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Nr. 238 Ministerrat, Wien, 2. Juli 1869 – Protokoll I - (PDF)

RS. und bA.; P. Hueber; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 2. 7.), Plener, Hasner 9. 7., Potocki 8. 7., Herbst (BdE. fehlt), Brestel; abw. Giskra, Berger.

KZ. 1932 – MRZ. 77

|| || Protokoll I des zu Wien am 2. Juli 1869 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Vorschlag auf Ernennung von zwei Erzbischöfen in den diesseitigen Ländern zu Kardinälen (Tarnoczy und Wierzchleyski) - (PDF)

I. ℹ️ Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkte, dass nachdem die Zahl der Kardinäle in Österreich durch Todesfälle [] abgeschmolzen ist, es vorzugsweise [] Rücksicht auf das bevorstehende || || Konzil in Rom darauf ankommen werde, zwei Erzbischöfe aus den diesseitigen Ländern zur Ernennung zu Kardinälen bei der päpstlichen Kurie zu kandidieren, zumal in Erfahrung gebracht wurde, dass auch seitens der ungarischen Regierung die Ernennung von zwei ungarischen Erzbischöfen zu Kardinälen angestrebt werden will1.

Die Persönlichkeiten, die dabei vor allem in das Auge gefasst werden können, sind der Erzbischof von Salzburg v. Tarnóczy und der römisch-katholische Erzbischof in Lemberg Ritter v. Wierzchleyski, und unter der Voraussetzung, dass von Seite des Ministerrates gegen den Vorschlag dieser beiden Erzbischöfe nichts eingewendet wird, handle es sich zunächst um eine damit in Verbindung stehende Geldfrage. Die Taxen nämlich, welche für die Verleihung des Kardinalshutes nach Rom abgeführt werden müssen, sind beträchtlich, sie betragen 10 bis 12.000 fr. Diese Taxe kann nun der Erzbischof Wierzchleyski aus seinem reichlichen Einkommen leicht bezahlen, während der || || Erzbischof Tarnóczy aus seiner geringeren Kongrua diese Taxe zu bestreiten kaum in der Lage sein wird. Da diese Leistung aus dem Religionsfonds, weil er passiv ist, nicht bestritten werden kann, so würde es sich nur darum fragen, ob dieselbe aus Staatsmitteln bestritten werden könnte.

Der Finanzminister hielt dies, zumal dem diesseitigen Ministerium das Verfügungsrecht selbst nur über eine Quote des Dispositionsfonds nicht zusteht, nicht für möglich, weil dies nur dadurch bewirkt werden könnte, dass entweder hiefür pro 1869 ein Nachtragskredit in Anspruch genommen, oder eine Post in das nächstjährige Budget eingestellt wird, was beides aber unter den dermaligen Umständen die missliebigsten Bemerkungen hervorrufen würde.

Der Ministerpräsident meinte vor allem bezüglich der in Vorschlag gebrachten Persönlichkeiten, dass der Erzbischof Tarnóczy hiefür ein jus quaesitum habe, der Primas von Deutschland und []natus des apostolischen Stuhles || || sei und bereits die Kardinalssoutane trägt und ihm nur noch der Kardinalshut abgehe. Der Vorschlag des Lemberger Erzbischofes Wierzchleyski habe aber insoferne einen Wert, als er ein Kompliment für Galizien enthält. Was die Geldfrage betrifft, so sei es richtig, dass Tarnóczy die Kardinalstaxen zu bestreiten kaum in der Lage sein wird. Da es nun nicht rätlich sei, diese Angelegenheit vor den Reichsrat zu bringen, der Bestreitung dieser Auslage zur Gänze aus dem Dispositionsfonds der Umstand entgegensteht, dass auch von Seite der ungarischen Regierung für einen der von ihr Vorgeschlagenen dasselbe begehrt werden könnte, so handle es sich, ein Auskunftsmittel ausfindig zu machen, bei dem Tarnóczy dem Publikum gegenüber als Zahler der Taxen erscheinen muss. Nun seien aber seines Wissens auch dem Kardinal Fürst Schwarzenberg drei- oder vierjährige Raten zur Abstattung dieser Taxe von dem apostolischen Stuhle bewilligt worden2, || || es dürfte daher angezeigt sein, den Botschafter in Rom durch den Reichskanzler anzugehen, auch für Tarnóczy die Erwirkung des Zugeständnisses von mehrjährigen Raten in Rom anzustreben, und dann in der Folge bei der einen oder anderen Rate dem Tarnóczy vielleicht aus dem Dispositionsfonds beigesprungen werden könne. Da die Taxen nach Rom gezahlt werden müssen und die Regierung um Nachsicht oder Zufristung nicht betteln kann, werde es aber Sache des Tarnóczy sein, selbst die Ratenzahlung nachzusuchen und sich als Zahler der Taxe zu gerieren.

