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Nr. 414 Ministerrat, Wien, 7. September 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. anw. (Taaffe 7. 9.), Ziemiałkowski, Pražák, Conrad, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Kubin; BdE. abw. Falkenhayn, Welsersheimb (26. 9.).

KZ. 85 – MRZ. 70

Proto[koll] des zu Wien am 7. September 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Wegen der vom galizischen Landesausschusse beabsichtigten Einbringung eines Gesetzentwurfes im dortigen Landtage, betreffend die Zuerkennung einer Virilstimme im Landtage an den Rektor der Technischen Hochschule in Lemberg

I. ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten als Leiter des Ministeriums des Innern referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin [] [mit] welchem []let wird, dass der ga[l]izische Landesausschuss die Absicht habe, in der diesjährigen Landtagssession einen Gesetzentwurf einzubringen, welcher dahin geht, durch eine Zusatzbestimmung zu § 3 des Landesstatuts für Galizien dem Rektor der k. k. Technischen Hochschule in Lemberg eine Virilstimme im Landtage zuzuerkennen. Die Sache wurde seit einigen Jahren wiederholt durch Petitionen angeregt. Der Statthalter spreche sich dahin aus, dass wegen der hervorragenden wissenschaftlichen Bedeutung der Technischen Hochschule die Zuerkennung einer Virilstimme an den Rektor derselben nicht unbillig erschiene. Der Statthalter ersucht, dass, falls seitens der Regierung dem Antrage in irgendeiner Richtung entgegentreten werden solle, ihm hierüber eine Weisung gegeben werden möge.

Referent teilt mit, dass, ℹ️als im Jahre 1868 eine ähnliche Vertretung der Technischen Hochschule in Wien im niederösterreichischen Landtage seitens des Professorenkollegiums des Technischen Instituts angeregt wurde, die Regierung es ablehnte, aus ihrer Initiation diesfalls einen Schritt zu tun, indem es nicht zweckmäßig sei, Vertretungen dieser Art zu vervielfältigen und das historische Moment, welches den Universitäten diesfalls zur Seite stehe, für die technischen Anstalten1 [] ℹ️ [gleic]hfalls im Jahre 1868 wurde von Graz die Substituierung der Virilstimme der Universität durch einen gewählten Vertreter derselben sowie die Bestellung eines gewählten Vertreters der Grazer Technischen Hochschule angeregt2. Darüber sprach sich der damalige Minister des Innern in folgender Weise aus: „Ein Beschluss auf Substituierung der Virilstimme der Universität durch einen gewählten Vertreter derselben hätte keinen prinzipiellen Widerstande von Seite der Regierung zu gewärtigen, eine Beseitigung der Virilstimmen überhaupt könnte jedoch dermal nicht der Ah. Sanktion [e]mpfohlen werden, mehr Aussicht auf Bestätigung hätte ein Beschluss auf eine Stimme der Technischen Hochschule in Graz.“ Referent teilt endlich mit, dass von Galizien aus früher einmal auch die Zuerkennung einer Virilstimme im Landtage für den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften in Krakau angeregt wurde, dass jedoch hierüber kein weiterer Schritt gemacht worden sei.

Der Ministerpräsident gibt seiner Anschauung dahin Ausdruck, dass bei dem Umstande, als es sich hier um eine vom Landesausschusse einzubringende Vorlage handle, konform der erwähnten in früheren analogen Fällen eingenom[menen] []en wäre. Minister Freiherr v. Ziemiałkowski schließt sich der Anschauung des Ministerpräsidenten an und bemerkt, dass man bei dieser Stellungnahme sich j[e]do[c]h gew[ärtig halten] müsse, im Falle an[a]loger Anträge in anderen Landtagen ein gleiches Vorgehen zu beobachten.

