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Nr. 33 Ministerrat, Wien, 25. Jänner 1872 – Protokoll I

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 25.1.); Lasser 30. 1., Banhans 31. 1., Stremayr, Glaser 3. 2., Unger 3. 2., Chlumecký 5. 2., Pretis 5. 2.; außerdem anw. Koller.

KZ. 99 – MRZ. 18

|| || Protokoll I des zu Wien am 25. Jänner 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Vortrag des Statthalters Baron Koller über die Zustände in Böhmen: a) Presse, b) Verhalten des Landesausschusses, c) Zeitpunkt der Landtagsauflösung und Neuwahlen, d) Notwendigkeit von Auszeichnungen, e) Klerus, f) Beamtenverhältnisse

[I.] ℹ️ Über Aufforderung des Ministerpräsidenten erstattet der Statthalter FML. Baron Koller folgenden Vortrag über die derzeitigen Verhältnisse in Böhmen:1

ℹ️|| || Bei der Übernahme seines Amtes habe er zwei besonders gewichtige Übelstände wahrgenommen, nämlich die Tendenzen und das Gebaren des Landesausschusses in dessen gegenwärtiger Zusammensetzung, dann den verderblichen Einfluss der zügellosen Presse. Letzterer sei, soweit es bei dem abnormen Zustand der Pressgesetzgebung möglich ist, durch die seither ergriffenen Maßregeln, namentlich durch eine wirksamere Methode der Konfiszierungen eingedämmt worden, nachdem jedoch leider die Aufhetzung der Bevölkerung gegen den regierungsfreundlichen Großgrundbesitz bereits ihre Früchte getragen, und in den Reihen der verfassungstreuen Großgrundbesitzer eine Mutlosigkeit Platz gegriffen hatte, welche auch bei den Wahlen einen empfindlich schädlichen Einfluss äußern dürfte. Während der Zustand der Presse sich gebessert hat, stehe || || [] [Landes]ausschuss noch immer [] ein trotziger wohlorganisierter Gegner, populär un[] Gesinnungsgenossen reichliche Mittel und ein [] von mit der Regierung [] offenem Kampfe stehenden Volksvertretungen gebietend, und vor keinem Mittel zurückschreckend, um bei jedem Anlasse seinen Einfluss zum Schaden der Regierung zu missbrauchen. Er weise in dieser Beziehung nur auf den Versuch des Landesausschusses hin, die Durchführung der Schulgesetze zu hindern und Unzufriedenheit im Lande hervorzurufen, indem man durch Verweigerung des Landesbeitrages die Lehrer faktisch dem Elend und die Landeskinder dem Erfrieren in ungeheizten Schullokalitäten Preis geben wollte. Er bemerke weiter, dass der Landesausschuss gegen die von der Statthalterei verfügte Sequestration eines Teiles der Landeszuschläge einen Protest eingereicht [hat], worin er ihn, den Statthalter || || vor der Verantwortung dem Landtage gegenüber warnte. Natürlich habe der Statthalter darauf erwidert, dass er dem Landtage gegenüber keine Verantwortung kenne, und sich nur der Regierung Sr. Majestät des Kaisers verantwortlich wisse.2

