht für entsprechend, diese Landesvertretung über jene Zeit hinaus und namentlich gelegentlich der Anwesenheit Sr. Majestät fungieren zu lassen.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski bemerkt, dass, wenn man die prinzipielle Frage nicht entscheiden wolle, die Auflösung des Landtages das einzige Auskunftsmittel sei. Daher erklärt er sich für die Auflösung. Der Ackerbauminister erklärt sich für die Auflösung. Der Handelsminister ist gleichfalls für die Auflösung. Es sei gut, auf diese Weise der prinzipiellen Frage aus dem Wege zu gehen. Doch müsse er wünschen, dass, um nicht zu präjudizieren, derselbe Weg auch hinsichtlich aller anderen Landtage, welche sich in derselben Lage befinden, eingeschlagen werde.

Der Finanzminister erklärt sich mit der Auflösung des Krainer Landtages einverstanden. Anknüpfend an das vom Handelsminister Bemerkte weist der Minister darauf hin, dass die sechsjährige Wahlperiode des galizischen Landtages schon in diesem Monate zu Ende gehe, weshalb, um strenge genommen nicht zu präjudizieren, seines Erachtens, sofort und schon am morgigen Tage mit der Auf[lösun]g des galizischen Landtages vorzugehen wäre. Der Minister bemerkt, dass im galizischen Landtage alle Persönlichkeiten, mit welchen er über den Punkt der Dauer der Landtagsperiode gesprochen habe, seiner Meinung gewesen seien. Auch bereite man sich in Galizien bereits für die Neuwahlen vor.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass er allerdings die Auflösung des galizischen Landtages in Aussicht nehme, nachdem man dort die Meinung der Berechnung der Landtagsperiode nach der Mandatsdauer zu teilen scheine18. Von anderen Landtagen sei diese Meinung noch nicht aufgetaucht. Der Minister glaubt übrigens, dass es wohl angehe mit der Auflösung des galizischen Landtages noch etwas zu warten, indem schließlich die Bedenken hinsichtlich der Präjudizierung des Prinzipes nicht gar so streng genommen werden dürften. Minister Freiherr v. Pražák und der Landesverteidigungsminister stimmen der Proposition der Auflösung des Krainer Landtages zu.

Der Minister für Kultus und Unterricht sieht nicht ein, welche inneren Gründe für die Auflösung des jetzigen Krainer Landtages sprechen sollen. Wenn er die vom Ministerpräsident hinsichtlich des Ah. Besuches Sr. Majestät gemachte Andeutung ins Auge fasse, so müsse er hervorheben, dass die [Haup]trepräsentanten des Landtages für den Empfang Sr. Majestät der Landeshauptmann Graf Thurn und dessen Stellvertreter Graselli19 seien und dass auch der künftige Landtag in seiner Spitze kaum durch andere Persönlichkeiten würde repräsentiert sein können. Die Majorität des Landtages mache aber keineswegs heftige Opposition, sie sei gewiss viel milder als die Majorität im böhmischen Landtage und geriere sich durchaus nicht als à tout prix regierungsfeindlich.

Der Ministerpräsident bemerkt, es handle sich um die Frage, welche Partei die Majorität haben solle. Nach dem Ausfalle der letzten Handelskammerwahlen stehe es schon jetzt so, dass wenn [die] beiden jetzigen Abgeordneten der Handelskammer wegfielen, die nationale Partei die Majorität im Landtage hätte. Daher sei die Basis der gegenwärtigen Majorität an sich eine unnatürliche. Weiters sei die jetzige Verhältnislage eine solche, dass die Dinge auf die Schneide gestellt seien. Ein weiterer Beweggrund sei auch für ihn die für den künftigen Landtag vorgesehene Erledigung der Sichelburger Frage20, wobei von Seite der jetzigen Majorität nicht, wohl aber nach der von der jetzigen Minorität geäußerten Anschauung eine gedeihliche Lösung zu erwarten sei. Endlich liege ein Hauptgrund für die Erlangung eines neuen Landtages darin, dass beabsichtigt sei, dass die [künfti]ge Landesvertretung Se. Majestät empfange.

Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt, dass ihm darnach noch immer ein wesentlicher Grund für die Auflösung des Landtages nicht einleuchte. Die erwähnte Verhältnislage zwischen den Parteien sei schon seit Jahren vorhanden und könne daher jetzt für den Auflösungsakt nicht entscheidend sein. Desgleichen finden sich analoge Verhältnisse auch anderwärts, wie z. B. in der Triester Vertretung. Was aber die Sichelburger Angelegenheit anbelange, so sei er überzeugt, dass schließlich auch mit der jetzigen Vertretung ein erwünschtes Resultat erlangt werden würde. Der Minister [kö]nne nur betonen, dass die Auflösung auf einen großen Teil der Bevölkerung einen ungünstigen Eindruck machen würde. Seines Erachtens wäre eher eine Änderung in der Leitung der Regierungsangelegenheiten in Krain zu wünschen.

