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Nr. 7 Ministerrat, Wien, 15. Jänner 1868 - (PDF)

RS. fehlt; Abschrift von Tagesordnungspunkt II, Ava., Nachlass Alexy, Kt. 2 . Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung: Hhsta., Kab. Kanzlei, Protokoll 1868.

P. Hueber; VS. Kaiser; anw. Auersperg, Taaffe, Plener, Hasner, Potocki, Giskra, Herbst, Brestel, Berger.

KZ. 55 – MRZ. 7

I. Über die Form der Publikation der Ah. Regierungsakte Sr. Majestät - (PDF)

[I. fehlt]

II. Änderungen in den Eidesformeln der Staatsbeamten - (PDF)

II. ℹ️ Se. k. k. apost. Majestät geruhten bezüglich der im Ministerrate vom 8. l. M. in Beratung genommenen Frage wegen Modifikation der Eidesformeln für Staatsbeamte1 die Aufklärung abzuverlangen, inwieferne das Vereinsgesetz vom 15. November 18672 die Eliminierung der bisher bestandenen Klausel wegen der Nichtteilnahme an geheimen Gesellschaften bedinge. Se. Majestät geruhten dabei der Ah. Überzeugung Ausdruck zu geben, dass wenn diese Klausel bisher nicht bestanden hätte, es niemandem einfallen würde, dieselbe jetzt einführen zu wollen, dass aber jetzt bei dem Wegfall derselben immerhin zu besorgen stünde, dass die Beamten darin das Befugnis erkennen könnten, dass es ihnen nunmehr freistehe geheimen Gesellschaften anzugehören. Jedenfalls, erachteten Se. Majestät, müsste die Teilnahme an ausländischen geheimen Gesellschaften den Staatsbeamten verwehrt werden, weil sonst in Österreich, das so viele Nationalitäten in sich vereint, das Hereingreifen der Agitation von außen wesentlich befördert würde.

Der Minister des Innern erteilte die Ah. abverlangte Auskunft damit, dass das Vereinsgesetz vom 15. November 1867 den Begriff einer geheimen Gesellschaft nicht mehr kenne. Nach den Vereinsgesetze könne es nur erlaubte und nicht erlaubte Vereine geben; die beabsichtigte Bildung eines Vereines muss, bevor derselbe in Wirksamkeit tritt, der politischen Landesstelle schriftlich unter Vorlage der Statuten angezeigt werden; wenn der Verein nach seinem Zwecke oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig oder staatsgefährlich ist, kann die Landesstelle dessen Bildung binnen vier Wochen nach Überreichung der Anzeige untersagen; erfolgt binnen dieser Frist keine Untersagung, so kann der Verein seine Tätigkeit beginnen. Anknüpfend an die Tatsache, dass das Vereinsgesetz den Begriff einer geheimen Gesellschaft nicht mehr kennt, sei auch die Beeidigung der Staatsbeamten auf die fragliche Klausel gegenstandslos geworden. Der Ministerrat habe diesen theoretischen Gesichtspunkt im Auge behalten, und erachtet, dass man bei neuen Eiden eine Bestimmung, die mit der gegenwärtigen Gesetzgebung nicht mehr im Einklange steht, nicht beibehalten könne, dass aber auch eine Entbindung der Beamten, welche diese Klausel beschworen haben, nicht nötig sei, weil dieselbe mit der Wirksamkeit des Vereinsgesetzes ipso facto geschehen sei. Geheime und erlaubte Gesellschaften seien formale Begriffe, die materielle Seite liege im politischen Momente einer Gesellschaft. Wenn nun auch die Gestattung, einer geheimen Gesellschaft, welche nur wohltätige Zwecke verfolge, wie z.B. die Freimaurer, anzugehören, für das öffentliche Wohl keinen Nachteil brächte, so wären doch die gewichtigen Bedenken nicht zu verkennen, welche die Gestattung der Teilnahme an ausländischen politischen Vereinen an Staatsbeamte im Gefolge haben könnten. Eine Beschränkung in dieser Richtung schien dem Minister des Innern notwendig.

