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Nr. 411 Ministerrat, Wien, 19. August 1882 – Protokoll II

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 19. 8.) Falkenhayn, Pražák, Conrad, Dunajewski, Pino; BdE. und abw. Ziemiałkowski, Welsersheimb.

KZ. 82 – MRZ. 67

Protokoll II des zu Wien am 19. August 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Über die Aufteilung der bis Ende 1867 erteilten Ärarialvorschüsse an Grundentlastungsfonds

I. ℹ️Der Finanzminister referiert in Angelegenheit der Aufteilung der den Grundentlastungsfonds der beiden Reichs[teile] []ung in der [] bis Ende 1867 er[teilten] Ärarialvorschüsse. Der Minister habe schon gelegentlich der Beratung über die im galizischen Landtage einzubringenden Vorlage1 wegen Abschreibung der dem galizischen Grundentlastungsfonds gewährten Vorschüsse, worunter sich auch die zu den Zentralaktiven zählenden, bis Ende 1867 erfolgten Vorschüsse per 36,713.719 fl. befinden, bemerkt, dass bei den zwischen den beiderseitigen Finanzverwaltungen bisher über die Zentralaktiven und -passiven gepflogenen Verhandlungen bezüglich der Staatsvorschüsse an Grundentlastungsfonds die Aufteilung nach dem Territorialprinzipe in Aussicht genommen worden sei. Um nunmehr angesichts der Abschreibung der galizischen [Grund]entlastungsvorschüsse diesfalls Klarheit und freie Hand zu erlangen, habe er sich an die ungarische Regierung bzw. an den ungarischen Finanzminister mit der Anfrage gewendet, ob von Seite der ungarischen Regierung gegen die diesfällige Anwendung des Territorialprinzipes ein Einwand erhoben werde2.

Darauf wurde nun mit Zuschrift des ungarischen Finanzministers vom 12. d. M. nach eingeholter Zustimmung des ungarischen Ministerrates im Namen der kgl. ung. Regierung eröffnet3, dass die ungarische Regierung mit der von Seite der k. k. Regierung beabsichtigten Aufteilung der den Grundentlastungsfonds in der Zeitperiode bis Ende 1867 erteilten Ärarialvorschüsse nach dem Territorialprinzipe in der Voraussetzung einverstan[den sei, wenn das von der ungari]schen Re[gierung akze]ptierte Prinzip [in die]sem Falle als für beide Teile bindend betrachtet, und dass demnach gegen die von Seite der k. k. Regierung beabsichtigten Dispositionen über die fraglichen Ärarialvorschüsse von Seite der ungarischen Regierung keinerlei Einwand erhoben werden werde.

Der Finanzminister beabsichtige nun dem entgegen der ungarischen Regierung unter Berufung auf den Beschluss des diesseitigen Ministerrates zu erklären, dass die Aufteilung der in Rede stehenden Vorschüsse nach dem Territorialprinzipe auch von Seite der k. k. Regierung endgiltig angenommen werde.

Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Erklärung einverstanden4.

II. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Kontrollor der Staatsschuldenkassa, August Müller

[II.] ℹ️Der Finanzminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Kontrollor der Staatsschuldenkassa August Ludwig Müller anlässlich der Pensionierung desselben in Anerkennung seiner treuen und vorzüglichen Dienstleistung das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung5.

III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Gymnasialdirektor Schulrat Dr. Hermann Pick

III. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Direktor des Staatsgymna[siums in Salzburg, Schulrat Dr. Hermann Pick, anlässlic]h [der Pensionier]ung desselben [in Aner]kennung seiner vieljährigen ausgezeichneten Dienstleistung das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken, und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die näheren Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung6.

IV. Wegen Sanktionierung des vom steiermärkischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend Maßregeln zur Hebung der Fischerei

IV. ℹ️Der Ackerbauminister erbittet sich und erhält die Zustimmung des Ministerrates behufs der Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom steiermärkischen Landtage in wesentlicher Übereinstimmung mit der Regierungsvor[lage] beschlossenen Gesetzes betreffend Maßregeln zur Hebung der Fischerei in den Binnengewässern7.

