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Nr. 403 Ministerrat, Wien, 1. Juli 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Ziemiałkowski; BdE. und anw. (Ziemiałkowski 1. 7.), Falkenhayn, Pražák, Conrad, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Medvey; BdE. und abw. (Taaffe 7. 7.); abw. Welsersheimb.

KZ. 72 – MRZ. 59

Protok[oll] des zu Wien am 1. Juli 18[82] abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministers Freiherr v. Ziemiałkowski.

I. Über die Regelung der Verhältnisse der galizischen Grundentlastungsfonds

[I.] ℹ️Der Vorsitzende, Minister Freiherr v. Ziemiałkowski, bringt zur Sprache die Angelegenheit der Regelung der galizischen [Grundentlastungsfonds, da Graf Taaffe vor sei]ner Abreise [ihn (Frei]herrn v. Ziemiałkowski) ermächtigt habe, den Gegenstand in der Abwesenheit des Ministerpräsidenten im Ministerrate zur Verhandlung zu bringen1. Zur Regelung der seit 20 Jahren schwebenden Frage der passiven Grundentlastungsfonds sowie wegen der Übergabe der Verwaltung der Fonds an die Landesvertretung solle nunmehr zunächst mit dieser ein Übereinkommen getroffen werden, um sodann mit der Sache vor den Reichsrat kommen zu können2.

Ministerialrat v. Medvey referiert über den Stand der Angelegenheit, indem er zunächst die historische Entwicklung der galizischen Grundentlas[tungs]verhältnisse darlegt. Für Galizien war hinsichtlich der Grundentlastung von vorneherein eine andere Basis gegeben als für die übrigen Länder. Mit dem Patente vom 17. April 1848, mit welchem die Robot in Galizien aufgehoben wurde, wurde gesagt, dass die Entschädigung der Staat leisten werde3. Als es zur Ausführung des allgemeinen Patentes vom 7. September 1848 kam4, wurde in der Tat mit dem Patente vom 15. August 1849 für Galizien eine aparte Bestimmung über die Entschädigungsleistung getroffen, indem ein von den Untertanen zu leistendes Entschädigungsdrittel nicht aufgenommen wurde5. Das aber, was für das Entfallen dieses Drittels gleichsam hätte Ersatz bilden sollen, die Ein[]den [] [Se]rvituten, [] zur Durchführung []. Die Grundentlastung ging ziemlich langsam vor sich. Während derselben und bis zur Vollendung der Operationen bis zum Jahre 1857 wurden vom Staate zum Zwecke der Grundentlastung Staatsvorschüsse im Gesamtbetrage von 9,547.560 fl. 54 5/10 Kreuzer verabfolgt. Als es sich im Jahre 1857 um die Feststellung des Tilgungsplanes der Grundentlastungschuld handelte und bei dem Entwicklungsgange der diesfälligen Verhältnisse in Galizien sich die Unmöglichkeit darbot, die Verpflichteten zur Leistung jenes Drittels der Schuld heranzuziehen, welches von den Verpflichteten in den an[deren] Ländern getragen wurde, so wurde vom Ministerium des Innern beantragt, die Frage der Rückzahlung der bis dahin gegebenen Staatsvorschüsse in suspenso zu belassen und den galizischen Grundentlastungsfonds eine der Hälfte des jährlichen Tilgungserfordernisses von 5,521.374 fl. beiläufig entsprechende Jahresdotation von 2,500.000 fl. als Subvention aus dem Staatschatze bis zur Tilgung der Grundentlastungsschuld zuzugestehen. Das Finanzministerium glaubte jedoch, dass der bezügliche Beitrag nur unter Vorbehalt des Rückzahlungsanspruches geleistet werden könne.

