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Nr. 606 Ministerrat, Wien, 21. Oktober 1871 - (PDF)

RS. und bA.; P. Weber; VS. Kaiser; BdE. und anw. Hohenwart (21. 10.), Holzgethan 26. 10., Scholl 27. 10., Jireček 27. 10., Schäffle 28. 10., Habietinek 31. 10., Grocholski 2. 11.

KZ. 2818 – MRZ. 113

|| || Protokoll des zu Wien am 21. Oktober 1871 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Entwurf des Ah. Reskripts an den böhmischen Landtag - (PDF)

I. ℹ️ Se. k. u. k. apost. Majestät haben anschließend an die gestrige Besprechung und infolge der verschiedenen dabei zum Ausdrucke ge|| || kommenen Ansichten es als zweckmäßig erachtet, eine nochmalige Beratung mit dem diesseitigen Ministerium abzuhalten und die gestern diskutierten Angelegenheiten, vor allem aber die Frage des Reskripts an den böhmischen Landtag, die sich als die dringendste herausstellt, neuerlicher Erwägung zu unterziehen1.

Se. apost. Majestät geruhen hervorzuheben, wie notwendig es sei, eine Fassung zu finden, über welche eine Vereinbarung auch mit dem gemeinsamen und ungarischen Ministerium stattfinden könnte, da es Allerhöchstdenselben geboten erscheint, dass auch nach außen hin ein Resultat erzielt werde und zur Publikation gelange, welches durch ein gemeinsames Zusammenwirken aller Faktoren der Regierung zu Stande gekommen ist. Se. Majestät finden, den Präsidenten des Ministerrates zur punktweisen Verlesung des Reskriptsentwurfes auf|| || zufordernd, im vorhinein zu erinnern, dass wenn Allerhöchstdieselben im Laufe der Diskussion Anlass haben werden, eine oder die andere Ansicht auszusprechen, dies keineswegs schon als eine Entscheidung anzusehen sei, indem der Gegenstand, um den es sich handelt, an sich von zu großer Wichtigkeit ist, als dass derselbe heute schon einer entscheidenden Schlussfassung zugeführt werden könnte.

Der Präsident des Ministerrates schickt voraus, dass das diesseitige Ministerium nach der gestern unter Ah. Vorsitz stattgefundenen Konferenz den Entwurf des Reskriptes nochmals durchgeprüft und dabei alles dasjenige beachtet habe, was von den gemeinsamen und ungarischen Ministern geäußert worden ist. Der gestern von ihm vorgelegte Entwurf sei den andern Ministerien nicht präzise und weitgehend genug gewesen2. Der diesseitige || || Ministerrat habe sich bemüht, die von Seite der gemeinsamen und ungarischen Minister gemachten Bemerkungen in denselben aufzunehmen. Es habe sich aber gezeigt, dass, wenn dies geschieht, das Reskript dem böhmischen Landtage gegenüber einen zu schroffen Charakter erhält, ohne dass darin etwas enthalten wäre, was als eine Aufforderung an den Landtag erschiene, sich von seinem bisherigen Standpunkte zu entfernen. Das Ministerium hielt es daher für das zweckmäßigste, den Entwurf mit Berücksichtigung der gestrigen Bemerkungen und unter Beibehaltung des Ideenganges ganz umzugießen und Sr. Majestät einen neuen Entwurf vorzulegen.

Der Präsident verliest sodann den beiliegenden umgearbeiteten Entwurfa und knüpft daran folgende Bemerkungen. Der gestern gewünschte Passus, wornach das Gesetz über die gemeinsamen An|| || gelegenheiten als ein allgemein feststehendes bezeichnet wird, sei in dem Alinea 4 mit dem Beisatze aufgenommen worden, dass die Bestimmungen dieses Gesetzes nur auf dem im Einvernehmen beider Reichsteile bestimmten Wege eine Änderung erleiden können. Ebenso habe das Ministerium geglaubt, dem Wunsche des Reichskanzlers zu entsprechen, indem es in Alinea 5 entschieden betonte, dass Änderungen in den Staatsgrundgesetzen nur mit Zustimmung der beiden Häuser des Reichsrates erfolgen können, infolge dessen im Absatze 6 an den Landtag die Aufforderung zur Entsendung seiner Vertreter in den Reichsrat ergeht. Eine Gegenstellung Böhmens zu den andern Ländern zu berühren, wurde vermieden. Auch wurde im Absatz 7 unterlassen, eine Gewährleistung der Rechte Böhmens hervorzuheben, während das Ministerium keinen Anstand zu nehmen dachte zu sagen, dass das || || kaiserliche Wort allen Völkern ihre Rechte gewährleiste, worin einerseits die Zusicherung für Böhmen enthalten, andererseits die Gewähr der gleichzeitigen Ausdehnung auf alle Länder ausgesprochen sei. Schließlich erwähnt der Präsident, dass der Finanzminister bei der Redigierung des vorliegenden Entwurfes nicht zugegen war und vielleicht Bemerkungen hierzu zu machen haben werde.