Der Kultusminister meinte, dass dann der modus procedendi der wäre, dass zuerst wegen der Geldfrage mit dem Reichskanzler das Benehmen gepflogen wird, dass dann der au. Vortrag an Se. Majestät von dem Kultusminister erstattet und nach dessen Resolvierung die Angelegenheit an den Reichskanzler wegen Anweisung des k. k. Botschafters || || zur weiteren Verhandlung geleitet wird. Mit Tarnóczy könnte auch schon dermal im vertraulichen Wege in den angedeuteten Richtungen eine Verständigung erfolgen, sobald Se. Majestät von diesem Gegenstande durch Ag. Einsicht des Ministerratsprotokolles in Ah. Kenntnis gesetzt sein werden.

Die Konferenz erklärtes sich hierauf mit dem Vorschlage der beiden genannten Erzbischöfe zur Ernennung zu Kardinälen, dann mit dem Antrage über den Vorgang in der Taxfrage bezüglich des Erzbischofes Tarnóczy einhellig einverstanden3.

II. Frage wegen Vermehrung der Truppen in Krain - (PDF)

II. ℹ️ Der Finanzminister referierte im Namen des abwesenden Ministers des Innern, dass infolge der im Ministerrate vom 27. Juni l. J. von Sr. Majestät ausgegangenen Anregung der Landespräsident in Krain aufgefordert worden sei, sich zu äußern, ob er die beantragte Vermehrung des Militärs in Krain um ein Infanterieregiment unter den dermaligen Umständen noch für notwendig halte4.

Nachdem der Finanzminister den be|| || züglichen, gestern eingelangten Bericht in extenso vorgelesen hatte, fügte er bei, dass er aus diesem Berichte die Anschauung gewonnen habe, dass v. Conrad die beantragte Maßregel noch immer für notwendig hält, dass er zwar keinen unmittelbaren Widerspruch gegen die Unterlassung der Maßregel erheben will, dass er sich aber in seiner Äußerung so gestellt hat, dass seine Verantwortlichkeit bei etwaigen künftigen Ereignissen gedeckt ist5. Da daher v. Conrad die Frage der absoluten Notwendigkeit der Truppenvermehrung in Krain zwar verneint, dieselbe aber doch für notwendig hält, so könne es sich nur darum handeln, ob man die mit der fraglichen Maßregel verbundenen Kosten und Unannehmlichkeiten in militärischer Beziehung im richtigen Verhältnisse mit der Gefahr erkennt, die man eben durch die Maßregel vermeiden will, und nachdem die Kosten des Marsches eines Regimentes || || von Kärnten oder Görz nach Krain nicht beträchtlich sind und für diese Truppen nunmehr nach Inhalt des Berichtes zusagende Unterkunft ausgemittelt wurde, nachdem weiters der dermalige Truppenstand in Krain (1.200 Mann ohne der nicht in Anrechnung zu bringenden Artilleriebespannung) nicht einmal der Hälfte der Zahl, die nach dem Präsenzstande der Armee verhältnismäßig für Krain entfällt, gleichkommt, und es in einem Lande, wo die öffentliche Ruhe stets bedroht ist, nicht rätlich erscheinen kann, den Truppenstand so weit unter das Verhältnis herabsinken zu lassen, nachdem es weiters bei der dortigen Aufregung darauf ankommt, das Vorkommen von Exzessen im vorhinein zu vermeiden, nicht aber durch nachträglichen Militärzuzug Emeuten niederzuschlagen, und nachdem bei der vorliegenden Äußerung des Landespräsidenten das Ministerium es wäre, welches bei Unterlassung der vom Landespräsidenten beantragten, aus eigener Anschauung || || für notwendig befundenen Maßregel die Verantwortung zu übernehmen hätte, was er sich unter den angedeuteten Umständen nicht getraue, so glaube er, dass Sr. Majestät der au. Antrag zu stellen wäre, die Verlegung eines Regimentes oder doch von zwei Bataillons Infanterie Ag. zu gestatten, für den Fall aber, als Se. Majestät aus überwiegenden militärischen Rücksichten diesen Antrag nicht zu genehmigen geruhen sollten, doch Ag. die weitere Belassung der nach Krain herbeigezogenen zwei Eskadronen Kavallerie gestatten zu wollen.

