Gemeinsamer Ministerrat, 6. 5. 1917
I. Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Deutschen Reiche
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z25.pdf.
aus ideellen Gründen gegen dieses Petit pro forma keinen schroff ablehnenden Standpunkt einnehmen sollten. Herr von Bethmann Hollweg erwidert, dass dieser Frage wohl sehr wenig praktischer Wert zukomme, dass er aber nicht abgeneigt ist, dem Vorschläge des Grafen Czernin Rechnung zu tragen, wenn derselbe geeignet wäre, einen baldigen Friedensschluss herbeizuführen oder zu erleichtern, zumal als aus materiellen Gründen an eine Fortsetzung des Wettrüstens nach dem Kriege nicht mehr zu denken sei. Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. In der rechten obe¬ ren Ecke desselben mit Bleistift geschrieben: »All[er]h[öchst] eingesehen.« Darunter »f(ertig)«. Auf der linken Seite des Präsenzbogens oben das Handzeichen des Herr¬ schers: »gelesen K[arl]«. Von einer anderen Hand stammend: »Laxenburg, 25. IV. 1917.« -- Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Reichenau, am 20. Juli 1917.« Unter dem Text rechts die Unterschrift von Czernin, links die von Colloredo. -- Ebd. das handschriftliche Konzept des Protokolls mit unzähligen Kor¬ rekturen und kurzen, mit der Maschine geschriebenen Einschaltungen. -- Ehd. zwei maschinengeschriebene Kopien des Protokolls (mit der Aufschrift »Kopie«). Auf dem Rubrum der einen, in deren Text seitwärts von Tisza mehrere Sätze eingeschoben wurden, folgende zwei Sätze: »von S. Ex. Hm. K. ung. Ministerpräsidenten Gfn. Tisza zurückgelegt. 30. 4. 1917.« »Korrekturen und Zusätze in das Original über¬ tragen. 1. 5. 17.« -- Unlösbares Handzeichen. 25. Wien, 6. Mai 1917 Die Probleme der wirtschafthchen Zusammenarbeit mit Deutschland. Die Frage einer Wirtschaftsunion. Der Umstand, daß Österreich-Ungarn militärisch, politisch und nicht zuletzt auch wirtschaftlich auf Deutschland angewiesen war, wurde von den führenden Politikern der Monarchie derart beklemmend empfunden, daß sie in einer Zeit, wo sie die wirtschaftliche Zusammenarbeit notgedrungen auf noch breitere Grundlagen stellen müssen, hauptsächlich darauf bedacht sind, möglichst weitgehend den Schein der Unabhängigkeit zu wahren. (Über diese Zusammenhänge ist in der Einleitung aus¬ führlicher die Rede.) Über die Getreide- und im allgemeinen über die Lebensmittel¬ versorgung der Monarchie siehe den Kommentar zum Protokoll vom 9. September 1916. Über das wirtschaftliche Verhältnis Österreich-Ungarns zum Deutschen Reich siehe die Protokolle vom 9. September, 16. Oktober 1916, 24. Februar, 22. März (Ministerrat), 5. Juli und 6--15. September 1917 bzw. die entsprechenden Kommentare. Protokoll des zu Wien am 6. Mai 1917 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des k.u.k. Ministers des k.u.k. Hauses und des Äußern Grafen Czernin. 32* 499 <pb/> K.Z. 25. - G.M.K.P.Z. 536. Gegenwärtige: Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf T i s z a, der k.k. Minister¬ präsident Graf Clam-Martinic, der k.k. Minister Dr. Baernrei- t h e r, der k.k. Finanzminister Dr. von S p i t z m ü 11 e r, der kgl. ung. Finanz¬ minister Dr. T e 1 e s z k y, der kgl. ung. Ackerbauminister Baron G h i 11 ä n y, der k.k. Eisenbahnminister Freiherr von Förster, der k.k. Handelsminister Dr. Urban, der Sektionschef im k.k. Ackerbauministerium Dr. von S e i d 1 e r. Schriftführer: Generalkonsul von Joannovics. Gegenstand: Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Deutschen Reiche. