Nr. 613 Ministerrat, Wien, 6. November 1871 - (PDF)
RS.Reinschrift und bA.; P. Artus; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Holzgethan 6. 11.), Scholl 10. 11., Grocholski 10. 11., Wehli 11. 11.
|| || Protokoll des zu Wien am 6. November 1871 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Vorgang in Böhmen. Resignation des Statthalters Graf Chotek. Maßregeln in Bezug auf den böhmischen Landtag. Frage der Auflösung oder Ausschreibung der direkten Wahlen. Verfügungen in Bezug auf andere partiell als nicht legal angefochtene Landtage. Aussetzung der definitiven Entscheidung - (PDF)
[I.] ℹ️ Über die Ah. Aufforderung Sr. k. u. k. apost. Majestät an den Vorsitzenden des Ministerrates, in den Gegenstand der heutigen Beratung einzugehen, || || erlaubt sich dieser zu bemerken, dass zunächst der Leiter des Ministeriums des Innern die Ehre haben werde, die Sachlage bezüglich des böhmischen Landtages darzulegen1.
Der Leiter des Ministeriums des Innern bemerkt, es handle sich in Bezug auf Böhmen vor allem um die Resignation ℹ️ des Statthalters Grafen Chotek, wegen deren Annahme der au. Vortrag sich bereits in den Ah. Händen Sr. Majestät befinde2. Heute sei ein neues Schreiben des Grafen Chotek eingelangt, in welchem er betont, dass er zwar aus schuldiger Rücksicht für Se. Majestät die Verlesung des Ah. Reskriptes vom 30. Oktober l. J. im Landtage opferwillig übernommen habe, dass es jedoch vermöge seiner früheren Stellungnahme in der Sache für ihn absolut unmöglich wäre, die weitere Vertretung im Landtage auf sich zu nehmen3. Er bitte daher um die schleunigste || || [] Mittwoch [] über das [] Reskript im Landtage [] werde, bereits nicht mehr im Amte sei, woraus sich dann die Vertretung der Regierung durch den ihm in der Amtsleitung nachfolgenden Beamten als eine einfache Konsequenz ergeben würde. Da Graf Chotek in dieser Weise auf seiner alsbaldigen Enthebung insistiere, so dürfte wohl nichts erübrigen, als dass Se. Majestät ihm dieselbe zu gewähren und den Vizepräsidenten v. Riegershofen mit der interimistischen Leitung der böhmischen Statthalterei zu betrauen geruhen, welcher die hiezu erforderliche Kenntnis der Verhältnisse und Geschäftsroutine besitzt4.
Was die Frage wegen des böhmischen Landtages betreffe, so hänge dieselbe mit der Frage der Einberufung ℹ️ des Reichsrates wesentlich zusammen. Es bedürfe einer näheren Hinweisung auf die Verhältnisse nicht, welche zumal in finanzieller Beziehung das || || Bedürfnis nach dem baldigen Zustandekommen des Reichsrates in die allererste Linie treten lassen. Die Zeit dränge in der Tat sehr, da die Voreinleitungen, welchen der beiden sich darbietenden Wege man wählen möge, immer vier bis sechs Wochen in Anspruch nehmen, so dass, da heute bereits der 6. November sei, es nicht möglich wäre, den Reichsrat früher als am 10. oder 12. Dezember zustande zu bringen. Die Notwendigkeit des möglichst schnellen Zusammentreten des Reichsrates als feststehend angenommen, handle es sich nun darum, was in Bezug auf den böhmischen Landtag zu geschehen hätte.
Es gebe zwei Modalitäten:
1. die Auflösung des Landtages und
2. die Schließung desselben jetzt und die sofortige Ausschreibung direkter Wahlen zum Reichsrate.
