Gemeinsamer Ministerrat, 28. 10. 1917
I. Erledigung einiger dringender Anforderungen der Heeresverwaltung
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z31.pdf.
II. Feststellung eines Wirtschaftsplanes über die Getreide- und Futtermittel-Versorgung
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z31.pdf#page=5.
Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt, vom ungarischen Minister für Volksernährung Graf Hadik mit folgender Bemerkung: »Unterfertige mit dem Bemerken, daß meine Äußerungen im Protokoll so kurz aufgenommen wurden, daß einzelne wichtige Bemerkungen zur Gänze ausgeblieben sind.« In der linken oberen Ecke dieses Blattes mit Bleistift geschrieben das Handzeichen des Herrschers: »gelesen K[arl]«. In der rechten Ecke ebenfalls mit Bleistift geschrieben: »fertig«. In der Rubrik Tagesordnung wurde neben die Punkte 9--14 mit Bleistift geschrieben: »nicht besprochene Punkte«. -- Am Ende dieser Rubrik einige, mit Bleistift geschrie¬ bene Wörter über die Hinterlegung des Protokolls im Archiv. -- Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Laxenburg, am 30. November 1917.« Unter dem Text rechts die Unterschrift Czernins, am unteren Rand des Blattes links die des Protokollführers Wildner. -- Ebd. das handschriftliche Konzept des Protokolls. Unten die Unterschrift Wildners. Am Rubrum das Handzeichen Czernins. 31. Budapest, 28. Oktober 1917 Debatte über die Kriegsmaterialproduktion. Beschleunigung der Bestellungen und die in der Verfassung der Monarchie wurzelnden Schwierigkeiten. Das Problem der Aluminiumfabrik und einige militärische Finanzfragen. Die Rolle der ungarischen und der österreichischen Landwirtschaft in der Lebensmittelversorgung der Bevöl¬ kerung der Monarchie. Zum behandelten Material siehe in Fragen der Kriegsmaterialbeschaffung den Kommentar zum Protokoll vom 24. Februar 1917, in Verbindung mit der Lebens¬ mittelversorgung den Kommentar zum Protokoll vom 29. Juni 1917. Protokoll des zu Budapest am 28. Oktober 1917 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des kgl. ung. Ministerpräsidenten Dr. Wekerle. K.Z. - G.M.K.P.Z. 542. Gegenwärtige: Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister Baron B u r i ä n, der k.u.k. Kriegsminister G.d.I. von Stöger-Steiner, der kgl. ung. Handels¬ minister Graf S e r e n y i, der kgl. ung. Ackerbauminister M e z ö s s y, der kgl. ung. Minister für Volksernährung Graf Hadik, der k.k. Minister v. Sei¬ ten des Volksernährungsamtes GM. H ö f e r, der k.k. Finanzminister Dr. Frei¬ herr von Wimmer, der k.k. Handelsminister Dr. Freiherr v. W i e s e r, der k.k. Ackerbauminister Graf Silva-Tarouca, der k.k. Minister für öffentliche Arbeiten Dr. von Homann, der k.k. Generalkommissär für Kriegs- und Übergangswirtschaft Sektions-Chef Riedl, der Vorsitzende des gemeinsamen Ernährungsausschusses Gm. von Landwehr, der Vertreter des k.u.k. Armee- Ober-Kommandos Oberst des Generalstabs-Korps von Z e y n e k. Schriftführer: Generalkonsul von Joannovics. 6oo <pb/> Gegenstände: 1. Erledigung einiger dringender Anforderungen der Heeres¬ verwaltung. 2. Feststellung eines Wirtschaftsplanes über die Getreide- und Futter¬ mittel-Versorgung. In Vertretung des dienstlich verhinderten k.u.k. Ministers des Äussern übernimmt der kgl. ung. Ministerpräsident den Vorsitz und eröffnet die Sitzung um 4 Uhr nachmittags. 1. Erledigung einiger dringender Anforderungen der Heeresverwaltung. a) Erstreckung des Präklusivtermins für langfristige Lieferungen bis Ende Juni 1918 und darüber hinaus. Der k.u.k. Kriegsminister ergreift das Wort zu nachstehenden Aus¬ führungen : In dem am 24. Februar 1917 stattgehabtengemeinsamen Ministerrate sei in der Frage der Sicherstellung des Munitions- und Geschützbedarfes der Beschluss gefasst worden, dass unter den damals bestandenen Verhältnissen Bestellungenüber das Jahr 1917 hinaus nicht erfolgen dürfen. In sinngemässer Anwendung dieses Beschlusses habe das k.u.k. Kriegsministe¬ rium diese zeitliche Beschränkung auch auf die anderen Materialbestellungen ange¬ wendet. Die Frage der Artilleriematerialbestellungen über das Jahr 1917 hinaus, und zwar für das erste Halbjahr 1918 sei im gemeinsamen Ministerrate vom 2. und 5. Juli 1917 erledigt worden, jene der Munitionsbestellungen für den gleichen Zeit¬ raum harre noch der Zustimmung des kgl. ung. Ministerpräsidenten. Infolge der fortgeschrittenen Zeit und mit Rücksicht auf die den grösseren son¬ stigen Kriegsmaterialbestellungen notwendigerweise vorangehenden zeitraubenden Arbeiten und um die Kontinuität der Lieferungen angesichts des dermalen noch nicht absehbaren Kriegsendes zu wahren, lasse sich der Präklusivtermin Ende 1917 nicht mehr einhalten, weshalb Bestellungen von Kriegsmaterial auch darüber hinaus bewirkt werden mussten. Hievon sei mit Note Abt. 15/B., Nr. 5058 vom 6. l.M. dem k.u.k. Minister des Äussern, dem k.k. Ministerpräsidenten und dem