Auf Basis letzter Anschauung wurde mit Ah. Entschließung vom 13. Oktober 18576 angeordnet, dass zur Deckung [] aus [den Staatseinnahm]en per 2,500.000 fl. [unter Vorbeh]alt des Rückzahlungs[an]spruches und unter einstweiliger Suspendierung der Rückzahlung und Verzinsung der bis 1857 gegebenen Vorschüsse geleistet werde. In den 60er Jahren wurde nun anlässlich der Frage der Übergabe der Verwaltung der galizischen Grundentlastungsfonds an die Landesvertretung im galizischen Landtage die Frage der Grundentlastungsschuld releviert und der Standpunkt vertreten, dass die ganze Schuld eigentlich eine Beitragsleistung begreife, zu der der Staat verpflichtet war und dass demnach auch die Regelung so erfolgen müsse, dass die Beiträge als förmliche Staatssubvention [ge]leiste[t] werden. Im Jahre 1868 wurde von der Regierung in Punktation[en], welche an den galizischen Landtag geleitet wurden, der Standpunkt eingenommen, dass die Beiträge vom Jahre 1868 an als Staatssubvention, also als nicht rückzahlbar, geleistet werden sollen, dass jedoch auf die bis dahin gegebene Summe von ca. 37 Millionen, weil sie ein gemeinsames Aktivum bilden, vorläufig nicht verzichtet werde7. Es kam jedoch damals, weil der galizische Landtag zur Regierungsproposition Modifikationen beschloss, zu keiner Erledigung der Sache8. Neuerlich wurde von der Regierung die Sache im Jahre 1874 in Anregung genommen und wollte man damals hinter den Standpunkt vom Jahre 1868 zurückgehen9, indem man [] und [] Landes[schuld] getilgt wissen wollte. Bei dieser Gelegenheit wurde vom Minister Freiherrn v. Ziemiałkowski ein Memoire ausgearbeitet, in welchem dargelegt wurde, dass die fragliche aus den Vorschüssen und Beitragsleistungen des Staates erwachsene Schuld an sich als keine solche und daher als nicht rückzahlbar angesehen werden könne10. Infolgedessen unterblieb bis jetzt die Erledigung der Regelungsfrage.

Nunmehr solle wesentlich auf der Basis der vom Minister Freiherrn v. Ziemiałkowski vertretenen Rechtsanschauung ein Übereinkommen mit dem galizischen Landtage wegen Über[g]abe der Verwaltung der Grundentlastungsfonds wegen Regelung der Grundentlastungsschuld in der Weise getroffen werden, dass die bisherigen Staatsvorschüsse und Beiträge zusammen per 75,172.560 fl. 54 5/10 Kreuzer abgeschrieben werden und dass vom Jahre 1883 an eine nicht rückzahlbare jährliche Staatssubvention im Betrage von 2,100.000 fl. erfolgt werde. Der bezügliche aus der Anlage ersichtliche Übereinkommensentwurfa wurde im Einvernehmen mit dem Finanzministerium festgestellt. Der Referent teilt den Entwurf dem Ministerrate mit.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski bemerkt: Wie bereits vom Referenten erwähnt, wurde mit dem Patente vom 17. April 1848 die Robot in Galizien mit dem aufgehoben, dass []. Anlässlich [des Patentes vo]m 7. September [1848 wurde] von den polnischen Abgeordneten schon im Reichstage gegen die allgemeine Ausdehnung derselben sowie speziell gegen die Anordnung der Entschädigungsleistung aus den Provinzmitteln Protest erhoben, indem gesagt wurde, dass in Galizien die Robot schon aufgehoben sei und die Entschädigung aus Staatsmitteln zugesichert wurde. Indessen schließe auch das Gesetz vom 7. September 1848 keineswegs die Eventualität aus, dass der Staat in der einen oder anderen Provinz ganz oder zum Teile die Grundentlastungsentschädigung werde leisten müssen. Durch die Bestimmung, dass diese Entschädigung aus „den Mitteln der Provinz“ zu geschehen h[abe, soll]te nur gewahrt werden, dass nicht eine Provinz mit ihren Mitteln für eine andere aufzukommen habe. Dies erhellt aus den damaligen Verhandlungen. Als nämlich Dr. Smolka, welcher den Zusatzantrag gestellt hatte: „ist baldigst eine billige Entscheidung aus Staatsmitteln zu bestimmen“11 gegen den Antrag des Berichterstatters der Kommission, Lasser: dass die Entschädigung „durch Vermittlung des Staates“ geschehen soll12, die Einwendung erhob, dass dies kein rein stilistischer, sondern ein prinzipieller Verbesserungsantrag sei, erklärte Lasser in seinem und der Mitglieder der Kommission Namen „dass damit kein Gedanke im Rückhalte verbunden sei, aus welchen Mitteln der Entschädigungsfonds kreiert werden wird, sei hier ganz weggelassen.“13 [] Sitzung vom [5. September] 1848 (stenografischer Bericht Seite 238 und 239) sagte der Berichterstatter des Ausschusses Lasser anlässlich der Frage des Abgeordneten Borrosch: „Wer die Entschädigung zu leisten habe?“ „Die Kommission wird Vorschläge an das Haus zu bringen haben, aus welchen Mitteln die einzelnen Provinzen die auf sie entfallende Entschädigung zu leisten haben. Ich für meine Person bin überzeugt, dass für die eine oder die andere Provinz kein anderer Ablösungsmodus übrigbleibt, als durch den Staat. Die Fassung des Kollektivamendements schließt also keineswegs die Entschädigung durch den Staat aus.“14