Se. k. u. k. apost. Majestät erblicken in dem Absatz 4 des Entwurfes den schwierigsten Punkt. Vor allem finden Se. Majestät die spezielle Hervorhebung der „Wahl der Delegierten“ nicht motiviert. Dadurch, dass nur dieser eine Wunsch hier zur Sprache gebracht wird, werde der Anschein begründet, als ob gegen die andern kein Anstand obwalten würde. Se. Majestät sind der Ansicht, dass die Erwähnung der Delegiertenwahl füglich ganz weg|| || []en könnte. Dagegen vermissen Allerhöchstdieselben einen sehr wichtigen Passus des vom gemeinsamen Ministerium vorgelegten Entwurfs, nämlich denjenigen, wornach auch die auf bestimmte Zeit geschlossenen Bestimmungen des Übereinkommens über die gemeinsamen Angelegenheiten nur auf dem durch dieses Übereinkommen bezeichneten Wege erneuert werden können. Im Allgemeinen erscheine der Absatz 4 des neuen Entwurfes Se. Majestät nicht präzis genug. Der Eingang, wornach „die Bestimmungen über die gemeinsamen Angelegenheiten nur auf dem im Einvernehmen beider Reichsteile bestimmten Wege eine Änderung erleiden können“, spreche indirekt aus, dass eigentlich eine Änderung stattfinden soll, und dies werde doch selbst von dem böhmischen Landtage nicht beabsichtigt. Die Fassung der Alinea 4 in dem Entwurfe des gemeinsamen Ministeriums sei jedenfalls eine prägnantere. Se. || || Majestät geruhen denselben zu verlesen. Er lautet:

„Wir müssen jedoch ausdrücklich hervorheben, dass die über die Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten und das Verhältnis der beiden Teile der Gesamtmonarchie zu einander durch die Vereinbarung der legislativen Körper dieser Teile, des Reichsrates und des ungarischen Reichstags, geschaffenen, mit Unserer Sanktion versehenen Gesetz in volle Rechtskraft für die ganze Monarchie erwachsen sind und nur auf dem durch dieses Übereinkommen bezeichneten Wege geändert oder, insoferne die Bestimmungen dieses Übereinkommens auf bestimmte Zeit geschlossen worden sind, erneuert werden, in den Bereich der Kompetenz eines andern legislativen Faktors aber nicht gezogen werden können.“

Der Präsident des Ministerrates erlaubt sich, die Hervorhebung der „Delegiertenwahl“ || || [] dadurch zu begründen, dass dieser Absatz von den gemeinsame Angelegenheiten handelt, in Betreff der letzteren aber kein anderer als der auf die Delegiertenwahl bezügliche Antrag vorliegt und dass, wenn im Nachsatz die „Delegiertenwahl“ nicht speziell hervorgehoben wäre, der Vordersatz, welcher die Bestimmungen über die gemeinsamen Angelegenheiten als allgemein giltiges Gesetz bezeichnet, der Rechtfertigung entbehrt hätte.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass im Schlusssatz der Alinea 4 der hinsichtlich der Delegiertenwahl ausgesprochene Wunsch als ein Gegenstand der Beschlussfassung des Reichsrates bezeichnet wird, während der Eingang von Bestimmungen über die Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten handelt, welche nicht bloß Gegenstand des Reichsrates, sondern auch des ungarischen Reichstags sind. || || Wohl sei das Gesetz, auf welches sich der Schlusssatz der Alinea 4 bezieht, ein cisleithanisches, aber ein zum österreichisch-ungarischen Ausgleich gehöriges Gesetz.