V. Wegen Nichtsanktionierung des vom Vorarlberger Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend Abänderung des § 2 des Landesgesetzes über die Teilbarkeit der Grundstücke

V. ℹ️Der Ackerbauminister referiert über den vom Landtage Vorarlbergs beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Abänderung des § 2 des Landesgesetzes vom 15. Oktober 1868 über die Teilbarkeit der Grundstücke8. Der Gesetzentwurf bezwecke eine neue Modalität für die Teilungsvorgänge, welche zugleich eine Teilungserschwerung involviert. Der Statthalter und die beteiligten Ministerien sprechen sich teils aus wirtschaftlichen, teils aus Kompetenz- und teils aus technischen Gründen gegen die Sanktionierung aus. Der [Minister spricht sich] aus gleich[en Gründen gegen] die Sanktionierung [aus, und] in Übereinstimmung mit der Anschauung des Justizministeriums vornehmlich aus dem Grunde, um nicht jetzt, wo eben über die Frage der Teilbarkeit Verhandlungen im Schoße der Regierung schweben, in der Frage ein Präjudiz zu schaffen.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem Antrage auf Nichtsanktionierung des Entwurfes einverstanden9.

VI. Wegen der Dienstübernahme des Finanzrates Schindler in das Ressort des Ackerbauministeriums

VI. ℹ️Der Ackerbauminister bringt zur Sprache die von Seite des Finanzministers urgierte Übernahme in das Ressort des Ackerbauministeriums des ehemaligen Forstlehran[stalte]ndozenten, nunmehrigen Mitgliedes der Grundsteuerkommission in Graz, Carl Schindler10. Der Minister bemerkt, dass nach dem Ah. genehmigten Status des Forstpersonales die Zahl der Forstmeister in der siebten Rangsklasse von elf auf neun reduziert wurde, dass aber auch jetzt noch nicht der reduzierte Status erreicht sei. Da Schindler vermöge seiner Rangsklasse bei der Übernahme in das Forstpersonale zum Forstmeister ernannt werden müsste, so wäre also der Ackerbauminister genötigt, trotzdem noch der erniedrigte Status nicht erreicht sei, die Ernennung eines Forstmeisters extra statum vorzunehmen. Deshalb, und weil politische Rücksichten für die Dienstübernahme des ein Reichsratsmandat aus Böhmen besitzenden und als Abgeordneten zur Re[gierung zählenden Schindl]er [geltend gem]acht werden, [bringe] er die Sache vor den Ministerrat.

In einer kurzen Diskussion über diesen Gegenstand wird in Erwägung gebracht, ob bei diesen Umständen nicht doch mit der Quieszierung des normal nicht unterzubringenden Schindler vorzunehmen wäre und wird in Aussicht genommen, hinsichtlich des politischen Momentes vorläufig mit maßgebenden Elementen des böhmischen Klubs in Fühlung zu treten. Demnach wird die Beschlussfassung über den Gegenstand in suspenso belassen11.

VII. Regelung der Dotation des Linzer Bistums

[VII.] ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht referiert über die neuerlichen durch den Handelsminister mit dem Bischofe von Linz gepflogenen Verhandlungen über die Regelung der Bischofsdotation12. Darnach wollte der Bischof auf den Ausgleichsantrag der Regierung unter wesentlich folgenden Modifikation eingehen:

a) mache der Bischof ausdrücklich den Vorbehalt der Einwilligung der Kurie;

b) wolle der Bischof in der Urkunde auch die Bemerkung enthalten wissen, dass er an und für sich das Recht auf das ganze am 31. Dezember 1869 besessene Dotationsvermögen hätte13;

c) verlange der Bischof anstatt des angebotenen Dotationskapitales per 500.000 fl. in Notenrente ein solches von 522.935 fl. in Silberrente.

[Er halte die g]estellten Be[dingungen] für nicht akzeptabel. Der Vorbehalt der Einwilligung der Kurie sei unstatthaft, weil nach den bestehenden Gesetzen bei vermögensrechtlichen Fragen der Bistümer eine Ingerenz der Kurie nicht Platz greife und die Regierung daher ihre Aktion nicht von der Zustimmung eines bei der Sache nicht berechtigten Faktors abhängig machen könne.

