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Nr. 382 Ministerrat, Wien, 30. April 1882 – Protokoll I

RS.; P. Jaeger; VS. Kaiser; BdE. und anw. Taaffe (30. 4.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino.

KZ. 48 – MRZ. 38

[Protokoll des zu Wien am 30. April 1882 abgehaltenen] Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Über den Vorschlag wegen Besetzung des Bistums Brünn

I. ℹ️Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen den Vorschlag hinsichtlich der Besetzung des Brünner Bistums [] genann[ten] [] Kiowsky für die [] zum Bischofe vorzu[schla]gen1.

Se. Majestät wollen den Gegenstand zur nochmaligen Erwägung bringen, weil es Sr. Majestät scheine, dass der vom Kardinalerzbischofe primo loco genannte und auch vom Minister für Kultus und Unterricht zuerst in Aussicht genommene Dr. Bauer vorzügliche Qualifikation besitze und für die Stelle eines Bischofes sehr geeignet sein dürfte. Dr. Bauer habe sich namentlich auch als Seminardirektor in Prag sehr gut benommen und seinerzeit bei den nationalen Skandalen im Seminare mit großer Ener[gie] [] tschechische Agitationen aufzutreten wisse. Sodann komme aber anderseits zu bedenken, dass Kiowsky schon in einem vorgeschrittenen Alter stehe und daher von ihm keine lange Wirksamkeit zu erwarten sei.

Minister Dr. Pražák erinnert, dass er für die Beantragung Kiowskys plädiert habe, weil er überzeugt sei, dass die Berufung einer Persönlichkeit von außerhalb der Diözese weder von der Geistlichkeit noch von der Bevölkerung gut aufgenommen werden würde und weil er wisse, dass Kiowsky bei allen []nnehmen. [] übrigens seiner[] [Ordin]ariatssekretär []hindenheit bewährt und [s]ei er [i]mmer energisch gewesen. [D]erselbe sei so frisch und gesund, dass man ihm sein Alter nicht ansehen würde.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass man es nicht als Prinzip hinstellen könne, dass der Bischof gerade aus der Diözese entnommen werden solle. Der Umstand, dass der Erzbischof von Olmütz den Professor Bauer an erster Stelle benenne, lege es nahe, dass es zweckmäßig sein dürfte, denselben zu wählen, da [] [Se. Ma]jestät können aller[ding]s nicht aus eigener Kenntnis der Personen sprechen. Aber es sei gewiss wünschenswert, wenn man einen tüchtigen und wirksamen Bischof bekomme, nicht nur einen bequemen.

Minister Dr. Pražák bemerkt, es würde in der Diözese jedenfalls herb empfunden werden, wenn nicht Kiowsky gewählt würde. Man hätte eigentlich annehmen müssen, dass Kiowsky vom Erzbischofe an erster Stelle genannt werden würde, nachdem es durchaus nicht richtig sei, dass dessen Gesundheitsverhältnisse irgendwie gestört seien. Kiowsky sei die Seele des Konsi[storiums] [] wünsche. [] [gen]aue Kenntnis der [Diöze]senverhältnisse sei, sei es oft nicht unzweckmäßig, wenn ein Bischof aus einer anderen Diözese genommen werde. Einen Manne, der so wie Kiowsky mit dem Klerus der Diözese verwebt und verschlungen sei, sei es in manchen Fällen schwieriger aufzutreten als einem Fremden. Dem Minister würde übrigens dieses Moment nicht entscheidend sein, wenn nicht Kiowsky schon verhältnismäßig alt wäre, während gegenwärtig die Möglichkeit geboten würde, mit Bauer einen jungen, kräftigen Mann [] Bischofe [] Brünn würde es zur [Be]setzung des kräftigen Regimes des verstorbenen Bischofes Nöttig besser sein, Bauer zu wählen, anstatt auf Kiowsky zu greifen, weil derselbe eben da sei.

