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Nr. 384 Ministerrat, Wien, 4. Mai 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; Bde. und anw. (Taaffe 4. 5.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Pino; außerdem anw. Kubin; abw. Dunajewski.

KZ. 51 – MRZ. 40

[Protokoll des zu Wien am 4. Mai 1882 abgehaltenen] Ministerr[ates] unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsiden[ten] Grafen Taaffe.

I. In Angelegenheit der Unruhen in Pobori

I. ℹ️Der Landesverteidigungsminister macht die Mitteilung, dass er durch zwei Telegramme [] zu ni[]oße mit den []en gekommen sei1. Aus dieser Nachricht so[wie] aus neuerlichen Korrespondenzen unseres Ministerresidenten in Montenegro über das Hervortreten einer gewissen Bewegung und eines lebhafteren Verkehrs zwischen Montenegro und den gedachten Gebieten2 sei zu ersehen, dass man sich daselbst wieder zu einem Renitenzversuche gegen die Entwaffnung sowie gegen die erneute Rekrutenaushebung vorbereite. Der Landesverteidigungsminister sei allerdings durch diese Erscheinungen und die [] [vom] Dezember 1881 und vom [Febr]uar 1882 zum Ausdruck [z]u bringen in der Lage war3. Gegenüber der vorliegenden konkreten Sachlage nun dürfte es seines Erachtens angemessen sein, vom Statthalter in Dalmatien einen Bericht über die Situation und über die von ihm zur Bewältigung derselben vorhabenden Absichten abzuverlangen und proponiert deshalb der Landesverteidigungsminister, an den Statthalter namens der Regierung die aus der Anlage ersichtliche Zuschrift zu richtena .

Der Ministerrat erklärt sich mit der Erlassung der beantragten Zuschrift einverstanden4.

II. Frage der Verlängerung der Wirksamkeit der Ausnahmsgerichte in Dalmatien

[II.] ℹ️[] mit Ende []te demnach zunächst [de]r Statthalter hinsichtlich der Verlängerung der Wirksamkeit des Gesetzes zu befragen sein5. Für den Fall der Verlängerung wäre ferner zu erwägen, ob man die Verlängerung noch während der Versammlung des Reichsrates von diesem erwirken solle, was ohne Anstand ginge, oder ob die Regierung warten und dann zu geeigneter Zeit, da der Reichsrat nicht mehr versammelt sein dürfte, selbstständig in Gemäßheit des § 14 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung vorgehen solle. []selben Motiven an[]en werden dürfte, aus [sol]chen in den beiden Häusern des Reichsrates von der Minorität für die Votierung des Gesetzes die Zweidrittelmajorität gefordert wurde, indem hiefür geltend gemacht wurde, dass das Gesetz über die Einführung von Ausnahmsgerichten in Dalmatien eine Abweichung von Artikel 2 des Staatsgrundgesetzes über die richterliche Gewalt begreife, weil die Voraussetzung eines solchen Gesetzes, nämlich das Gesetz noch nicht vorhanden sei, welches die Fälle in voraus bestimmt, in welchen Ausnahmsgerichte zulässig sind. Der Landesverteidigungs[minister] [] ihres ei[]es, ohne erst wie[der den S]tatthalter zu fragen, [ob er sich] für die Verlängerung entscheiden könne. Anbelangend den Vorgang hiebei, sei er schon aus dem Grunde dafür, abzuwarten und dann nach § 14 des Grundgesetzes über die Reichsratsvertretung selbstständig vorzugehen, weil er es an und für sich für wichtig halte, dass die Regierung sich das Recht wahre, mit der Verfügung von Ausnahmsgerichten nach § 14 vorzugehen, indem sich in Kriegsfällen b– auch schon vor deren tatsächlichem Eintritte –b die Notwendigkeit der selbstständigen Verfügung solcher Maßnahmen ergeben dürfte. Die Vorgänge bei der Be[]setzes beigelegt wurde. [Denn] in den beiden Häusern wurde nur um die Konstatierung des Stimmenverhältnisses ersucht, aber von keinem Hause wurdec beschlossen, dass zur Votierung des Gesetzes die Zweidrittelmajorität erforderlich sei. Ferner betont der Landesverteidigungsminister, dass eine Diskussion im Parlamente über die dalmatinischen Angelegenheiten jetzt jedenfalls kaum wenigerd unangenehmer sein würde, als sie es im Herbste bei der Rechtfertigung des Vorgehens werden könnte. Er ist daher dafür, jetzt keine Verlängerungsvorlage einzubringen, und die Verlängerung nach der Verta[gung] []