ℹ️Es seien sonach fort und fort Misshelligkeiten zwischen der Statthalterei und dem Landesausschusse zu erwarten. Die Bevölkerung sehe in dem Landesausschusse einen offenen Feind der Regierung, den letztere duldet, und so lange diese anmaßende Nebenregierung von der Bevölkerung gesehen wird, glaube man nicht an die Kraft und den Bestand der Regierung. Er finde daher in dem Fortbestehen des Landesausschusses, welcher aus regierungsfeindlichen Deklaranten zusammengesetzt ist, die Verfassung negiert, und das Beispiel zur Missachtung der Gesetze gibt, indem er sie selbst umgeht und verhindert, eine || || [] für die Regierung [] die Ruhe des Landes. [] seine entschiedene Überzeugung von der Notwendigkeit, diesen Landesausschuss sobald als möglich zu ent[], schließe sich die Reflexion über Auflösung des Landtages. In dieser Beziehung müsse er, was den Zeitpunkt anbelangt, auf einige Zustände aufmerksam machen. Die Regierung werde wohl zur Auflösung des Landtages dann schreiten wollen, wenn sie die Gewissheit des Wahlsieges hat. In Betreff des Zeitpunktes für die Neuwahlen nun seien die Monate April, Mai und September als [ge]fährlich zu bezeichnen, und zwar deshalb, weil in diesen Monaten Meetings und sonstige [De]monstrationen aller Art statthaben, nicht minder in den Osterferien von dem am Lande befindlichen Studenten ein terrorisierender Einfluss zu erwarten ist. Zu diesem Bedenken erlaube er sich die Bemerkung bei|| || zufügen, dass die Statthalterei und die Führer der Verfassungspartei wenigstens 14 Tage vorher von den bevorstehenden Neuwahlen Kenntnis haben müssten, um die nötigen Schritte ins Werk zu setzen, insbesondere die vorbereiteten Schreiben an die Großgrundbesitzer zu versenden.3 Er habe die Ehre gehabt, seiner Durchlaucht dem Ministerpräsidenten eine Liste vorzulegen, welche zeigt, dass sich bezüglich des Wahlverhältnisses in Böhmen einige Vorteile herausgestellt haben. Wenn man diese verfolgen will, so erscheine es dringend geboten, dass solche Persönlichkeiten, welche in der schwierigsten Epoche wirklich heroisch ausgeharrt haben, für ihre Aufopferung belohnt werden, die doppelt hoch anzuschlagen kömmt, wenn man erwägt, wie der Großgrundbesitz in einer Art verfolgt und bedroht wird, die nicht ein jeder zu vertragen im Stande ist.4

ℹ️Er habe in dieser || || [Richtung] [An]träge gestellt, welche [einer be]sonderen Berücksichtigung zu empfehlen sich er[laubt]. Am wichtigsten scheine ihm die Berücksichtigung des hohen [Klerus], da jetzt der Moment ist, wo seine Haltung sehr ins Gewicht fällt. Aus demselben Grunde würde es sich empfehlen, im gegenwärtigen Zeitpunkt sei[tens] der Regierung und der Regierungspartei alles zu vermeiden, was dem katholischen Klerus, namentlich den hohen Würdenträgern zur Unzufriedenheit Anlass geben könnte. Er sei in der Lage, diesfalls speziell auf einen Punkt aufmerksam zu machen. Der Kardinal hege den Wunsch, den Weihbischof Prucha als bischöflichen Koadjutor nach Königgrätz zu bringen. Der Statthalter habe vom Ministerium die Aufforderung erhalten, darüber sein Gutachten abzugeben. Es werde nicht dafür lauten. Wenn er auch nicht in Abrede stellen kann, dass Prucha bedeutende || || Eigenschaften hat, ja ein ungewöhnlicher Priester ist, so sei es ebenso gewiss, dass derselbe sein Talent und Wissen für die Opposition ausnützt, mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Zähigkeit gegen die Regierung operieren würde, und dass die Königgrätzer Diözese verloren wäre, wenn Prucha auf diesen Posten gelangte. Aber er würde glauben, dass wenn das Ministerium seinen Antrag beistimmen sollte, die Angelegenheit eine Zeit lang liegen zu lassen wäre, weil die abschlägige Erledigung die bekannte Erbitterung des Kardinals erhöhen wird.5

