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Nr. 405 Ministerrat, Wien, 12. Juli 1882

RS.; P. Klaps; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 12. 7.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Dunajewski; außerdem anw. Rotky; abw. Conrad, Welsersheimb, Pino.

KZ. 74 – MRZ. 61

Protokoll des zu Wien am 12. Juli 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Entwurf einer neuen Marktordnung für den Wiener Zentralviehmarkt zu St. Marx, nebst dem diesfalls mit der Länderbank abzuschließenden Übereinkommen

I. ℹ️Der Ackerbauminister bringt zur Sprache den Entwurf einer neuen Marktordnung [für den Wiener Zentralviehmarkt zu St. Marx1 und] das [nebstdem mit der] Länderbank2 [diesfalls] abzuschließende Übereinkommen3. ℹ️Wie bekannt müsse die Regelung der Marktordnung infolge des Viehseuchengesetzes erfolgen4. Angesichts der hinsichtlich der Fleischapprovisionierung so vielseitig bestandenen Übelstände sei auch die Notwendigkeit eingetreten, eine eigene Enquête zu diesem Behufe einzuberufen. Dieselbe habe auch stattgefunden5 und seien sodann aufgrund des bei diesen Beratungen hervorgebrachten Materiales die weiteren Verhandlungen zwischen den betreffenden Ministerien und mit den diesfalls interessierten Körperschaften gepflogen worden6. Über die Marktordnung sei [a]uch eine Einigung erzielt worden. Anders verhalte es sich jedoch mit dem diesfalls mit der Länderbank wegen Führung der Geschäfte der Wiener Fleischmarktkassa abzuschließenden Übereinkommen. Zunächst sei die Bestimmung getroffen worden, dass die Errichtung einer solchen Kassa von einem bereits bestehenden Geldinstitute übernommen werde. Schon vor einem Jahre seien verschiedene Versuche gemacht worden, diesfalls mit diversen Instituten anzuknüpfen. Nirgends jedoch sei der Mut vorhanden gewesen, darauf einzugehen. Nur die Länderbank habe die Errichtung dieser Fleischkassa unter gewissen Bedingungen zu übernehmen sich bereit erklärt. Diese Bedingungen seien nun die Differenzen, welche ihn (den Ackerbauminister) [] brin[]. [Im] betreffenden Übereinkommen mit der Länderbank sei ein Punkt enthalten, welcher bei der darüber von der ständigen Vereinskommission abgehaltenen Beratung von der Majorität als bedenklich erklärt und daher abgelehnt wurde. Derselbe gehe nämlich dahin, dass der Länderbank das Recht eingeräumt werde, zur Führung der Geschäfte der Wiener Vieh- und Fleischmarktkassa auch eine besondere Aktiengesellschaft zu bilden7. Für ein solches Zugeständnis fehle jedoch die Opportunität. Der Ackerbauminister glaubt nun, dem entgegnen zu sollen, dass es bei der Bildung einer Aktiengesellschaft zum vorgesteckten Ziele sich nicht um die Gründung einer Bank im engeren Sinne, sondern um ein Approvisionierungsinstitut handle. Diesem Charakter des Institutes gegenüber müsse aber der Umstand, dass zu dem Zwecke desselben auch Kreditgeschäfte in einer bestimmten Richtung, nämlich zur Förderung des Hauptzweckes der Approvisionierung und des geregelten Marktverkehres, betrieben werden sollen, in den Hintergrund treten. Die Eigenartigkeit und Wichtigkeit der Geschäfte rechtfertige in ausreichendem Maße die Gründung eines besonderen Institutes zur Besorgung derselben. Auch die Befürchtung, dass im Falle der Übertragung der Führung der Geschäfte an ein der Regierung nicht genehmes Institut erfolgen könnte, erscheine zu weitgehend. Eine Garantie sei in dem Umstande gegeben, [dass ein diesfälliges] Über[einkommen mit der] Länder[bank] an die Marktord[nung] gebunden wäre. Seiner (des Ackerbauministers) Ansicht nach spreche die Opportunität dafür, dass der betreffenden Bank die Möglichkeit geboten werde, das Geschäft zu übertragen, d. h. eine eigene Gesellschaft dafür zu gründen.

Der Ministerpräsident bemerkt, es sei hervorgehoben worden, dass so eine Bank nur dann bestehen könne, wenn sie auch Bankgeschäfte hiemit verbinden und unternehmen kann. Daher sei zunächst auf die Länderbank Rücksicht zu nehmen, da dieselbe jedenfalls die Sache wohlfeiler und besser machen könne als eine neue, die wahrscheinlich [wi]eder nur darauf ausginge, einen Gründungsgewinn einzuheimsen. Eine solche neue Gesellschaft zu gründen, das sei nun eben der Anlass, umso mehr, als dann derlei Geschäfte der Regierung in die Schuhe geschoben würden, sehr viel Geschrei darüber erhoben und noch mehr Kapital seitens der Opposition daraus geschlagen würde. Bei der Länderbank stünde die Sache anders, da sie die Garantie bieten könnte, dass so etwas nicht geschehe, auch wenn sie eine eigene Gesellschaft dafür gründen würde, und weil schließlich ein schon bestehendes konsolidiertes Institut auch die weitere, größere Garantie für die entsprechende Besorgung der Geschäfte dieser Kassa bieten würde. Eine große Vorsicht in diesem Falle zu üben, sei unbedingt [erforderlich, damit] eine [Bank in keiner W]eise machen [könne, was] sie wolle. Er (Ministerpräsident) müsse sich daher gegen die Opportunität des beanspruchten Zugeständnisses aussprechen, um so mehr als bisher mit Festigkeit an dem Prinzipe festgehalten wurde, keine neue Bank zu gründen, und eine Ausnahme hievon nur in den Fällen der dringendsten Notwendigkeit zu machen. Für das Ministerium des Innern sei es daher schwer, eine solche Konzession zu geben, und könnte dasselbe auch der Einräumung des Rechtes der Übertragung der bezüglichen Geschäfte eine bereits bestehende Gesellschaft nur unter der Bedingung nicht entgegentreten, wenn diese Übertragung an die Bedingung der Zustim[m]ung der Regierung gekn[üpft] sein wird.