Der Präsident des Ministerrates erklärt sich bereit, den Passus über die Delegiertenwahl, wenn es der Ah. Wunsch ist, wegzulassen. Ebenso würde er kein Bedenken haben, den Satz über die auf bestimmte Zeit vereinbarten Bestimmungen aufzunehmen, nur erlaube er sich aufmerksam zu machen, dass dann nicht, wie in dem Entwurf des gemeinsamen Ministeriums beantragt ist, von einer Erneuerung auf dem „durch dieses Übereinkommen bezeichneten Wege“ gesprochen werden könnte, da das Übereinkommen darüber nichts festsetzt. Es müsste vielmehr gesagt werden: „können nur auf demsel|| || ben Weg, auf dem sie zustande kamen, eine Abänderung erleiden, oder insoferne die Bestimmungen dieses Übereinkommens auf bestimmte Zeit geschlossen worden sind, erneuert werden.“ Infolge der Weglassung der „Delegiertenwahl“ aus dem 4. Absatz hätte dann im Eingang des 5. Absatzes das Wort „weitere“ (Vorschläge) zu entfallen.

Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zum 5. Absatz des Entwurfes, welcher von der Änderung der Staatsgrundgesetze handelt, zu bemerken, derselbe involviere in der vorliegenden Fassung die Idee, dass, wenn beide Häuser des Reichsrates den Ausgleich akzeptieren, letzterer dadurch schon Rechtskraft erlangt und die Möglichkeit, auch auf von Regierungswegen || || Änderungen zustande zu bringen, ausgeschlossen ist.

Der Präsident des Ministerrates erlaubt sich zur Behebung dieses Bedenkens die Einschaltung der Worte „und mit Unserer Sanktion“ nach den Worten „mit Zustimmung der beiden Häuser des Reichsrates“ in Vorschlag zu bringen, worauf

Se. k. u. k. apost. Majestät zu erwägen geben, ob nicht neben dem Vorbehalt der Ah. Sanktion, welcher zum mindesten aufgenommen werden müsste, auch von Regierungsvorlagen Erwähnung zu machen wäre.

Der Präsident des Ministerrates spricht den Wunsch aus, dass, um der Regierung möglichst freie Hand zu lassen, von Regierungsvorlagen nichts gesagt werden möge. Es sei || || [] hervorgehoben worden, dass, wenn jetzt von Regierungsvorlagen die Rede wäre, die Gegenpartei finden würde, Se. Majestät haben die Anträge des böhmischen Landtages schon im vorhinein genehmigt und seien bereit, die Einbringung der bezüglichen Regierungsvorlagen anzuordnen. Werde aber von letzteren keine Erwähnung gemacht, so behalte die Regierung freie Hand, diejenigen einzubringen, welche sie für angemessen hält und Se. Majestät zu genehmigen finden.

Hierauf spricht der Finanzminister auf Ah. Aufforderung seine Ansicht über den Reskriptsentwurf nachstehend aus. Es falle ihm außerordentlich schwer, ein detailliertes Gutachten abzugeben, da er bei der || || Verfassung des Entwurfes nicht mitgewirkt hat und auch bei jener des gemeinsamen Ministeriums in keiner Weise beteiligt war, daher nur unter dem Eindrucke des eben Gehörten stehe. Er müsse sagen, dass ihm der neue Entwurf gegenüber einigen sehr drastischen Punkten des gestrigen zwar etwas abgeblasst erscheine, nichtsdestoweniger ziehe sich auch durch den vorliegenden Entwurf ein Gedanke als roter Faden durch, den er perhorreszieren möchte. Es sei dies die gestern ausgesprochene, heute angedeutete Ah. Genehmigung der in den Ausgleichsanträgen enthaltenen Bestimmungen. Der gestrige Entwurf involvierte eine Engagierung des Ah. || || Wortes; dieser Passus [] wie er glaube, gefallen; allein heute höre er von einer vollen Gewährleistung der Rechte aller Länder. Der neue Entwurf sei eine Abschwächung im Wortlaut, aber eine Ausdehnung in der Sache; es sei nicht mehr von einer bloßen Anerkennung der Rechte Böhmens die Rede, sondern es werden allen Ländern, welche Separationsgelüste haben, ihre Rechte gewährleistet – Rechte, welche mit der Einheit der Monarchie unvereinbar sind.