kgl. ung. Ministerpräsidenten Mitteilung gemacht worden mit dem Beifügen, dass beim nächsten gemeinsamen Ministerrate auf diese Frage noch zurückzukommen sein werde. Im Hinblick auf die Verantwortung für die stete Erhaltung der Schlagfertigkeit der Armee und mit Rücksicht darauf, dass der Bedarf an Kriegsmaterial für die Armee im Felde eine unabweisliche Notwendigkeit darstelle, ein Versäumnis ganz kurzer Zeit und eine noch so kurze Lücke in der Kontinuität der Lieferun¬ gen katastrophale Folgen nach sich ziehen könne, ferner in Anbetracht dessen, dass die Einholung der Zustimmungen der Regierungen immerhin einige Zeit er¬ fordere, schlägt der k.u.k. Kriegsminister vor, dass der Präklusivtermin für Bestellungen vorläufig mit Ende Juni 1918 festgesetzt werde und sich bei gleichbleibenden Verhältnissen und mit der fortschreitenden Zeit automa¬ tisch nach Ablauf eines Monates immer um einen Monat verlängere. 6or <pb/> Redner ist gerne bereit, zu versichern, dass nichts anderes als der unabweisliche Kriegsbedarf bestellt werden soll, dass durch etwaige programmässige Bestellungen in keiner Weise den Beschlüssen der Regierungen über das Friedensprogramm vor¬ gegriffen werde und dass Vorkehrungen getroffen werden, damit für den Fall eines früher eintretenden Friedensschlusses langfristige Lieferungen nicht verbleiben. Sollte der Ministerrat beschliessen, dass für bestimmte Lieferungen dennoch die Zustimmung der Regierungen einzuholen sei, dann müsse allerdings die Bitte gestellt werden, für die Einholung der Bewilligungen eine Form zu bestimmen, die die rascheste Erledigung unter allen Umständen gewährleiste und den Kriegs¬ minister nicht zwinge, zwar gegen den Beschluss des Ministerrates, jedoch als verantwortlicher Kriegsminister selbständig vorzugehen. Der k.u.k. Kriegsminister schliesst noch die Bitte an, ob es nicht möglich wäre, dass die Frage der Zustimmung von den hohen Regierungen gegenseitig und untereinander bereinigt werde, weil die Zustimmung einer Regierung vorbehalt¬ lich der Zustimmung der anderen ihm noch immer die Hände binde, solange die Bewilligung beider Regierungen nicht eingelangt sei. Der Vorsitzende erklärt namens der kgl. ungarischen Regierung der Erstreckung des Präklusivtermins bis Ende Juni 1918 zuzustimmen. Der k.k. Finanzminister stimmt innerhalb des in der oben bezogenen Note des k.u.k. Kriegsministers angegebenen Erfordernisses mit dem Beifügen zu, dass bezüglich der anderen Bestellungen der frühere Beschluss des gemeinsamen Ministerrates auch weiterhin bestehe, dass neue Bestellungen ohne vorherige Zustimmung der beiden Regierungen nicht erfolgen können. Über den Antrag einer automatischen Verlängerung des Präklusivtermins von Monat zu Monat wäre noch zu entscheiden. Der k.u.k. Kriegsminister erklärt sich mit der Verlängerung des Prä¬ klusivtermines bis Ende Juni 1918 befriedigt. Sollten sich Bestellungen ergeben, die erst nach Juni 1918 durchgeführt werden können, so werde er sich mit den Regierungen ins Einvernehmen setzen. Dem Ersuchen des k.u.k. Kriegsministers um Beschleunigung des Vorgehens bei Erteilung der Zustimmung der Regierungen beantragt der V orsitzende in der Weise Rechnung zu tragen, dass die bezüglichen Mitteilungen des k.u.k. Kriegsministers direkt an die zur Entscheidung berufenen beiden Finanzmi¬ nister zu ergehen hätten, damit die Entscheidung durch den Dienstgang nicht verzögert werde. Diesem Anträge wird zugestimmt. Der k.k. Finanzminister bringt noch die Frage zur Sprache, ob das in Bestellung gegebene Material im Falle eines früheren Friedensschlusses auszu¬ arbeiten oder die Bestellungen zu stornieren sein werden. Diese Frage sei für die beiden Finanzministerien von wesentlicher Bedeutung, wenn viel Material in Arbeit sein sollte, welches in einem Friedensprogramm nicht begründet wäre. Es müsste den beiden Regierungen die Möglichkeit geboten sein, darüber zu entschei¬ den, ob das Material weiter verarbeitet oder zu anderweitigen wirtschaftlichen Zwecken verwendet werden soll. Dies könnte durch Beteiligung der Ressort- Ministerien an den militärischen Commissionen erzielt werden. 602 <pb/> Der k.u.k. Kriegsminister zweifelt daran, dass es den Ressort-Mini¬ sterien möglich sein werde, sich an den militärischen Kommissionen zu beteihgen, weil die Arbeiten an mehr als 3000 Anstalten und Unternehmungen vergeben seien. Der k.k. Genera Ikommissär für Kriegs- und Über¬ gangswirtschaft bemerkt hiezu, dass es sich um gewisse ganz bestimmte Erzeugungen handle, bei welchen es möglich sein musste, durch Heranziehung der Eisen-Commission und der Industrien selbst festzustellen, in welchem Stadium sich das in Arbeit befindliche Material rationell noch zu anderen Zwecken verar¬ beiten lasse, als zu Munition. In dieser Commission könnten die beiden Regierun¬ gen jedenfalls Einfluss nehmen. Diese Frage sei nicht bloss finanziell, sondern wegen des Rohstoffmangels