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Nr. 402 Ministerrat, Wien, 27. Juni 1882 – Protokoll II

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 27. 6.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino.

KZ. 70 – MRZ. 58

Protok[oll] des zu Wien am 27. Juni 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den zweiten Bürgermeister-Stellvertreter in Salzburg, Dr. Peter Poschacher

I. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben für den zweiten Bür[germeister-Stellvertreter in Salzburg Dr. Peter Poschach]er [aufgrund seines] vieljähri[gen verdiens]tlichen Wirkens [das] Ri[tter]kreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung1.

II. Au. Dank des Abtes Sychrawa für die Ah. Auszeichnung mit dem Ritterkreuze des Leopoldordens

II. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erlaubt sich im Wege des Ministerratsprotokolles zur Ah. Kenntnis Sr. k. u. k. apost. Majestät zu bringen die durch den Statthalter anher geleitete Bitte des Abtes [des] Prämo[nst]ratenser[stiftes] in Selau, Norbert Sychrawa, seinen au. Dank für die ihm durch die Ag. Verleihung des Ritterkreuzes des Leopoldordens zuteil gewordene Ah. Auszeichnung an die Stufen des Ah. Thrones gelangen lassen zu wollen2.

III. Erwirkungen von Ah. Auszeichnungen für fremdländische Ausstellungskommissäre bei der Internationalen Kunstausstellung

III. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht referiert über die vom Präsident der Internationalen Kunstausstellung erstatteten Vorschläge wegen Erwirkung Ah. Auszeichnung für einige der seitens der fremden Regierungen entsendeten Ausstellungs[kommissäre] []fe [] [L]ändern [] [fol]gende Persönlich[keiten:]3

a. Frankreich

1. Georg Lafenestre4, inspecteur des beaux arts in Paris, Generalkommissär der französischen Ausstellung, vorgeschlagen für das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

2. Henri Gindicelli, Beamter des französischen Ministeriums, Souskommissär der französischen Ausstellung, vorgeschlagen für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

b. Belgien

für welches im Ganze vier Kommissäre fungieren,

3. De Rongé5, conseiller à la cour de cassation, président du cercle artistique à Bruxelles, Präsident der Austellungskomm[ission;] vorgeschlagen für das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens mit dem Sterne.

4. J. Robie6, Maler, Vizepräsident des cercle artistique in Brüssel, Mitglied der Ausstellungskommission, vorgeschlagen für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

c. Spanien

5. Franz Tubino7, anerkannter Kunsthistoriker, Sekretär der kgl. Akademie der Künste in Madrid, vorgeschlagen für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

d. Schweden

6. C. G. Hellqvist8, Maler (domiziliert in München), vorgeschlagen für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Hellqvist ist der Maler des großen Historiengemäldes „Die Brand[schatzung Wisbys durch König Waldemar Atterdag“.]

[e.] Norwegen

7. Müller Morton9, Maler, domiziliert in Düsseldorf, ist der Maler des ausgestellten berühmten Bildes „Norwegischer Waldsee“; vorgeschlagen für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

f. Deutschland

für welches im Ganzen elf Ausstellungskommissäre fungieren.

8. Professor Andreas Achenbach10, Maler, Hauptvorstand der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft in Düsseldorf; vorgeschlagen für das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens mit dem Sterne.

9. Professor Wilhelm Gentz11, Maler [und] Mitglied des Senates [der] Akademie der bildenden Künste in Berlin; vorgeschlagen für das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

10. Heinrich Deiters12, Maler, Stellvertreter des Hauptvorstandes der Deutschen Kunstgenossenschaft in Düsseldorf für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

11. L. Gedon13, Bildhauer, betraut mit dem Arrangement der deutschen Ausstellung, domiziliert in München, vorgeschlagen für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

g. Dänemark

12. Pietro Krohn14, Maler, Akadamieinspektor des kgl. Theaters in Kopenhagen, Kommissär für Dänemark, vorgeschlagen für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.

[] zu hoch []nen, nachdem [sich fer]ner mit Ausnahme von zwei Persönlichkeiten durchwegs nur Künstler und der Mehrzahl nach um solche ersten Ranges handle, so beabsichtige er die proponierte Liste an das Ministerium des Äußern mit dem Ersuchen zu leiten, wegen der Erwirkung der beantragten Auszeichnungen das Weitere veranlassen zu wollen und erbitte er sich hiezu die Zustimmung des Ministerrates. Der Minister glaubt, dass es dem mit der Veranstaltung periodischer internationaler Ausstellungen verfolgten Zwecke sehr förderlich sein werde, wenn durch die Verleihung Ah. [Aus]zeichnungen an die bei [diesem Un]ternehmen hervorragend beteiligten Persönlichkeiten gezeigt werde, dass man der Sache Bedeutung beimesse und besondere Aufmerksamkeit zuwende.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung15.

Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt ferner, dass auch aus diesem Anlasse für Inländer einige Auszeichnungsanregungen vorgebracht wurden, dass er jedoch sich vorläufig nicht veranlasst sehe, nach dieser Richtung etwas zu tun. Für die an der Spitze des Komitees stehenden Graf Edmunda Zichy und Dumba16 dürfte er vielleicht seinerzeit die Ah. Anerkennung beantragen. Der Ministerpräsident erklärt, dass er vollständig einverstanden []ig []diesem Anlasse [] die Beteiligung des Inlandes an der Ausstellung keineswegs eine solche sei, dass man sich zu einer besonderen Würdigung veranlasst sehen könnte17.

IV. Konzessionierung mehrerer Lokalbahnen

IV. ℹ️Der Handelsminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates behufs der Konzessionierung mehrerer Lokalbahnen, und zwar beabsichtige er nachstehende Konzessionserteilungen zu erwirken:

A. Lokalbahn: Pohl–Wallachisch Mesertisch–Wsetin mit Abzweigung zur Glasfabrik Kras[n]a. Konzessionswerber sei die Österreichische Lokaleisenbahngesellschaft in Prag. [] von der bNordbahnb station Pohl vorherrschend südlich über Poruba, Löschna, Krasna, Wallachisch Meseritsch und Jablunka nach Wsetin mit Abzweigung zur Glasfabrik bei Krasna; die Länge der Bahn betrage 37,5 Kilometer. Die Anlagekosten belaufen sich effektiv auf 1,900.000 fl., das Nominalanlagekapital auf 2,100.000 fl. Die Geldbeschaffung geschehe durch Ausgabe von Aktien der Lokaleisenbahngesellschaft ohne Obligationen. Die Konzessionsbestimmungen seien die bei Lokalbahnen üblichen. Zweck der Lokalbahn sei: Einbeziehung der Städte Wallachisch Meseritsch und Wsetin und deren Umgebung mit bedeutenden Industrien: weltberühmte Thonetsche Fabriken von Möbeln aus gebogenem Holze, gleichartige Fabrik von Kohn, mehrere Glasfabriken, Zündhölzchenfabrik, Dampfbrettsägen, Mühlen, Branntwein[] dann []aftliche und [] [Gü]terkomplex (Kinskische Domäne); erleichterte Abfuhr von Brenn- und Bauholz18.

B. Für eine von der Lokomotivfabrik Krauß & Comp. in München und Linz projektierte Lokalbahn (Dampftramway) von Hietzing nach Perchtoldsdorf in der Länge von 10 Kilometern. Die als Straßenbahn auszuführende, normalspurige Lokalbahn (Dampftramway) geht von Hietzing nächst der Penzinger Kettenbrücke über Lainz, Speising, Mauer und Rodaun nach Perchtoldsdorf. Zweck der Bahn sei Erleichterung des Personenverkehres in die genannten Sommerfrischen Wiens und zwischen denselben. Die Geldbeschaffung geschehe mittelst Bil[dung] ein[er] Aktienges[ellschaft] und Ausgabe von Aktien al pari. Ausgabe von Prioritätsobligationen bleibt ausgeschlossen. Die Ziffer des bisher noch nicht festgesetzten Nominalanlagekapitales unterliegt der Genehmigung der Staatsverwaltung. Die finanziellen Begünstigungen seien die nach dem Lokalbahngesetz zulässigen Steuer- und Gebührenbefreiungen. Der Konzessionär ist auf die Dauer von zwei Jahren berechtigt zur Herstellung der Fortsetzung der Bahn von Hietzing nach Gaudenzdorf, falls diese Verbindung nicht binnen einem Jahre als Teilstrecke der Wiener Gürtelbahn sichergestellt sein sollte19.

C. Für eine von der privilegierten Südbahngesellschaft projektierte normalspurige Lokalbahn cvon derc Südbahnstation Liesing ind westlicher Richtung übe er Perchtoldsdorf und Rodaun nach Kaltenleutgeben. Der Zweck der Bahn sei die Hebung und Erleichterung des Lokalverkehres. Die Vermehrung des Gesellschaftskapitales durch Ausgabe besonderer Titres sei vorläufig nicht in Aussicht genommen. Die Baukosten, deren Ziffer der Genehmigung der Staatsverwaltung vorbehalten bleibt, finden ihre Deckung in disponiblen Fonds der Gesellschaft. Die finanziellen Begünstigungen sind die nach dem Gesetze vom 25. Mai 1880 für Lokalbahnen zulässigen Steuer- und Gebührenbefreiungen. Die Baubetriebsrechnung ist für diese Lokalbahn getrennt zu führen. Die sonstigen Begünstigungen sind die [üblichen.]20