Der Minister für Kultus und Unterricht hegt überhaupt Bedenken gegen die Ausdehnung des fraglichen Virilstimmrechtes über die Universitäten hinaus. Erstlich seien, wie die Erfahrungen belehren, die jährlich wechselnden Vertreter der Universitäten in den Landtagen ein wenig nütz[l]iches Element, sodass es praktisch nicht wünschenswert erscheint, eine Vermehrung dieser Elemente eintreten zu lassen. Die Exemplifikationen wären unvermeidlich, wenn einmal in einem Lande der Rektor der Technik zugelassen würde. Es kämen nicht nur alle Technischen Hochschulen in den andern Ländern mit derselben Forderung, die sodann gewährt werden müsste, in Wien würde auch die Ackerbauhochschule den gleichen Anspruch erheben können. In Prag wären sogar zwei Technische Hochschulen, die deutsche und die böhmische zu berücksichtigen. Bei den Universitäten bilde wenigstens das historische Moment eine innere [] Anstalten [üb]erkommenen Korporationsrechten handle, deren politischer Inhalt nunmehr in der Privatstimmberechtigung Ausdruck finde. Bei den technischen Anstalten treffe dies nicht zu. Es sei überhaupt nicht glücklich gewesen, letztere Hochschule zu nennen und so in die gleiche Linie mit den Universitäten zu stellen. Den technischen Anstalten fehle insbesondere auch der Charakter der Universitas, welcher sich in der Zusammenfassung mehrerer Fakultäten ausdrücke. Endlich gehen die Technischen Hochschulen in ihrer Gestaltung wieder einer Veränderung entgegen und dürften sich bald in Akademien für die einze[l]nen technischen Fächer auflösen. Wenn man daher nicht überhaupt das Prinzip der Vermehrung der Virilstimmen annehmen wolle, sei kein Grund und kein Anlass vorhanden, auch den technischen Anstalten eine Virilstimmvertretung einzuräumen.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski kann keine Gefahr darin erblicken, wenn ein großer Landtag etwa um eine oder zwei Virilstimmen vermehrt werde. Das historische Moment könne nicht als das maßgebende angesehen werden. Man wollte mit der Zuerkennung der Virilstimmen an die Universitäten nur der Wissenschaft eine Vertretung einräumen. [] [gleic]hfalls Hochschul[en] und können sie von diesem Standpunkte aus wohl das gleiche Recht mit den Universitäten beanspruchen. Wenn sich die Technischen Hochschulen in Akademien auflösen sollten, so werden eben keine Hochschulen vorhanden sein und werde die Vertretung von selbst entfallen.

Der Finanzminister wäre dafür, vorerst anzuregen, dass die Virilstimme der Universität durch einen gewählten Vertreter derselben substituiert würde. Minister Dr. Pražák schließt sich der Anschauung des Ministerpräsidenten an, nachdem es für die Regierung entsprechender sei, einer derartigen Anregung, wenn sie vom Landtage selbst ausgehe, nicht entgegenzutreten. Für die Annahme des Antrages sei die für Verfassungsänderungen notwendige Majorität erforderlich3. Erstlich sei es immer zweifelhaft, ob diese Majorität erlangt werde. Dann aber, wenn sie vorhanden war, drücke der Beschluss einen so evidenten Wunsch des Landtages aus, dass es nicht zweckmäßig wäre, sich ihm entgegenzustellen. Der Minister besorgt übrigens nicht, dass im Falle der bezüglichen Änderung in Galizien die übrigen Landtage mit analogen Reformen sich beeilen dürften. Der Handelsminister erklärt sich einer Vermehrung der Vertretungsprivilegien der [] Korporat[ionen] abgeneigt und ist daher nur, wenn es vom politischen Standpunkte nicht wünschenswert erschiene, dem im Lemberg beabsichtigten Antrage entgegenzutreten, für das Gewährenlassen desselben.

Nach weiterer kurzer Diskussion wird in Gemäßheit des Antrages des Ministerpräsidenten beschlossen, in strikter Erwiderung auf den Tenor der Anfrage des Statthalters demselben zu bedeuten, dass dem Antrage nicht entgegenzutreten sei4.

