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Nr. 63 Ministerrat, Wien, 25. Mai 1868 - (PDF)

RS. fehlt; Ansprache des Kaisers an den Ministerrat (Kanzleischrift) in Hhsta., Kab. Kanzlei, Direktionsakten, Fasz. 5/1868; Teildruck: Fellner, Kaiser Franz Joseph und das Parlament, 314; Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung Hhsta., Kab. Kanzlei, Protokoll 1868.

P. Hueber; VS. Kaiser; anw. Taaffe, Plener, Hasner, Potocki, Giskra, Herbst, Brestel, Berger; abw. Auersperg.

KZ. 1374 – MRZ. 63

Zu [I. Sanktionierung der drei konfessionellen Gesetze - (PDF)

Zu [I.] ℹ️ Hhsta., Kab. Kanzlei, Direktionsakten, Fasz. 5/1868 a : Die durch die Beschlüsse beider Häuser des Reichsrates festgestellten Entwürfe des Ehe-, Schul- und interkonfessionellen Gesetzes1 sind Mir nunmehr von Meinem Ministerrate mit dem Antrage auf Sanktionierung vorgelegt worden2. Indem Ich den für Staat und Kirche so wichtigen Schritt durch Erteilung der erbetenen Sanktionierung unternehme und hiedurch den Entwürfen Gesetzeskraft verleihe, erwächst für Mich, dem die Sorge für die Wohlfahrt des Reiches vor allem am Herzen liegt, die gebieterische Regentenpflicht, keinen Zweifel darüber entstehen zu lassen, unter welchen Voraussetzungen und von welchen Grundgedanken geleitet, Ich den wichtigen Staatsakt der Sanktionierung vollzogen habe.

Fest entschlossen, die Staatsgrundgesetze, auf welchen die neue Ordnung der Dinge beruht, offen und aufrichtig in Ausführung zu bringen, zähle Ich mit Sicherheit und Zuversicht darauf, dass in deren Bestimmungen auf religiösem und kirchlichem Gebiete3 nicht noch weitergehende Berechtigung zu Folgerungen gesucht und gefunden werde, die mit den Geboten der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit und der Freiheit in offenem Widerspruch stehen. Durch die Sanktionierung dieser drei Gesetze sind auf diesem Gebiet der Gesetzgebung neue Zustände geschaffen worden4, welche aber nur dann eine dauernde Festigkeit gewinnen, wenn nicht mehr weiter an denselben gerüttelt wird, daher namentlich jenen bedauerlichen Bestrebungen wirksame Schranken gezogen werden müssen, welche dahin gerichtet sind, die Hauptstützen der Gesellschaft zu untergraben. Ich erwarte mit Zuversicht, dass sich die einzelnen Bestimmungen der vorliegenden Gesetze unter einer patriotischen, gewissenhaften und energischen Leitung zu festen Elementen und kräftigen Mitteln der Versöhnung, Eintracht und tätigen Zusammenwirkens aller sozialen Kräfte für das öffentliche Wohl gestalten werden. Ich erwarte daher, dass die Auslegung, Anwendung und Durchführung der bezüglichen Beschlüsse im Wege der Administration jene Befürchtungen entkräften werden, welche deren Textierung herbeizurufen geeignet ist5, und mehr und mehr der Beweis geliefert werde, dass dieselben der notwendig gewordenen Reform des Verfassungslebens einzig und allein ihre Entstehung verdanken. Was insbesondere die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Schule anbelangt, so rechne Ich auf die Einhaltung der ausdrücklich gegebenen Zusicherung, dass durch die neuen Gesetzesbestimmungen weder die religiöse Freiheit, noch das Recht jeder Kirche auf selbstständige Wahrung und Verfolgung ihrer eigentümlichen kirchlichen Interessen angetastet, noch der religiöse Sinn der Bevölkerung gefährdet werde6. Während jetzt noch im Ehegesetze eine große Anzahl gläubiger Katholiken nur ein Zurückgehen auf Verhältnisse erblickt, welche bis zu den ersten Jahren Meiner Regierung legal bestanden haben7, müsste bei einem weiteren schrankenlosen Fortschreiten die Gefahr eines ernsten Konfliktes als unausweichlich erscheinen. Zu einem Bruche mit der Kirche werde Ich nimmermehr die Hand bieten, dessen dürfen Sie sich ebenso für versichert halten als Ich niemals des Glaubens sein könnte, dass Sie die Verantwortung für die unabsehbaren Folgen auf sich nehmen möchten und könnten, die ein solcher für die Monarchie nach sich ziehen müsste. Ich bedarf endlich sicherer Bürgschaft dafür, dass die gesetzlichen Bestimmungen, welche zum Schutze aller anerkannten Konfessionen bestehen, der katholischen Kirche gegenüber in strengerem Maße, als dies bisher geschehen, – Ich brauche nur auf den ungeahndet gebliebenen, alles Maß überschreitenden Missbrauch der Pressfreiheit8 zu verweisen – zum Vollzuge kommen und den Zuwiderhandelnden die volle Strenge des Gesetzes treffe.

Unter dem Schutze der Verfassung und einer starken und gerechten Regierung sollen sich alle Konfessionen so ungehindert bewegen und frei entwickeln können, wie ihnen dieses nunmehr gewährleistet ist, diese Freiheit ermöglicht den Aufschwung ihrer Kräfte und verbürgt die gegenseitige Achtung ihrer Rechte, ohne welche das konstitutionelle Leben, in welches wir getreten, unmöglich gedeihen kann. Keine Anstrengung wird Mir zu groß erscheinen, um diesen auf kirchlicher Freiheit fußenden Rechtszustand herzustellen und zu erhalten. Wir bedürfen des Friedens ebenso dringend im Innern wie nach Außen, damit die Neugestaltungen Wurzel schlagen und sich zu den gehofften segensreichen Wirkungen entfalten können.

Wien, den 25. Mai 18689.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 14. Juni 1868. [Franz Joseph].