ℹ️Ein weiterer Gegenstand von großer Wichtigkeit sei die Beamtenhetze in Böhmen: Die Zeitverhältnisse und die Leidenschaften der Parteien haben auf alle Verwaltungszweige, ganz besonders aber auf die Regierungsbeamten einen außerordentlich nachteiligen || || [Einfluss aus]geübt. [Die] politischen Beamten [seien statt] Personen des Ver[trauens] ein Gegenstand des [Miß]trauens geworden, Par[teilei]denschaften, Verleumdungen und einer Denunziationssucht ausgesetzt, wie sie zur Zeit der Republik Venedig nicht üppiger florierte[] ein Beamter sei einige[k]eilt zwischen das nachteilige Urteil beider Parteien, werde auf vorgefasste individuelle Meinungen hin, die sich bei näherer Untersuchung als vollkommen grundlos oder [ir]rig ergeben, verdächtigt, und wisse in Folge der Hetzte [der] täglich von Purifizierungen sprechenden Blätter, [] solcher, auf welche die Regierung einen Einfluss hat, von heute auf morgen nicht, ob er im Besitze seines Postens bleibt. Die Beamten seien gänzlich mutlos. Auf diese Art könne der Dienst unmöglich gedeihen. Es sei dringend notwendig, ihnen || || Vertrauen einzuflößen. Wollte man aber solchen Einflüsterungen leicht Gehör geben, so würde man Gefahr laufen, sich nicht nur der besten Diener zu berauben, sondern auch tatsächliche Ungerechtigkeiten zu begehen. Gestrauchelt haben in dieser Epoche allerdings sehr viele. Die Zeit war eben eine solche, wo es schwer war, immer den richtigen Weg zu finden. Es seien in dieser Beziehung Tatsachen zu registrieren, die Beamte von notorisch bester Gesinnung treffen. Als Beispiel führe er die Ausweisung zweier Doktoren aus dem Landessanitätsrat seitens des Landesausschusses an, welche Verfügung von dem Vizepräsidenten von Riegershofen und dem Landesmedizinrat Dr. Škoda mit einer Nachgiebigkeit gegen den Landesausschuss gutgeheißen wurde, die nachgerade unbegreiflich ist, wenn man diese beiden ganz reinen || || [] kennt.6 Glücklicherweise wurde die Verfügung [vom] Ministerium behoben, [und] die zwei Doktoren wieder eingesetzt.

ℹ️Man müsse eben der [Zeit] doch einige Rechnung tragen, und er bitte, ihm in dieser Hinsicht Vertrauen zu schenken und überzeugt [zu sein], dass wie er seiner Ex[zellenz] dem Herrn Minister des Innern bereits bei seiner letzten Anwesenheit zugesagt, er allen derlei Anschuldigungen auf den Grund sehen, und wo irgend etwas Anstößiges oder Zweideutiges vorliegt, nicht unterlassen wird, den ihm nö[tig] scheinenden Antrag [zu] stellen, wie er dies auch in Betreff des Hofrats von Neubauer getan habe.7 Dabei könne er allerdings nur sehr bedauern, dass der Beschluss so spät herabgelangt ist, indem es infolgedessen im Lande den Anschein hat, als wäre die Verfügung [nicht] aus der Initiative || || des Statthalters hervorgegangen, sondern der Regierung in Wien gewissermaßen abgedrungen worden. Nebst dem Gefühle der Unsicherheit der Regierungsbeamten, welches so weit geht, dass jeder von ihnen glaubt, die nächste Post werde ihn um seine Staatsanstellung bringen, müsse er noch einen Umstand betonen, welcher der Regierung großen Eintrag tut. Dies sei der absolute Mangel an Nachwuchs. Gegenwärtig fehlen bereits faktisch 12–13 Beamte. Die fehlenden müssen durch Diurnisten ersetzt werden, ein Ersatz, der immer unverlässlich bleibt, obwohl er unter den Diurnisten im Lande ziemlich aufgeräumt habe. Der Mangel an Nachwuchs sei neben der Unsicherheit des Dienstes in der schlechten Zahlung und dem Mangel höherer Posten begründet. Die Beamten der Justiz und Finanz seien viel besser gestellt, weshalb bei diesen || || [] auch kein solcher Man[gel an] Nachwuchs besteht. [] die Statthalterei sei [] die letzte Organisierung [] die übrigen Landes[behörden] zurückgesetzt, es sei [] Vizepräsidentenposten, die Sekretärsstellen systemisiert und die Gehalte ge[ringer] bemessen als die der []rangierenden Beamten der anderen Landesbe[hörden]. Eine Aufbesserung der Gehalte sei dringend notwendig, sonst werde der [Ab]gang von Arbeitskräften gar nicht mehr zu decken sein.