Die zweite Modalität sei, wie er glaube, mit Übelständen nicht unerheblicher Art verbunden. Es würde nämlich der aus der jetzigen Landtagsmajorität || || [] Landesausschuss [] müssen. [] auch in Bezug [] Landesausschuss zwei [] möglich, nämlich dass er entweder seine Funktionen gar nicht antritt, oder dass er tatsächlich in die Aktion eingeht. In dem ersteren Falle, für welchen ein Präzedens bisher nicht vorliegt und für welchen auch in der Landesordnung eine Vorsorge nicht getroffen erscheint, würde nichts erübrigen, als nach Analogie des gegenüber von renitenten Bezirksvertretungen beobachteten Vorganges, vermöge dessen die betreffende Geschäftsführung der lf. Bezirksbehörde übertragen wird, die Statthalterei zur Übernahme der Geschäfte des Landesausschusses zu delegieren, eine Maßregel, welche mit Rücksicht auf den Umfang der Agenden des Landesausschusses und das vorhandene zahlreiche Personale dieses letzteren, welches einen der Statthalterei der Zahl nach gleichkommenden Körper darstelle, mit vielerlei Schwierigkeiten verbunden wäre. || || Würde aber der jetzige Landesausschuss in die Geschäftsführung eintreten, so müsste besorgt werden, dass er in einem nicht regierungsfreundlichen Sinne agieren und der Aktion der Regierung auch in Beziehung auf die Administration mancherlei Hemmnisse in den Weg legen würde, ganz abgesehen davon, dass es immerhin möglich wäre, dass er auf die von der Regierung angeordneten direkten Wahlen einen gewissen Einfluss in einer keinesfalls erwünschten Richtung nehmen würde. Diese Bedenken würden bei der ersten Modalität, der Auflösung des gegenwärtigen Landtages, entfallen. Andererseits wäre es aber nicht außer Zweifel gestellt, oder könnte wenigstens von vorneherein eine Gewährleistung dafür nicht übernommen werden, dass der neu zu wählende Landtag nicht wieder in derselben Färbung zum Vorschein komme, welche der jetzige habe. Die Entscheidung hänge von dem Ausfalle der Wahlen im Großgrundbesitze ab, da die Wahlresultate in den Gruppen der Städte und der Landgemeinden || || [] im We[]ich bleiben. [] Sache im Groß[]ellen würde, lasse sich im vorhinein mit Sicherheit nicht bestimmen. Wenn nun der böhmische Landtag jetzt aufgelöst würde und die Neuwahlen wieder einen Landtag mit einer Majorität der gleichen Tendenz ergeben würden, welcher Landtag selbstverständlich die Reichsratswahlen abermals ablehnen würde, so würde man doch wieder zu direkten Wahlen schreiten müssen und hätte nichts erzielt als einen Zeitverlust von sechs Wochen.
So stehe die Sache. Wenn es sich nun um einen konkreten Vorschlag handle, so würde der Leiter des Ministeriums des Innern glauben, dass die Frage der Behandlung des böhmischen Landtages nur im Zusammenhange mit der Frage der Behandlung der übrigen Landtage erwogen und gelöst werden sollte, da, wie er glaube, beide Fragen nicht wohl voneinander getrennt werden können. Es sei bekannt, dass einige Landtage (von Oberösterreich, Krain || || und Mähren) von den sogenannten verfassungstreuen Parteien als illegal betrachtet und erklärt worden seien, in Folge dessen diese Partei auch an den Verhandlungen derselben keinen Anteil nahm5. Es lasse sich nun voraussehen, dass die sogenannte Verfassungspartei Anstand nehmen würde, ihrerseits in den Reichsrat einzutreten, ehe die von ihrem Standpunkte bestrittene Legalität der obigen Landtage hergestellt und ihr dadurch die Möglichkeit gegeben wäre, sich an den Reichsratswahlen in den Landtagen zu beteiligen, was jetzt nicht geschehen sei. Wenn also nicht gleichzeitig auch diese Landtage aufgelöst würden, so würde man sich voraussichtlich wieder vor dem Falle befinden, dass kein Reichsrat zustande kommt, da, wenn die Abgeordneten der Landtage mit sogenannt verfassungstreuen Majoritäten (Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Schlesien) im Reichsrate nicht erscheinen würden, das Abgeordnetenhaus die zur Beschlussfähigkeit erforderliche Zahl von 100 Mitgliedern nicht erreichen würde. || || [] Ministeriums des [], dass man auch [] Landtage schlüssig [].