Der Finanzminister nimmt weiter Anstoß an der im zweiten Absatze des neuen Entwurfes bezogenen „Zusicherung einer Revision“ der Beziehungen Böhmens zum Gesamtreiche. Eine Revision sei die || || Ordnung eines unklaren oder nicht zu Recht bestehenden Verhältnisses. Dies möchte er der Verfassung gegenüber nicht aussprechen. Leider sei man durch eine unklare Stilisierung des Ah. Reskriptes vom 12. September 18713 dahin gelangt, dass in der Adresse gleich die förmliche Anerkennung des böhmischen Staatsrechts dankend angenommen wurde. Er wünschte nicht, dass dieses Missverständnis auch in das zweite Ah. Reskript übergehe. Eine Revision der Beziehungen zum Gesamtreiche sei in den Reskripten vom 25. August 18704 und 12. September 1871 nicht zugesichert, sondern nur in Aussicht gestellt worden. Auch Alinea 3 ent|| || halte eine Anerkennung, indem die Adressanträge als eine Grundlage für weitere Verhandlungen bezeichnet werden. Es scheine ihm, dass in dem vorliegenden Entwurf die von den böhmischen Parteiführern heiß angestrebte Engagierung des Ah. Wortes dennoch, wenngleich in etwas abgeblasster Weise, ihren Ausdruck gefunden hat. Die Ah. Person Sr. Majestät soll aber in keiner Weise engagiert werden, weder direkt, wie gestern, noch indirekt, wie heute. Mit der Hervorhebung der „Delegiertenwahl“ im 4. Absatze könne er auch nicht einverstanden || || sein. Entweder müssten alle Detailpunkte oder keiner derselben Aufnahme finden. Was die im 5. Absatze berührte Änderung der Staatsgrundgesetze betrifft, so habe er sich schon gestern die ehrerbietige Bemerkung erlaubt, dass es wohl notwendig sei, die Ah. Sanktion ausdrücklich vorzubehalten, sonst gewänne es den Anschein, dass die Vorlagen des böhmischen Landtages bereits von Sr. apost. Majestät genehmigt seien und nur noch der Zustimmung beider Häuser des Reichsrates bedürfen. So stehe die Sache nicht. Der Reichsrat möge welche Beschlüsse immer fassen, Sr. Majestät stehe frei, sie zu || || genehmigen oder nicht.

Wenn er nun den Gesamteindruck des neuen Entwurfes jenem des vom gemeinsamen Ministerium verfassten entgegenstelle, so könne er sich auch heute nur entschieden für den letzteren aussprechen. Der gegenwärtig vorliegende erscheine ihm nur als eine abgeblasste Variante des gestrigen; er spreche, wenn auch stillschweigend und verblümt, die Anerkennung dessen aus, was die Adresse wünscht. Die Sache müsse aber eine res integra bleiben, die Krone soll sich in keiner Beziehung engagieren, weder „Ja“ noch „Nein“ sagen, sondern sich die weitere Aktion vorbehalten.

Der Präsident des Ministerrates erwidert, eine || || Engagierung Sr. Majestät komme im ganzen Entwurfe nicht vor; ebenso wenig eine Anerkennung, dass die Vorlagen des böhmischen Landtages eine passende Grundlage weiterer Verhandlungen bieten. Die Bedenken des Finanzministers in diesen beiden Richtungen scheinen ihm daher unbegründet. Das Bedenken in Betreff der „zugesicherten“ Revision der Beziehungen Böhmens zum Gesamtreiche könne dadurch behoben werden, dass das Wort „zugesicherten“ durch „in Aussicht gestellten“ ersetzt wird. Was die Erwähnung der „Delegiertenwahl“ betrifft, so habe er sich schon bereit erklärt, selbe fallen zu lassen. Der Anstand gegen Alinea 5 (Abänderung der Staatsgrundgesetze) || || [] durch den Beisatz „und mit Unserer Sanktion“ vollständig beseitigt. Der Finanzminister habe weiter bemerkt, dass die Gewährleistung der Rechte, welche in dem gestrigen Entwurfe bloß bezüglich Böhmens ausgesprochen wurde, heute auf alle nach Separation strebenden Völker ausgedehnt werde. Von „nach Separation strebenden Völkern“ komme durchaus nichts vor. Aber eben dadurch, dass die Gewährleistung auf alle Völker Ausdehnung findet, werde dem gestern erhobenen Anstand, dass die Vorschläge Böhmens als bereit gewährt erscheinen würden, die Spitze genommen. Das kaiserliche Wort werde den verfassungs|| || treuesten Ländern ebenso wie dem Königreiche Böhmen entgegengehalten und dadurch ausgesprochen, dass Se. Majestät entschlossen sind, mit gleicher Gerechtigkeit gegen alle vorzugehen. Dies sei keine Bloßstellung Sr. Majestät, sondern ein Gedanke, den jeder im Herzen trägt, der in Sr. Majestät den Schutz seiner Rechte erblickt.