auch volkswirtschaftlich überaus wichtig. Der k.u.k. Kriegsminister anerkennt die Berechtigung dieses Stand¬ punktes. Wenn der Friede gesichert sei, so müsste sofort mit der Kontrolle der Ressortministerien eingesetzt werden, damit die nicht mehr benötigten Arbeiten eingestellt und über die anderweitige Verwendung des Materials entschieden werde. b) Verwendung von verzinslichen Anweisungen bei Bezahlung von Heeres 1 i eferungen Dem im gemeinsamen Ministerrate vom 15. v. M. gemachten Vorschläge, dass zwecks tunlichster Verhinderung einer weiteren Vermehrung der Banknoten- Zirkulation bei grösseren militärischen Lieferungen nicht der ganze Betrag in Geld ausbezahlt, sondern für einen dem Gewinne entsprechenden Teil verzinsliche Anweisungen ausgestellt werden, erklärt der k.u.k. Kriegsminister erst dann näher treten zu können, wenn ihm die näheren Weisungen der beiden Finanzministerien zugekommen sein würden, bezüglich welcher er mit Note Abt. 15/B. No. 5163 vom 10. 1. M. angefragt habe. Auch die Frage des Sparens auf dem Gebiete des Militärwesens und die mög¬ lichste Verminderung von Beschaffungen im Auslande aus Valuta-Rücksichten sei im letzten gemeinsamen Ministerrate besprochen worden. Der k.u.k. Kriegsmini¬ ster erklärt, nur neuerdings versichern zu können, dass er sich die grösstmögliche Sparsamkeit zur unbedingten Pflicht gemacht habe und dass die Beschaffungen aus dem Auslande auf das unumgänglichste Mass herabgesetzt erscheinen. Aus der Geldanforderung der k.u.k. Heeresverwaltung für den Monat November 1. J. sei zu entnehmen, dass im Vergleiche zum Vormonate um 243 Millionen Kronen weniger angesprochen worden seien. Im Ganzen seien die seit Kriegsbeginn abge¬ hobenen Summen sehr wesentlich unter der errechneten Ziffer der gesamten Kriegs¬ erfordernisse geblieben. Mit Ende November 1917 ergebe sich eine Minderver¬ wendung von 1 72 Milliarden Kronen. Diese letztere Mitteilung nehmen die beiden Regierungen dankend zur Kenntnis. Bezüglich der Bezahlung der Heereslieferungen bemerkt der k.u.k. Kriegs- minister, dass das bisherige Vorgehen derart war, dass den Lieferanten, welche Kriegsanleihe zeichnen, eine besondere Bevorzugung in Aussicht gestellt wurde. Später habe die k.k. Postsparkasse die Placierung der Kriegsanleihe bei den 603 <pb/>Lieferanten übernommen. Es wäre zu prüfen ob die Zahlung mit Kriegsanleihe nicht von problematischem Werte sei, weil um die Beträge, die jetzt in Kriegsan¬ leihe gezahlt werden, bei der nächsten Kriegsanleihe weniger einfliessen werde. Der k.k. Finanzminister bemerkt hiezu, dass hiedurch jedenfalls weniger Papiergeld in Umlauf komme und ersucht daher dieses Verfahren auch weiterhin fortzusetzen. Die beiden Finanzminister übernehmen es, dem k.u.k. Kriegsminister die ange¬ suchten näheren Mitteilungen über die Zahlung des Gewinnes in Anweisungen ehestens zukommen zu lassen. c) Veräusserung von nicht benötigten Heeresgü¬ tern Der k.u.k. Kriegsminister stellt hierüber für die nächste Zeit nähere Mitteilungen an die beiden Regierungen in Aussicht und holft, beträchtliche Men¬ gen von Leder und Textilstoffen abgeben zu können. d) Erhöhung der F a m i 1 i e n b e i t r ä g e der Eingerück¬ ten Der k.u.k. Finanzminister wirft die Frage auf, ob man die beantragten Erhöhungen nicht etwas einschränken könnte und insbesondere die im Genüsse einer Feldzulage stehenden auszuschhessen wären. Seitens des k.u.k. Kriegsministers und des Vertreters des k.u.k.Armee-Oberkommandos wird daraufhingewiesen, dass die Annah¬ me, die im Felde stehenden Gagisten seien finanziell so gut gestellt, dass der Unter¬ halt ihrer Familien keinen Schwierigkeiten begegne, allzu optimistisch sei. Viele nicht aktive Officiere haben im Frieden ein weit höheres Einkommen; dies treffe besonders bei den niedrigeren Chargen zu, für welche um grösstes Wohlwollen gebeten werden müsse. Uber Ersuchen des k.k. Finanzministers wird die Entscheidung über diesen Punkt noch Vorbehalten. e) Errichtung einer Tonerde - und A1 u m i n i u m f a b r i k Der k.u.k. Kriegsminister ersucht um baldige Bekanntgabe über das Ergebnis der Alunit-Versuche. Es handle sich sodann noch um die Bestimmung von Zeit und Ort der Errichtung der Fabriken damit mit der Erzeugung je eher begon¬ nen werden könne, und um den Vertragsabschluss mit den Baufirmen. Der k.k. Handelsminister erklärt, seine Entscheidung von dem Ergeb¬ nisse der Versuche in Ungarn abhängig zu machen. Wenn Alunit das halte, was es verspreche, so werde man sich an Ungarn anschhessen. Bisher sei aber noch nicht festgestellt, wie gross die Erzeugung von Alunit sein könne. Gegen seine Verwen¬ dung seien nur zwei Einwendungen in Rücksicht zu ziehen: die im Vergleiche zum Bauxit notwendigen grösseren Massentransporte und die wahrscheinlich nicht gleichmässige Quahtät des Beregszäszer Produktes. Der k.k. Finanzminister spricht sich von seinem Ressortstandpunkte für die Errichtung der Fabrik aus und sagt seine Unterstützung zu. 604 <pb/> Der Vorsitzende erklärt, die Erledigung der Angelegenheit beim kgl. ung. Finanzministerium betreiben zu wollen. 