Se. Majestät geruhen anzudeuten, dass es sich hienach zunächst um die, wie es scheine, erste und maßgebende Frage handle, ob die Angelegenheit des böhmischen Landtages für sich allein oder im Zusammenhange mit der Frage der Behandlung der andern Landtage zu entscheiden wäre.
Der Vorsitzende des Ministerrates glaubt, dass Böhmen für sich allein zu behandeln wäre. Gegen die Legalität der anderen Landtage, von welchen die Rede war, seien zwar von Seite der sogenannten verfassungstreuen Partei Einwendungen erhoben worden. Es lasse sich aber nicht absehen, wie dies das Zustandekommen des Reichsrates beirren sollte. Der Reichsrat sei bei dem Mangel jeder Bestimmung hierüber in den bestehenden Verfassungsgesetzen gar nicht kompetent, sich über die Legalität eines Landtages auszusprechen, da sich seine Befug|| || nisse lediglich auf die Prüfung der Wahlen zum Reichsrate beschränken. Darüber, ob ein Landtag legal sei, habe dieser allein zu entscheiden. Wenn sich nun die betreffenden Landtage als legal konstituiert haben, wie dies tatsächlich geschehen, so entfalle jede weitere Ingerenz des Reichsrates. Er könne also nicht glauben, dass die Drohung der Verfassungstreuen ernst zu nehmen sei, da in der Tat ein gesetzlicher Anlass, den Reichsrat nicht zu beschicken, für sie nicht vorhanden wäre, ein solcher Schritt von Seiten einer Partei, welche die Aufrechthaltung der Verfassung auf ihre Fahne geschrieben, daher nur geeignet wäre, die Partei selbst im Publikum auf das äußerste zu kompromittieren. Mit einer Auflösung der betreffenden Landtage könnte er sich keinesfalls einverstanden erklären, weil eine solche Maßregel den Vorwurf gegen die Regierung hervorrufen würde, dass sie wieder in einer Richtung Partei genommen habe. Er halte es für der || || [] Regierung nicht [] in Absicht [] von Majorität [] in einem gewissen Sinne [] Weise vorzugehen, sollte eine legal zustande gekommene Wahl als zu Recht bestehend hingenommen werden.
Der Minister für Landesverteidigung stimmt mit dem Vorsitzenden des Ministerrates vollkommen darin überein, dass der böhmische Landtag ganz separat behandelt werde. Bezüglich der übrigen Landtage wäre eigentlich erst eine Untersuchung zu pflegen, ob inwieweit die Einwendungen einer Anzahl von Mitgliedern gegen die Legalität derselben grundhältig seien oder nicht, und würde dies, da es sich um eine Rechtsfrage handle, jedenfalls eine gewisse Zeit zur Abwicklung erfordern. Er würde daher meinen, dass diese andern Landtage seitens der Regierung als legal anzusehen || || wären, während der böhmische Landtag besonders behandelt werden müsste.