ℹ️Er habe endlich noch der [An]gelegenheit des Bezirks[leiters] Brunner in Melnik ei[nige] Worte zu widmen. Brunner habe sich allerdings eine Taktlosigkeit zu Schulden kommen lassen. Seine Entfernung von Melnik werde einen großen Lärm verursachen. Indessen, wenn das Ministerium der Meinung ist, dass er entfernt werden soll, so schlage er ein Mittel || || vor, welches den Lärm darüber, dass einem Beamten eines Toastes wegen seine Stelle genommen wird, abzuschwächen geeignet wäre. Es sei nämlich ein Posten bei der Grundsteuerregulierungskommission erledigt, um welchen sich Brunner selbst gemeldet hat. Wenn ihm dieser verliehen wird, so würde Brunner den Melniker Posten auf eine ganz natürliche Weise verlassen.8 Er schließe mit dem Beifügen, die Ängstlichkeit der Beamten sei so groß, dass er nicht nur beinahe täglich Gesuche um Auskunft erhält, ob denn die Entfernung dieses oder jenes Beamten wirklich beschlossen ist, sondern auch häufig von rechtlichen und angesehenen Leuten aus der Bezirksbevölkerung beschworen wird, ihnen ja nicht ihren Bezirkshauptmann oder Kommissär, der ihre volle Achtung genießt, wegzunehmen.

|| || [Der] Ministerpräsident [bemerkt] er glaube, dass die [Konferenz] aus dem klaren korrekten Bild, welches [] Exzellenz entworfen [] [ent]nommen haben wird, [dass] die böhmische Statthalterei in keine besseren Hände habe gelegt werden können. Er übergehe auf die von [Baron] Koller berührten einzelnen Punkte: ℹ️Was die Landtagsauflösung betrifft, so würde dieselbe von der Regierung sobald als möglich ins Werk gesetzt werden, ℹ️natürlich nicht [eher], als bis in Betreff des [Re]ussierens bei den Wahlen die [vo]llste Sicherheit für eine [zie]mlich ansehnliche Majori[tät] vorhanden ist. Die Verhältnisse seien der Art, dass man es voraussichtlich mit einer feudalen Wahlkommission, die jede nur halbwegs zweifelhafte Stimme ausscheidet, und mit einem oppositionellen Landesausschuss zu tun haben wird, welchem [die] Verifizierung der Wahlen || || zukommt.9 Durch die Meetings würde er sich nicht abschrecken lassen, denn erstlich habe der Statthalter das Recht, sie zu verbieten, zumal in einem Lande, wo jedes öffentlich gesprochene Wort Politik ist, und zweitens glaube er, dass schon der Name seiner Exzellenz hinreichen wird, die Bevölkerung von Ausschreitungen abzuhalten, wie dies bereits der Fall war. Denn als seine Exzellenz das erst Mal nach Böhmen kam, waren Meetings und Gassendemonstrationen en vogue, und doch genügte der Name des Baron Koller, um sie augenblicklich aufhören zu machen, obwohl ihm damals die Militärmacht nicht unterstand, ja er in dieser Beziehung sogar mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.10

ℹ️Bezüglich der Beamtenhetze glaube er, dass nachdem die Berufung des Statthalters || || [nach Böhmen] in den Beamten[kreisen] Böhmens vielleicht [einer] vermeintlich be[] Massenmaßregelung in Zusammenhang ge[bracht] wird, die Mutlosigkeit behoben und das Vertrauen mit einem Schlage [wie]der hergestellt werden [dürfte], wenn Baron Koller [nach] seiner Rückkunft er[klärt], dass er bei dem Ministerium die wohlwollendsten [Ab]sichten für die Beamten gefunden hat, von einer Maßregelung seitens des Ministeriums keine Rede sei, [sie] vielmehr vollkommen [in] der Hand seiner Exzellenz stehen, auf dessen Berichte allein sich das Ministerium verlassen werde.

ℹ️Der Ernennung des Weihbischofs Prucha zum Koadjutor in Königgrätz könnte er nimmer das Wort sprechen, indem er es für die bedauerlichste Schwäche und den größten Fehler einer Regierung halten würde, wenn sie sich || || dem Glauben hingebe, dadurch, dass sie der Opposition schmeichelt, Freunde für sich zu gewinnen. Dies sei gänzlich irrig. Man gewinne damit nicht nur keine neuen, sondern verliere die alten Freunde. Speziell aus dem Kardinal von Prag werde die Regierung nie und nimmer einen Anhänger schaffen, er werde, so lange er lebt, einer der entschiedensten und gefährlichsten Feinde bleiben.11 Es wäre sehr zu beklagen, wenn man ausgezeichnete Geistliche, die mutvoll ausgeharrt, zurücksetzen, und einen Mann, der eines der gefährlichsten Werkzeuge der Opposition, vielleicht „die Seele der Seele des Kardinals“ ist, auf einen so wichtigen Posten befördern wollte. Er für seine Person müsste einem dahin abzielenden Antrag, da er die Verantwortung dafür unter keinen Umständen tragen könnte, mit aller Entschiedenheit entgegentreten.