[] [Z]ustim[m]ung aus, dass [das Recht] der Regierung dies[falls] nach § 14 vorzugehen, sich nicht bezweifeln lasse und dass es andererseits nicht gut wäre, jetzt eine Diskussion über die dalmatinische Frage heraufzubeschwören. Die beiden Minister schließen sich daher dem Landesverteidigungsminister an. Minister Dr. Pražák erklärt, dass auch er der Überzeugung sei, dass das Gesetz keine Abänderung der Staatsgrundgesetze begreife. Er wollte jedoch nur aufmerksam machen auf die Inkonvenienzien, welche erwachsen könnten, wenn etwa das Herrenhaus sich für die [], wenn vorläufig für den Vorgang noch kein Beschluss gefasst würde, indem der Reichsrat möglicherweise auch noch im Juni beisammen sein könnte. Der Ministerpräsident hält auch dafür, dass man vorläufig noch keinen definitiven Beschluss zu fassen brauchte, erklärt jedoch, dass er sich der Anschauung des Landesverteidigungsministers anschließe6.

III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Rechnungsrat Adolf Wallek

III. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates [dem Rechnungsrat Adolf Wallek für seine mehr] als 43-jäh[rige treue] und ersprieß[liche] Dienstleistung das Rit[ter]kreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt einhellig seine Zustimmung7.

IV. Genehmhaltung des vom Statthalter in Dalmatien erlassenen Verbotes des Tragens fremdländischer Abzeichen. Frage der Mitteilung polizeilicher Ausnahmsanordnungen an den Reichsrat

IV. ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten als Leiter des Ministeriums des Innern referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin [] [Ver]fügungen aufgrund des [§ 8 des] Ausnahmsgesetzes vom 5. Mai [18]69 erlassenen Verbote des Tragens und Besitzes von Waffen in den Ge[m]einden Risano und Orahovac8 sowie des Tragens fremdländischer Abzeichen im Bezirke Cattaro9. Nachdem der Statthalter über diese seine ordnungsmäßig publizierten Verfügungen anher die Anzeige erstatte habe, gelte es in Gemäßheit des Alinea 2 des § 8 des Ausnahmsgesetzes über die Fortdauer der Anordnungen den Beschluss des Gesamtministeriums einzuholen10.

Da die Anordnungen formell zulässig und an sich entsprechend erscheinen, so werde vom Ministerium des Innern proponiert, den Beschluss des Ministerrates dahin zu fassen, dass die Maßregeln geneh[migt] []gesetzes er[] [polizei]lichen Anordnun[gen gleic]hfalls nach § 11 des Ausnahmsgesetzes rechenschaftsweise dem Reichsrate vorzulegen seien11. Die Frage wurde schon gelegentlich der Beratung der allgemeinen Ausnahmsverordnung im Justizministerium verneint. Das Ministerium des Innern vertrete die gleiche Anschauung und fuße sich dabei darauf, dass das Recht der Erlassung polizeilicher Verfügungen nach § 8 nur eine Folge der angeordneten Suspension der Staatsgrundgesetze sei und dass das Ausnahmsgesetz selbst, wie namentlich die Fassung des § 10 desselben dartun, die aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Aus[] [han]dle es sich vorliegend [um] Verbote, welche auch nach dem Waffenpatente und beziehungsweise nach § 7 der kaiserlichen Verordnung vom 20. April 185412 hätten erlassen werden können.

Der Ministerrat tritt der Anschauung des Ministeriums des Innern bei und erklärt sich für die Genehmigung der Verfügungen des Statthalters13.

V. Antrag auf Nichtsanktionierung des vom dalmatischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend Sicherstellung der Zahlung von Gemeindeschulden

V. ℹ️Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert ferner über den vom dalmatinischen Landtage neuerdings beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Sicherstellung der Zahlung von Gemeindeschulden14. [] 1880 wurde vom [Land]tage ein Gesetzentwurf be[schl]ossen, welcher die Zwangseinbringung durch Umlage auf alle exekutionsfähigen Gemeindeschulden sowohl öffentlich-rechtliche als privatrechtliche ausdehnen wollte15. Der fragliche Entwurf wurde nicht sanktioniert, weil derselbe neben formellen Gebrechen die Tendenz der gleichmäßigen Umfassung beziehungsweise Zwangsunterwerfung aller Schuldenverhältnisse nicht klar zum Ausdrucke brachte und demnach den nebenherigen Fortbestand der Spezialgesetze von den Jahren 1872 und 1874 einerseits teilweise faktisch bedingte, anderseits formell im Ungewissen ließ und weil ferner der im Staats[] nicht berücksichtigt []16.