Der Ackerbauminister bemerkte, der Landespräsident erwähne in seinem Berichte von der Notwendigkeit der militärischen Besetzung des Strafhauses, der Kassen, des Telegrafenamtes usw. in Laibach, wornach die so zersplitterte Garnison zur anderweitigen Verwendung bei Unruhen nicht mehr hinreiche. [] ihm nun vor, dass die [] falsch ist, denn es könne || || sich ja doch nicht um die Niederwerfung einer allgemeinen Schilderhebung, einer Revolution, handeln, bei der die militärische Besetzung dieser Gebäude notwendig wäre, sondern doch nur um ein militärisches Einschreiten bei einem Krawalle handeln, wozu die vorhandene Garnison wohl zureichen dürfte.

Der Unterrichtsminister meinte, dass wohl unter allen Umständen die Sorge für die Sicherheit der öffentlichen Anstalten und Kassen die militärische Bedeckung der genannten Gebäude im Falle von Unruhen bedinge und dass, wenn an mehreren Orten zugleich Ruhestörungen vorkämen, das zur Herstellung der Ordnung erforderliche Militär in genügender Stärke nicht mehr vorhanden sein wird. Da es nun klar erscheine, dass der Landespräsident für diesen Fall die Verantwortung ablehnt, so wäre es unter diesen Umständen für das Ministerium wohl gewagt, die Verantwortung zu übernehmen, und nachdem die Kosten der Truppenverlegung nicht bedeutend sind || || und die Meinung wegen der besorgten schlechten Garnisonsorte berichtiget wurde, glaube er unter diesen Umständen, dem Antrage des Finanzministers beistimmen zu sollen.

Der Ministerpräsident bemerkte, er habe der Truppenvermehrung in Krain ursprünglich beigestimmt, weil, wenn sie im Momente nach dem Exzesse eingetreten sein würde, damit eine wirksame Demonstration verbunden gewesen wäre. Das sei nun nicht geschehen, und seit den letzten Vorfällen seien sechs Wochen verstrichen, ohne dass sich etwas gezeigt hätte, was eine Erneuerung der Unruhen absehen ließe. Der Landespräsident habe allgemein die Weisung erlassen, dass bis auf weiteres die Abhaltung von Tabors nicht bewilligt werden darf6, man braucht daher nur genügende militärische Kräfte, um zu verhindern, dass nicht bewilligte Tabors nicht dennoch zustande kommen. Dazu reiche aber der [] durch zwei Kavallerieeskadronen || || verstärkte Truppenstand aus. Die Verlegung eines Infanterieregimentes nach Krain sei vom militärischen Standpunkte nicht erwünscht, weil die Truppen weit auseinander disloziert werden müssten, wodurch die gehörige Abrichtung zumal bei der kurzen Präsenzzeit schwierig würde. Wenn der Landespräsident sage, er brauche schon den größten Teil der Laibacher Garnison zur Besetzung der öffentlichen Gebäude, so vergesse er doch, dass doch die Polizei in vorhinein von einer etwa beabsichtigten Schilderhebung in Kenntnis sein müsste und dass dann in 16 Stunden die erforderliche Militärmacht aus Graz herbeigeschafft werden kann. Überhaupt scheine es ihm auch aus politischen Rücksichten nicht wünschenswert, durch die fragliche Maßregel der Sache, die rein als ein Putsch angesehen und als ein solcher behandelt wurde, die Bedeutung einer slowenischen Frage zu geben, nachdem doch seither eine so geraume Zeit verstrichen ist, und er glaube aus allen diesen Rücksichten || || gegen die Verlegung eines Infanterieregimentes nach Krain stimmen, jedoch die fernere Belassung der zwei Kavallerieeskadronen als opportun bezeichnen zu sollen.