Was den Bezirksleiter Brunner || || [betrifft so] scheint dem Ministerpräsidenten der Passus [] Toast, worin Brunner [seiner Freude] darüber Ausdruck [gab], dass an der Spitze der [Landes]vertretung ein Mann [wie] Fürst Georg Lobkowitz steht, welcher dem Gesetze stets die vollste Achtung gezollt, mit dem Diensteide eines kaiserlichen Beamten nicht ver[einbar] zu sein. Wer die Verfassung angreift und zwei [De]klarationen unterschrieben hat, welche die von Sr. Majestät gegebene und sanktionierte Verfassung negi[eren], der achte das höchste Gesetz der Monarchie nicht, und wer Sr. Majestät Treue und Gehorsam und die Beobachtung der Verfassung geschworen, der komme mit diesem Eide in Widerspruch, wenn er jemanden, der die Verfassung nicht anerkennt, als den Wächter und Hüter der Gesetze hinstellt.

ℹ️Den in Anregung gebrachten Auszeichnungsakt halte || || auch er für eine dringende Notwendigkeit, da dieser Akt das Vertrauen jener Herren, die unter wirklich schwierigen Verhältnissen ausgeharrt haben, zugleich aber auch als ein Zeichen des Ah. Vertrauens dem Ministerium von Nutzen sein wird, bezüglich dessen in Böhmen noch immer die Sage geht, dass es nur für den Winter da sei, um im Sommer von einem anderen abgelöst zu werden.12

ℹ️Der Minister des Innern macht den Zeitpunkt der Landtagsauflösung zum Gegenstande näherer Besprechung. Er macht aufmerksam, dass die Unterbrechung der Reichsratsarbeiten nach der heute berechenbaren Situation nicht vor Ende März möglich sein wird. Den Landtag einberufen könne die Regierung nicht früher, als bis sie den Reichsrat vertagen kann, und letzteres sei nicht eher tunlich, || || [] [ge]wisse Ziele erreicht, [] bis 17 Abgeordnete [] Mandat mit dem Zu[sammen]tritte des Landtages [], entbehrt werden [können].13 Der Ministerpräsident [ist] der Meinung, dass die [Auf]lösung des Landtages im[mer]hin früher, auch während der parlamentarischen Aktion [er]folgen kann, und nur da[von] abhängig zu machen wäre, dass man der Majorität bei den Landtagswahlen sicher [ist]. Letzteres vorausgesetzt, könnte die Auflösung des Landtages mit Rücksicht auf die Zeit von vier Wochen, die [] ℹ️zur Einberufung der Neuwahlen verfließt, schon Ende Februar vor sich gehen. Jedenfalls sei es sehr wünschenswert, die Landtagswahlen nicht zu weit in das Frühjahr zu verlegen, weil dann viele Wähler Prag schon verlassen haben, und die Verfassungstreuen gegenüber der [st]rammer disziplinierten || || Gegenpartei, die jedem Rufe der Führer unbedingt folgt, bei den Wahlen in Nachteil kämen. Im Mai und Juni, wo bereits die Bäder aufgesucht werden, wäre jede Wahlaktion der Regierung geradezu auf Null reduziert. Der Justizminister bemerkt, die Regierung habe in Absicht auf den Zusammentritt des Landtages freie Hand. Sobald die Auflösung verfügt wird, müssen Neuwahlen ausgeschrieben werden, und es liege im eigenen Interesse, dass die Wahlausschreibung mit der Auflösung zusammenfällt, damit die Regierung den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite hat. In Betreff des Zeitpunktes der Einberufung habe aber die Regierung gar keine Verpflichtung. Die parlamentarische Lage scheine ihm also kein Hindernis für die Auflösung, sobald man des Wahlerfolges gewiss ist. || || [Der] Minister des Innern [eröffnet], dass wenn der [Wahltag] Ende Februar auf [] werden soll, die Einleitungen [] hiezu, da eine 14[-tägige] vorhergehende Verständigung der Statthalterei [als] notwendig bezeichnet worden ist, Mitte Februar beendet sein müssten. Er will [glauben], dass es bis dahin möglich sein wird, darüber schlüssig zu werden, ob man auf die Majorität rechnen kann. Die Landtagsauflösung [sei], die Gewissheit des Wahlerfolges vorausgesetzt, jedenfalls das erste, was in Böhmen anzustreben ist, denn [] durch sie könne man den Landesausschuss beseitigen, und werde sogar für das Abgeordnetenhaus bessere Resultate erzielen, als durch direkte Wahlen. Er proponiere daher, vorläufig den Gedanken festzuhalten, dass die Landtagswahlen im Laufe des Monats März durchzuführen sind.