Der Ministerpräsident bemerkt, er möchte es auch nicht als Prinzip gelten lassen, dass der Bischof gerade aus der Diözese genommen werden solle. Desgleichen erkenne er an, dass es besser sei, einen geeigneten jüngeren Mann zum Bischofe zu machen. Er habe sich jedoch für Kiowsky erklärt, weil ihm derselbe von den verschiedensten Seiten als [e]in Mann dargestellt wurde, der [] Ernen[] Bischofe erwarte []über allgemein [ern]iedrigt fühlen würde. Wenn es bei dieser Sachlage und bei der sonstigen auch vom Kardinalerzbischofe anerkannten Eignung Kiowskys auffallend sei, dass vom Kardinal in Olmütz zu erster Stelle Bauer genannt wurde, so dürfte sich dies einerseits daher erklären lassen, dass die Wahl Bauers wahrscheinlich vom Kardinal Schwarzenberg in Prag angeregt wurde, und dass von dieser Seite dabei vielleicht auch daran gedacht wurde, durch die Ernennung Bauers nach Brünn für [] [die Frage der Besetzung] des Brünner Bischofs[stuhl]es in Fluss kam, plötzlich das gänzlich unbegründete Gerücht auftauchte, dass Kiowsky vom Schlage gerührt worden sei und dass man von manchen Seiten die Vermutung hegte, mit diesem Gerüchte sei die Beseitigung der Kandidatur Kiowskys beabsichtigt gewesen. Der Ministerpräsident wolle mit dem Gesagten sein für Kiowsky abgegebenes Votum begründen. Bauer habe gewiss die vollkommene Eignung für den Bischofssitz. Das Gleiche könne man aber auch von Kiowsky sagen. Für beide spre[c]hen Gründe und gegen keinen [] dass [Se. Majestät] Ah. [unter beid]en die Auswahl [treffen] mögen.

Der Ackerbauminister bemerkt, dass er in Anbetracht der von Minister Dr. Pražák gegebenen Darlegung von denselben Gesichtspunkten wie der Ministerpräsident geleitet sich für Kiowsky erklärt habe. Der Handelsminister erklärt, dass für ihn die von Minister Dr. Pražák vorgebrachte Darstellung der Verhältnisse sowie weiters die Rücksicht ausschlaggebend gewesen sei, dass nach den gemachten [] sei für die Ver[]ung kirchlicher Angele[gen]heiten. Der Landesverteidigungsminister erklärt, dass er wie früher sich dem Ressortminister anschließe. Besonders maßgebend seien ihm zwei Momente: erstlich dass Bauer, der als vorzüglich qualifiziert gelte, wegen seiner Jugend eine lange Dauer ersprießlichen Wirkens verspreche, zweitens der Umstand, dass derselbe vom Erzbischofe selbst an erster Linie proponiert werde und der Erzbischof gewiss die Verhältnisse und Bedürfnisse am besten kennen müsse. [] von der [] gewü[n]scht wer[de] Kiowsky votiert habe. [D]och sei es gewiss, dass beide Kandidaten ganz vorzüglich seien und für beide Gründe sprechen, weshalb auch er glaube, dass Se. Majestät nach Ah. Ermessen die Wahl treffen mögen2.

II. Über den Vorschlag wegen Besetzung des Bistums Leitmeritz

II. ℹ️Se. Majestät geruhen den Vorschlag wegen Besetzung des Leitmeritzer Bistumes zur Sprache zu bringen3 und zunächst zu fragen, ob man wirklich versichert sei, dass sich [] [Der] Ministerpräsident kann sich diesfalls auf die Darlegung des Statthalters berufen, welcher ihm (Ministerpräsidenten) versichert habe, dass der Kardinal über diesen Punkt jetzt sich beruhigt zu haben scheine, indem derselbe lediglich das Interesse ausgesprochen habe, dass überhaupt mit der Ernennung vorgegangen werde.

Se. Majestät geruhen zu erwähnen, dass der in der Vorschlagsliste des Kardinals benannte Professor Frind sehr günstig geschildert erscheine. Allerdings sei derselbe noch [j]ung. []essen [] älteren []en, dem Leitmeritzer [Kapi]telvikar Demel eine umso empfindlichere Kränkung bereitet würde. Deshalb habe auch schon der Statthalter auf Frind von vorneherein nicht weiter reflektiert. Was Schöbel anbelange, so hätte der Kardinal denselben in Konsequenz seines früheren Vorschlages diesmal eigentlich primo loco vorschlagen müssen. Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass Allerhöchstdieselben nicht durchdrungen seien []ls, des verstorbenen [Bi]schofs Frind besitze, so würde derselbe einen guten Bischof für Leitmeritz abgeben4.