II. Wegen Einbringung einer Regierungsvorlage im böhmischen Landtage, betreffend die Zuerkennung einer Virilstimme im Landtage an den Rektor der böhmischen Universität

II. ℹ️Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert ferner über die Absicht des Ministerpräsidenten, im böhmischen Landtage eine Regierungsvorlage zur Abänderung des § 3 der Landesordnung einzubringen, dahingehend, dass auch dem Rektor der böhmischen Universität Prag eine Virilstimme im Landtage zuerkannt werde5. Der Ministerpräsident bemerkt, dass er bis jetzt mit der Sache hingehalten habe, weil er früher glaubte, annehmen zu können, dass die Universitätsfrage im Landtage nicht zur Sprache gebracht werden dürfte. Nachdem es aber jetzt sicher sei, dass die Universitätsangelegenheit schon aus Anlass der Prüfungsverordnung zur Diskussion kommen werde6, so halte [] der Uni[versität] von vorneherein die Initiative zu ergreifen. Es scheine dem stets festgehaltenen Grundsatze der Parität sowie der Billigkeit entsprechend, wenn die böhmische Universität hinsichtlich der Vertretung im Landtage der deutschen Universität gleichgestellt werde. Es dürfte gegen diese Proposition weder von deutscher noch von tschechischer Seite eine Einwendung erhoben werden.

Minister Dr. Pražák würde im Interesse der Darstellung der Einheit der Universität und um zu vermeiden, dass man die beiden Rektoren stets in gegenüberstehenden Lagern sehe, es für wünschenswerter halten, wenn die Regelung des Vertretungs[rec]htes so geschähe, dass die beiden in der Ausübung des Virilstimmrechtes von Jahr zu Jahr alternierten.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass man deutscherseits gegen die Alternierung sein würde, weil man darin eine Beschränkung der bisherigen Vertretung der deutschen Universität sähe. Der Minister für Kultus und Unterricht spricht sich entschieden für den vom Ministerpräsidenten proponierten Modus aus, nachdem es sich um zwei gleichartige Universitäten handle und die Einführung des Modus der Alternierung auch mehr Schwierigkeiten in sich begreife, indem zu diesem Behufe nach zweifacher Richtung hin, einer[seits] [] das bisherige [Vertre]tungsrecht modifiziert werden müsste. Der Handelsminister erklärt sich in demselben Sinne und glaubt namentlich, dass eine Beschränkung des bestehenden Rechtes nicht durchbringbar wäre.

Sonach erklärt sich der Ministerrat für die Einbringung der vom Ministerpräsidenten proponierten Vorlage7.

III. Einbringung einer Regierungsvorlage im böhmischen Landtage wegen Abänderung der §§ 8 und 18 des Bezirksvertretungsgesetzes

III. ℹ️Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert namens des Ministerpräsidenten über die beabsichtigte Einbringung einer Regierungsvorlage im böhmischen Landtage betreffend die Abänderun[g] der §§ 8 und 18 des Bezirksvertretungsgesetzes für Böhmen8. Nach den Bestimmungen der §§ 8 und 18 des Bezirksvertretungsgesetzes ist für die Bemessung der Anzahl der Bezirksvertreter die Zahl der „einheimischen“ Bevölkerung zugrunde zu legen. Nachdem bei der Methode der gegenwärtigen Volkszählung die Sicherstellung der „einheimischen“ Bevölkerung nicht möglich erscheint9, so werde mit dem Abänderungvorschlage beabsichtigt, der „einheimischen“ Bevölkerung die „anwesende Bevölkerung“ zu substituieren, womit man sich zugleich in Wirklichkeit auf den Boden der wahren Intention des Gesetzes stellt.

Der Ministerrat erklärt sich mit der Einbringung der [] [ei]nverstanden10.

IV. Einbringung einer Regierungsvorlage im niederösterreichischen Landtage betreffend Anordnungen für den Bau der Theater

IV. ℹ️Der Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert namens des Ministerpräsidenten über die beabsichtigte Einbringung einer Regierungsvorlage im niederösterreichischen Landtage betreffend Anordnungen für den Bau der Theater. Diese Vorlage sei bestimmt, das Supplement zu bilden zu der vom Statthalter in Niederösterreich bezüglich der Theater erlassenen Verordnung11, und harmoniere mit der Tendenz und der Richtung derselben, indem darnach für die Staatsbehörden der entsprechende Einfluss auch in Fragen der baulichen Zustände der Theater beansprucht wird.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass die Gesetzesvorlage notwendig sei, um nicht hinsichtlich der vom Staate beanspruchten Ingerenz in fraglicher Beziehung Kompetenzeinwendungen zu begegnen. Aus dieser Rücksicht und weil die diesfällige größere Strenge sich speziell nur den Wiener Verhältnissen anpasse, habe er es auch abgelehnt, die fragliche Theaterverordnung vom Ministerium des Innern aus zu erlassen. Wenn in Niederösterreich die Sache in der proponierten Weise geregelt sein werde, so wolle für die andern Länder der analoge Weg angeregt werden.