Der Landesverteidigungsminister schließt sich ganz der gegenüber den Bedenken des Finanzministers abgegebenen Äußerung des Präsidenten des Ministerrates an und hebt hervor, dass der neue Entwurf sich in zwei Punkten von dem || || früheren vorteilhaft unterscheide. Im Eingange werde das Ah. Reskript vom 25. August 1870 bezogen. Dadurch werde kundgegeben, dass ein Faden wieder aufgenommen wird, den man früher schon zu spinnen angefangen hat, dass man daher mit der gegenwärtigen Aktion nicht ganz neu vor das Publikum tritt. Dies sei für das dermalige Ministerium von Vorteil, weil das bezogene Reskript über Antrag eines früheren Ministeriums erflossen ist. Als ein weiterer Vorzug des neuen Entwurfes erscheine ihm die Ausdehnung der Ah. Gewährleistung || || auf die Rechte aller Völker. Dieser Passus diene ebenso den regierungsfreundlichen Parteien zur Stärkung ihrer Hoffnungen, als auf regierungsfeindlichen Seiten erkannt werden muss, dass man ihnen in gleicher Weise gerecht werden will, wie allen übrigen Parteien, die sich jetzt schon für die Regierungspolitik erklären. Was die 4 Alinea (Abänderung der Bestimmungen über die gemeinsamen Angelegenheiten) anbelangt, so glaube auch er, dass hier der Passus in Betreff der Erneuerung der auf bestimmte Zeit vereinbarten Bestimmungen in der vom gemeinsamen Ministerium vorgeschlagenen Fassung || || [einge]fügt werden könnte.

Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen auf den vierten Absatz als den wichtigsten nochmals zurückzukommen und die Frage zu stellen, ob die Minister spezielle Gründe dagegen haben, dass derselbe in der jedenfalls präziseren Fassung des gemeinsamen Ministeriums aufgenommen werde. Dem Sinne nach sei in beiden Entwürfen dasselbe ausgesprochen, nur mit verschiedenen Worten; aber eben deshalb und weil ein besonderer Nachdruck auf Präzision gelegt wird, weil es ferner notwendig ist, gegenüber der dem Ausgleich widerstrebenden Partei zu manifestieren, dass die Regierung verfassungsmäßig vorgeht, sei nicht || || abzusehen, welcher Grund gegen die Annahme jener Fassung spreche, die vom gemeinsamen Ministerium vorgeschlagen worden ist und auf welche von dem letzteren ein besonderer Wert gelegt wird.

Der Präsident des Ministerrates weist auf die in der gestrigen Konferenz vom Minister Ritter v. Grocholski gemachte Bemerkung hin, dass die vom gemeinsamen Ministerium beantragte Fassung dieser Alinea es den Böhmen entschieden unmöglich machen würde, im Reichsrate zu erscheinen. Das diesseitige Ministerium habe die gleiche Aufrechthaltung des Gesetzes ausgesprochen, dabei aber jenen Passus vermieden, welcher seitens der Böhmen von ihrem – er gebe zu, unannehmbaren – Standpunkte die Nichtbeschickung des Reichsrates zur Folge hätte.

|| || Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass dies schon einen sehr hohen Grad von Stützigkeit seitens der Böhmen beurkunden würde. Bei genauer Lesung beider Entwürfe ergebe sich, dass beide in der Sache dasselbe besagen. Auch der in dem heute vorliegenden Entwurf bezeichnete Weg sei kein anderer und könne kein anderer sein, als der des Reichsrates und des ungarischen Reichstages.

Minister Ritter v. Grocholski glaubt doch einige merkliche Verschiedenheiten zwischen beiden Fassungen zu finden.

1. darin, dass die Rechtsbeständigkeit des Gesetzes nach dem Entwurf des diesseitigen Ministeriums einzig und allein von dem Ah. Worte Sr. Majestät abhängig gemacht wird, während sie nach der Fassung des gemeinsamen Ministeriums eine Folge der Vereinbarung beider Legislativen ist, was die Böhmen nicht zugeben wollen, || || obwohl sie nichts dagegen haben würden, dass in Zukunft Abänderungen nur im Wege beider Legislativen erfolgen;

2. dass in der Fassung des gemeinsamen Ministeriums den Böhmen das Recht abgesprochen wird, über den österreichisch-ungarischen Ausgleich mitzureden.