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 10 Uhr vorm, und führt einleitend aus, dass im Sinne der bei den massgebenden Stellen in Österreich- Ungarn und im Deutschen Reiche herrschenden Auffassung die Rege¬ lung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden verbündeten Grossmächten durch einen über den Rahmen eines gewöhnlichen Handelsvertrages hinausgehenden, der Meistbegünstigung nicht unterworfenen Vertrag angestrebt werden solle, ferner, dass bei den wirtschaftlichen Verhandlungen mit anderen Staa¬ ten eine Kooperation in dem Sinne eintreten solle, dass solche Verhandlungen auf einer einvernehmlich festzusetzenden Grundlage geführt und abgeschlossen werden. Vom Standpunkt des Ministeriums des Äussern werde bei Durchführung dieses Programmes insbesondere auf zwei Momente Gewicht gelegt: 1. Bezüglich Polens bestehe auf deutscher Seite der Wunsch, das zukünftige selbständige Polen wirtschaftlich dem Deutschen Reiche anzugliedern. Aus ge¬ wichtigen Gründen müsse dem gegenüber österreichisch-ungarischerseits darauf bestanden werden, dass bis nach dem Friedensschlüsse diese Frage offen und das Kondominium mit Deutschland erhalten bleibe. Es dürfe auf keinen Fall der Anschein erweckt werden, als wäre man bereit, dem wirtschaftlichen Anschlüsse Polens an Deutschland zuzustimmen. 2. Bezüglich des Grades der wirtschaftlichen Annäherung sei man sich in Öster¬ reich-Ungarn allerdings darüber einig, dass diese Annäherung herbeigeführt wer¬ de, soweit es die Selbständigkeit Österreich-Ungams gestatte. Es müsse aber auch dem Auslande gegenüber der falsche Eindruck unbedingt vermieden werden, als ob die Annäherung auf Kosten der Selbständigkeit Österreich-Ungarns geschehe. Von England aus werde die Fortsetzung des Krieges mit dem Schlagworte betrieben, dass sich aus der militärischen und wirtschaftlichen Vereinigung Österreich- Ungarns und Deutschlands ein vergrösserter preussischer Militarismus entwickeln und somit ein den Weltfrieden dauernd störender Faktor geschaffen werde. Da man sich auf österreichisch-ungarischer Seite jedoch allgemein darüber im klaren sei, dass die Selbständigkeit der Monarchie durch die wirtschaftlichen Vereinbarungen mit Deutschland in keiner Weise beeinträchtigt werden dürfe, so werde es sich darum handeln, diese Vereinbarungen in eine Form zu bringen, welche auch im Auslande diesen Eindruck zu befestigen geeignet ist. Die Ausführungen des Vorsitzenden finden die volle Zustimmung der Konferenz und werden für die Ausarbeitung der Instruktionen zu den Verhandlungen und für deren Führung massgebend sein. 500 <pb/> Infolge Berufung zur Audienz ist der k.u.k. Minister des Äussern verhindert, den Verhandlungen weiter beizuwohnen und übergibt den Vorsitz an den kgl. ung. Ministerpräsidenten. Die Konferenz geht nun auf die Beratung der Grundlagen über, auf welchen die Annäherung aufgebaut werden soll. Der k.k. Handelsminister knüpft hiebei an die mit der kaiserlich deutschen Regierung im November 1915 gewechselten Noten an. Der Standpunkt der k.k. Regierung sei unverändert geblieben, so dass die Möglichkeit bestehe auf Grund der damals abgegebenen gegenseitigen allgemeinen Erklärungen gewisse Richtlinien für die Verhandlungen auszuarbeiten. Dies sei österreichischerseits durch die beihegenden Vorschläge" geschehen. Der kgl. ung. Ministerpräsident gibt der Meinung Ausdruck, dass es zweckmässig wäre, vorerst möglichst bald eine Besprechung mit den verant¬ wortlichen deutschen Ministern ahzuhalten, um sie zu einer näheren Präzisie¬ rung ihres Standpunktes zu veranlassen, da die mehr schlagwortartigen Mitteilun¬ gen aus dem Jahre 1915 keine genügend sichere Grundlage für die Einleitung ein¬ gehender und verbindlicher Verhandlungen bilden dürften. DerKernpunkt der Frage liege darin, zu wissen, wie man deutscherseits ein Vorzugsregime aufzubauen gedenke, ohne ander Küppe der Meistbegünstigung zu scheitern. Diese Frage biete gerade für Deutschland die grössten Schwierigkeiten. Bei den Besprechungen des Redners mit Staatssekretär Dr. Helfferich sei gerade diese Frage in