[De]r nun neuerlich beschlossene Entwurf habe zwar die in formaler Beziehung gegen den Entwurf vom Jahre 1880 erhobenen Bedenken korrigiert, bleibe jedoch in meritorischer Beziehung trotz der geänderten Fassung nach beiden vorerwähnten Richtungen hin wesentlich auf dem Standpunkte des früheren Entwurfes stehen, weshalb der Ministerpräsident nicht in der Lage sei, auf die Genehmigung des vorliegenden Entwurfes einzuraten.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem Antrag auf Nichtsanktionierung einverstanden17.

VI. Antrag auf Nichtsanktionierung des vom niederösterreichischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend Einbringung von Forderungen an Gemeinden und Konkurrenzverbände

[VI.] ℹ️[Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert ferner über den vom niederösterreich]ischen Land[tage beschlossenen] Gesetzent[wurf] betreffend die Einbrin[gung] von Forderungen an [G]emeinden und öffentliche Konkurrenzverbände18. Dieser Entwurf sei gleichfalls und zwar aus dem Grunde zur Sanktion nicht geeignet, weil nach demselben die Auferlegung von Zwangsumlagen nur in den Fällen von auf einem Privatrechtstitel beruhenden Geldforderungen und nicht auch dort, wo Zahlungsverbindlichkeiten öffentlich-rechtlicher Natur infrage stehen, an das Einverständnis der Statthalterei gebunden sein solle. Die Einwendung des Landtages, dass die Forderung der [] außerhalb des Bereiches der Autonomie liegen und grundsätzlich einen Bestandteil der staatlichen Befugnisse bilde. Auch in den bezüglichen Gesetzen der anderen Länder – ausgenommen die Spezialgesetze von den Jahren 1872 und 1874 für Dalmatien19, wo es sich übrigens nur um Forderungen aus den ohnehin im Einverständnisse mit der Statthalterei verwalteten Notstandsgeldern, dann um die bereits nach den bestehenden Gesetzen zu leistenden Spitalskosten und Schulbeiträge handelt – sei das staatliche Einverständnis für die Zwangsumlagen gewahrt20.

VII. Einbringung eines Gesetzentwurfes im Reichsrate wegen Zugestehung der politischen Exekution für die galizische Landesbank

[VII.] ℹ️ [M]inister Dr. Pražák [al]s Leiter des Justizministeriums referiert über die Einbringung eines Gesetzentwurfes, womit der neuerrichteten Landesbank des Königreiches Galizien und Lodomerien samt dem Großherzogtum Krakau21 die Berechtigung erteilt werden soll, Hypothekarforderungen im Wege der galizischen Exekution einbringen [zu] lassen. Nachdem die Zugestehung dieser Begünstigung in den obwaltenden Verhältnissen begründet sei und die beteiligten Ministerien einverstanden seien, erbitte er [] Zustimmung22.

VIII. Au. Dank anlässlich der Inaugurierung des Kreisgerichtes in Wadowice

VIII. ℹ️Minister Dr. Pražák als Leiter des Justizministeriums teilt mit, dass anlässlich der Inaugurierung des Kreisgerichts in Wadowice am 1. Mai l. J. von den bei dieser Gelegenheit versammelten Honorationen und der Vertretung der Stadt Sr. k. u. k. apost. Majestät die au. Danksagung dargebracht wurde. Der Minister erlaubt sich dies im Wege des Ministerratsprotokolles zur Ah. Kenntnis Sr. Majestät zu bringen23.

IX. Zur Frage der Versorgung der Witwen und Waisen der vor dem Feinde gefallenen Militärs

[IX.] ℹ️[Der Landesverteidigungsminister macht Mittei]lung über [die] Regelung der [Versorg]ung der Witwen und [W]aisen der vor dem Feinde gefallenen Militärs24. Der Minister habe im Ausschusse erklärt, dass die Regierung die Regelung der im § 16 des Taxgesetzes vorgesehenen Versorgungsfrage bereits beschlossen habe, dass sie jedoch nicht einseitig vorgehen könne und daher die Entschließung der ungarischen Regierung abwarten müsse25. Der Ausschuss habe schließlich mit seiner Zustimmung beschlossen, die Regierung mit einer Resolution26 aufzufordern, erstlich das fragliche Versorgungsgesetz mit tun[lichster Beschleunigung] [] wodurch die Re[gieru]ng ermächtigt wird, [j]enen hilfsbedürftigen Angehörigen der Gefallenen, wel[c]he aufgrund des § 22 des Taxgesetzes unterstützt werden, auch nach Ablauf der sechsmonatlichen Frist und bis zum Inslebentreten des im § 16 vorgesehenen Gesetzes die unumgänglich nötige Unterstützung gegen nachträgliche Verrechnung und Genehmigung verabfolgen zu lassen. Der Landesverteidigungsminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates im Falle der Annahme der Resolution im Sinne derselben die entsprechenden Einleitungen zu treffen. []27

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 6. Juni 1882. Franz Joseph.