Der Ministerrat erklärt sich mit der Einbringung der proponierten Regierungsvorlage einverstanden12.

V. Beantragung von Ah. Auszeichnungen für die Mitglieder der Jury der internationalen Kunstausstellung

[V. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht] referiert über die [seiten]s des Präsidenten der internationalen Kunstausstellung in Wien neuerlich vorgebrachte Anregung auf Erwirkung Ah. Auszeichnungen für die beim Ausstellungswerke hervorragend beteiligten Persönlichkeiten13. Diesmal handle es sich um die Berücksichtigung der Mitglieder der Jury und beabsichtige der Minister behufs Würdigung der auf dem Gebiete der Kunst erworbenen Verdienste für Ah. Auszeichnungen au. zu beantragen und zwar direkte zwei Inländer, nämlich den

Professor der Akademie der bildenden Künste Heinrich v. Angeli14 für den Orden der Eisernen Krone III. Klasse und

den Professor Siegmund l’Allemand15 für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens;

ferner im Wege des Ministeriums des Äußern folgende Ausländer und zwar:

aus Frankreich Léon Bonnat, Maler16, Jules Lefebvre, Maler17, Claude Gaillard, Maler und Kupferstecher18, Viktor Reprich-Robert, Architekt19, sämtliche vier für das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens;

aus Belgien: Edmond de Schampheleer, Maler in Brüssel20, Victor Lagye, Maler in Antwerpen21, für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens; endlich

aus Deutschland: den Professor Carl Becker, Maler in Berlin22, für das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung23.

VI. In Angelegenheit der Ernennung der Bezirksschulinspektoren in Krain

[VI. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht] [] der Ernennung der Bezirksschulinspektoren in Krain. Nachdem die Funktionsperiode der bisherigen Inspektoren abgelaufen ist, wurden vom Landesschulrate die Vorschläge für die Neuernennung erstattet. Dabei werden mit Ausnahme von zwei Persönlichkeiten, welche sich nicht bewährt haben, die bisherigen Inspektoren vorgeschlagen. Der Landespräsident, welcher im Landeschulrate nicht gegen den Vorschlag aufgetreten sei, nehme in einem Spezialberichte wider denselben Stellung und zwar kommen in diesem Berichte auch Darlegungen vor, welche seither auch in nationalen Blättern Krains Ausdruck gefunden haben.

In diesem Separatberichte wende sich der Landespräsident erstlich gegen einige der vorgeschlagenen Persönlichkeiten. Des [Wei]teren proponiere derselbe, mi[t] der Ernennung im Ganzen zu warten, bis der Landesschulrat neu gebildet sein werde, und von diesem sich einen neuerlichen Vorschlag erstatten zu lassen. Endlich bringe der Landespräsident einen Reformvorschlag dahingehend vor, dass anstatt der besonderen Inspektoren für jeden Schulbezirk für das ganze Land nur etwa drei Inspektoren kreiert würden, welche ausschließlich sich der Inspektion widmeten. Die Angelegenheit sei ein reiner Ressortgegenstand. Nachdem aber der Ministerpräsident aus politischen Rücksichten gewünscht habe, dass die Sache vor den Ministerrat komme, so bringe er sie hier zur Erörterung.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass nicht bloß der auch an ihn geleitete Spezialbericht des Landespräsidenten, sondern [] auf die [] Augenmerk zu len[ke]n. Es sei nämlich eine Deputation der nationalen Partei Krains bei ihm gewesen, um zu bitten, dass doch heuer der Landtag aufgelöst werden möge. Er habe die Willfahrung dieser Bitte nicht zusagen können. Aus der Unterredung mit den Deputationsmitgliedern habe er aber ersehen, dass der Hauptbewegungsgrund des Auflösungswunsches der sei, dass in diesem Jahre die Funktionsperiode der Schulinspektoren ablaufe und dass, wenn unter der jetzigen Konstellation die neuen Inspektoren ernannt werden, durch sechs Jahre hindurch in dieser Beziehung nichts geändert werden könnte, wenn auch inzwischen der neue Landtag mit der gehofften veränderten Majorität gekommen sein werde. Deshalb muss der Ministerpräsident vor allem wenigstens wünschen, dass mit der Ernennung bis nach Schluss der heurigen Landtagssession gewartet würde.

Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt hinsichtlich seines Erledigungsvorhabens Folgendes: Was den Vorschlag des Landeschulrates anbelange, so stimme er insoferne mit dem Landespräsidenten überein, als auch er Persönlichkeiten, welche sich mit Agitation befassen, ausgeschlossen wissen wolle. Der Landespräsident wende sich direkte gegen drei vorgeschlagene Persönlichkeiten, nämlich gegen Linhart (für Gottschee), Sima (für Stein) und Baron Taufferer (für Littai). Ersteren beiden werde vom Landespräsidenten agitatorisches Vorgehen und taktloses, teilweise inkorrektes Benehmen vorgeworfen. [] [d]es Landesprä[sidenten] begründen, so wolle [er] (Minister für Kultus und Unterricht) Linhart und Sima fallen lassen.

Gegen Baron Taufferer werde seitens des Landespräsidenten namentlich geltend gemacht Taufferers geringe Bildung und dessen Stellung als politischer Parteimann. Der Minister muss dawider hervorheben, dass der Landesschulrat Taufferers bisherige Tätigkeit als Bezirksschulinspektor lobend anerkenne. Unter diesen Umständen über Taufferer hinausgehen, hieße daher einer Parteianimosität nachgeben. Der Minister glaube also, Taufferer ernennen zu sollen. Denn den wirklich begründeten Rücksichten werde durch Übergehen Linharts und Simas voll Rechnung getragen. Die weiteren Propositionen [des] Landespräsidenten könne er nicht in Betracht ziehen. Einen anderen Vorschlag vom neu ergänzten Landesschulrate einzuholen, würde ein Misstrauen gegen den jetzigen Landesschulrat bedeuten. Die endliche Reformproposition zu erörtern, sei jetzt kein Anlass vorhanden. Mit Rücksicht auf den vom Ministerpräsidenten ausgesprochenen Wunsch erklärt sich der Minister bereit, mit den Ernennungen bis nach Schluss der heurigen Landtagssession zu warten. Der Ministerrat nimmt die Mitteilung des Ministers für Kultus und Unterricht zur Kenntnis24.

VII. Wegen Nichtsanktionierung des vom galizischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend die Abänderung des § 3 des Landesgesetzes über die Anlegung der Grundbücher

VII. ℹ️Der Leiter des Justizministeriums Minister Dr. Pražák referiert über den vom galizischen Landtaga angenommenen Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des § 3 des Lana desgesetzes über Anlegung der Grundbücher25. Die proponierte Abänderung gehe dahin, zu ermöglichen, dass zwar mit Bewilligung der Statthalterei und des Landesausschusses, jedoch in sonstiger Beziehung ohne Beschränkung hinsichtlich des Umfanges oder der zu geschehenden Ausgleichung Grundstücke aus der Landtafel in die gewöhnlichen Grundbücher und umgekehrt Grundstücke aus den gewöhnlichen Grundbüchern in die Landtafel durch Zuschreibung zu den Gutskörpern daselbst übertragen werden können. Der diesfalls in der Gesetzgebung jetzt herrschende Gesichtspunkt sei der, dass eine Übertragung von Grundstücken in die Landtafel nur gegenüber einer von einer landtäflichen Liegenschaft vorgenommenen Abschreibung von [gl]eichem Belange geschehen könne.

Der Zweck der proponierten Änderung sei sonach der, die in dieser Weise bestehende Unbeweglichkeit zu brechen, wobei für den Vorschlag namentlich die Interessen der Kommassation geltend gemacht werden. Das Ministerium des Innern hege Bedenken gegen den Entwurf, weil durch denselben der bisher festgehaltene Grundsatz der Auseinanderhaltung des landtäflichen und nicht landtäflichen Besitzes wesentlich alteriert und eine Verrückung der Grundlagen des Wahlrechtes in die Vertretungskörper bewirkt würde. Für die Kommassationsrücksichten hätte aber das Kommassationsgesetz26 zu sorgen.