Dies geschehe im diesseitigen Entwurfe nicht, sondern es werde nur erklärt, dass die Bestimmungen über die gemeinsamen Angelegenheiten zu Recht bestehen und eine Abänderung nur auf dem Wege stattfinden kann, auf welchem die Bestimmungen selbst zustande gekommen sind. Es handle sich ja darum, den Böhmen eine Brücke zu bauen. Allerdings tragen sie selbst Schuld an der Lage; davon müsse aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen abgesehen werden. Er wolle sich schließlich erlauben, noch hinsichtlich des letzteren Passus seine Ansicht auszuspre|| || chen. Der Finanzminister habe darin eine Zusicherung auch für die übrigen Separatisten gefunden. Er hätte ein anderes Bedenken, habe es auch bei der diesfälligen Besprechung der Minister geltend gemacht und sei nicht ganz vom Gegenteil überzeugt worden. Ihm mache nämlich der Absatz 7 den Eindruck, dass die Spitze desselben gegen die Deutschen gekehrt ist, die, soviel jetzt bekannt ist, im Reichsrate nicht erscheinen wollen. Er würde nicht wünschen, dass Se. Majestät im Voraus einen Standpunkt einnehmen, welcher den Schein einer Parteinahme für den einen oder den anderen Teil haben könnte.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass der in den Schlussworten, welche von der schweren Verantwortung der Fernbleibenden spreche, gelegene Vorwurf sich ebenso gut gegen die Böhmen wenden kann.

|| || Der Kultus- und Unterrichtsminister möchte gerade darauf Gewicht legen, dass diese Verantwortung den Böhmen vorgehalten werde; denn es sei nicht zu leugnen, dass die Böhmen starrsinnig sind, und eben deshalb sei es gut, ihnen die Folgen eines zu schroffen Beharrens auf ihrem Standpunkt nahe zu legen. Allerdings könne der Satz auch auf andere bezogen werden, allein, er enthalte nur die volle Wahrheit. Der Unterrichtsminister ist überzeugt, dass ein Wort von Sr. Majestät in dieser Richtung bei dem böhmischen Landtage die Wirkung nicht verfehlen wird.

Der Präsident des Ministerrates bringt über Ah. Aufforderung nochmals den ganzen Entwurf zur Verlesung, wobei in Alinea 1 statt „zugesicherte“ mit Ah. Zustimmung der Ausdruck „in Aussicht gestellte“ (Revision) gesetzt und Alinea 4, nachdem || || [] Beitritt aller Minister der Passus von den Delegationswahlen weggelassen worden, nachstehend formuliert erscheint: „Die Bestimmungen über die Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten der Monarchie sind durch Unsere kaiserliche und königliche Sanktion allgemein giltiges Gesetz geworden und können nur auf demselben Weg, auf dem sie zustande kamen, eine Abänderung erleiden oder, insoferne die Bestimmungen dieses Übereinkommens auf bestimmte Zeit geschlossen worden sind, erneuert werden.“

Minister Ritter v. Grocholski bringt in Anregung, ob nicht statt „können“ das Wort „könnten“ zu gebrauchen wäre.

Se. Majestät sind nicht dieser Meinung, indem Allerhöchstdieselben den Ausdruck „können“ vorsichtiger finden.

Der Finanzminister tritt || || der Ah. ausgesprochenen Ansicht mit dem Bemerken bei, dass das Wort „könnte“ schon die Absicht ausdrücken würde, Abänderungen an den Bestimmungen über die gemeinsamen Angelegenheiten wirklich vorzunehmen. Dabei erlaubt er sich zu wiederholen, dass er auch jetzt noch nur dem vom gemeinsamen Ministerium vorgeschlagenen Entwurf in seiner Gänze zustimmen könnte.

Se. Majestät geruhen noch auf den Schlusspassus der 4. Alinea des vom gemeinsamen Ministerium verfassten Entwurfes aufmerksam zu machen, wornach die durch Vereinbarung des Reichsrates und ungarischen Reichstages geschaffenen und Ah. sanktionierten Gesetz über die gemeinsamen Angelegenheiten in den Bereich der Kompetenz eines anderen legislativen Faktors nicht gezogen werden können. Dieser Passus enthalte allerdings eine Zurechtweisung || || des böhmischen Landtages.

Der Präsident des Ministerrates erlaubt sich in Betreff dieses Satzes auf die Bestimmung der Landesordnungen hinzuweisen, wornach es jedem Landtage freisteht, über kundgemachte allgemeine Gesetze und Einrichtungen bezüglich der Rückwirkung auf das Land Anträge zu stellen. Man könne demnach nicht sagen, dass dieselben unbedingt der Kompetenz der Landtage entrückte sind.