III. Bezüglich der vom Reichsrate in diesem Sessionsabschnitte noch zu erledigenden Angelegenheiten

III. Se. Majestät geruhen, die Minister hinsichtlich der noch im jetzigen Sessionsabschnitte zu erledigenden Angelegenheiten zu befragen.

Der Ministerpräsident hebt zunächst die ℹ️Zollrevision hervor5. Wenn diese vom Herrenhause angenommen sein werde, [w]olle ℹ️sich das Herrenhaus in [z]weiter Linie mit der Schulge[setzgebung]6 [befassen] []er [] und ℹ️Erledi[gung der] Bedeckungsvorlage [für] die von den letzten De[le]gationen bewilligten Kredite7.

Der ℹ️ Ackerbauminister erachtet noch für notwendig die Erledigung des Kommassationsgesetzes, für dessen Annahme nunmehr alle Aussicht vorhanden sei8.

Der Handelsminister ℹ️macht auf die Erledigung der Eisenbahnvorlagen aufmerksam. Nachdem sich bei der Generaldebatte des Ausschusses darüber keine Anstände gezeigt haben, so dürfte der Ausschuss baldigst fertig werden9 und die Plenar[verhandlungen] []

[Se. Majes]tät ℹ️geruhen zu [beme]rken, dass Allerhöchstdiesel[be]n insbesondere auf die Abzweigungen der galizischen Transversalbahn Gewicht legen, weil dieselben in militärischer Hinsicht sehr wichtig seien10.

Auf ℹ️die Ah. Anfrage Sr. Majestät über den Stand der Aussichten hinsichtlich der Bahnvorlage Herpelje–Triest erklärt der Handelsminister, dass die besten Hoffnungen für die Annahme der Vorlage vorhanden seien11. Der Ministerpräsident erinnert, dass allerdings die Klubs sich noch nicht über die Eisen[bahnvorlagen] []den sei [] [Gese]tznovelle in die[sem Sessi]onsabschnitte nicht mehr [in] das Abgeordnetenhaus komme.

Der ℹ️Landesverteidigungsminister hebt unter Hinweisung auf die diesfalls eingelangten Petitionen die Notwendigkeit hervor, noch in diesem Sessionabschnitte die gesetzliche Regelung der Versorgung der Witwen und Waisen der vor dem Feinde gefallenen Militärs zu bewerkstelligen12. Der Ministerrat habe sich bereits für die Einbringung einer Vorlage ausgesprochen, mit welcher die diesfällige Versorgung, soweit sie strikte [] [Landesverteidigun]gsminister an [die] ungarische Regierung gewendet, jedoch bisher keine Antwort erhalten13. Der Landesverteidigungsminister erlaubt sich daher, an Se. Majestät die au. Bitte zu richten, dass Allerhöchstdieselben die Gnade haben mögen, auf die ungarischen Minister huldvollst Einfluss zu nehmen, damit die Angelegenheit von dort aus möglichst bald zur Erledigung gebracht werde. Denn die Sache sei wegen der Kürze der noch übrigen Sessionszeit dringlich und für die Versorgung müsse jedenfalls noch etwas geschehen14.

[]minister be[merkt, dass] die Arbeiten im [Hause] noch nicht entspre[chend] weit vorgeschritten sei[e]n und daher der Ausschuss selbst bis zu Pfingsten mit den Arbeiten nicht fertig werden dürfte. Es wurde deshalb auch schon die Idee angeregt, die erforderlichen Einleitungen zu treffen, damit der Ausschuss auch nach der Vertagung des Reichsrates noch in Tätigkeit bleibe15.

Minister Dr. Pražák ℹ️bemerkt, dass dieselbe Idee auch hinsichtlich der Arbeiten des Ausschusses über die Zivilprozessordnung16 angeregt wurde, weil die Herren glauben, dass sie []noch []en die Vorlagen wegen ℹ️Legalisierungserleichterungen17 und wegen ℹ️Erleichterungen bei Todeserklärungen18, endlich ℹ️in letzter Linie das Anfechtungsgesetz19.

Der ℹ️Ministerpräsident bemerkt, dass für den Fall, als die Streiks in den Kohlenwerksbezirken sich nicht bald beilegen sollten, Ausnahmsverfügungen eingeleitet werden müssten, worüber dann gleichfalls mittelst einer Vorlage dem Reichsrate Anzeige zu erstatten sein würde20.

Sonach geruhen Se. [Majestät die Sitzung zu schließen].

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 19. Mai 1882.