Die Betonung des Rechtsstandpunktes sei nicht am Platze, weil der Rechtsanspruch für den Bischof nicht bestehe und es sich nunmehr um einen Ausgleich auf Basis der Billigkeit handle und weil eine solche Verwahrung doch möglicherweise spätere Konsequenzen nach sich ziehen könne.

Was die Forderung des höheren Kapitales anbelange, müsse man erstlich bedenken, dass das Anbot der Regierung schon ein Dotationsausmaß begreife, welches die Dotation anderer Bistümer weit überrage. Sodann falle für ihn der Umstand ins Gewicht, dass die begehrte Summe von 522.935 fl. dem im Jahre 1869 vorhanden gewesenen Kapitalsstande in Grundentlastungsobligationen nominell entspricht und demnach die Forderung eben dieser Summe die Tendenz ausdrückt, auf den Rechtsstandpunkt vom Jahre 1869 zurückzukommen, und zu demonstrieren, dass eine völlige restitutio in integrum eingetreten sei14. Der Minister sei demnach dafür, dass, nachdem der Bischof auf das frühere Anbot der Regierung nicht eingehe, die Regelung der Realdotation bis auf einen künftigen Nachfolger im Bistum verscho[ben werde,] falls eine Erhö[hung der] Gelddotation bis auf [].000 fl. gewährt werde.

Der Finanzminister glaubt, dass man sich an den Vorbehalt der Einwilligung der Kurie nicht zu stoßen hätte, da es sich hiebei []sten [] um die von Seite des Bischofes für sich einzuholende Bewilligung der Kurie handle und man daher die Sache lediglich so zu behandeln brauchte, dass man es dem Bischofe überlässt, die von seinem Standpunkte aus für sein Handeln notwendig erscheinende Einwilligung des Heiligen Stuhles zu erlangen. Was weiters die Wahrung des Rechtsstandpunktes anbelange, so habe dieselbe bei dem gleichzeitigen Verzichte auf das Recht keine Bedeutung und könne daher [die] Gewissenswahrung des Bischofes ohne Beeinträchtigung der Sache hingenommen werden. Es dürfte sich daher nach der Ansicht des Finanzministers lediglich darum handeln, zu erwägen, ob man die geforderte Summe des Dotationskapitales geben solle.

Auch der Ministerpräsident, der Handelsminister und Minister Dr. Pražák sprechen sich dahin aus, dass die Rechtsverwahrung und der Vorbehalt der Einwilligung der Kurie als interne Momente für das Handeln des Bischofes nicht in Betracht gezogen zu werden brauchten, insoferne, was die Einwilligung der Kurie anbelange, es lediglich dem Bischofe überlassen werde, sich mit der Kurie diesfalls für seinen Standpunkt ins Reine zu setzen und nicht der Vergleichs[] gemacht [].

Der Handelsminister bemerkt, dass die vom Bischofe geforderte Summe, wenn sie gleich nominell dem Kapitalstande vom Jahre 1869 entspreche, doch essentiell hinsichtlich des Erträgnisses nicht an den damaligen Kapitalstand hinanreiche, da der Bischof die Summe nicht in Grundentlastungsobligationen, sondern in Silberrente fordere. Um die leidige Angelegenheit zu finalisieren, wäre daher der Handelsminister dafür, der Kapitalsforderung des Bischofes nachzugeben, und stellt daher den Antrag: die Kapitalsdotation auf die begehrte Summe von 522.935 fl. in Silberrente festzustellen, die vom Bischofe beabsichtigte Einholung der Zustimmung der Kurie seinem [Er]messen anheimzustellen und den von demselben betonten Rechtsstandpunkt des Jahres 1869 aber mit Stillschweigen zu übergehen.

Dieser Antrag wird mit Zustimmung des Ministerpräsidenten, des Ackerbauministers, des Ministers Dr. Pražák und des Handelsministers zum Beschlusse erhoben15.