D. Für die von dem Zivilingenieur Oscar Baron Lazarini projektierte Lokalbahn Bisenz–Gaya in der Länge von 17 Kilometern. Die Trasse gehe von der Nordbahnstation Bisenz über Wrazow, Wlkosch und Kunewald nach Gaya. Zweck der Bahn sei die Herstellung einer Schienenverbindung der bisher außer dem Verkehr gelegenen, industriereichen Stadt Gaya mit der Nordbahn und die Einbeziehung der an der Trasse gelegenen Kohlenlager in das Verkehrsnetz. Die Geldbeschaffung geschehe nach der Finanzierungserklärung der Societé générale de chemins de fer économique in Brüssel mittelst Bildung einer Aktiengesellschaft und Ausgabe von Aktien (Stamm- und Prioritätsaktien, letztere fbis zum Betrage von ⅗ des Nominalanlagekapitals). Die effektiven Baukostenf sind mit 648.000 fl.g festgesetzt, wel[ches daher] einem Nominalanlagekapital von 810.000 fl. bei Annahme eines Emissionskurses von 80% gleichkommt. Die finanziellen Begünstigungen sind die nach dem Gesetze vom 25. Mai 1880 zulässige Steuer- und Gebührenbefreiung. Der Staatsverwaltung steht das Recht der Mitbenützung dieser Bahn für die im Staatsbetriebe befindlichen Bahnen zu21.

E. Für die von Oskar v. Lazarini projektierte Lokalbahn St. Pölten–Traismauer (Traisental) in der Länger von 19 Kilometern. Die Lokalbahn zweigt vom öffentlichen Ende der Station St. Pölten ab und führt am linken Traisenufer über Viehofen, Radlberg, Herzogen[burg] nach []ttersfel[]r. Zweck der Bahn sei die E[in]beziehung des dichtbevölkerten industriereichen und fruchtbaren Traisentales in das Schienennetz. Die Geldbeschaffung geschieht laut Finanzierungserklärung der Société générale des chemins de fer économiques in Brüssel mittelst Bildung einer Aktiengesellschaft und Ausgabe von Aktien (Stamm- und Prioritätsaktien, Letztere bis zum Betrage von ⅗ des Nominalanlagekapitales). Den mit 560.000 fl. veranschlagten effektiven Baukosten entspricht ein Nominalanlagekapital bei Annahme eines Minimalemissionskurses von 80% im Betrage von 700.000 fl. Spezielle Verpflichtungen habe der Konzessionär 1.) zur eventuellen Herstellung der Fortsetzung von Traismauer nach Tulln und Krems; 2.) zur Einräu[mung] [] [fin]anziel[len Begünstigun]gen seien [die üb]lichen nach dem Lokalbahngesetze vom 25. Mai 188022.

Der Ministerrat erklärt zu den Konzessionsprojekten sub A bis E seine Zustimmung23.

V. Wegen Herstellung eines ärarischen Postgebäudes neben dem Hauptzollamte in Wien

V. ℹ️Der Handelsminister bringt abermals zur Sprache die behufs der Unterbringung mehrerer jetzt in Privatgebäuden eingemieteter Büros der Postverwaltung sowie speziell zur Einrichtung des Paketabgabsdienstes erforderliche Herstellung eines ärarischen Postgebäudes in der Nähe des Hauptzollamtes24. Er habe bereits im vorigen []en Plan entwickelt, den Bau durch Intervention eines Institutes gegen Tilgung der Kosten in Annuitäten, welche beiläufig dem jährlichen jetzigen Mietzinse für die eingemieteten Büros gleichkämen, herzustellen. Damals waren die Mittel eines Pensionsinstitutes für das bezügliche Arrangement in Aussicht genommen worden und hatte der Ministerrat mit Rücksicht auf die früher gegen solche Bauherstellungsmodalitäten im Abgeordnetenhause gehegten Bedenken gewünscht, dass er (Handelsminister) über die Sache mit der Majorität des Abgeordnetenhauses in Fühlung trete. Bei dieser Gelegenheit wurde die Schwierigkeit der Hypothezierung des gewährten Baukredites releviert, zumal es nicht tunlich erschiene, die [] [ersch]weren []en. [Seitdem hab]en sich die Voraussetzungen der Baukreditgewährung geändert, indem die Erste Österreichische Sparkasse in Wien den Kredit gewähren wolle, ohne eine Hypothezierung zu verlangen, weil die Sparkassa für ein solches Geschäft nicht verpflichtet sei, die Hypothezierung zu begehren. Wenn aber das Erfordernis der Hypothezierung wegfalle, so sei der Handelsminister überzeugt, im Abgeordnetenhause keinem Anstande zu begegnen25.

Die Herstellungskosten des Gebäudes belaufen sich auf 350.000 fl. und soll dieser Aufwand in 25 Annuitäten per 24.680 fl. getilgt werden, während die jetzigen jährlichen Mietzinse 27.505 fl. betragen. Es [] mit der Annuitätenzahlung noch ein jährliches Ersparnis von 2.825 fl. erzielt und werden außerdem mit dem Gebäude die jetzt nicht vorhandenen Räumlichkeiten für den Paketdienst beschafft. Der Handelsminister erbitte sich demnach die Zustimmung des Ministerrates zur Einholung der Ah. Ermächtigung behufs des Abschlusses des bezüglichen Vertrages mit der Sparkasse vorbehaltlich der verfassungsmäßigen Genehmigung sowie weiters zur Einstellung des entsprechenden Annuitätsbetrages in das nächstjährige Budget.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung26.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. Juli 1882. Franz Joseph.