Der Leiter des Justizministeriums bemerkt, dass er gegen die Grundtendenz des Entwurfes nicht Stellung nehmen könne. []th, []ge Stagn[a]t[i]on []maßen aufzuheben und die gegenseitige Übertragung der Besitztümer zu erleichtern, der vorliegende Entwurf gehe nun insoferne etwas zu weit, als er die Überzeugung nach beiden Seiten hin ganz unbeschränkt zulassen wolle. Wenn der Minister sich nicht veranlasst sehe, auf die Sanktionierung des Entwurfes anzutragen, so liege der Bestimmungsgrund hiefür hauptsächlich in dem Umstand, dass eben eine Reform des Agrarrechtes im Zuge sei, deren Tendenz auch dahin zu gehen scheine, zu verhüten, dass die bäuerlichen Besitzungen durch die landtäflichen Güter absorbiert werden und dass es nicht entsprechend wäre, dieser Reform durch ein solches Gesetz zu präjudizieren. Außerdem enthalte der Entwurf eine Bestimmung, welche aus gesetzestechnischen sowie aus Gründen gesetzgeberischer Kompetenz nicht akzeptiert werden können.

Der Finanzminister hält den Gesichtspunkt der Kommassierung für entscheidend. Bei der heutigen Rechtslage und nachdem die Grundzerstückelung erlaubt sei27, habe die strenge Auseinanderhaltung der beiden Liegenschaftskategorien beziehungsweise die Aufrechterhaltung der Gleichgewichtslage keine Bedeutung mehr. Ohne die konkreten Bedenken gegen die jetzige Vorlage bestreiten zu wollen, sei er für das Prinzip derselben.

Der Minister für Kultus und Unterricht stellt sich wesentlich auf denselben Standpunkt, in[] [aufme]rksam macht, [dass] man einzelne Bestandteile eines, vielleicht in sich vollkommen arrondierten Besitztumes in verschiedenen Grundbüchern suchen müsse. Jedenfalls sollte der Grundsatz geltend werden müssen, dass gegenseitige Übertragungen, wo sie Arrondierungszwecken dienen, frei vorgenommen werden können.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski muss auf das gegen die Genehmigung einer solchen Abänderung sprechende politische Moment aufmerksam machen, nämlich auf die durch die freie Übertragbarkeit mögliche Verrückung des Wahlrechtes des Großgrundbesitzes. Durch Zuschreibung von bäuerlichen Liegenschaften zu den jetzt unter dem Wahlzensus stehenden Gütern könnten dann beliebig neue Wahlrechte für den Großgrundbesitz begründet werden28. Anderseits gewähre der geringste landtäfliche Besitz eine Virilstimme als Wahlmann in den Landgemeinden29. Es könnte also die freie Übertragbarkeit nur unter der Bedingung geschehen, dass dadurch die Wahlrechte nicht alteriert werden.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem Antrage auf Nichtsanktionierung einverstanden30.

VIII. Über die Wahrnehmungen des Ministers Dr. Pražák in Prag in Angelegenheit der Verordnung für die Staatsprüfungen in Prag

VIII. ℹ️Über Aufforderung des Ministerpräsidenten berichtet ℹ️[der Leiter des Justizministeriums Minister Dr.] Pražák []mene [] [nächste Zweck der Reise sei der gewesen, sich über den Stand der dortigen Justizgebäude zu informieren31. Die diesfälligen Erfahrungen wolle er zum Gegenstande einer besonderen Verhandlung machen. Der Minister wurde dort auch von Mitgliedern der Rechten begrüßt, welche die Angelegenheit der Prüfungsverordnung für die Staatsprüfungen in Prag vorbrachten. Er habe den Herren erklärt, dass jetzt von einer Änderung der Verordnung auf die laut gewordenen Rekriminationen hin keine Rede sein könne.

Einer Deputation böhmischer Studierenden habe er in Betreff desselben Gegenstandes erklärt, dass die Studierenden nichts dagegen haben können, wenn ihnen Gelegenheit zur Erlernung [d]er deutschen Sprache gegeben werde32. Von den Studierenden wurde die Besorgnis ausgesprochen, dass infolge der Verordnung das juridische Studium sich für sie leicht etwa um ein Jahr verlängern dürfte. Der Minister konnte darauf nur erwidern, dass es demnach wünschenswert sei, dass die Studierenden sich die Sprache schon früher aneignen.