2. Feststellung eines Wirtschaftsplanes für die Getreide- und F u 11 e r m i 11 e 1 v e r s o r g u n g Der Vorsitzende des gemeinsamen Ernährungs¬ ausschusses schildert die Lage der Approvisionierung auf Grund der von ihm ausgearbeiteten unter ./I beiliegenden Tabellen" der Ernteschätzungen und des Bedarfes, welche ein Auskommen für das laufende Jahr bis zur nächsten Ernte ermöglichen würden. Die mit den k.k. und kgl. ung. Ressort-Ministerien hierüber abgehaltenen Vorbesprechungen haben jedoch ein mit dieser Berechnung in Widerspruch stehendes Ergebnis geliefert, indem unter Zugrundelegung der österreichischen und der ungarischen Ernte-Statistik ein Manko von 3.3 Mil¬ lionen q an Brotfrucht und von 11 Millionen q an Hartfutter, somit ein Gesamt- Defizit von 14.3 Millionen q resultiere. Die Differenz zwischen den beiden Berech¬ nungen ergebe sich in der Hauptsache aus der höheren Anforderung Ungarns an Viehfutter im Vergleiche zum Vorjahre, dann aus der niedrigeren Ernteschätzung. Es sei daher vor Allem die ungarische Futteraufstellung nachzuprüfen. Wenn man sich ungarischerseits mit 22 Millionen q statt mit 35.6 Millionen q für Fut¬ terzwecke begnügen wollte, so könnte das Manko gedeckt werden. Die rumänische Einfuhr sei mit 4.6 Millionen q eingestellt worden. Entgegen den früheren günstigeren Angaben verlaute jetzt, dass die rumänische Ernte für die Mittelmächte nur etwa 6 Millionen q ergeben werde. Solche niedrigere Schätzun¬ gen pflegen in der Regel vorzukommen, wenn mit Deutschland über die Verteilung der Ernte verhandelt werden soll. Ziffermässig genau lasse sich diese Frage augen¬ blicklich zwar nicht entscheiden, doch könne angenommen werden, dass nachdem gut angebaut worden sei und die Ernte in Rumänien als gut bezeichnet wurde, sie nicht wesentlich hinter jener des Vorjahres zurückstehen werde. Die Einstellung von 4.6 Millionen q als zu erwartender Anteil Österreich-Ungarns sei demnachkeine allzu optimistische Berechnung. Der Leiter des k. k. Amtes für Volksernährung hält die genaue Durchrechnung der vomVorredner vorgelegten Tabellen für notwendig und spricht sich gleichfalls dafür aus, dass das festzustellende Defizit dadurch hereinzubringen wäre, dass der Versorgungsplan Ungarns bezüglich Futters etwa auf das Niveau des Vorjahres beschränkt werde. Bezüglich der Versorgung Österreichs mit Brotgetreide legt er die unter ./2 heili¬ gende Tabelle vor/ Der kgl. ung. Minister für Volksernährung schildert zunächst die allgemeine Lage in Ungarn. Man habe eine ziemlich gute Ernte erwartet, doch habe sich gezeigt, dass nur die Weizenemte besser geraten sei, als im Vorjahre, in Roggen, Gerste und Hafer sei sie schlechter ausgefallen, in Kartoffeln könne man von einer katastrophalen Missernte sprechen, Hülsenfrüchte gebe es beinahe gar keine. Die wichtigste Aufgabe sei jetzt die Erfassung der vorhandenen Vorräte a), ß) Die Beilagen werden nicht im Original angeführt. 605 <pb/>durch die Übernahms-Commissionen, welche im ganzen Lande ihre Tätigkeit begonnen haben. Das Versagen der Rauhfutterernte und der Umstand, dass die vorhandenen Vorräte vielfach militärisch requiriert werden, habe zur Folge gehabt, dass die Landwirte Getreide verfüttert haben, was übrigens auch in Österreich und Deutschland geschehen sei. Abgesehen von diesen bereits verbrauchten Vorräten sei zu erwarten, dass die Übernahms-Commissionen die vorhandenen Vorräte voll erfassen werden. Redner legt unter ./3V den Wirtschaftsplan für Ungarn vor und bemerkt, dass die Bedarfsberechnung genau auf Grund der im Frühjahre 1917 vorgenommenen Volks- und Viehzählung erfolgt sei. Hieraus ergebe sich der berechnete Mehrbe¬ darf gegenüber dem Vorjahre, in welchem die veralteten Volks- und Viehzählungs¬ daten v. J. 1910 zu Grunde gelegt worden waren. Zu den vom Vorsitzenden des gemeinsamen Ernährungsausschusses vorgelegten Tabellen bemerkt der kgl. ung. Minister für Volksernährung folgendes: Als Endresultat der Aufstellungen sei ein Manko an Brotfrucht von rund 10 Millionen q ausgewiesen, welches nach Ansicht des gemeinsamen Ernährungsaus¬ schusses durch Gerste oder Mais aus Ungarn gedeckt werden müsste. Diese Art der Deckung sei unter den diesjährigen Verhältnissen vollkommen ausgeschlossen, weil an Gerste nicht einmal so viel vorhanden sei als zur Deckung des allerdringendsten Bedarfes benötigt werde, Mais jedoch durch den Bedarf für Futter- undMastungs- zwecke fast gänzlich in Anspruch genommen werde. Die genauen Aufstellungen bezüglich der ungarischen Ernte und Bedarfsziffern liegen vor. Es erübrige demnach noch, die in den Aufstellungen des gemeinsamen Ernährungsausschusses figurie¬ renden Ernten und Bedarfsziffern Österreichs, Kroatiens und Bosniens, sowie