Der Handelsminister meinte, dass man sich den Standpunkt des Landeschefs vorhalten müsse, der doch die gehörige Umsicht haben und die gegebenen Verhältnisse zu würdigen verstehen müsse. Wenn man nun das voraussetze und bedenke, dass der Landeschef die fragliche Maßregel für notwendig erachtet und sich der Verantwortung, wenn sie unterbliebe, entschlägt, wenn man weiters in Erwägung zieht, dass die Stimmung im Lande noch keineswegs eine solche ist, dass man darüber beruhigt sein könnte, dass keine Ruhestörung mehr vorkommen wird, da abgesehen von den Attentaten auf Offiziere selbst in der Stadt Laibach kleinere Exzesse selbst in neuester Zeit sich er[], das Bewerfen von Eisenbahn[] mit Steinen, da weiters nicht || || zu leugnen ist, dass unter solchen Zuständen die Friedfertigen leiden und zu deren Schutz doch etwas geschehen sollte, und da endlich die fragliche Maßregel so geringe und maßvoll ist, dass sie nicht zur Bedeutung einer Demonstration hinaufgeschraubt werden könnte, so glaube er, nur dem Antrage des Finanzministers beistimmen zu können.

Der Finanzminister fügte noch bei, dass es ihm den Anschein mache, als wenn militärischerseits auf die Zurückziehung der zwei Eskadronen Husaren, die sie schon wiederholt in Anspruch nahmen, ein höheres Gewicht gelegt werde, als auf die Möglichkeit der Unterlassung der Verlegung eines Infanterieregimentes nach Krain. Die Bemerkung wegen der Erschwerung der Abrichtung erscheine ihm auch weit zutreffender bezüglich der Kavallerie. Dies seien aber nur Rücksichten zweiter Ordnung, bei den großen Kosten, die das Militär erfordert, könne man doch begehren, dass es, wenn es darauf ankommt, zur Erhaltung || || der öffentlichen Sicherheit verwendet wird. Im Lande sei unstreitig noch große Gärung vorhanden, und wenn die Truppen erst dann ins Land versetzt werden würden, wenn dennoch verbotene Tabors gehalten würden, müsste dies Aufregung bewirken, während diese Truppenverlegung jetzt in einem relativ ruhigen Momente als eine regelmäßig erfolgende Disposition angesehen werden wird. Er lege überhaupt viel mehr Wert auf den moralischen Eindruck der Hintanhaltung von Exzessen als auf jenen der Repression. Erwähnen wolle er noch, dass unlängst auch der Finanzlandesdirektor, der doch ein Krainer ist, mit Steinen beworfen wurde.

Der Justizminister meinte, dass man die Beurteilung, ob die gegen die Maßregel sprechenden militärischen Rücksichten überwiegend sind, dem Ah. Ermessen Sr. Majestät überlassen []. Nachdem jedoch der Finanzminister [] hatte, dass wohl die Verfügung || || Sr. Majestät zustehe, dass das Ministerium jedoch eine Antrag stellen müsse, weil es sonst verantwortlich bleibt, so bemerkte der Justizminister, dass, nachdem Se. Majestät Ag. zugegeben habe, dass der Landeschef nochmals in der Sache befragt werde, man bei der vorliegenden Äußerung gar nicht anders könne, als seinen Antrag zu unterstützen.

Der Ministerpräsident brachte hierauf den Antrag des Finanzministers zur Abstimmung, welcher mit vier gegen zwei Stimmen (nämlich gegen jene des Ministerpräsidenten und des Ackerbauministers) zum Beschlusse erhoben wurde7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 29. Juli 1869. Franz Joseph.