dem Massemehr in den Vordergrund getreten, als man sich der Verwirkhchung des Annäherungs¬ gedankens zu nähern begonnen habe. Da die Anregung hiezu von Deutschland ausgegangen sei, wäre es auch die Aufgabe der deutschen leitenden Staatsmänner, sich hierüber des näheren zu erklären. Auch ein zweiter Punkt erfordere eine besonders vorsichtige Behandlung. Staats¬ sekretär Dr. Helfferich habe bei seinen Besprechungen mit dem Redner ziemlich eingehend das Thema erörtert, man solle ein Abkommen treffen, welches über den Rahmen des Handelsvertrages hinausgehe, einen Bündnisvertrag wirtschaftlicher Natur, welcher schon durch diesen Umstand der Meistbegünstigung entzogen sei. Dieser Gedanke sei an und für sich richtig, erheische aber in zweifacher Beziehung ein besonders vorsichtiges Vorgehen: 1. Auf deutscher Seite scheinen die verkehrspolitischen Interessen zu überwie¬ gen, weil Deutschland auf diesem Gebiete über Österreich-Ungarn weit grössere Interessen verfolge, als umgekehrt die Monarchie über Deutschland. Der reichere Inhalt des Vertrages dürfte deutscherseits daher in den verkehrspolitischen Fragen angestrebt werden. Andererseits werde Österreich-Ungarn von Deutschland auf zollpolitischem Gebiete weit mehr zu fordern haben, als es Deutschland zu bieten vermöge, so dass die Zugeständnisse Österreich-Ungams überwiegend auf ver¬ kehrspolitischem Gebiete liegen dürften. 2. So gross die Vorteile eines wirtschaftlichen Zusammengehens mit Deutsch¬ land auch in den Fragen der auswärtigen Handelspolitik anderen Staaten gegen¬ über wären, so sei doch dem Auslande gegenüber der Anschein zu vermeiden, als a) Den Text siehe im Anschluß an das Protokoll. 501 <pb/>ob Österreich-Ungarn sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht aufgegeben hätte und als ob die gemeinsame Aktion mit Deutschland eine aggressive Spitze gegen dritte Staaten enthalte. Endlich werde man sorgfältig darauf achten müssen, dass die Entscheidung darüber, ob ein dritter Staat in das Bündnis der beiden Mittelmächte aufgenommen werden solle, vom Einvernehmen aller abhängig sei. Bei Besprechung des vom k.k. Handelsminister vorgelegten Antrages einigt sich die Konferenz auf folgendes: In der Einleitung werden nach den Worten: »Des Verkehrswesens« entsprechend der weiteren Einteilung des Vorschlages die Worte: »Einschliesslich der Übergangs¬ wirtschaft« eingeschaltet. Zum Abschnitte Handelspolitik, Ziffer 2, besteht Einvernehmen darüber, dass die Verhandlungen auf Grundlage des gegenwärtig geltenden, mit dem im Ausgleiche bereits vereinbarten, beziehungsweise noch zu vereinbarenden Zollerhöhungen ergänzten Zolltarifs geführt werden sollen. Es werde daher in der Instruktion auch darauf hingewiesen werden müssen, dass bei einer wahrscheinlich nicht grossen Zahl von Positionen von dem allgemeinen Grundsätze, wonach die Vorzugszölle die Höhe der geltenden Vertragszölle nicht übersteigen werden, Ausnahmen ge¬ macht werden müssten. Hievon werde den deutschen Delegierten Mitteilung zu machen sein. Die Umarbeitung des Zolltarifs auf das neue Schema hätte von Fall zu Fall im Laufe der Verhandlungen zu erfolgen, je nachdem in den einzelnen Positionen Begünstigungen erlangt werden oder erwartet werden können. Endlich werde der Gedanke, dass die Bevorzugung bei den Zöllen nicht grösser sein dürfe, als die Differenz der beiden autonomen Zollsätze, in entsprechender Fassung zum Ausdruck zu bringen sein. Zu Ziffer 3 besteht Einvernehmen darüber, dass der erste Satz zu entfallen habe, weil es zweckmässiger sei, bei den Verhandlungen zu erklären, für welche Waren man die Vorzugsbehandlung zuzugestehen beabsichtige, nicht aber, welche man hievon ausnehmen wolle. Der zweite Satz bezwecke die Feststellung, dass die Bevorzugung durch Zugeständnisse an dritte Staaten