Der Minister für Kultus und Unterricht erläuterte die Bedenken gegen die Gestattung der Teilnahme an Vereinen im Auslande im Näheren damit, dass auch solche Vereine, welche lediglich die Verfolgung humanitärer Zwecke als ihre Devise hinstellen, in ihren Auswüchsen durch das verkappte Verfolgen politischer Tendenzen dem internen öffentlichen Wohle großen Nachteil bereiten können.

Der Justizminister bemerkte, dass der Ministerrat im Hinblick auf die durch das Vereinsgesetz aufgestellten Bestimmungen, wonach man nur mehr erlaubte und unerlaubte, aber keine geheimen Vereine mehr kenne, umso mehr sich gegen die Beibehaltung der fraglichen gegenstandslos gewordenen Klausel sich aussprechen zu sollen, erachtet habe, als ja auch von den Staatsbeamten nicht gefordert wird, zu beschwören, andere verbotene Handlungen nicht vornehmen zu wollen. Wenn man aber den Staatsbeamten die Teilnahme an Gesellschaften im Auslande verwehren wolle, dürfte dies übrigens einer genauen Erwägung zu unterziehen und das Hauptgewicht nicht auf den geheimen, sondern vielmehr auf den politischen und unerlaubten Charakter solcher Gesellschaften zu legen, weiters aber auch das Verbot der Nichtteilnahme nicht unbedingt hinzustellen, sondern der Vorbehalt der Zustimmung von Seite der Vorgesetzten zu machen sein.

Der Minister Dr. Berger rekapitulierte seine im Ministerrate vom 8. l. M. abgegebenen Bemerkungen über den strafrechtlichen Ursprung dieser Klausel aus dem Strafgesetze vom Jahre 18033 und 18524 und meinte, dass, da man nur den Widerstreit gegen staatliche Zwecke den Beamten verwehren sollte, die Aufnahme einer Bestimmung in der Eidesformel der Beamten „ausländischen politischen Vereinen nicht anzugehören“, zu weitgehend wäre, und dass die zutreffende Cinosur für eine solche Bestimmung im § 26 ABGB. gelegen wäre, wo es heißt „Unerlaubte Gesellschaften sind diejenigen, welche durch die politischen Gesetze insbesondere verboten werden, oder offenbar der Sicherheit, öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten.“

Der Minister Edler v. Plener teilte die Ansicht der Vorstimme. Der Ministerpräsidentensstellvertreter war gleichfalls der Ansicht, dass diese Klausel, soweit sie sich auf inländische Vereine bezieht, durch das Vereinsgesetz gegenstandslos geworden sei, und dass der Begriff von geheimen Gesellschaften, die, wenn sie existierten, verbrecherische Gesellschaften wären, abhanden gewonnen sei.

Es schien sohin aber der Begriff einer unerlaubten Gesellschaft im Sinne des Votums des Ministers Dr. Berger bei der fraglichen Bestimmung zu prekär. Der Monarch könne von den Staatsbeamten verlangen, mit politischen Vereinen im Auslande überhaupt sich in keine Verbindung einzulassen. Die Beschränkung im Auslande nicht geheimen Gesellschaften nicht anzugehören, wäre für den Schutz des inneren Wohles nicht ausreichend, denn z.B. in Russland könnte man dann unter den Augen der Regierung gegen Österreich agitieren. Graf Taaffe proponierte sohin an die Stelle der zu eliminierenden fraglichen Klausel zu setzen: „Auch werden Sie schwören, dass Sie einer ausländischen, politische Zwecke verfolgenden, Gesellschaft weder gegenwärtig angehören, noch einer solchen Gesellschaft in Zukunft angehören werden.“

Diesem speziellen Antrage stimmten auch die übrigen Konferenzmitglieder und auch der Ministerpräsident bei, worauf Se. Majestät Ah. zu erklären geruhten, den fraglichen Gegenstand über einen vom Ministerpräsidenten zu erstattenden, auch die übrigen im Ministerrate vom 8. l. M. rücksichtlich der Abänderung der Amts- um Diensteide in Durchführung der Grundgesetze über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt (Art. 13)5 und über die richterliche Gewalt (Art. 8)6 beschlossenen Bestimmungen enthaltenden au. Vortrag die Ah. Resolution im Sinne des vorne formulierten Antrages treffen zu wollen7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. [Ort und Datum fehlen.] [Franz Joseph].