Die Konferenz erklärt sich || || damit einverstanden.14

ℹ️Was die Beamtenfrage anbelangt, fährt der Minister des Innern fort, so sei, wie dem Herrn Statthalter ohnedies bekannt, nichts verfügt worden, was nicht von seiner Exzellenz beantragt war. Dies war auch in der Angelegenheit des Hofrats Neubauer der Fall. Eine Verzögerung der Letzteren sei ihm in der Tat nicht erinnerlich, da er schon am zweiten Tag nach dem Einlangen des Berichtes darüber Sr. apost. Majestät referiert und drei bis vier Tage darnach den au. Vortrag erstattet hat.15 Die Zeitungshetze gegen die Beamten sei der Regierung gewiss nichts weniger als erwünscht, und könne zum großen Teil in der Wirkungslosigkeit persönlicher Mitteilungen ihre Begründung finden. Er verkenne nicht, dass man in der Beamtenfrage mit jener Vorsicht vorzugehen hat, || || [die] bis zur Entmutigung [der] Elemente führt, auf welche die Regierung angewiesen und für welche, wenn [sie] entfernt werden, der [Schutz] fehlt. Der Mangel an Nachwuchs in den politischen Dienst be[ruhe] auf dem Mangel an [Existenz]sicherheit. Jeder wisse, [dass] ihm im Finanzdienste, wenn [er] seine Pflicht erfüllt, nichts [ge]schehen kann, die Justiz sei [sacro]sanct bis zum Extrem, die Unsicherheit laste zunächst nur auf der politischen Beamtenwelt, von welcher man einen Einfluss bei Wahlen und sonstigen politischen Aktionen vorauszusetzen gewöhnt ist, [der] gar nicht existiert. Er [wüsste] nicht, wie ein Beamter einen Einfluss auf die Bevölkerung üben soll, welcher er nichts Gutes bereiten und nichts Schlimmes zufügen kann. Genießt ein Beamter Ansehen und Einfluss, so beruhe dies auf seinen persönlichen Eigenschaften und nicht auf seinem Amte.

ℹ️|| || Er, der Minister des Innern, stehe in Betreff des Gedrängtwerdens in Beamtenangelegenheiten in erster Linie. Kein Tag vergeht, wo ihn nicht ein Journal in der Provinz oder Residenz in dieser Richtung interpelliert. Dass diesfalls von der Regierung mit aller Umsicht vorgegangen wird, zeige die bisherige Erfahrung. Zu der Unsicherheit der Stellung der politischen Beamten kommen auch noch alle Übelstände der politischen Organisation. Keine Dienstesbranche habe so wenig höher gestellte Posten, als der politische Dienst. Der Erreichung eines Landeschefspostens, bei dessen Besetzung weit mehr Rücksichten anderer Art ins Gewicht fallen, als die eigentliche geschäftliche Ausbildung und die auf der administrativen Stufenleiter erworbenen Ansprüche, sei dem gewöhnlichen Beamten entrückt. Hofratsstellen gebe es bei den Statthaltereien || || [] und an diese reihen [sich] höchst armselig dotier[te] Statthaltereirats- und Bezirkshauptmannsposten. Ein weiterer wesentlicher Umstand bestehe darin, dass [zwischen] diesen Posten und der [] Anstellung eine Zwischenstufe fehlt, was zur Folge hat, dass eine Reihe von bra[ven], jedoch für den Exekutiv[dienst] weniger verwendbaren [Büro]beamten über die er[ste] Stufe nicht hinauszukommen vermögen. Diese Lücke sei in Betreff des Nachwuchses [so] von Belang, dass an ihre Ausfüllung ernstlich wird gedacht werden müssen.

