Nr. 16 Ministerrat, Wien, 29. März 1867
RS.Reinschrift fehlt; Abschrift, Ava., Ministerratsprotokolle, Karton 33 (Abschriften Prof. Redlich ); Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung: Hhsta., Kabinettskanzlei, Protokoll 1867 .
P.Protokoll Meyer; VS.Vorsitz Beust; anw.anwesend Komers, Wüllerstorff, John, Becke, Taaffe.
Teildruck (Punkte III, IV, VI, VII): Walter, Zentralverwaltung 3/4, Nr. 51 .
- I. Landmarschallsstelle in Böhmen und Mähren.
- II. Vorschlag zur Ernennung von zwei geheimen Räten aus Böhmen.
- III. Kroatische Frage.
- IV. Reform des politischen Organismus.
- V. Ungarische Eisenbahnen.
- VI. Vorlagen zum Reichsrate.
- VII. Tag der Einberufung des Reichsrates.
Ministerratsprotokoll vom 29. März 1867 unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Freiherrn v. Beust.
I. Landmarschallsstelle in Böhmen und Mähren
###I. Der Ministerpräsident Baron v. Beust brachte die Frage in Anregung, welche Persönlichkeit Sr. Majestät für die Würde eines Landmarschalls in Böhmen 1 in Vorschlag gebracht werden solle2.
Alle Mitglieder waren darüber einverstanden, dass, wenn Fürst Carlos Auersperg die Wahl annehme, keine geeignetere und würdigere Persönlichkeit hiefür vorhanden sei3. Es wurde beschlossen, den Statthalter, Freiherrn v. Kellersperg 4, telegrafisch anzuweisen, sich hierüber mit dem Fürsten ins Einvernehmen zu setzen und ebenfalls telegrafisch über das Resultat der Unterredung Bericht zu erstatten.
Falls eine Ablehnung erfolgen sollte, glaubte man sodann auf die Person des Grafen Hartig reflektieren zu sollen5.
Für Mähren war man allgemein einverstanden, den früheren Landeshauptmann Graf Dubský wieder in Vorschlag bringen zu sollen6.
II. Vorschlag zur Ernennung von zwei geheimen Räten aus Böhmen
II. Graf Taaffe brachte zur Kenntnis, dass der Statthalter von Böhmen, Freiherr v. Kellersperg, eindringlich die Verleihung der geheimen Ratswürde an den Grafen Ernst Waldstein, k. k. Kämmerer und Major in der Armee, in Vorschlag gebracht habe.
Man war hierüber allgemein einverstanden, und der Minister des Innern übernahm es, diesfalls einen au. Antrag Sr. Majestät zu unterbreiten.
Bei diesem Anlasse wurde auch auf die Verdienste des Altgrafen Franz Salm aufmerksam [gemacht], welche er durch Unterstützung der Regierung in ihren Finanzoperationen sich erworben habe. Der Finanzminister Freiherr v. Becke übernahm es, die Frage wegen Verleihung der geheimen Ratswürde für denselben bei dem Ministerium des Innern in Anregung zu bringen7.
III. Kroatische Frage
III. Der Ministerpräsident Baron v. Beust bemerkte, dass er übermorgen abends nach Pest an das Ah. Hoflager8 sich begeben werde, wo die kroatische Frage in Verhandlung zu kommen habe9. Er stellte die Anfrage, ob der eine oder andere der Herren Minister besondere Wünsche diesfalls zu eröffnen habe.
Der Kriegsminister Freiherr v. John empfahl dringend, dass das Verhältnis der Militärgrenze außer Berührung gelassen werde; das ungarische Ministerium habe diesfalls noch keine klare Stellung eingenommen, und es sei leicht möglich, dass es diesfalls in eine Richtung gedrängt werde, welche dem Interesse der Gesamtmonarchie zuwiderlaufe10.
Es kamen hiebei auch die Verhältnisse Bosniens zur Sprache, wo die Tendenz Serbiens dahin gehe, die Verwaltung dieses Landes von der türkischen Regierung gleichsam in Pacht zu nehmen, um so den Übergang zu finden, dieses Land sich später zu inkorporieren. Allgemein wurde die Ansicht geteilt, dass einem solchen Plan hierseits entgegengewirkt werden müsse11.