den Bedarf der Heeresverwaltung einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen. Ein besonderes Augenmerk müsse auch auf die okkupierten Gebiete und auf die Armee-Wirtschaftsbereiche gerichtet werden. Es wären demnach in erster Reihe folgende Punkte zu bereinigen: a) Heeresverwaltung 1. In den vorhergehenden Jahren erwiesen sich die seitens der Heeresverwaltung angegebenen Mehlbedarfsziffern als sehr dehnbar. Im vorigen Jahre habe die Heeresverwaltung ihren Mehlbedarf am 1. August 1916 mit 16 Millionen q Mehl angegeben, welches Quantum dann auf Grundlage eines detaillierten Ausweises auf 12.14 Millionen q herabgemindert wurde. Im gemeinsamen Ministerrate, welcher das Kontingent festzusetzen hatte, habe die Heeresverwaltung nur mehr 11 Millionen q verlangt; tatsächlich sei in diesem Ministerrate das Kontingent mit 9.9 Millionen q Mehl festgesetzt worden, von welchen 7 Millionen q durch Ungarn, 1 Milhon q durch Österreich (Galizien) und 1.9 Millionen q aus den okkupierten Gebieten und aus dem Armee-Wirtschaftsbereiche zu liefern waren. 2. Der ungedeckte Bedarf der Heeresverwaltung sei im Ausweise des gemeinsa¬ men Ernährungsausschusses mit 10.62 Millionen q Mehl, in den Aufstellungen y) Auch diese Beilage wird nicht angeführt. 6o6 <pb/> des Kriegsministeriums jedoch mit 10.585 Millionen q Mehl (inklusive Gemüse¬ ersatz, wie Rollgerste, Maisgries und Mehl für Teigwaren, und unter Berücksich¬ tigung der Aufbringungen in den okkupierten Gebieten und im Armee-Wirt¬ schaftsbereiche) angegeben. Weiters müsse in Betracht gezogen werden, dass in dem Ausweise des gemeinsamen Ernährungsausschusses von den eigenen Auf¬ bringungen der Armee nur 0.87 Millionen q Mehl berücksichtigt seien, während die¬ selben laut Angabe des Armee-Oberkommandos sich auf 1.28 Millionen q be¬ laufen. Daher bestehe zwischen den beiden Daten eine Differenz von 0.375 Mil¬ lionen q Mehl. 3. In den Aufstellungen des Gemeinsamen Ernährungsausschusses seien die seitens der okkupierten Gebiete zu liefernden Getreidequantitäten zu niedrig aufge- nommen. Im vorigen Jahre waren unter diesem Titel 1.9 Millionen q Mehl kalku¬ liert, in diesem Jahre nur 1.28 Millionen q, trotzdem in diesem Jahre die angebaute Fläche unbedingt grösser sein musste und ausserdem auch der Ertrag höher ange¬ nommen werden muss. Es müssten seitens der Heeresverwaltung energische Ver¬ fügungen getroffen werden, damit besonders die serbischen und polnischen be¬ setzten Gebiete möglichst viel abgeben. 4. Es müsste genau angegeben werden, wie hoch der gesamte Verpflegsstand der bewaffneten Macht ist und wieviele Kriegsgefangene durch die Heeresverwal¬ tung versorgt werden. 5. Es wäre weiters anzugeben, woher und wieviel Getreide- und Mehlzuschübe die Heeresverwaltung im Vorjahre ausser den ungarischen Lieferungen tatsäch¬ lich erhalten hat (Okkupierte Gebiete, Armee-Wirtschaftsbereich, Rumänien). 6. Ausserdem wäre zu konstatieren, wieviel Mehl das Kriegsministerium Öster¬ reich überlassen hat. b) Österreich 1. Das Ernteresultat sei zu niedrig aufgenommen. In Weizen und Roggen waren im vorigen Jahre 23 Vz Millionen q kalkuliert und seien demgegenüber heuer 26 Vz Millionen q eingestellt. Wenn man berücksichtige, dass in diesem Jahre die Ernte in Brotfrüchten eine bedeutend bessere ist, müsse Österreich unbe¬ dingt ein viel höherer Ernteertrag zur Verfügung stehen. In Gerste werde das österreichische Ernteresultat mit 6 Millionen q angegeben, während Österreich in Normaljahren eine Gerstenernte von 16 Millionen q habe. Die Witterungsver- hältnisse seien in diesem Jahre in Österreich unbedingt bessere gewesen als in Ungarn, trotzdem sei in Ungarn die Gerstenernte mit 8 Millionen q, d.h. mit 2/3 der Normalernte in Rechnung gestellt, während Österreich nur 3/8 seiner Normal¬ ernte ausweise. Dasselbe beziehe sich auch auf Hafer, in welchem der Normalernte von 26 Milhonen q heuer eine Ernte von 9 Millionen q gegenübergestellt sei. 2. Österreich sei in diesem Jahre ausser der guten Kartoffelernte auch eine glänzende Obsternte zu Hilfe gekommen, welche besonders in den Alpenländern 607 <pb/>leicht dazu verwendet werden könnte, den Mehlkonsum durch entsprechend grössere Propagierung des Kletzenbrotes womöglich herabzusetzen. 