Was den Melniker Bezirksleiter Brunner anbelangt, so empfiehlt der Minister des Innern denselben ohne viel Aufhebens in der vom Statthalter bezeichneten Weise zu entfernen.

Der Handelsminister spricht mit einigen Erläuterungen [über] die dringende Notwendig|| || keit einer Reorganisierung der politischen Behörden, wobei der Justizminister bemerkt, ℹ️dass hiezu vielleicht das aus der neuen Strafprozessordnung16 sich ergebende Bedürfnis, im Sitze der Bezirksgerichte staatsanwaltliche Beamte zu bestellen, denen auch polizeiliche Funktionen anvertraut werden könnten, einen Anhaltspunkt bieten dürfte. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht sieht sich in Betreff des früher berührten Verhältnisses zum Kardinal von Prag zu folgenden Mitteilungen veranlasst: Der Kardinal habe ihm vor etwa drei Wochen einen Besuch gemacht und eine Reihe von demselben besonders am Herzen liegenden Wünschen vorgetragen. Darunter stand in erster Linie die Ernennung Pruchas zum Koadjutor in Königgrätz. Der Unterrichtsminister, der aus früheren Verhandlungen || || []lichkeit des Prucha [] habe sich in die Per[sonalf]rage gar nicht einge[lassen,] sondern zunächst jene []stellung eines Koadjutors besprochen, und bemerkt, [] selbstverständlich in dieser Beziehung erst Verhandlungen mit der Statthalterei werden gepflogen werden müssen. Damit war dieser Gegenstand beendet. Einigen anderen Wünschen konnte der Kultusminister zum Teil entsprechen, [so] jenem in Betreff der Entfernung des gewesenen Kreuz[herrn] Dr. Pelleter, der die Konfession gewechselt hat, aus []. Derselbe wurde seither [in] die evangelische Schule [nach] Teschen übersetzt.17 Ferner die Beseitigung eines jüdischen Volksschullehrers aus Lichtenstadt.18 Ein weiterer Gegenstand der Besprechung war die vom Kardinal angestrebte Kreierung von zwei neuen Bistümern zu Tepl und Selau (d. h. Säkularisierung zweier Klöster): || || In dieser Beziehung habe der Kultusminister auf das sonderbare Beispiel aufmerksam gemacht, welches der Kardinal hiedurch hinsichtlich der Behandlung der Klöster geben würde. Auf die Zustimmung der Klostervorstände rechne der Kardinal nur deshalb, weil er glaubt, dass einer oder der andere von ihnen Bischof werden könnte. Der Kultusminister habe übrigens erklärt, die Angelegenheit werde in Verhandlung genommen werden, wenn sie angeregt wird. Sie sei aber seit der Zeit nicht angeregt worden.

Der Statthalter bemerkt, es sei notorisch, dass der Kardinal erklärt hat, er werde so viel als in seiner Kraft steht gegen die Schulgesetze tun.19 Nichtsdestoweniger trete er an eine Regierung, als deren offener Feind er sich bekennt, mit Wünschen heran und erwarte deren Erfüllung. Er, der Statthalter, habe ihm aus Anlass des Anliegens in Betreff des || || [] Prucha ganz offen [] [Be]merkung gemacht. Der Justizminister findet [] wesentlichsten Mittel der Unterwaschung des Staates durch den Nationalismus einen Damm zu setzen, darin, dass [bei] Besetzung von Bischofstühlen nationale Elemente bei Seite [gehal]ten werden. Zum größten Teil hänge die nationale Bewegung in Böhmen mehr noch in Krain, mit der kirchlichen Bewegung zusammen. Dieser Zusammenhang werde sich einmal bitter strafen, namentlich in Böhmen, wo die Hussiten an [die] Oberfläche gelangen werden, wenn nicht die sich neuestens [zei]genden Hinneigungen zu [Russ]land die orthodoxe griechische Kirche die Oberhand werden gewinnen lassen.20

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zu Kenntnis genommen. Wien, 10. Februar 1872. Franz Joseph.