Minister Ritter v. Grocholski erbittet sich die Ah. Gestattung, die Frage tiefer erfassen zu dürfen. Es scheine ihm nämlich, dass die gegenwärtigen Minister in dem dermaligen Zustande des Provisoriums weder berufen noch in der Lage wären, in dieser Angelegenheit entsprechende Anträge zu stellen. Sie seien eben nur mit der Leitung der Geschäfte Ah. betraut. Baron Kellersperg habe ihn besucht und ihm von den ihm gewordenen Ah. Aufträgen Mitteilung gemacht6. Nach den öffentlichen Blättern, welche ihm als alleinige Quelle zu Gebote stehen, wäre vielleicht die Bildung einer neuen Regierung so weit gediehen, dass ihre Aktivierung für demnächst bevorstände. In diesem Falle würde er sich die Bitte er|| || lauben [] Se. Majestät [] Antrag [] Minister jetzt [] abzusehen geruhen[]. Wäre die Neubildung des Ministeriums nicht so weit vorgeschritten, dann gewänne das gegenwärtige Provisorium einen anderen Charakter und werde dann den jetzigen Ministern unzweifelhaft die Pflicht obliegen, im Gegenstande der Frage Anträge zu machen. Dies vorausgeschickt, sei er der Ansicht, dass die anderen Landtage nicht aufzulösen wären, womit auch die Frage wegen der eventuell vereinigten Behandlung dieser Landtage und des böhmischen Landtages entfiele. Diejenigen Minister, welche die Ansicht vertreten, dass die fraglichen Landtage legal seien, könnten unmöglich zur Auflösung derselben raten. Ein solcher Antrag hieße der Pression der Zeitungen unterliegen, welcher || || Standpunkt ein für eine Regierung durchaus nicht würdiger wäre.
Eine andere Frage wäre, ob diese Landtage nicht deswegen aufzulösen wären, weil sonst der Reichsrat nicht zustande käme. Es sei dies aber ein Moment, welches zunächst von für die nachfolgende Regierung maßgebenden Gesichtspunkten in das Auge zu fassen sein würde. Wäre es für die neue Regierung zweifelhaft, ob der Reichsrat ohne die Auflösung der fraglichen Landtage zustande komme, dann würde er hierauf einraten, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass auch die Landtage von Niederösterreich, Steiermark und Kärnten aufgelöst werden, da es ihm der Würde der Krone nicht zu entsprechen scheine, sich in Bezug auf solche Maßregeln durch die Enuntiationen der Zeitungen bestimmen zu lassen. || || [] darüber []ge vorbe[] Reichsrat ein[] die Abgeordneten [] Landtage nicht erschienen wären. Er verkenne keineswegs, dass die finanziellen Rücksichten eine Hauptsache wären, er meine aber, dass, wie die Dinge stehen, die in Betracht kommenden politischen Verhältnisse so wichtiger Art seien, dass sie die finanziellen überwiegen dürften. Wenn der Reichsrat bis Mitte Dezember nicht zustande käme, würde es sich zunächst um die Forterhebung der Steuern handeln, in welcher Beziehung nach § 14 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung vorzugehen unter den gegebenen Umständen für keine Regierung einen Anstand bilden könne, da die Maschine eben nicht stille stehen könne7. Das werde vielleicht allerdings nur für die ersten Augenblicke ausreichen, insoferne es sich aber um weitere Be|| || dürfnisse handeln sollte, dürften, wenn die Nachrichten in den Blättern über Verhandlungen mit dem ungarischen Finanzminister wegen der Reichsaktiven richtig wären, die diesfälligen Auseinandersetzungen namentlich in Bezug auf den Stellvertreterfonds8, es der diesseitigen Regierung vielleicht doch ermöglichen, auch außerordentliche Bedürfnisse zu decken.
Er für seinen Teil würde daher lieber zur Anwendung des § 14 schreiten als für die Auflösung der Landtage stimmen, welche Sr. Majestät gegenüber sich durchaus nichts zu Schulden kommen ließen, da sie den Anforderungen der Regierung entsprochen und in den Reichsrat gewählt haben. Mit der Auflösung dieser Landtage würde, insoferne das Motiv hiezu in dem Umstande gesucht und gefunden werden würde, dass die Verfassungstreuen dort in der Minorität seien, sich die Regierung auf einen, wie er glaube, unzulässigen || || [] wegen [] Landtages zu[], würde er [], dass, insoferne dies [] wäre, mit der Entscheidung zugewartet werden sollte, bis Se. Majestät bezüglich des Ministeriums ein Definitivum würden getroffen haben. Wenn dies nicht möglich sein sollte, wäre er für die direkten Wahlen und nicht für die Auflösung, da er mit Gewissenhaftigkeit dafür nicht einzustehen vermöchte, dass ein Landtag in Böhmen wieder zustande kommt. Er befürchte nämlich, dass bei Neuwahlen die nämlichen Persönlichkeiten gewählt würden, dass diese aber gar nicht in den Landtag gehen würden.