VIII. Frage der Ernennung der Hofsekretäre beim Verwaltungsgerichtshof

VIII. ℹ️Minister Dr. Pražák referiert namens des Ministerpräsidenten über die Frage der Ernennung der Hofsekretäre beim Verwaltungsgerichtshofe16. Bei der ersten Besetzung der Stellen für den Verwaltungsgerichtshof wurde von Sr. Majestät mit Ah. [Entschließung vom 5. Juni 1876] [] drei daselbst []en Hofsekretäre vorgenommen17. Durch die am 3. April l. J. erfolgte Ernennung des mit dem Titel und Charakter eines Sektionsrates ausgezeichneten Hofsekretärs Adam Freiherrn v. Budwinski zum Rate des Verwaltungsgerichtshofes18 ist eine der bei diesem Gerichtshofe systemisierten Hofsekretärsstellen der siebten Rangklasse vakant geworden und gelangt nunmehr zur neuerlichen Besetzung.

In einer an den Ministerpräsidenten gerichteten Zuschrift vom 10. Juni d. J. hat der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes mitgeteilt19, dass die zur Beratung und Antragstellung in dieser Angelegenheit einberufene Personalkommission des genannten Gerichtshofes [ei]nstimmig den Beschluss gefasst hat, mit Rücksicht auf § 10 des Gesetzes vom 22. Oktober 1875 für den Verwaltungsgerichtshof und Punkt 3 Absatz 1 der Verordnung des Gesamtministeriums vom 4. August 1876, Nr. 95 RGBl., sowie in Beachtung des § 16 des organischen Statutes für den Obersten Gerichtshof vom 7. August 1850, Nr. 325 RGBl., zur Besetzung der Stelle, als in der Kompetenz des Gerichtshofes selbst gelegen, den Konkurs auszuschreiben20, welche Ausschreibung auch tatsächlich erfolgt ist, wie auch die infolge derselben eingelangten Kompetenzgesuche von dem Verwaltungsgerichtshof entgegengenommen wurden. Im Hinblick auf den Umstand jedoch, dass bei der Errichtung des Verwaltungsgerichtshofes im Jahre 1876 Se. Majestät nicht bloß die Präsi[dentenstelle di]eses Gerichts[hofes ernan]nten21, wurde sei[] des genannten Gerichtshofes mit der Besetzung der erledigten Hofsekretärsstelle aus dem Grund innegehalten, weil nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine volle Klarheit darüber herrsche, ob die bei der Errichtung des Verwaltungsgerichtshofes im Jahre 1876 vorgenommenen Ah. Ernennungen sich nur deshalb auf die Sekretärsstellen ausdehnten, weil damals der Gerichtshof erst zu aktivieren war, oder ob noch ein anderer Grund dazu vorlag. Der Gerichtshof hielt sich jedoch für verpflichtet, seine Rechtsanschauung hinsichtlich des diesfälligen Ernennungsrechtes des Verwaltungsgerichtshofes zu begründen und wurde das dem Ministerpräsidenten über[mi]ttelt, diese Frage betreffende Rechtsgutachten zuerst von der Personalkommission und sodann von der Plenarversammlung des Gerichtshofes einstimmig angenommen22.

Diese Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes stützt sich außer auf die Analogie mit dem Obersten Gerichtshofe, bei welchem übrigens die Ernennung der Hofsekretäre derzeit nicht mehr dem Plenarsenate, sondern in Gemäßheit der Ah. Entschließung vom 5. Mai 1854 dem ersten Präsidenten zusteht23, vornehmlich darauf, dass im § 10 Absatz 3 des Gesetzes vom 22. Oktober 1875, Nr. 36 RGBl., für 1876 die Bestimmung enthalten ist: „Die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes werden auf Vorschlag des Ministerrates vom Kaiser ernannt“, während Punkt 3 Absatz 1 der Verordnung [über seine innere Einrichtung] zu [deren Publizier]ung die Ermächti[gung] Sr. Majestät durch die Ah. Entschließung vom 4. August 1876 erfolgt ist, besagt: „Die Besetzung derjenigen Dienstposten des Verwaltungsgerichtshofes, für welche die Ernennung nicht Sr. Majestät vorbehalten ist, erfolgt im Wege der Konkursausschreibung durch den Verwaltungsgerichtshof selbst.“24 Da man unter „Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes“ nach dem ganzen Inhalte des Gesetzes vom 22. Oktober 1875 nur die Präsidenten und Räte des Gerichtshofes verstanden werden können, so wird aus den angeführten beiden Vorschriften in dem Rechtsgutachten gefolgert, dass die Besetzung der Hofsekretärsstellen durch den Gerichtshof selbst zu[steh]e.