Die besondere Lage Galiziens wurde mit dem Ausführungspatente vom [4. März] 1849 anerkannt15, indem man dieses Patent mit Rücksicht auf das Patent vom 17. April 1848 für Galizien nicht anwendbar erklärte. Auch im speziellen Patente für Galizien vom 15. August 1849 werde von einer Provinzialfondsbildung nichts gesagt. Es werde damit nur angeordnet, dass die Entschädigung aus den Staatskassen vollständig zu erfolgen sei und jene ehemaligen Untertanen, welche im Genusse der Dienstbarkeiten verbleiben wollen, jenen Teilbetrag der Entschädigung, welchen dieselben nach dem Patente vom 17. April 1848 an die Grundherrschaften zu leisten hatten, an die Staatskassen zu entrichten haben. Später erst wurde die Aufbringung der Entschädigungsmittel durch Steuerzuschläge []es Servitu[tenentgeltes] wurde aber gänz[lich fall]en gelassen. Als nun im Jahre 1857 die Tilgungsfrage herantrat, sah man wohl ein, dass das Land unmöglich die ganze Entschädigungsleistung übernehmen könne, nachdem eine Leistung der Untertanen entfallen war. Allerdings wurde, nachdem der damalige Finanzminister aus finanziellen Rücksichten dies für damals beantragen zu sollen glaubte, für die mit der Ah. Entschließung vom 13. Oktober 1857 gewährte Beitragsleistung des Staates jährlicher 2,500.000 fl. der Rückzahlungsanspruch vorbehalten. Doch lasse die damals zugleich wegen des Servitutenentgeltes Ah. angeordnete Erhebung und das später im Jahre [] von Sr. Majestät ausgesprochene Missfallen über die vom Ministerium selbstständig angeordnete Auflassung des Servitutenentgeltes16 darauf schließen, dass Se. Majestät bei der Ah. Genehmigung des Antrages auf den Vorbehalt der Rückzahlbarkeit der Jahresbeiträge vorausgesetzt haben dürften, dass das Servitutenentgelt einen Fonds zur Rückzahlung der Vorschüsse bilden werde. Die jährlichen Staatsbeiträge per 2,500.000 fl. bildeten übrigens auch nur beiläufig, nämlich nicht vollständig, den Ersatz für das in den andern Ländern von den Untertanen gezahlte Drittel und musste das Land seit 1858 behufs Deckung des Tilgungserfordernisses jährlich ca. 300.000 fl. über das Landesdrittel leisten, [] [U]mständen und [weil das] Land an dem Entgange des Untertanendrittels nicht schuld sei, fehle jeder Titel, dem Lande das Äquivalent dieses Entganges aufzubürden.

