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Nr. 387 Ministerrat, Wien, 10. Mai 1882 – Protokoll I

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 10. 5.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Kubin, Giuliani, Krall.

KZ. 53 – MRZ. 43

[Protokoll des zu Wien am 10. Mai 1882 abgehaltenen] Minister[rates] unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Zur Frage der vom Statthalter in Dalmatien proponierten Konfiszierung der Güter der Crivoscianer. Erörterung der möglichen Maßnahmen

[I.] ℹ️Der Ministerpräsident bringt in Fortsetzung der in der Mi[nisterratssitzung 7. Mai] 18821 []propo[nierten] [Maß]nahmen und Vor[kehrungen] für die Zukunft [un]d [wend]et die Diskussion auf den [bei] der letzten Beratung noch nicht erschöpften ersten Hauptpunkt des Berichtes, welcher in dem Vorschlage der Konfiszierung der Güter der flüchtigen und strafwürdigen Crivoscianer gipfelt.

Der Landesverteidigungsminister bemerkt, nach dem an ihn zur Einsicht gelangten Expeditionsentwurfe des Ministeriums der Innern sei beabsichtigt, die im bezüglichen Berichte gestellten Anträge des Statthalters über die Be[] de[]altes: dass dermalen darauf nicht eingegangen werden könne und zweitens durch einen Erlass dahin, dass die Anträge mit der bestehenden Gesetzgebung nicht vereinbarlich wären, dass für eine Erwägung gesetzlicher Änderungen eine weitere Entwicklung der Dinge und Klärung der Sachlage abzuwarten wäre, nach einer angemessenen Frist Näheres zu berichten käme, und die Frage der Entziehung der Begünstigungen des Wehrgesetzes der eventuellen Rückkehr der Bevölkerung vorbehalten bliebe. Der Landesverteidigungsminister beabsichtige diesen []tere [] [n]icht zu[] zu lange schon [als Vorz]ug erscheint, um [zu ung]esäumter Ergreifu[ng] entschieden kategorischer a politischer und administrativer Maßnahmen aufzufordern, ohne welchen Substraten das militärische Kraftaufgebot nur eine unabsehbare, die ganze Zukunft gefährdende Folge von nachhaltig resultatlosen Opfern voraussehen lässt.“ Bezüglich der Frage des Wehrgesetzprivilegiums habe er mit Rücksicht auf das in der Ministerkonferenz vom 7. d. M. Vorgebrachte bereits das Einver[nehmen2] [] die Anträge des Statthalters anbelange, habe er schon bei der letzten Beratung die Notwendigkeit des sofortigen Eingehens auf den Kern der Sache an sich mit dem Hinweise betont, dass eine ausnahmsweise und kritische Situation auch ausnahmsweise Maßnahmen erheische. Sei es nun, dass man mittelst eines Gesetzes die Expatriierung und Konfiszierung ausspreche oder sei es, wenn dies aus politischen Gründen absolut untunlich wäre, dass im Wege der nach den bestehenden Gesetzen zulässigenb administrativen Maßnahmen eventuell durch Sequestrierung der Staat faktisch die fraglichen []nen er[].

[Der Le]iter des Justizministe[ri]um[s] Minister Dr. Pražák bemerkt, zu der förmlichen Konfiszierung, wie sie der Statthalter im Auge habe, bedürfte es eines neuen Gesetzes. Der Minister glaubt, dass es nicht am Platze wäre, einen solchen Gesetzesvorschlag einzubringen, weil er sicherlich nicht angenommen werden würde. Im administrativen Wege biete zu einem Vorgehen allerdings noch die Ministerialverordnung vom 5. Oktober 1854 eine Handhabe3, weil darnach in den Fällen einer Untersuchung wegen der Verbrechen des Hoch[verrats] [] der verbrecherischen [Unter]nehmung aufgewendeten Kosten zu rechnen sind, die Sequestrierung des Vermögens verfügt werden kann. Der Minister macht jedoch aufmerksam, dass diese Verordnung, weil sie doch eine Art Vermögenskonfiskation zulasse, eine solche Verurteilung erfahren habe, dass beschlossen wurde, dieselbe mit dem neuen Strafgesetze zu beseitigen. Natürlich stante lege könnte die Anwendung der Verordnung Platz greifen, sie setze jedoch die erwähnte Untersuchungseinleitung voraus und eine weitere Frage sei die, ob sich jemand finden würde, die sequestrierten Güter zu bewirtschaften. []men. [Anbelangend die] Frage der [Vorlage ei]nes Konfiszierungs[gesetzes] würde man jetzt auch [nich]t mehr die Zeit haben, ein solches durchzubringen.