Der Leiter des Justizministeriums ist der Meinung, dass die Ansichten der beiden Ministerien wohl nicht so weit auseinander gingen, dass nicht eine Vereinbarung zu erzielen sein dürfte. Es handle sich ja nur um eine richtige Formulierung. Was den Vorbehalt der Genehmigung der Regierung anbelangt, so könne derselbe wohl von der Länderbank nicht zurückgewiesen werden. Es müsse ja doch jede Art Konzession von der Regierung ausgehen. Auf die Bemerkung des Finanzministers, dass man beides trennen und zwar vor der Abschließung des in Rede stehenden Übereinkommens die Marktordnung feststellen könne, erwidert der Ministerpräsident, [] [rech]tliche [Voraussetzung für] die Aktivi[erung der pr]ojektierten Marktordnung sei, und eine solche Marktordnung von der Regierung gar nicht proponiert werden könnte, wenn sie nicht früher die Sicherheit hat, dass tatsächlich ein Institut bereit ist, die Marktkassa zu errichten. Minister Freiherr v. Ziemiałkowski und der Finanzminister stimmen gleichfalls in der Ansicht überein, dass die Giltigkeit der Übertragung der Führung der Geschäfte von der Genehmigung der Regierung abhängig zu machen und in einem Vertrage eine Konzession nicht im Vorhinein zu geben ist. Es hätte demnach eine andere Formulierung dieses Punktes erwählt zu werden, wodurch [di]e Länderbank in die Lage [ge]setzt würde, das Geschäft zu übernehmen, und zwar nach ihren Statuten.

Über Aufforderung des Ministerpräsidenten liest der Ministerialrat im Ministerium des Innern Freiherr v. Rotky den betreffenden § 6 der Statuten der Länderbank vor, der lautet: „Die k. k. priv. österr. Länderbank ist berechtigt, industrielle, landwirtschaftliche, kommerzielle und sonstige das öffentliche Wohl fördernde volkswirtschaftliche Unternehmungen aller Art zu errichten oder sich an deren Errichtung zu beteiligen; behufs Begründung und Betreibung solcher Unternehmungen Aktien- oder Aktienkommanditgesellschaften zu errichten oder die Umgestaltung bestehender aUnternehmungen in Aktien- oder Aktienkommanditgesellschaa ften zu bewirken undb für alle derartigen Untec rnehmungen und Geselld schaften Aktien und Obligationen auszugeben.“

Nachdem sich hierüber noch eine längere Diskussion entsponnen hat, reassumiert der Ministerpräsident die ganze Verhandlung dahingehend, dass der Ministerrat den Vortrag des Unterrichtsministers zur Kenntnis genommen, die allfälligen Bedenken hervorgehoben und beschlossen hat, dass ein Komitee aus Vertretern der Ministerien des Innern, der Justiz unde für Ackerbau zusammentrete, um mit Rücksicht auf die in den Statuten der Länderbank enthaltenen Bestimmungen eine entsprechende Formulierung des beanständeten Punktes 14 des [Üb]ereinkommens zu veranlassen8.

II. Verleihung des Komturkreuzes des Franz-Joseph-Ordens an den Ministerialrat Ritter v. Schauenstein im Ackerbauministerium anlässlich seiner Pensionierung

II. ℹ️Als weiteren Gegenstand bringt der Ackerbauminister einen Auszeichnungsantrag zum Vortrage und zwar in Betreff der Ag. Verleihung des Komturkreuzes des Franz-Joseph-Ordens an den Ministerialrat im Ackerbauministerium Anton Ritter v. Schauenstein anlässlich seiner Versetzung in den bleibenden Ruhestand. Schauenstein habe allerdings erst eine anrechenbare 35-jährige Dienstzeit, allein ein akutes Herzleiden erlaube ihm nicht mehr, länger seinen Dienstesobliegenheiten nachzugehen. Was seine Fähigkeiten anbelangt, so sei dessen Abgang []in [] gleich vor[]. Als Auszeichnungsgrad sei das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens gewählt worden, weil er bereits mit dem Ritterkreuze des Leopoldordens ausgezeichnet ist9. Zudem sei dies nicht das erste Mal, dass einem Ministerialrate ein solcher Ordensgrad zuteilwerde. Auch haben Se. k. u. k. apost. Majestät über eine au. mündliche Anfrage hin sich nicht dagegen auszusprechen geruht. Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, unter dem Vorbehalte, dass dies aber in Hinkunft nicht zur Norm werde10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. Juli 1882. Franz Joseph.