Der Finanzminister erlaubt sich in Anregung zu bringen, ob nicht in Alinea 3, wornach der böhmische Landtag mit seinen in der Adresse unterbreiten Vorschlägen die Möglichkeit gegeben hat, zu dem Werke der Verständigung und Versöhnung zu schreiten, etwa durch das Wort „überhaupt die Möglichkeit gegeben“ der Gedanke ausgedrückt werden könnte, dass die Anerkennung dieser Möglichkeit nicht || || auch auf den Inhalt der Vorschläge ausgedehnt wird.

Se. Majestät glauben in dem Worte „Möglichkeit“ keine Anerkennung des Inhaltes der Vorschläge finden zu sollen. Es werde damit nur ausgedrückt, dass es durch die Vorschläge des böhmischen Landtages überhaupt ausführbar geworden ist, in der Ausgleichsangelegenheit auf verfassungsmäßigem Wege einen Schritt weiter zu gehen.

Der Präsident des Ministerrates proponiert die Worte „durch die Uns unterbreiteten ‚konkreten‘ Vorschläge“.

Der Finanzminister würde diese Fassung noch weiter gehend finden, welche Ansicht auch Se. Majestät teilen.

Der Handelsminister gibt zu erwägen, ob gegen die Berufung des Ah. Re|| || skripts vom Jahre 1870 in der Alinea 2 nicht von ungarischer Seite Bedenken in der Richtung erhoben werden dürften, dass die cisleithanische Regierung für sich allein nicht die Revision der Beziehungen zum Gesamtreiche zusagen könne.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, diese Berufung sei nur eine Zitation, und zwar eine wortgetreue Zitation eines historischen Faktums. Allerhöchstdieselben würden gerade in der Ausführung des Reskriptes vom Jahre 1870 einen Fortschritt erblicken.

Minister Ritter v. Grocholski glaubt, dass, wie der Entwurf nunmehr stilisiert ist, das gemeinsame Ministerium wohl keinen Anstand dagegen werde erheben können.

Se. Majestät finden dies nicht so außer Zweifel stehend. Allerhöchstdieselben haben zwar nicht die Absicht, jetzt zu entschei|| || den, glauben aber, dass in dem vorliegenden Entwurf mit anderen Worten dasselbe gesagt ist, was der Entwurf des gemeinsamen Ministeriums enthält.

Der Kultus- und Unterrichtsminister erlaubt sich zu bemerken, dass der Entwurf des gemeinsamen Ministeriums etwas zu dozierend sei und dass es in einem Moment, wo man den Böhmen einen Übergang möglich machen will, es nicht geraten schiene, die Sache zu brüskieren.

Se. apost. Majestät geruhen die Diskussion über das Reskript mit der Aufforderung an den Präsidenten des Ministerrates, den Entwurf womöglich heute noch dem gemeinsamen Ministerium mitzuteilen und mit dem Beifügen Ag. zu schließen, dass die Besprechung der einzelnen Punkte des Ausgleiches einer späteren Konferenz vorbehalten bleibt5.

II. Konzessionierung der Lemberg–Stryjer Eisenbahn - (PDF)

|| || II. ℹ️ Se. k. u. k. apost. Majestät sehen Sich veranlasst, den Allerhöchstdenselben vorliegenden au. Vortrag des Handelsministers in Betreff der Konzessionierung der Eisenbahn von Lemberg über Stryj an die Landesgrenze am Beskid und von Stryj nach Stanislau, welche bereits den Gegenstand einer Ministerkonferenz gebildet hat, nochmals zur Sprache zu bringen6. Allerhöchstdieselben seien vor längerer Zeit von verschiedenen Seiten gebeten worden, dass die Konzession für diese Bahn der Gesellschaft Borkowski & Konsorten, welche sich auf gegebene Zusicherungen beruft, verliehen werden möge.

Der Handelsminister ist der Ansicht, dass, wenn auch, was er aber nicht glaube, von einem früheren Minister Zusicherungen erteilt worden sein sollten, dies die Regierung nicht binden könne, die Konzession an eine an|| || dere Gesellschaft zu vergeben als an jene, welche das günstigste Offert macht. Das Konsortium Fürst Poniński stelle geringere Anforderungen als das Konsortium des Grafen Borkowski. Mit Rücksicht drauf habe er seinen au. Antrag gestellt, und es wäre ihm unmöglich, auf Grund des Gesetzes die Verleihung der Konzession an das Konsortium Borkowski zu befürworten.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass, wie Allerhöchstdenselben dargestellt worden ist, das Konsortium Borkowski namhafte Auslagen für Vorarbeiten gemacht haben soll und stellen die Frage, ob hieraus diesem Konsortium Entschädigungsansprüche erwachsen sind.