Referent glaubt, dass man zwar den Ausführungen des Rechtsgutachtens darin beistimmen könne, dass man unter den „Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes“ die Hofsekretäre nicht verstanden werden können; dennoch scheine es ihm, dass die Konklusionen dieses Gutachtens als zutreffend nicht erachtet werden können. In dem Rechtsgutachten wurde nämlich nach seiner Ansicht nicht genügend berücksichtigt, dass nach Artikel 3 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, Nr. 145 RGBl., über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt, womit auch Artikel 5 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, Nr. 144 RGBl., über die richterliche Gewalt in Übereinstimmung steht, die Besetzung aller Ämter in allen Zweigen25 []. An dieser [grun]dgesetzlichen Bestimmung etwas zu ändern, lag keineswegs in der Absicht des Gesetzes vom 22. Oktober 1875, und der § 10 desselben enthält im dritten Absatze nur die Anwendung dieses staatsgrundgesetzlichen Grundsatzes auf einen bestimmten Fall, durch dessen besondere Regelung im Gesetze ausgeschlossen ist, dass die Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes, also der Präsidenten und Räte desselben, von Sr. Majestät dem Ministerrate oder einem Minister überlassen werde. Durch diese Bestimmung sei aber nach seiner Ansicht durchaus nicht ausgeschlossen, dass Se. Majestät auch die Ernennung anderer Beamten des Verwaltungsgerichtshofes sich vor[be]hielten, und hiemit stimmt die angeführte Vorschrift des Punktes 3 der Verordnung vom 5. August 1876, Nr. 95 RGBl., vollkommen überein, wornach nur die Besetzung derjenigen Dienstposten durch den Verwaltungsgerichtshof selbst erfolgt, für welche die Ernennung nicht Sr. Majestät vorbehalten ist. Dieser Ah. Vorbehalt ist aber eben dadurch erfolgt, dass Se. Majestät sich bestimmt gefunden haben, die Hofsekretäre des Verwaltungsgerichtshofes bei Aktivierung derselben zu ernennen, und diesem Ah. Vorbehalt gegenüber entbehre die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nach seinem Ermessen der Begründung. Dies war auch die Meinung der früheren Regierung, welche in dem au. Vortrage vom [31. Juli 1876] [] werde durch [den ange]führten Punkt 3 (der am 5. August 1876 erlassenen Verordnung) die Bestimmung des § 10 des Gesetzes vom 22. Oktober 1875 in der Richtung präzisiert, „dass klargestellt wird, dass auch die Hofsekretäre des Verwaltungsgerichtshofes gleich den in der siebten Rangklasse systemisierten Sekretären von den Ministerien von Sr. Majestät ernannt werden, welcher Vorgang bereits bei der ersten Besetzung dieser Stellen tatsächlich eingehalten worden ist.“

Wenn Referent nun auch glaube, dass mit Rücksicht auf diese Momente der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beigetreten werden könne, so möchte er in Hinblick auf die sowohl von dem Präsidenten [des] Verwaltungsgerichtshofes als auch von diesem Letzteren selbst angerufene Analogie mit den Entrichtungen beim Obersten Gerichtshofe demnach proponieren, dass Se. Majestät au. gebeten werde, die fraglichen Ernennungen dem Verwaltungsgerichtshofe zu überlassen. Er sehe sich zu diesem Antrage namentlich aus dem Grunde veranlasst, weil nicht zu verkennen sei, dass die Ungleichheit derartiger Einrichtungen bei den höchsten Gerichtshöfen leicht zu Missverständnissen, Kränkungen und unliebsamen Vergleichungen Anlass geben könne, welche nach Tunlichkeit zu vermeiden im Interesse des Ah. Dienstes gelegen sein dürfte.