3. Es wäre anzugeben, woher und wieviel Getreide- und Mehlzuschübe Öster¬ reich im Vorjahre ausser den ungarischen Lieferungen tatsächlich erhalten habe. c) Kroatien und Slawonien Bei der Bedarfsaufstellung sei der Bedarf der Selbstversorger mit rund 3 Millio¬ nen q Getreide angenommen. Nachdem die Selbstversorger das Getreide in Mautmühlen vermahlen lassen und 10% an Maut in Getreide entrichten, ergebe sich schon aus diesem Umstande allein ein Getreidequantum von 300.000 q, welches durch Kroatien und Slawonien abgeliefert werden müsste. In den Auf¬ stellungen sei das seitens Kroatiens und Slawoniens abzugebende Brotgetreide¬ quantum mit 110.000 q angenommen, so dass unter Berücksichtigung der 300.000 q insgesamt zumindest 410.000 q Brotgetreide abgehefert werden müssten. d) Bosnien Der ungedeckte Bedarf Bosniens sei in den Aufstellungen des gemeinsamen Ernährungsausschusses mit 1.13 Millionen q Getreide angegeben. Die allgemeinen Ernährungsverhältnisse der Monarchie dürften nicht die Möglichkeit bieten, aus Ungarn, welches so bedeutende Verpflichtungen übernehmen müsse, auch für Bosnien diese Menge zu sichern; es werden für diesen Zweck voraussichtlich höchstens 400.000 q zur Verfügung stehen. e) Allgemeine Bemerkungen Bei den Bedarfsberechnungen Ungarns, Österreichs und Kroatien-Slawoniens sei unter dem Titel einer Reserve für den 13. Monat insgesamt ein Quantum von 41/2 Millionen q kalkuliert. Mit Rücksicht darauf, dass der Bedarf für die 12 Monate nicht sichergestellt erscheine, müsse natürlich von dieser Reserve Abstand genom¬ men werden. Was jenen Teil der Aufstellung des gemeinsamen Ernährungsausschusses anbe¬ lange, welcher sich mit der Futtermittelfrage beschäftige, so sei zu bemerken, dass diese Aufstellung unmöglich als Grundlage zu Verhandlungen dienen könne, nach¬ dem einerseits die Detailangaben über den Futtermittelbedarf des Hinterlandes in dem Ausweise vollkommen fehlen, andererseits aber der Bedarf für Saatgut, Mä¬ stung und Erhaltung des Viehstandes überhaupt nicht in Betracht gezogen sei. Als Endergebnis seiner Ausführungen stellt der kgl. ung. Minister für Volkser¬ nährung somit nachstehendes fest: Gegenwärtig sei es noch unmöglich, über den Vorrat der Monarchie ein end- giltiges klares Bild zu erhalten, nachdem das Resultat der Requisitionen noch nicht zur Verfügung stehe. In Ungarn haben die Requisitionen begonnen, während die strengen Requisitionen in Österreich voraussichtlich erst Ende November ihren Anfang nehmen werden. Die Übersicht der Vorratsstände werde noch dadurch erschwert, dass in Österreich ein bedeutender Teil des Drusches erst in den nächsten Monaten durchgeführt werde. 6o8 <pb/> Unter diesen Verhältnissen sei es unmöglich einen endgiltigen Ernährungsplan für die Monarchie schon jetzt festzustellen. Die Überschüsse Ungarns an Brotfrucht und Futtermitteln seien in den vorlie¬ genden Ausweisen Ungarns enthalten. Diese Überschüsse betragen in Brotfrucht 6.27 Mill. q in Futtermitteln 3.35 Mill. q insgesamt daher 11.62 Mill. (!)q Diese Menge stelle den gesamten Überschuss dar, welchen Ungarn auf Grund der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Daten für die Heeresverwaltung, für Öster¬ reich und für Bosnien überlassen könne. Sollte der genauer berechnete Heeresbe¬ darf es erlauben, so könnte Österreich augenblicklich eine Aushilfe durch Lieferung eines bestimmten Quantums Mehl bis Ende des larufenden Jahres geleistet werden. Redner schliesst seine Ausführungen mit dem Bemerken, dass Ungarn als Getreide produzierender Staat sein möglichstes tun werde, um die Vorräte zu erfassen und den Bedarfsgebieten und der Heeresverwaltung selbst um den Preis von Opfern zuzuführen. Die Lage sei aber auch in Ungarn eine ernste und es sei höchst bedau¬ ernswert, dass es wegen der fortgesetzt schlechten Ernten der letzten Jahre nicht das leisten könne, was es nach den natürlichen Voraussetzungen leisten sollte. Anderer¬ seits müsse bemerkt werden, dass Ungarn von den eroberten Ländern nahezu gar nichts erhalte, deren Erzeugnisse, soweit sie nicht an die verbündeten Staaten abgegeben werden müssen, in weitaus überwiegendem Masse Österreich und der Heeresverwaltung zugute kommen. Die Lasten des Krieges trage Ungarn aber ebenso, wie jeder andere Staat, und in der Versorgung mit Nahrungs- und Futter¬ mitteln müsse es Österreich und der Armee aushelfen. Obwohl an diesem Zu¬ stande dermalen kaum etwas geändert werden könne, so müsse Redner doch die Bitte stellen, seinen Standpunkt zu würdigen, demzufolge weiter gehende Zusa¬ gen, als die im vorstehenden angegebenen im gegenwärtigen Zeitpunkte nicht gemacht werden können. Der k.k. Ackerbauminister erblickt den Zweck der gegenwärtigen Verhandlungen darin, dass man es ermögliche, mit gegenseitigem Vertrauen und mit einiger Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Er begrüsse daher mit lebhafter Freude die Erklärung des Vorredners, Ungarn werde, wenn einmal das Ergebnis der im Zuge befindlichen Requisitionen feststehe, nicht nur seinen Überschuss an das Heer und an Österreich abgeben, sondern es sei auch bereit für die Versor¬ gung der Bedarfsgebiete, wenn nötig, Opfer zu bringen. Redner bittet, bei diesem Punkte noch etwas zu verweilen. Niemand trage an dem schlechten Ergebnisse der Ernten Schuld und niemandem unter den Verbündeten könne die Schuld an dem Aushungerungsplane der Feinde beigemessen werden. Dieser Gefahr sei man oft unbewusst schon sehr nahe gewesen. Es handle sich gar nicht so sehr darum, Österreich zu helfen; es handle sich vielmehr