Minister Ritter v. Grocholski hat gehört, dass das Konsortium Borkowski, nachdem die Angelegenheit im Ministerrat entschieden || || wurde, eine Konsultation ausgezeichneter Advokaten eingeleitet hat und dieses sich dahin ausgesprochen haben, dass Graf Borkowski auf Grund der schriftlichen Aufforderungen, welche er von der gewesenen Handelsverwaltung in Händen hat, im Rechtswege die Finanzverwaltung auf Schadenersatz belangen kann. Inwiefern dieses Gutachten der Rechtsverständigen stichhältig ist, wisse er nicht.

Se. Majestät geruhen an den Finanzminister die Frage zu richten, ob ihm nicht bekannt sei, wie es sich mit den angeblichen Zusicherungen verhalte.

Der Finanzminister erklärt darüber keine Auskunft geben zu können. Graf Borkowski behaupte allerdings, Zusicherungen in den Händen zu haben; der Finanzminister habe selbe aber nicht eingesehen.

Minister Ritter v. Grocholski glaubt, dass Graf Borkowski keine Zusicherungen, wohl aber || || Aufforderungen besitzen dürfte, zu trassieren und seine Organe mit jenen des Handelsministeriums zur Ausarbeitung des Projektes zu vereinigen. Ihm scheine aber, obwohl er seinerzeit im Ministerrate entgegengesetzter Ansicht war, dass, wie die Sachen jetzt stehen, schwerlich etwas anderes zu tun sei, als die Konzession dem Konsortium Poniński zu erteilen.

Der Finanzminister ist in der Lage, einige tatsächliche Umstände zur Kenntnis zu bringen. Er sei für die Verleihung an das Konsortium Borkowski gewesen, weil ihm nicht das wohlfeilere Offert als das unbedingt bessere und für den Staat vorteilhaftere erscheint. Im Gesetze liege kein Anhaltspunkt, Borkowskis früheres Projekt auszuschließen, da der Regierung ausdrücklich das Recht der Wahl vorbehalten worden ist. Poniński habe das der Ziffer nach günstigere Offert gestellt, aber seine Konzessionsrechte bereits der allgemeinen || || österreichischen Bank abgetreten. Er habe mit großer Mühe die Kaution von einer Million Gulden bei der Zentralkassa erlegt. Vor einigen Tagen seien die Aktien der allgemeinen österreichischen Bank bedeutend (bis unter pari) geworfen worden, weil sich in der öffentlichen Meinung die Ansicht festgestellt hat, dass es gar nicht möglich sein wird, mit dem von Poniński angebotenen Betrag die Bahn zustande zu bringen.

Der Handelsminister erwidert, er gestehe, dass er von diesen Tatsachen keine Kenntnis erlangt habe, dagegen aufmerksam machen möchte, dass die im Geiste des Gesetzes beschlossene Konzessionierung des Konsortiums Poniński bei anderen Geldmächten allerdings üble Aufnahme gefunden habe. Er glaube, dass solchen allgemeinen Berichten nicht unbedingter Glauben beigelegt werden sollte. Jedenfalls seien damals, als er die || || Angelegenheit im Ministerrate vorbrachte, diese Tatsachen nicht vorhanden gewesen. Er wisse nicht, ob Poniński sich ganz zurückgezogen hat, kenne auch die heutige Lage der allgemeinen österreichischen Bank nicht genau; nach der damals angestellten Untersuchung aber musste er annehmen, dass Fürst Poniński geldkräftig genug sei. Es sei richtig, dass die Regierung nicht gebunden sei, das wohlfeilste Offert zu wählen, aber ebenso gewiss sei es, dass, wenn unter mehreren fähigen Bewerbern einer ein bedeutendes Minderanbot macht, die Konzession diesem zugeschlagen werden soll. Es sei somit strikte nach dem Gesetze vorgegangen worden, nachdem die Geldkraft des Konsortiums Poniński nicht wohl bezweifelt werden konnte.

Se. Majestät geruhen die Sitzung zu schließen7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 11. November 1871. Franz Joseph.