Der Vorsitzende des Ministerrates stimmt mit dem Minister Ritter v. Grocholski bezüglich der direkten Wahlen vollkommen überein. Das dringende Bedürfnis || || motiviere vollkommen, dass in Absicht auf das baldige Zustandekommen des Reichsrates alles vorgekehrt werde, wenn auch für den Erfolg einzustehen nicht möglich sei. Bei der Auflösung sei keine Garantie, dass ein den Reichsrat beschickender Landtag zustande komme. Dann wäre es aber zu spät, da vor Ende Jänner mit direkten Wahlen zu einem Resultate nicht zu kommen wäre. Der Vorschlag der Landtagsauflösung gleiche einem auf die letzte Karte gesetzten Spiele, wozu zu raten ihm sein Gewissen verbiete. Die Einleitung der direkten Wahlen jetzt sei das einzige Mittel. Dazu sei auch noch Zeit, vorausgesetzt, dass kein Versäumnis eintritt. Die Operation erfordere 35–40 Tage, da man der Hälfte des Monates schon nahe stehe, so wäre nur mehr ein Spielraum von wenigen Tagen, binnen welcher die Anordnung der direkten Wahlen erfolgen müsste. || || [] angeregt []tragstellung []tiger Maßnahmen [] das Provisorium [] erwidere er, dass [] die im Provisorium bestehende Regierung verpflichtet sei, zu beantragen, was die Umstände gebieterisch fordern. Wenn daher die Notwendigkeit an die einstweilige Regierung herantrete, für die alsbaldige Aktivierung des Reichsrates zu sorgen, sei es ihre Pflicht, ihre diesfälligen Anträge Sr. Majestät zu unterbreiten. Wenn von der Unterordnung der finanziellen unter die politischen Rücksichten gesprochen worden sei, so läge ihm zwar jedes Überheben des durch Sr. Majestät Ah. Vertrauen in seine Hände gelegten Ressorts über das entsprechende Niveau durchaus ferne, gleichwohl spreche er die Überzeugung aus, dass in diesem Augenblicke die finanzielle Frage we|| || nigstens gleichgewichtig sei mit der politischen.
Er würde es für höchst bedenklich halten, wenn die Situation dahin zugespitzt würde, dass es zu einem finanziellen Staatsstreiche käme. Der § 14 sei nicht die Panazee zur Beseitigung der üblen Lage, in die man ohne Reichsrat käme. Auf Grund eines provisorischen Finanzgesetzes nach § 14 könnten nur gewisse fixe Ausgaben bestritten werden wie z. B. die Staatsschuldzinsen; es gebe aber in der Administration sehr viele nicht fixe Auslagen, für welche auf diesem Wege die Bedeckung legal nicht geschafft werden könnte. Steuereinhebungen könnten nicht stattfinden, nachdem die Dezemberverfassung und vor ihr schon das Februarpatent die im Oktoberdiplom enthalten gewesene Berechtigung der Regierung, die bestehenden Steuern fortzuerheben insoferne || || []weise be[] verfassungs[]setzung des [] Budgets alljährlich erfolgen soll9. Geldmittel seien glücklicherweise so weit vorhanden, dass für die ersten Tage des Monates Jänner Verlegenheiten nicht zu besorgen wären. Er handle sich aber nicht um die Geldmittel, sondern um die gesetzliche Bedeckung zur Verausgabung derselben. In dieser Richtung seien nun die im § 14 enthaltenen Ausnahmen bezüglich der Veräußerung von Immobilien und bezüglich einer bleibenden Belastung in die freie Bewegung der Finanzverwaltung sehr eingreifend. Die Verhandlung wegen der Zentralaktiven löse eigentlich die Frage nicht. Infolge der Besprechungen mit dem ungarischen Finanzminister sei wohl auf eine befriedigende Auseinandersetzung zu hoffen. Um den || || Stellvertreterfonds habe es sich aber jetzt nicht gehandelt, sondern um gewisse Eisenbahnpapiere. Alles das zusammengefasst, sehe er kein anderes Hilfsmittel, als die möglichst schnelle Aktivierung des Reichsrates, daher seines Erachtens alles daran zu setzen wäre, dass derselbe vor dem 20. Dezember beisammen sei.