Der Ministerrat erklärt [] zu dem An[trag des]selben einhellig seine Zustimmung26.

IX. Regelung der Disziplinarbehandlung der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes

IX. ℹ️Minister Dr. Pražák referiert ferner namens des Ministerpräsidenten über die in den Ministerkonferenzen vom 13. Juni und 3. Oktober 1881 und 7. Jänner 1882 bereits zur Sprache gebrachten Frage der Regelung der Disziplinarbehandlung der Mitglieder und bzw. der richterlichen Beamten des Verwaltungsgerichtshofes27. Der frühere Antrag des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Präsidenten desselben ging dahin28, die in Gemäßheit des § 11 des Gesetzes über den Verwaltungsgerichtshof zu regelnde Disziplinarbehandlung [m]ittelst einer Verordnung zu [r]egeln, in welcher einleitend gesagt werden sollte, dass die Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Mai 1868, RGBl. Nr. 4629, welche für die richterlichen Beamten des Obersten Gerichts- und Kassationshofes gelten, auch auf die richterlichen Beamten des Verwaltungsgerichtshofes (also auf die Mitglieder des Gerichtshofes und die Hilfsbeamten) sinngemäße Anwendung zu finden haben. Vom Ministerrate wurde aber in der Konferenz vom 13. Juni 1881 erkannt, dass sich in Gemäßheit des § 10 des Gesetzes über den Verwaltungsgerichtshof die Anwendung des richterlichen Disziplinargesetzes nur auf die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes, nämlich die Präsidenten und Räte und nicht auch auf die Hilfsbeamten erstrecken könne und []en []sse[].

Nunmehr liege ein neuerlicher Antrag des Verwaltungsgerichtshofes vor30. Derselbe gehe erstlich dahin, den Entwurf eines Gesetzes einzubringen, durch welches angeordnet werden soll, dass die Bestimmungen, welche das richterliche Disziplinargesetz vom 21. Mai 1868 über richterliche Hilfsbeamten des Verwaltungsgerichtshofes (Schriftführer) Anwendung zu finden haben. Weiters werde eine den früheren Propositionen analoge Disziplinarverordnung proponiert, deren Erlassung von der Genehmigung beziehungsweise Gesetzwerdung des behufs der Einbeziehung der Hilfsbeamten vorgeschlagenen Gesetzentwurfes abhängig zu bleiben hätte. Als wesentlich neu gegenüber dem früheren Vorschlage erscheint in diesem Disziplinarverordnungsentwurfe die Bestimmung des § 5, wornach jene Verfügungen, welche nach dem richterlichen Disziplinargesetze der Justizminister allein treffen kann, hinsichtlich der richterlichen Hilfsbeamten des Verwaltungsgerichtshofes dem Ministerpräsidenten nur im Einverständnisse mit dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes zustehen sollen. Darüber, dass eine Verordnung betreffend die Anwendung des Gesetzes vom 21. Mai 1868, Nr. 46 RGBl., auf die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes zu erlassen sei, könne kein Zweifel sein.