Der Finanzminister bemerkt, es seien drei verschiedene Ansichten über die Frage herrschend. Die eine, die der liberalen Opposition, sage, das Land habe 75 Millionen vom Staat genommen, es müsse daher dieselben zurückzahlen. Wenn schon die Rechtsfrage dahin evident wäre, so wäre es für das Land materiell ganz unmöglich, eine solche Zahlung zu leisten. Die zweite Anschauung deduziere aus dem Inhalte des Patentes vom 17. August 1848 [und] aus der Art und der Tendenz seiner Verlautbarung, dass der Staat verpflichtet sei, alle Entschädigung zu zahlen, sodass also das Land noch vom Staate einen Rückersatz zu fordern hätte. In der Mitte zwischen diesen beiden Extremen liege aber die Anschauung, dass die Staatsbeiträge keine Schuld des Landes bilden können und dass daher die Rückstände abzuschreiben und die weiteren Beiträge als Subventionen zu leisten seien. Gegen die Abschreibung der bis 1868 geleisteten Beiträge lasse sich der Einwand der Zentralaktiveneigenschaft dieser Beiträge wohl nicht grundhältig erheben, weil diesfalls immer das Territorialprinzip gegolten habe und von unserer Seite auch niemals daran ge[]enbür[]n verabfolgt [werde]. Die Vorlage stehe wesentlich auf dem Standpunkte der dem Landtage schon im Jahre 1868 gemachten Proposition. Man dürfte damit daselbst ohnehin einen schwierigen Stand haben, nachdem die Staatssubvention für die Zukunft jährlich eine halbe Million weniger betragen solle. Indessen sei ein anderer, Galizien mehr begünstigender Ausweg für die Regelung nicht möglich.

Das Prinzip des Übereinkommensentwurfes wird vom Ministerrate gutgeheißen.

Bei der Detailberatung des Entwurfes beantragt Minister Freiherr v. Ziemiałkowski dem Punkte 1 des Übereinkommens die aus der Beilage 2 ersichtliche Fassung zu gebenb . Diese von ihm proponierte Abänderung bezwecke nämlich, die Bezeichnung „Schuld“ für die geleisteten Staatsbeiträge zu vermeiden, weshalb er lediglich die Zuflüsse mit den ihnen in den bezüglichen Verfügungen gegebenen Bezeichnungen als „Vorschüsse“ und „unverzinsliche Beiträge“ angeführt wissen wolle. Wenn man, wie es in dem vom Referenten vorgelegten Entwurfe heiße, sage: „Die dem Staate gegenüber bestehende Schuld wird abgeschrieben“, so werde damit die Anerkennung der Schuld ausgedrückt. Nachdem der Landtag diesfalls stets einen anderen Standpunkt eingenommen habe und [] [ihm mit d]em Über[einkommen ein V]erzicht auf ei[nen restl]ichen Beitrag von 525.000 fl. für die weitere Tilgungsdauer auferlegt werden solle, so scheine es schwer, dem Landtage auch noch die Anerkennung der nun abzuschreibenden Beiträge als Schuld zuzumuten. Die von ihm (Minister Freiherr v. Ziemiałkowski) proponierte Fassung dürfte die Annahme des Übereinkommens erleichtern, während damit in der Sache, da ja der Staat auf die Rückzahlung verzichte, keine Änderung geschehe.

Nach kurzer Diskussion erklären sich sämtliche Minister mit der vom Minister Freiherrn v. Ziemiałkowski für Punkt 1 proponierten Fassung [ein]verstanden. Die übrigen Bestimmungen des Übereinkommensentwurfes werden nach der Vorlage akzeptiert17.

II. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Oberingenieur der Staatseisenbahn-Gesellschaft Anton Feldbacher

II. ℹ️Der Handelsminister beabsichtigt, aus Anlass der Ah. Reisen Sr. Majestät mit einigen Auszeichnungsanträgen für Eisenbahnbedienstete vorzugehen und erbittet sich zu diesem Behufe die Zustimmung des Ministerrates zum Vorhaben, für den Oberingenieur und Heizhauschef der privilegierten österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft in Wien, Anton Feldbacher, welcher bereits mehr als 40 Jahre im Eisenbahndienste stehe und stets eine eifrige und dem österreichischen Ei[senbahnwesen] [] [Ri]tterkreuz [des Franz-Joseph-]Ordens zu [erwirken]. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. Juli 1882. Franz Joseph.