nicht herabgemindert werden könne. Es stehe den vertragschliessenden Teilen zwar frei, anderen Staaten Zugeständnisse zu gewähren, doch müsse die vereinbarte Bevorzugung auch dann immer die gleiche bleiben, sodass im Falle eines derartigen Zugeständnisses an einen dritten Staat der Vorzugszoll automatisch entsprechend herabgleitet. Ziffer 4 betrifft die Art der Führung der Zolltarifverhandlungen. Um die Vor¬ teile des erweiterten Marktes tunlichst auszunützen, werde österreichisch-ungari- scherseits die Bevorzugung bei möglichst vielen Tarifpositionen angestrebt werden müssen. Die auf der Meistbegünstigung aufgebauten Verträge hätten in vielen Fällen zur Folge gehabt, dass das Österreich-Ungarn gewährte Zugeständnis anderen Staaten in erhöhtem Masse zugute kam. Beim Vorzugsregime entfalle diese fremde Konkurrenz und dies gelte es, auf dem deutschen Markte auszunüt¬ zen. Da die Forderungen nach Begünstigungen auf österreichisch-ungarischer Seite daher sehr umfangreich sein würden, erscheine es taktisch richtiger, keine For¬ derungsliste aufzustellen, sondern dem anderen Teile jene Zugeständnisse anzu¬ bieten, welche man unter der Voraussetzung befriedigender Kompensationen zu 502 <pb/>machen bereit wäre. Intern werde es allerdings notwendig sein, sich nicht nur über die Deutschland anzubietenden Zugeständnisse zu verständigen, sondern auch über das, was man von Deutschland erhalten müsse. Ferner werden die Verhandlungen derart zu führen sein, dass sich die deutschen Delegierten über ihre Wünsche auf anderem, als dem zollpolitischen Gebiete möglichst genau äussern. Ziffer 5 entfällt, da die Frage des Beitrittes dritter Staaten bereits in Punkt 1 be¬ rücksichtigt worden sei. Es wird für richtiger erkannt, diesbezüglich die deutscher¬ seits jedenfalls zu gewärtigenden Anträge abzuwarten. Zu Ziffer 6 wird seitens des kgl. ung. Finanzministers die Anregung gemacht, zu prüfen, ob mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit, die Wirkung der Zölle und die künftige Preisentwicklung dermalen zu beurteilen, nicht die automa¬ tische Erhöhung der Zollsätze für den Fall vorgesehen werden sollte, wenn es die Gestaltung der Preisverhältnisse erheischen würde. Der Tatbestand der Preiserhö¬ hung wäre zu diesem Zwecke durch ein Schiedsgericht festzustellen. Deutscher¬ seits sei dem gegenüber die Revision im gegenseitigen Einvernehmen mit der Ab¬ sicht des Abbaues der Zölle beantragt werden. Es wird beschlossen, die Zoll- und Handelskonferenz mit der näheren Prüfung dieser Frage zu betrauen. Das in Ziffer 7 grundsätzlich vorgesehene gemeinsame handelspolitische Auftre¬ ten nach aussen soll nach den vom k.k. Handelsminister gegebenen Aufklärungen in erster Linie ein gemeinsames Vorgehen bei den Friedensverhand¬ lungen und zum Zwecke der Abwehr feindlicher Massregeln auf wirtschaftlichem Gebiete bezwecken. Ausserdem werde hach Ansicht der Konferenz auch die wirt¬ schaftliche Kooperation bei Regelung der handelspolitischen Beziehungen mit dem Auslande im allgemeinen grundsätzlich mit der Massgabe in Aussicht zu nehmen sein, dass von Fall zu Fall zu entscheiden sein werde, ob sie einzutreten habe oder nicht. Der k.k. Minister Dr. Baernreither bemerkt hiezu, dass diese Frage jedenfalls mit zum grossen Hintergründe der ganzen Annäherung gehöre. Man müsse zwischen dem Übergangszustande und dem späteren Friedenzustande un¬ terscheiden und es sei unbedingt notwendig, mit Deutschland bald eine enge Fühlungnahme herzustellen, um zu sehen, wie man sich die Sache dort denkt. Der Schwerpunkt der Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz liege in der Absicht der Entente, die Hand auf die Elemente des Wirtschaftslebens besonders in der Übergangszeit zu legen (Rohstoffe, Schiffraum, Valuta). In der Übergangszeit könne aber