darum, beiden Staaten die Möglich¬ keit zu geben, den Krieg fortzuführen und zu einem befriedigenden Abschlüsse zu bringen. Man müsse daher Zusammenhalten und sich nicht gegenseitig das entzie¬ hen, was man dem anderen Teile geben könne. Beide Staaten müssen fest entschlos¬ sen sein, einander zu helfen bis zum glorreichen Ende. 39 Komjäthy: Protokolle 609 <pb/> Der Leiter des k. k. Amtes für Volksernährung ist der Ansicht, dass die gegenwärtige Beratung vielleicht die richtigste sei, die während des Krieges in der Ernährungsfrage noch abgehalten worden sei. Es handle sich um Sein oder Nichtsein der beiden Staaten. Die Lage sei heuer viel schwieriger, als im Vorjahre, wo man die Reserven Rumäniens als Aushilfe in der Zeit des grö¬ ssten Notstandes zur Verfügung gehabt habe. Heuer sei bereits ein grosser Teil der rumänischen Ernte verbraucht und die Nachrichten über das Endergebnis dieser Ernte lauten nicht sehr befriedigend. Die Zufuhren seien jetzt schon viel geringere, als im Vorjahre. Österreich-Ungarn habe drei Haupt-Consumenten: Ungarn sei das Überschuss¬ gebiet, Österreich das Deficitgebiet und die Armee komme bis auf die geringen Zuschube aus den besetzten Gebieten nur als Consument in Betracht. Das vor¬ jährige Deficit Österreichs habe 5.6 Millionen q betragen, wovon nur 3.2 Millio¬ nen q durch die Einfuhr aus Rumänien und 1 Million q durch Aushilfe aus Ungarn gedeckt worden seien. 2.9 Milhonen q der rumänischen Einfuhr seien der Heeres¬ verwaltung direkt zugeführt worden. Österreich habe also das Manko der Gesamt¬ heit allein tragen müssen. Dieses Manko habe sich aufwenige Monate concentrirt, so dass die nicht organisierten Consumenten dem schwersten Mangel ausgesetzt waren. In vielen Gebieten sei Hungersnot eingetreten und man sei dem Zusammenbruche nahe gewesen. Ein zweites Mal werde die Bevölkerung einen solchen Notstand nicht ertragen können. Sowohl die österreichische, wie die ungarische Regierung haben für die laufende Campagne einen Wirtschaftsplan aufgestellt, doch sei man hiebei nach ganz verschiedenen Grundsätzen vorgegangen. Österreich rechne mit dem unumgäng¬ lich notwendigen Lebens-Minimum. Das sich hiebei ergebende Manko betrage 16.11 Millionen q. Vielleicht werde es noch gelingen, mit Hilfe der schärfsten Mass- regeln an Weizen und Roggen so viel aufzubringen, wie im Vorjahre, wodurch das Manko um 5 Millionen q reduzirt werden könnte. Der ungarische Wirtschaftsplan rechne dagegen viel freigiebiger (Kriegsgefangene, Kalo). Besonders schlecht sei aber in Österreich die Futterlage; es sei um ein Kilogramm pro Tag und Pferd in Rechnung gestellt worden, im Ganzen seien dies 8 Millionen q. Ungarn habe dagegen mehr als 35 Millionen q in Rechnung gestellt. Dazu kom¬ me noch die Kleie, deren Anfall in Ungarn ein viel grösserer sei als in Österreich. Der Vorsitzende bemerkt hiezu, dass die Hälfte der Kleie der Heeresver¬ waltung zufalle. Man sei in Ungarn bereit, auf das Strengste vorzugehen und die eigenen Ansprüche auf das Nötigste einzuschränken. Es bestehe auch keine Ein¬ wendung, die ungarischen Futteranforderungen einvernehmlich zu überprüfen. Der kgl. ung. Minister für V o 1 k s e r n äh r u n g bemerkt, auf die Ausführungen des Leiters des k.k. Volksernährungsamtes zurückgreifend, dass man gegenwärtig noch auf einem ganz labilen Boden stehe. Dies beweise auch der Umstand, dass man in Österreich in Anhoffung (!) eines besseren Ergebnisses der Requisitionen fünf Millionen q von dem auf Grund der Ernte-Statistik berechne¬ ten Defizit streichen wolle. Eine ernste Berechnung könne man demnach dermalen nicht machen. Die Erhaltung der Kriegsgefangenen konnte nicht ausser Betracht bleiben, weil sie gut genährt werden müssen, widrigenfalls sie nicht arbeiten. Wenn 6io <pb/>Ungarn seine Mehllieferungen einhalten solle, so müsse auch für rechtzeitige Beistellung der Kohlen gesorgt werden; dermalen stehen 15 Mühlen in Ungarn in Ermangelung von Kohlen still. Auch der Herbstanbau habe darunter zu leiden, dass die Dampfpflüge wegen Kohlenmangels nicht fortgesetzt arbeiten können. Der k.k. Minister für öffentliche Arbeiten anerkennt den zwischen der Kohlen- und der Ernährungsfrage bestehenden Zusammenhang, bestreitet aber, dass Österreich in der Belieferung Ungarns mit Kohlen Zurück¬ haltung übe. Er führt zum Beweise hiefür die statistischen Daten des letzten Frie¬ densjahres 1913 und des Jahres 1916 an. Die Produktion Österreichs habe 1913: 44JMillionen Tonnen, 1916: 41 Millionen Tonnen betragen, sei also um 3 Mil¬ lionen Tonnen gesunken. Eingeführt wurden 1913.