Sektionschef Freiherr v. Kubin bemerkt, dass man im Ministerium des Innern von der Ansicht ausgegangen sei, dass es notwendig scheine, den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten und dass man in einer solchen Frage wegen der mitspielenden auswärtigen Rücksichten auch nicht ohne Einvernehmen mit dem Ministerium des Äußern vorgehen könnte. Man müsste sich nämlich auch [] zunächst hinsichtlich der Flüchtigen vorgehen? Solle man warten und wie lange, ob die Leute zurückkommen oder nicht? Man könnte ein Edikt erlassen und sagen, dass die, welche nicht kommen, dieser oder jener Maßregel unterworfen werden. Allein es frage sich, ob man sich der Leute würde erwehren können, wenn sie der montenegrinischen Regierung zur Last fallen. Wenn die Leute aber kommen, müssten sie existieren können, man könnte also ihre Güter doch nicht konfiszieren. Was die zur Hand seienden Maßnahmen anbelangt, so wurde das Vorgehen nach der Verordnung vom 5. Oktober 1854 schon erwähnt. Die unbefugte []e Maßre[gel, damit] der Staat die Ver[waltung] der Besitzungen in [die] Hand nehmen könnte, wäre allenfalls die, dass aufgrund der Steuerrückstände die Sequestration eingeleitet würde. Aber auch hiebei wäre es fraglich, ob man das Menschenmaterial fände, eine solche Verwaltung durchzuführen.

Der Landesverteidigungsminister hält es unter allen Umständen geboten, definitive Maßnahmen festzustellen für den Fall, als die Flüchtigen zurückkehren, und für den Fall, als sie nicht kommen. Man müsste sagen, wenn ihr [].

[Der] Handelsminister be[m]erkt, wenn nicht bedingungslos straffreie Rückkehr zugesichert werde, so werde niemand zurückkehren. Wenn man keinen Wert darauf lege, dass die Bevölkerung dort existiere, so brauche man einfach keine Amnestie zu geben und könne die wirtschaftlich wertlosen Gebiete brachliegen lassen, wobei die Regierung zugleich der Verantwortlichkeit für die Vermögensverwaltung enthoben wäre. Ein Konfiszierungsgesetz sei undenkbar, weil es nicht durchzubringen wäre. Im administrativen Wege die Sequestrierung einzuleiten, halte [] [sein]er Ansicht [nach nichts] zu tun, außer [die weni]gen zu bestrafen, wel[che] zurückkehren.

Der Minister für Kultus und Unterricht ist auch der Meinung, dass ein Konfiskationsgesetz nicht möglich wäre. Doch kann der Minister der weiteren Anschauung des Handelsministers nicht beistimmen, weil die Leute doch zurückkehren dürften. Der Minister wäre daher dafür, dass nach dem Strafgesetze mit der Einleitung der Untersuchungen vorgegangen und dann in den zulässigen Fällen die Sequestration in Gemäßheit der [] machen und auf das Einvernehmen mit den Gerichten verweisen.