Hingegen lassen sich, was die Ausdehnung dieser Verordnung auf die Konzeptshilfsbeamten des genannten Gerichts[hofes] []lung [] Reichs[] liegenden Gesetzes[la]ge anbelange, erhebliche Bedenken nicht unterdrücken. Einerseits erscheine es misslich, wegen ganz weniger Personen und ohne dass ein Gebot unbedingter Notwendigkeit hierfür vorliegt, die Mitwirkung der gesetzgebenden Faktoren überhaupt in Anspruch zu nehmen, zumal dadurch möglicherweise langdauernde und mit dem Zwecke selbst in keinem Verhältnisse stehende Verhandlungen hervorgerufen werden könnten. Andererseits bestehe aber das bereits in der Ministerkonferenz vom 13. Juni 1881 hervorgekehrte Bedenken, dass die Einbeziehung der Konzeptshilfsbeamten des Verwaltungsgerichtshofes unter die Bestim[m]ungen des Gesetzes vom 21. Mai 1868 nicht den Intentionen des Gesetzes vom 22. Oktober 1875 entspricht31, da nach § 11 dieses letzteren Gesetzes nur die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes nach den für richterliche Beamte bestehenden Vorschriften zu behandeln seien und als Mitglieder dieses Gerichtshofes sicherlich nur die Präsidenten und Räte angesehen werden können. Denn wenn, wie in der Ministerkonferenz vom 13. Juni 1881 betont wurde, das Gesetz vom 21. Mai 1868 sich nicht bloß auf die selbstständigen richterlichen Hilfsbeamten der ordentlichen Gerichte erstrecke, so habe dies seinen Grund darin, dass es sich sowohl bei den selbstständigen Richtern als auch bei den richterlichen Hilfsbeamten um Beamte mit richterlicher Qualifikation handle [] richterliche [Qualifika]tion gar nicht erforderlich, und während auf die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes, für welche auch nur zum Teile die richterliche Qualifikation erforderlich sei, das Gesetz vom 21. Mai 1868 aus dem Grunde zur Anwendung kommen müsse, weil ihnen richterliche Funktionen übertragen seien, fehle es bei den Konzeptshilfsbeamten des Verwaltungsgerichtshofes an jedem Anlasse für die Anwendung des bezeichneten Gesetzes.

Mit Rücksicht auf diese Erwägungen wären also in dem proponierten Verordnungsentwurfe anstatt der Worte: „richterliche Beamte des Verwaltungsgerichtshofes“ stets die Worte „Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes“ zu setzen. Ferner hätte der aufgenommene [] § 5 des [E]ntwurfes, nachdem auch hinsichtlich des danach für erforderlich erklärten Einverständnisses des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes im 3. Abschnitte des Gesetzes vom 21. Mai 1868 keine Analogie vorhanden sei, in Wegfall zu kommen. Nach diesen Modifikationen würde die zu erlassende Verordnung die aus der Anlage ersichtliche Form erhaltena . Endlich hätte es von der Gesetzesvorlage wegen Anwendung des Gesetzes vom 21. Mai 1868 auf die Konzeptshilfsbeamten des Verwaltungsgerichtshofes sein Abkommen zu finden. Zu der in diesem Sinne einzunehmenden Haltung erbitte er sich namens des Ministerpräsidenten die Zustimmung des Ministerrates32. []

X. Frage der Ausscheidung der theologischen Fakultät der Universität Prag zu einer selbstständigen Anstalt

X. ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Sprache das vom Kardinal Fürsten Schwarzenberg an den Minister für Kultus und Unterricht gerichtete Memoire bezüglich der theologischen Fakultät in Prag und ersucht den Minister für Kultus und Unterricht, über die diesfälligen Wünsche des Kardinals zu referieren33.

Der Minister für Kultus und Unterricht legt dar, dass der in der fraglichen Eingabe vorgebrachte Wunsch des Kardinals wesentlich dahingehe, dass die theologische Fakultät gleichsam als eigene Hochschule selbständig und unabhängig von dem bisherigen Universi[tät]sverbande gestellt werde. Der Kardinal komme zu diesem Begehren, weil er einerseits die Teilung der theologischen Fakultät perhorresziere, andererseits aber die Besorgnis zu hegen scheine, dass die Fakultät in ihrer Verbindung mit der deutschen Universität hinsichtlich der bisherigen sprachlichen Einrichtung Änderungen unterzogen werden könnte, bei welchen die Erwerbung der beiderseitigen sprachlichen Qualifikationen für die Theologen beeinträchtigt werden könnte. Der Minister bemerkt, dass letztere Besorgnisse, auf welchen der Kardinal sein Begehren aufbaue, nicht begründet seien. An jenen Fakultäten der deutschen Universität, welche nicht entsprechende Fa[] an [der böh]mischen und theologischen Fakultät sei eine Änderung in der bestehenden Einrichtung, wornach böhmischen Kollegien neben den deutschen gelesen werden, durchaus nicht beabsichtigt. Es werde daher die theologische Fakultät keineswegs zu einer rein deutschen gemacht, sondern werden an derselben nach wie vor die Kollegien in deutscher, böhmischer und lateinischer Sprache gelesen werden. Der Minister gedenke deshalb unter Widerlegung der Besorgnisse des Kardinals, die Bitte desselben ablehnend zu erledigen, nachdem kein Grund und kein Bedürfnis vorhanden sei, neben den bereits bestehenden zwei Universitäten durch die Exzidierung der theologischen Fa[kultä]t noch eine dritte Univer[sitä]t in Prag zu schaffen.