· 11 1j2, 1916 dagegen 8.7 Millionen Tonnen, also um 2.8 Millionen Tonnen weniger. Insgesamt seien also Österreich im Jahre 1916 um 5.8 Millionen Tonnen weniger zur Verfügung gestanden, als im Jahre 1913. Dabei sei die Ausfuhr Österreich-Ungarns nicht in dem gleichen Masse zurückgegangen, wie die Einfuhr von Kohle aus dem Deutschen Reiche. Im laufenden Jahre sei die Produktion fortdauernd im Rückgänge be¬ griffen: gegenüber dem Vorjahre sei in der Förderung ein Minus von 2.3 Millionen Tonnen, in der Einfuhr ein solches von 1.4 Millionen bisher festzustellen. Man könne also damit rechnen, dass im Jahre 1917 nicht mehr als 37 Millionen Tonnen zur Verfügung stehen werden. Trotzdem seien an Ungarn geliefert worden: Im Jahre 1913: 1.319.200 Tonnen Kohle, 622.000 Tonnen Koks; im Jahre 1916: 1.795.000 Tonnen Kohle, 625.000 Tonnen Koks. Es seien somit trotz des Rückganges der eigenen Produktion und der Einfuhr um nahezu 480.000 Tonnen Kohle mehr nach Ungarn gehefert worden, als im Jahre 1913. Dabei sei die Ausfuhr aus Ungarn nach Österreich auf 131.000 Tonnen zurückgegangen; Österreich habe ferner im März 1917 zugunsten Ungarns auf 70.000 Tonnen oberschlesische Kohle verzichtet. Die ungünstige Entwicklung der Kohlenbilanz sei ganz besonders aus dem Grunde beklagenswert, weil man einem Rückgänge der Erzeugung bei steigendem Bedarfe gegenüberstehe. Es fehlen täglich rund 20.000 Tonnen, welche auf irgend eine Art herbeigeschafft werden müssen. Man sei daher zum Kontingen- tirungs-System übergegangen, welches in der Bildung bestimmter Konsumgruppen bestehe, die eine festgesetzte Menge Kohle zugewiesen erhalten sollen. Diese Kürzung sei zumeist auf Kosten der Bevölkerung gegangen. Trotzdem sei mit dem kgl. ung. Handelsminister die Vereinbarung getroffen worden, täglich ein Kontin¬ gent von 8300 Tonnen nach Ungarn zu schicken. Um dieses aufbringen zu können, werde an den Bezügen der Bevölkerung weiter gekürzt werden müssen. Dies bringe Redner nur vor, um nachzuweisen, was Österreich tue, um Ungarn zu helfen. Wenn Österreich nicht das nötige Getreide bekomme, so werden die Bergleute ausser Stande sein, den Anforderungen Genüge zu leisten. Der Bergarbeiter könne ohne Fett seine schwere Arbeit nicht leisten. Beim besten Willen werde man also, wenn für die Ernährung nicht vorgesorgt werde, in die Lage kommen, die erwähnten 39* 6n <pb/>8000 Tonnen Kohle nach Ungarn nicht mehr abzugeben, nicht weil man dies nicht tun wolle, sondern weil man es nicht mehr leisten könne. Die Menschenkraft werde nicht geschaffen werden können, wenn man nicht über die nötige Menge von Lebensmitteln verfüge. Über Ersuchen der Vorsitzenden wird hierauf das ungarische Futter¬ mittel-Präliminare in den Einzelheiten besprochen. Der kgl. ung. Minister für Volksernährung erklärt sich jedoch mit Rücksicht auf den katastrophalen Mangel an Rauhfutter und angesichts der sonst auf Brotgetreide allein beschränkten Ernährung der Bevölkerung ausser Stande, ohne genaueste Überprüfung der eingestellten Daten und vor Abschluss der Tätigkeit der Übernahms-Kommissionen die Verantwortung für irgendwelche Kürzung an dem Wirtschaftsplane, sei es bei der Viehfütterung, sei es bei der Schweinemästung, zu übernehmen. Er verweist auf die Gefahren, welche eine derartige Massregel durch Beunruhigung der Bevölkerung gerade im gegenwärti¬ gen Augenbhcke, wo der Herbstanbau im vollen Gange sei, hervorrufen könnte und wiederholt seinen bereits früher gestellten Antrag. Da der Leiter des k. k. Amtes für Volksernährung er¬ klärt, diesem Anträge nicht zustimmen zu können, weil er rechtzeitig wissen müsse, wie man stehe, und nicht ins Ungewisse von einem Monat auf den anderen wirt¬ schaften könne, ergab sich nicht die Möglichkeit eines endgiltigen Beschlusses. Die beiderseitigen Minister für Ackerbau und Volksernährung, der Vorsitzende des gemeinsamen Ernährungsausschusses und der Referent für die Heeresverpflegung wurden ersucht, im Wege neuerlicher Besprechung der Materie in einer für den nächsten Tag anberaumten Comiteberatung eine Verständigung vorzubereiten, de¬ ren endgiltige Genehmigung den beiden Ministerpräsidenten vorzubehalten wäre. Der Vorsitzende schliesst somit die Sitzung um 9 Uhr abends. Die Original-Reinschrift ist nicht vorhanden. Die Veröffentlichung erfolgte auf Grund des teils handschriftlich, teils mit Maschine geschriebenen Konzepts. Das Konzept wurde vom ungarischen Ministerpräsidenten Wekerle, dem Vorsitzenden des Ministerrates, unmittelbar unter dem Titel, vor der Liste der Anwesenden unterfertigt. Im Text einige, vom Protokollführer stammende Korrekturen und Einschübe. Am Ende des Konzepts die Unterschrift von Joannovics mit Datum (1. XL). Vor dem Mantelbogen auf einem Blatt unter anderem folgende Bemerkung: »Von derselben wurde die Reinschrift hergestellt, und diese am 21. 9. 18. an Dr. Wekerle gesendet; ist seither nicht zurückgelegt. 26. 11. 18. Item 9. 3. 1920.« 32. Wien, 3. November 1917 Debatte über das gemeinsame Budget der Monarchie. Der gemeinsame Ministerrat nimmt für die Verlängerung des seit 1914 bestehenden Provisoriums bisxEnde Juni 1918 Stellung, und zwar in der Weise, daß dadurch die Budgetrechte der Delegationen nicht geschmälert werden. ÖI2 <pb/>