IV. Reform des politischen Organismus
IV. Graf Taaffe , der Minister des Innern, bringt der Versammlung zur Kenntnis einen für das Abendblatt der Wiener Zeitung bestimmten Artikel, in welchem ausführlich der Standpunkt auseinandergesetzt wird, von welchem aus die frühere Regierung die im Zuge befindliche Reform der politischen Verwaltung in Angriff genommen habe12. Graf Taaffe bemerkte, mit Stillschweigen könne die Regierung diese Frage nicht übergehen, und noch weniger halte er es für rätlich, mit der Reform fortzufahren, ohne in irgendeiner passenden Form die Frage im Reichsrate zur Sprache gebracht zu haben. Es sei wohl zu bedenken, dass das Verlangen nach Behandlung derselben im Reichsrate von der verfassungsgetreuen Partei ausging und dass es unklug wäre, sich mit dieser wegen dieser Angelegenheit zu überwerfen. Dem Artikel liege nur die Absicht zu Grunde, die Sache vorderhand auf das Feld der öffentlichen Diskussion zu bringen; je nach Gestaltung derselben könne man dann zu einem Vorgehen sich entschließen.
Der Justizminister Ritter v. Komers sprach sich für die Vorlage eines diesbezüglichen Gesetzentwurfes an den Reichsrat aus, welcher aber von jedem Detail sich fern zu halten und nur in großen Umrissen die Grundzüge des künftigen politischen Organismus zu enthalten hätte. Für die Justizorganisation habe er bereits den Entwurf einer solchen Regierungsvorlage ausarbeiten lassen13.
Der Finanzminister Freiherr v. Becke vermochte nicht sein Bedenken gegen eine solche Regierungsvorlage zu unterdrücken. Es werde damit die Kompetenz des Reichsrates in einer Sache anerkannt, die lediglich Gegenstand der Exekutive sei. Wenn die Regierung inner der Schranken des Budgets sich bewege, so sei es lediglich ihre Sache, zu erwägen, ob sie für den Verwaltungsdienst mehr oder weniger Bezirksämter oder Steuerämter in einem Kronlande bedürfe, ob sie mehr oder weniger Beamte bei einem solche Amt brauche, ob sie den Beamten diesen oder jenen Namen gebe, diese oder jene Besoldung zumesse. Die Trennung der Justiz von der politischen Verwaltung sei gesetzlich ausgesprochen14; die Vollziehung dieser Trennung inner des Rahmens der für beide Verwaltungszweige bewilligten Summen, könne nur Sache der Regierung und nicht des Gesetzgebers sein. Da zudem in dem Wirkungskreise der politischen Behörden keine Änderung eintrete, so vermöge er nämlich nicht einzusehen, unter welchem Titel, ohne Preisgebung unbestreitbarer Rechte der Regierungsgewalt, ein solcher Gegenstand vor das Forum des Gesetzgebers gezogen werden könne. Gegen die Publikation des Zeitungsartikels wolle er übrigens keine Einwendung erheben15.
V. Ungarische Eisenbahnen
V. Freiherr v. Wüllerstorff machte darauf aufmerksam, dass das ungarische Ministerium damit umgehe, für den Bau dortiger Eisenbahnen eine Anleihe in Paris oder London aufzunehmen. Es scheine demnach, dass das ungarische Ministerium in Eisenbahnangelegenheiten selbständig vorgehen wolle, während es im Interesse der Gesamtmonarchie liege, dass in der Anlage der Eisenbahnen, selbst der Landesbahnen, nach einem allgemeinen Plane, auf Grundlage eines Eisenbahnnetzes, vorgegangen werde16.
Über diese Anregung machte sich jedoch die Ansicht geltend, dass, wenn das ungarische Ministerium mit Mitteln des Landes Verkehrsbahnen im Innern des Landes bauen wolle, eine Einmischung kaum sich rechtfertigen ließe. Die Anlage von inneren Verkehrsbahnen werde übrigens auf die Anlage allgemeiner Verkehrsbahnen keinen hemmenden Einfluss ausüben, sondern dieselbe vielmehr befördern17.
VI. Vorlagen zum Reichsrate
VI. Der Ministerpräsident Baron v. Beust bemerkte, dass die Beratung der Vorlagen an den Reichsrat zu einem Stadium gelangt sei, welches die betreffenden Gesetzesentwürfe als reif zur Vorlage und Beratung erscheinen lasse18.
Vor allem aber wäre auf den Reichsrat zu wirken, dass die Wahl der Mitglieder der Deputation, die sich mit der ungarischen Deputation über Feststellung der gemeinsamen Angelegenheiten ins Einvernehmen zu setzen habe, beförderlich vorgenommen werde. Dadurch allein werde es ermöglichet werden, dass man noch vor der Krönung, was außerordentlich zu wünschen sei, sich diesfalls mit den Ungarn auseinandersetze19.
VII. Tag der Einberufung des Reichsrates
VII. Ohne bereits jetzt schon einen definitiven Beschluss zu fassen, einigte man sich in der Ansicht, dass die Einberufung des Reichsrates auf den 4. Mai ein geeigneter Zeitpunkt wäre20.
Wien, 29. März 1867.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. 15. April 1867.