Vom Ministerrate wird beschlossen, die Auflösung des Krainer Landtages in Aussicht zu nehmen und wird als Zeitpunkt des Vorgehens mit der Maßregel Frühjahr 1883 ins Auge gefasst21.

VIII. Frage der Einberufung der Landtage von Triest und Dalmatien

VIII. ℹ️Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert im Auftrage des Ministerpräsidenten über die Frage der Einberufung der [bezü]glich ihrer heurigen Tagung noch rückständigen Landtage von Triest und Dalmatien22. Bezüglich des Triester Landtages bemerke der Statthalter, dass, da keine wichtige Vorlage vorhanden sei, die Landtagstätigkeit sich auf wenige Sitzungen beschränken dürfte, und proponiere die Einberufung für die zweite Hälfte November oder für die Zeit der Weihnachtsferien des Reichsrates. Bezüglich des dalmatinischen Landtages hatte sich der Statthalter früher dahin geäußert, dass derselbe heuer entweder gar nicht oder sehr spät einberufen werden möge. Jetzt habe der Statthalter die Alternative fallen gelassen und wünsche, dass noch die Einberufung geschehe. Referent bemerkt, dass der jetzige Dalmatiner Landtag im November 1876 gewählt wurde und das erste Mal am 15. Jänner 1877 zusammentrat. Der Ministerpräsident habe mit Rücksicht auf die sonstige parlamentarische Zeiteinteilung als einzig noch entsprechenden Tagungstermin für beide Landtage die Zeit während der Weihnachtsferien des Reichsrates in Aussicht genommen. Nach den nunmehr anlässlich des Krainer Landtages vorgebrachten Erörterungen hinsichtlich der Präjudizierung der Frage der Berechnung der Landtagsperiode23, müsse Referent aufmerksam machen, dass bei einer Tagung des dalmatinischen Landtages während der Zeit der Weihnachtsferien des Reichsrates die Tagungszeit desselben bereits in die Zeit nach Ablauf der Wahlperiode fiele.

Der Handelsminister und der Finanzminister halten es für wichtig, dass der Frage bei dieser Gelegenheit nicht präjudiziert werde und proponieren daher übereinstimmend, den dalmatinischen Landtag schon für den 2. November 1882 einzuberufen. Minister Freiherr v. Pražák macht darauf aufmerksam, dass die gleichzeitige Tagung des dalmatinischen Landtages mit der Tagung der Delegationen wegen der Frage der bosnischen Politik gefährlich erscheine. Minister Freiherr v. Ziemiałkowski glaubt, dass man beim Dezembertermine bleiben könnte, indem man sich intern verwahrte, dass damit der Frage der Berechnung der Dauer der Landtagsperiode präjudiziert werde. Der Finanzminister erklärt, dass, wenn überhaupt die Einberufung erfolge, er nur für den Termin des 2. November 1882 sein könne. Der Ministerpräsident bemerkt, dass er in Anbetracht des vom Minister Freiherrn v. Pražák erwähnten Bedenkens, den Landtag jedenfalls lieber heuer gar nicht als für den 2. November einberufen wissen möchte.

Vom Ministerrate wird beschlossen, vom Statthalter in Dalmatien eine Äußerung abzuverlangen, mit der demselben zu gebenden Andeutung, dass, wenn der Statthalter nicht dafürhalten sollte, den Landtag [in] die Zeit der Weihnachtsferien des Reichsrates einzuberufen, die Einberufung heuer gar nicht zu geschehen haben dürfte. Für den Triester Landtag wird vom Ministerrate die Einberufung während der Zeit der Weihnachtsferien des Reichsrates in Aussicht genommen24.

IX. Frage der Stellung eines Amnestieantrages für im Auslande befindliche Stellungsflüchtige

IX. ℹ️Der Ministerpräsident referiert über eine Zuschrift des ungarischen Ministerpräsidenten vom 1. d. M., mit welcher derselbe seine Absicht mitteilt, für eine Anzahl ungarischer Untertanen, welche sich als Stellungsflüchtige im Auslande, insbesondere in Rumänien, befinden, bei Sr. Majestät die straffreie Rückkehr zu erwirken und zugleich um eine Eröffnung darüber ersucht, ob etwa auch wir uns bewogen fänden, hinsichtlich diesseitiger Untertanen, welche sich unter ähnlichen Verhältnissen im Auslande aufhalten, einen gleichen Antrag Allerhöchstenorts zu stellen. Der Ministerpräsident habe über die Angelegenheit den Landesverteidigungsminister befragt und habe sich dieser hinsichtlich eines hierseitigen ähnlichen Vorgehens negativ ausgesprochen25. Der [Mini]sterpräsident teilt dem Ministerrate die diesfällige aus der Anlage ersichtliche Antwort des Landesverteidigungsministers vom 10. d. M. mitg . Darnach beabsichtige der Ministerpräsident, falls der Ministerrat zustimme, dem ungarischen Ministerpräsidenten zu erwidern, dass die k. k. Regierung nach Erwägung der Angelegenheit im Ministerrate zu dem Schlusse gekommen sei, dass für sie kein Anlass zur Stellung eines ähnlichen Amnestieantrages vorhanden sei.