Der Leiter des Ministeriums des Innern anerkennt das Gewicht der vom Minister Ritter v. Grocholski angedeuteten Rücksichten wegen des Provisoriums, er hat sich in dieser Richtung in der vorgestrigen Ministerkonferenz in dem gleichen Sinne bereits ausgesprochen und ist hierauf heute nur deswegen nicht zurückgekommen, weil er direkt aufgefordert wurde, seine Ansichten über die Situation auszusprechen. Was die Illegalität der Landtage betreffe, so habe er gar keine Meinung || || []. [] auf den []lt, dass der [] unbedingt notwendig [] und zustande gebracht werden müsse. Auf diesem Standpunkte könnte er aber nicht verhehlen, dass bei den Anschauungen einer gewissen Partei über die Illegalität dieser Landtage, in Verbindung mit dem Umstande, dass die Partei in diesen Landtagen in die Minorität gekommen sei, das Nichterscheinen der ihr angehörigen Abgeordneten im Bereiche der Möglichkeit, ja der Wahrscheinlichkeit gelegen sei und dass somit das Zustandekommen des Reichsrates in Frage gestellt wäre.
Se. Majestät geruhen die Frage aufzuwerfen, ob denn ungeachtet der seither eingetretenen Ereignisse noch besorgt werde, dass die sogenannten Verfassungstreuen nicht in den Reichsrat kommen, da doch die Besorgnis || || näher zu liegen scheine, dass sich die anderen ferne halten würden.
Der Leiter des Ministeriums des Innern führt die in Beziehung auf die Legalität des Reichsrates in der Partei der Verfassungstreuen maßgebenden Gesichtspunkte näher aus. Im Hinblick auf diesen Parteistandpunkt dürfe er die Besorgnis nicht verhehlen, dass die Verfassungstreuen nicht kommen würden. In diesem Falle aber hätte man keinen Reichsrat und die Zeit wäre verstrichen.
Der Vorsitzende des Ministerrates möchte, obwohl sonst kein Optimist, doch an der Hoffnung festhalten, dass die Verfassungstreuen erscheinen werden, wozu sie schon die Firma der Verfassungstreue und die Besorgnis, sich gänzlich zu diskreditieren, zwinge. Ihre Abstinenz hätte, da doch ganz verfassungsmäßig vorgegangen worden, nicht die mindesten legalen An|| || [].
Minister Ritter v. Grocholski teilt die Besorgnisse [] des Leiters des Ministeriums des Innern, dass die Verfassungstreuen wegen des Übergewichtes der doktrinären Elemente dieser Partei nicht kommen würden. Diese Besorgnis würde ihn zwar nicht abhalten, sich gegen die Auflösung der fraglichen Landtage und für den Versuch zu erklären, den Reichsrat zusammenzubringen. Es aber auf sein Gewissen zu nehmen, dafür einzustehen, dass der Reichsrat auch wirklich zustande komme, vermöchte er angesichts der Möglichkeit, dass die Verfassungstreuen nicht kommen, dennoch nicht.
Der Ministerium für Landesverteidigung würde in dem seitherigen Umschwunge der Stimmung der hiesigen Blätter Anhaltspunkte dafür finden, dass sich die der sogenannten Verfassungspartei Angehörigen unter den geänder|| || ten Verhältnissen über ihre früheren Aussprüche hinaussetzen und kommen werden.