Auch eine Deputation der böhmischen Mitglieder der Prüfungskommission habe bei ihm in der Angelegenheit vorgesprochen und haben die Herren bedauert, über die Sache nicht einvernommen worden zu sein, und haben die Absicht ausgedrückt, ein Promemoria an den Minister für Kultus und Unterricht zu überreichen. Die Ansicht dieser Herren gehe dahin, dass das Hauptgewicht auf die prak[tischen Prüfungen] [] [Mini]ster habe die Herren [er]sucht, von der Einbringung eines Promemorias jetzt abzustehen, damit nicht von dieser Seite sich auch der Bewegung angeschlossen werde.

In der Unterredung, welche der Minister mit Rieger, Trojan, Jireček, Zeithammer und Mattuš33 hatte, kamen diese Persönlichkeiten schließlich zu der Überzeugung, dass die Regierung die Prüfungsverordnung jetzt nicht ändern könne. Auch in diesem Kreise wurde die Ansicht vertreten, dass das Hauptgewicht auf die praktischen Prüfungen zu verlegen sei. Doch wurde zugleich die Notwendigkeit der Spracherlernung schon in der Mittelschule betont und versichert, dass ein bezügliches Gesetz für Realschulen im böhmischen Landtage angeno[m]men werden würde, wenn die böhmische Partei dort die Majorität hätte, zumal, wie diese Herren glauben, eine solche Vorlage nicht als Abänderung des Artikels 19 des Staatsgrundgesetzes angesehen und behandelt werden könnte. Anbelangend die Gymnasien habe Dr. Rieger sogar geglaubt, dass es anginge, eine entsprechende Verfügung auch ohne Gesetz zu machen, und zwar in der Weise, dass man alle diejenigen schulplanmäßig zur Erlernung der Sprache verhielte, deren gesetzliche Vormünder gegen diesen Zwang keine Einsprache erhöben. Die Herren haben übrigens erklärt, dass die jetzige Bewegung leider nicht zu unterschätzen sei.

Der Ministerpräsident bemerkt, er habe, auch durch den Statthalter von der Bedenklichkeit34 []ob sich []t ge[wes]en [sei, wegen der] vom Minister Dr. Pražák [in] Prag ausgesprochenen Äußerungen, weil damit sicherlich der Bewegung ein Dämpfer aufgesetzt wurde. Es möge die Meinung des Statthalters immerhin begründet sein, dass etwas zur Besänftigung geschehen solle. Diese Frage wurde ja auch schon hier im Ministerrate besprochen35. Die Hauptsache aber sei, dass die Leute nunmehr wissen, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die Verordnung zu ändern. Die bezüglichen Erklärungen haben nicht nur in Böhmen, sondern auch in anderen Ländern Eindruck gemacht. Es sei gut, dass man sehe, dass die Regierung bei dem bleibe, was sie verfügt habe. Man werde speziell umso [me]hr Interesse haben, die [Agi]tation einzudämmen, als man nun ersehen werde, dass die Regierung umso weniger auf eine Änderung eingehen werde, wenn dahin agitiert werde. Der Ministerpräsident glaubt daher, den Intentionen der Ministerkollegen zu entsprechen, wenn er dem Minister Dr. Pražák für sein taktvolles und mutiges Auftreten in Prag den Dank des Ministeriums ausdrücke. Die Minister stimmen in die Dankesdarbringung ein36.

IX. Wegen Erlassung der Durchführungsverordnung zum Gesetze über die Postsparkasse

IX. ℹ️Der Handelsminister bringt zur Kenntnis des Ministerrates, dass die Durchführungsverordnung zum Gesetze vom 28. Mai 1882 betreffend die Einführung der Postspar[kasse] [] bderselbe Sr. k. k. apost. Majestät zur Ah. Kenntnis unterbreiten und im Falle Se. Majestät Ag. geruhen werden, dieselbe genehmigen zu sollenb []derselben vor[] werde. Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis37.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 4. November 1882. Franz Joseph.