Der Landesverteidigungsminister fügt zu seiner Äußerung noch hinzu, dass uns auch die äußeren Anlässe und Anhaltspunkte zu einem analogen Antrage fehlen, da der k. k. Regierung keine Wünsche bezüglich einer solchen Generalaktion, wie dies wahrscheinlich in Ungarn der Fall gewesen sein dürfte, vorgebracht wurden.

Nach kurzer Diskussion über die Form der Antwort einigt sich der Ministerrat dahin, das in der Äußerung des Landesverteidigungsministers angeführte innere Motiv nicht auszusprechen und erklärt zu der aus der Anlage ersichtlichen Fassung der vom Ministerpräsidenten zu gebenden Antwort seine Zustimmungh,26.

X. Schließung des böhmischen Landtages

X. ℹ️Der Ministerpräsident macht Mitteilung über die Verhandlungen in Bezug auf die Schließung des böhmischen Landtages27. In Rücksicht auf die Delegationsverhandlungen und um etwaigen Rekriminationen zu begegnen, dass die Regierung für den gehörigen Anschluss der parlamen[tari]schen Arbeiten nicht rechtzeitig Sorge trage, wurde dahin gewirkt, dass die Landtage ihre Tätigkeit längstens bis 23. d. M. zum Abschluss bringen. Bezüglich der Schließung des böhmischen Landtages längstens bis 23. d. M. stellten sich Schwierigkeiten dar.

Der Oberstlandmarschall erklärte, dass er bis zu diesem Termine die Arbeiten nicht fertig bringen könne, dass er jedoch trotzdem schließen würde, wenn die Regierung einen diesfälligen besonderen Wunsch ausdrückte. Darauf wurde der Statthalter angewiesen, den Oberstlandmarschall namens der Regierung um die Schließung bis zum gedachten Termine zu ersuchen28. Nun aber erklärte der Oberstlandmarschall abermals, dass er bis dahin nicht schließen könne. Infolgedessen habe sich der Ministerpräsident die Ah. Anordnung Sr. Majestät zur Schließung des Landtages am 23. erwirkt29. Trotzdem biete sich wieder ein Anstand dar. Es solle noch der Antrag wegen Bewilligung einer Summe von 800.000 fl. für ein deutsches Sommertheater in Prag im Landtage verhandelt werden30 und möchte deshalb der Oberstlandmarschall die Schließung erst am 24. vornehmen. Der Statthalter ersucht bei dieser Sachlage um eine Weisung.

In der kurzen Diskussion wird die Anschauung zum [Aus]druck gebracht, dass es mit Rücksicht auf die Ah. Schließungsanordnung sowie wegen des Beginnes der Delegationsverhandlungen jedenfalls bei der Schließung am 23. werde verbleiben müssen, dass jedoch deshalb die Erledigung des Theaterantrages immerhin vorgenommen werden könne, indem ja anstatt einer Sitzung am 24. noch eine Abendsitzung am 23. abgehalten werden könne. Nur der Finanzminister erklärt sich dahin, dass er die Durchpeitschung eines für das Land so kostspieligen Antrages nicht begünstigen möchte.

Vom Ministerrat wird beschlossen, den Statthalter [anzu]weisen, dass er den Oberstlandmarschall schriftlich ersuche, den Landtag im Folge Ah. Antrages am 23. zu schließen, doch ist zugleich dem Statthalter zur eigenen Wissenschaft zu bedeuten, dass die Abhaltung einer Abendsitzung am 23. selbstverständlich nicht ausgeschlossen ist31.

XI. Promemoria des Ackerbauministers über die in Dalmatien bezüglich der anderen Ressorts gewonnen Eindrücke

XI. ℹ️Der Ackerbauminister legt dem Ministerrate das aus der Anlage ersichtliche Promemoria über die während seiner Reise durch Dalmatien gewonnenen Eindrücke und gemachten Beobachtun[gen] über Gegenstände, welche die anderen Ressorts betreffen, vori,32.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 11. Dezember 1882. Franz Joseph.