Österreich-Ungarn nicht isoliert bleiben. Auch die Frage der Meist¬ begünstigung werde in der Übergangszeit anders beurteilt und behandelt werden, als in der späteren Friedenszeit. Es sei nicht anzunehmen, dass die Mittelmächte in der Übergangszeit von der Entente die Meistbegünstigung erlangen werden. An¬ ders werde die Frage wieder stehen, wenn die natürlichen Beziehungen zu den Mächten wieder hergestellt sein werden. Es sei richtig, dass sich insbesondere auf deutscher Seite die Meistbegünsti¬ gung als Hindernis der Annäherung wie ein roter Faden durch alle Erörterungen ziehe. Doch stehe es hiemit anders als vor dem Kriege nicht bloss wegen des Er¬ löschens der Frankfurter Klausel, wegen der Stellung der englischen Kolonien zum Mutterlande, wegen der amerikanischen Reziprozitätspolitik, sondern auch 5°3 <pb/>wegen des stärkeren Hervortretens des Sonderverhältnisses zwischen einzelnen Mächten. Wenn also die Meistbegünstigung in der Übergangszeit voraussichtlich keine sehr grosse Rolle spielen werde, so sei dies umso mehr von der Frage der Rohstoffbeschaffung, des Schiffsraumes und der Valuta zu erwarten. Auf diesen Gebieten dürfe man nicht den Eindruck erwecken, als ob man isoliert Vorgehen wolle. Es sei dies von grösster Wichtigkeit und könne aus den vom k.u.k. Minister des Äusseren angegebenen politischen Gründen wohl nur im Einver¬ nehmen mit ihm geregelt werden. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt sich damit einverstanden, dass dieser Punkt zunächst aus den für die Zoll- und Handelskonferenz festzu¬ stellenden Instruktionen entfalle, womit aber nicht gesagt sei, dass er ausgeschal¬ tet werden solle. Die Frage der wirtschaftlichen Kooperation bilde jedenfalls eines der schwierigsten Probleme. Es bestehe in Deutschland eine mächtige Strö¬ mung, welche die Monarchie handelspolitisch vollständig binden möchte. Dies dürfe nicht eintreten. Österreich-Ungarn werde seine Selbständigkeit wahren und dabei doch trachten müssen, zu einem positiven und befriedigenden Ergebnisse in der Annäherungsfrage zu gelangen. Bei den Friedensverhandlungen und auch spä¬ ter werde Österreich-Ungarn umso mehr in der Lage sein, Deutschland gute Dienste zu leisten, je mehr das Ausland den Eindruck gewinne, dass die Monarchie selbständig vorgehe und nicht ins deutsche Schlepptau genommen sei. Auch Deutschland gegenüber werde Österreich-Ungarn seine handelspolitischen Inter¬ essen nur dann wahren können, wenn es sich die Möglichkeit eines selbständigen Vorgehens erhalte. Andererseits sei aber nicht zu verkennen, dass ein enges Zusam¬ menhalten der beiden Mittelmächte in ihrem beiderseitigen Lebensinteresse liege. Es müsse daher sowohl für den näheren Augenblick der Friedensverhandlungen, als auch definitiv für die weitere Zukunft getrachtet werden, eine Fassung zu finden, durch welche Österreich-Ungarn die Möglichkeit gewahrt bliebe, ganz konkret für jeden einzelnen Fall die Bedingungen des Zusammengehens zu verein¬ baren. Die Konferenz einigt sich somit dahin, den Punkt 7 angesichts der gro¬ ssen pohtischen Bedeutung der darin behandelten Frage zunächst aus der für die Referenten bestimmten Instruktion auszuscheiden. Die Regierungen sind sich jedoch grundsätzlich darüber einig, dass indenhandelspolitischen Fragengegenüber anderen Staaten möglichst gemeinsam und einvernehmlich mit dem Deutschen Reiche vorgegangen werden solle, jedoch unter Modahtäten, welche die Möglich¬ keit eines selbständigen Vorgehens wahren. Die weitere Regelung dieses Punktes wird einer späteren, mit dem k.u.k. Minister des Äussern zu führenden Beratung Vorbehalten, zu welchem Zwecke die beiden Handelsminister konkrete Formulie¬ rungen ausarbeiten und dem Minister des Äussern vorlegen werden, damit dieser Punkt intern noch vor Aufnahme der Besprechungen mit den deutschen Ministern geregelt werde. An Stelle des hiemit ausscheidenden Punktes 7 wird in die Instruktion für die Referenten eine Bestimmung aufgenommen werden, wonach möglichst günstige Veterinärvereinbarungen auf der gleichen Grundlage, wie zwischen Österreich und Ungarn abzuschliessen sein werden. 