Der Ackerbauminister weist darauf hin, dass man im Wege der Steuerexekution, wenn man schon so vorgehen wolle, eventuell die dortigen Besitzungen dürfte erkaufen können.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski bemerkt, dem Statthalter handle es sich darum, die Bevölkerung loszuwerden.c Das müsse auch der Wunsch der Regierung sein, denn wenn die Leute zurückkehren, fangen die Aufstände von Neuem an. Ein Konfiszierungsgesetz sei [] Ein[leitung einer Unter]suchung [wegen Hoch]verrat, Aufstand oder [Aufruhr] oder wegen Steuer[rück]ständen. Die Sequestration sei aber nicht anwendbar, weil man keine Sequester finden würde. Außerdem lasse sich noch denken der vom Ackerbauminister erwähnte, eventuelle Ankauf durch Exekution wegen Steuerrückständen. Das, was man von dem so Erworbenen für militärische Zwecke benötigte oder was man sich für diese Zwecke aus öffentlichen Rücksichten noch im Wege der Expropriation erwürbe, das könnte man in militärische Benützung be[] hätte keinen Zweck. Diejenigen, welche von Montenegro zurückkehren, wären von der Behörde in Empfang zu nehmen.

Der Landesverteidigungsminister bemerkt, dass die Auffangung der Rückkehrenden nicht leicht möglich wäre, man müsste dann einen Kordon an der Grenze Montenegros ziehen. Ein solcher Kordon würde aber die Verwendung von 30.000 Mann erheischen.

Der Finanzminister hält gleichfalls ein Konfiszierungsgesetz für nicht möglich. Er glaubt aber auch, dass man mit den übrigen Maßnahmen nichts Wesentliches erreichen würde. [] von [seinem Standpunkt n]icht beurtei[len kann,] inwieweit dies zu [machen] wäre. Überhaupt sollten derlei Maßnahmen vorerst mit den im Lande befindlichen Behörden beratschlagt werden.

Sektionschef v. Giuliani erörtert die Tragweite der Verordnung vom 5. Oktober 1854. Nach § 370 der Strafprozessordnung ist im Falle einer Verurteilung wegen des Verbrechens des Hochverrates, des Aufstandes oder Aufruhrs auch über die von Seite des Staates geltend gemachten Schadenersatzansprüche zu erkennen4 und sind zu diesen Schä[den] [] aufgewendeten Ko[sten] zu rechnen. Zur Sicherstellung dieser Kosten kann nun nach der Ministerialverordnung vom 5. Oktober 1854, RGBl. Nr. 255, geschritten werden, sobald der Beschluss zur Einleitung der Untersuchung wegen obiger Verbrechen gefasst wird und kann nach Umständen die Pfändung und Sequestration des Vermögens veranlasst werden. Damit sei immerhin ein gutes Mittel gegeben, aber die Tragweite desselben für die vorliegenden Verhältnisse dürfe nicht überschätzt werden. Denn erstlich sei es zweifelhaft, ob die Verordnung auch von den Militärgerichten [] Unabsehba[rkeit] [h]andeln, da eine [Hand]lung in contumaciam [(au]ßer hinsichtlich des Verlustes der bürgerlichen Rechte) nicht möglich erscheint und sohin, solange die Beschuldigten nicht zurückkommen, ein Definitivum nicht getroffen werden kann.

Der Ministerpräsident konstatiert nunmehr aus der Diskussion, dass ein Vorgehen mit allgemeinen Maßnahmen in dem Sinne, wie sie der Statthalter im Auge habe, nicht möglich sei und dass namentlich ein Konfiszierungsgesetz untunlich wäre. Der Ministerpräsident glaubt [] der Gerichte und Steuer[behörde]n vorgehen könne.

Der Landesverteidigungsminister muss mit Entschiedenheit dafür eintreten, dass etwas geschehe, damit man sehe, dass die Regierung die Macht habe. Wenn es nun mit der vom Statthalter proponierten Maßregel nicht gehe, so müsse man dem Statthalter doch entschieden sagen, das sind die Mittel mit denen du vorgehen kannst.

Nach weiterer kurzer Diskussion wird beschlossen, den Bericht des Statthalters dahin zu erledigen, dass dem Statthalter erklärt werde, dass auf die von [] jedoch [die verschiedene]n administra[tiven Maßna]hmen, nach welchen [er vorge]hen könne, angedeutet werden und derselbe daher [a]uf die Verordnung vom 5. [O]ktober 1854, auf den ärarischen Besitzankauf im Wege von Exe[k]ution auf Steuerrückständen und auf die Erwerbung mitt[e]lst Expropriation für militärische Zwecke aufmerksam gemacht [w]erde 5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 6. Juni 1882. Franz Joseph.