Minister Dr. Pražák macht auf den selbständigen Bestand der theologischen Fakultät in Olmütz aufmerksam und möchte daher den Gedanken der Ausscheidung der Prager theologischen Fakultät zu einem selbstständigen Ganzen wenigstens für die Zukunft nicht ganz abgewiesen haben. Der Finanzminister bemerkt, dass Olmütz nicht zu vergleichen sei, weil dort die anderen Fakultäten bis auf die theologische weggefallen seien. Er erklärt sich mit dem Minister für Kultus und Unterricht vollkommen einverstanden, zumal er es auch in politischer Beziehung für gefährlich erachten müsste, wenn die böhmische Universi[tätsvorlage von der Re]gierung [in das Pa]rlament gebracht werde. Den allfälligen Besorgnissen des Kardinals könne ja eventuell durch Errichtung neuer böhmischer Lehrkanzeln an der theologischen Fakultät begegnet werden.

Der Ministerrat erklärt sich mit der Anschauung des Ministers für Kultus und Unterricht einverstanden34.

XI. Wünsche der Alttschechen in Bezug auf die Prüfungsverordnung für die Prager Universität

XI. ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Erwähnung die in alttschechischen Kreisen nach den ihm gegenüber vorgebrachten Äußerungen des Grafen Clam35 herrschende Stimmung über die Prüfungsverordnung für die Prager Universität36. Aus allem gehe hervor, dass [die] Alttschechen ihrerseits keine [Sch]wierigkeiten erhoben hätten und dass sie mit der Haltung und dem Vorgehen der Jungtschechen durchaus nicht einverstanden seien, dass sie aber jetzt, nachdem der Lärm gemacht wurde37, fürchten, ihre Popularität zu verlieren, wenn sie in der Sache nicht doch etwas erwirkten. Sie wünschen daher, dass ihnen durch irgendein Entgegenkommen der Regierung Gelegenheit geboten würde, dem Volke gegenüber zu zeigen, dass wohl sie, die Alttschechen, durch ihre Bemühungen, nicht aber die Jungtschechen durch ihren Lärm imstande seien, etwas zu erreichen. Ohne ein Konkretes für die Modifikation vorzubringen, gehe in Wesenheit ihr Wunsch beiläufig dahin, dass gesagt werden könne, die Regierung [] ma[]er, dass ein An[lass] gefunden werde, dass sich der Senat der böhmischen Universität mit der Angelegenheit im Hinblicke auf eine etwaige zukünftige Modifikation beschäftige.

Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt, jetzt an eine Änderung der Verordnung zu denken, wäre für die Regierung ein ganz unmöglicher Standpunkt. Allerdings könnte man aufklärend sagen, dass der Gegenstand ein seiner Natur nach variabler und das heutige Vorgehen durch die gegenwärtigen Mittelschulverhältnisse bedingt sei, dass daher die den Verhältnissen angepasste Anordnung sich auch mit den Verhältnissen ändern könne. [Wa]s die Jungtschechen eigen[tlich] wollen, dass auch die deut[sch]en Studenten die Kenntnis [d]er tschechischen Sprache auswei[sen], gehöre jedenfalls nicht in diese sich auf die böhmische Universität beziehende Ver[ord]ung.

Minister Dr. Pražák glaubt, dass der Lärm gegen die Verordnung sich bald legen werde. Er wisse übrigens, dass die Professoren der böhmischen Universität gewillt seien, für die Sache einzutreten und dass sie hoffen, durch ihren Einfluss weitere Aufhetzungen zu vereiteln. Der Finanzminister müsste jedenfalls davor warnen, dass man jetzt lediglich infolge des Lärms, bevor noch so viel Zeit vorübergegangen ist, um sichb [] zu []ern[] tue.38

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 3. September 1882. Franz Joseph.