Se. Majestät geruhen anzudeuten, dass, so sehr Se. Majestät einverstanden seien, dass auch ein provisorisches Ministerium in der Lage und verpflichtet sei, in Bezug auf notwendige wichtige Schritte Anträge zu stellen, die Erwägung, dass die in Rede stehende Angelegenheit für die künftige Aktion jedenfalls sehr wichtig und entscheidend sei, zunächst zu der Frage führe, ob die Sache nicht doch noch einige und wie viele Tage im äußersten Falle in suspenso bleiben könne. Es schiene nämlich doch zweckmäßig, dass eine Verständigung hierüber mit dem neuen Ministerium erfolge, wegen dessen eventueller Bildung Se. Majestät, wie es ein öffentliches Geheimnis sei, mit Baron Kellersperg bereits Besprechungen zu pflegen geruhten. Mit Maßnahmen so wichtiger Art der künftigen Aktion vorzugreifen, schiene || || [] und notwendig [] allseits in [] klar zu werden, was bis jetzt nicht der Fall sei.
Der Vorsitzende des Ministerrates erlaubt sich zu bemerken, dass, da die Durchführung der direkten Wahlen [] Tage erfordere, in der Voraussetzung, dass der Reichsrat Mitte Dezember zusammenzutreten hätte, mit den betreffenden, übrigens sofort vorzubereitenden Verfügungen bis Donnerstag oder Freitag, allenfalls auch bis Ende dieser Woche zugewartet werden könnte.
Minister Ritter v. Grocholski meint, dass, auch wenn der Reichsrat am 20. oder 22. Dezember berufen werden und sich bis 24., also vor Eintritt der Weihnachtsferien, konstituieren würde, in den fünf Tagen vom 27. bis 31. Dezember für die Durchbringung der []finanzvorlagen in beiden Häusern immerhin noch genug || || Zeit bliebe. Mit Rücksicht hierauf könnte die Entscheidung bezüglich des böhmischen Landtages, welche er aber immer der neuen Regierung vorbehalten wissen möchte, endlich auch bis zum 15. d. M. ausgesetzt bleiben.
Der Leiter des Ministeriums des Innern hielte es doch für zweckmäßiger, wenn der Reichsrat schon am 15. Dezember zusammenträte, da es im Hinblick auf nicht vorauszusehende Zwischenfälle immerhin misslich wäre, die wichtige finanzielle Aktion auf die allerletzten Tage zu berechnen.
Se. Majestät geruhen Allerhöchstsich auszusprechen, dass es sich sonach doch empfehlen würde, diese wenigen Tage zu warten mit Rücksicht auf die Ah. angedeuteten obschwebenden Verhandlungen, über deren Resultat übrigens augenblicklich Bestimmtes noch nicht gesagt werden könne. || || Wollen [] Allerhöchstsich [] aussprechen, [] Majestät schienen jedoch [] direkten Wahlen insoferne der zweckmäßigere Weg, als die Eventualität nahe liege, dass, wenn der jetzige Landtag aufgelöst würde, in Böhmen gar kein Landtag zustande kommt. Nach den Allerhöchstdenselben bekannt gewordenen Äußerungen der böhmischen Herren während ihrer jüngsten Anwesenheit hier walte diese Ansicht auch bei den böhmischen Parteiführern vor.
Nach einer Besprechung der eventuellen Gruppierung des Abgeordnetenhauses, in welcher der Leiter des Ministeriums des Innern nachweiset, dass, selbst wenn aus Böhmen 32 direkte Gewählte in das Abgeordnetenhaus kämen, die sogenannten Verfassungstreuen noch immer in der Minorität bleiben würden, geruhen || || Se. Majestät nochmals dem Ah. Wunsche Ausdruck zu geben, dass die Entscheidung noch einige Tage in suspenso bleibe, worauf Se. Majestät die Sitzung zu schließen geruhen10.
Wien, am 6. November 1871. Holzgethan.
Ah. E.Allerhöchste Entschließung Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. November 1871. Franz Joseph.