504 <pb/> Über Anregung des kgl. ung. Finanzministers wird noch die Frage erörtert, was zu geschehen habe, wenn aussenstehende Staaten das Vorzugsregime zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland nicht anerkennen würden. Es gebe in diesem Falle zwei Möglichkeiten: Entweder die Annäherung an Deutschland fallen zu lassen oder auf den Abschluss von Verträgen mit den betreffenden oppo¬ nierenden Staaten zu verzichten. Die Konferenz einigt sich dahin, bei den Verhandlungen Deutschland gegenüber diesen letzteren Standpunkt zu vertreten. Der k.k. Finanzminister bemerkt hiezu, dass mit Deutschland jeden¬ falls vorher vereinbart werden müsste, in welcher Weise man die Vorzugsbehand¬ lung dritten Staaten gegenüber durchsetzen wolle. Dies sei wohl schwerlich anders, als durch Schaffung einer gegebenen Tatsache möglich, wodurch bei den Frie¬ densverhandlungen allerdings der Eindruck entstehen könne, Österreich-Ungarn befinde sich in voller Abhängigkeit von Deutschland. Auch dieser Frage komme daher eine hohe politische Bedeutung zu. Zum Abschnitte über die Übergangswirtschaft bemerkt der k.k. Finanz¬ minister, dass die Rohstoffbeschaffung und die Schiffsraumfrage schon den Gegenstand eines Gedankenaustausches mit der deutschen Regierung gebildet haben. Deutschland müsse Österreich-Ungarn in der Übergangszeit aber auch mit Zahlungsmitteln in der weitgehendsten Weise unterstützen. Die Lage der Monarchie sei schon gegenwärtig eine kritische. Man werde in der Übergangszeit zweifellos mit einem so reduzierten Goldbestände und einem derart schlechten Bankaus¬ weise zu rechnen haben, dass man überhaupt nicht in der Lage sein werde, aus¬ ländische Zahlungsmittel selbständig in erheblichem Umfange anzuschaffen und die wirtschaftliche Wiederherstellung ausschliesslich mit eigenen Kräften vorzu¬ nehmen. Deutscherseits werde die Valutafrage wahrscheinlich im Zusammenhänge mit den zollpolitischen Verhandlungen in Erörterung gezogen werden. Uber diesen äusserst heiklen Punkt wäre wohl eine vorherige inoffizielle Fühlungnahme mit Deutschland zu versuchen, ehe die Referentenverhandlungen begonnen werden, um zu erkunden, welche Bedeutung man in Deutschland dem Valutaproblem und der Frage der Beschaffung inländischer Zahlungsmittel beilege. Mit Rücksicht auf die Bedeutung des Gesamtkomplexes der zur Erörterung stehenden Fragen legt der sprechende Minister das grösste Gewicht darauf, dass die Detailarbeiten der Unter¬ händler eine Aussprache der Chefs der ökonomischen Ressorts der öst. ung. Monarchie und Deutschlands vorangehe." Der kgl. ung. Ministerpräsident schliesst sich diesen Ausführungen an und ergänzt sie dahin, dass, wenn Deutschland auf dem Standpunkte stehe, dass die beiden verbündeten Mächte sich gegenseitig wirtschaftlich aushelfen und Zusammenhalten sollen, um ihre wirtschaftlichen Kräfte gemeinsam zu ent¬ falten, es für Deutschland keinen anderen Weg gebe, als Österreich-Ungarn sowohl bezüglich der Beschaffung ausländischer Zahlungsmittel, als auch zur Hebung seines Kredites behilflich zu sein. Die Finanzfrage werde wohl gleichfalls in der vertraulichen Besprechung der leitenden Staatsmänner erörtert werden müssen. a) Der mit »mit Rücksicht auf« beginnende und mit »Deutschlands vorangehe« endend» Teil wurde von Spitzmüller nachträglich eingefügt. 505 <pb/> Über Anregung des kgl. ung. Finanzministers wird auch die Frage der im Auslande placierten Effekten in diese Erörterung einzubeziehen sein. Im Sinne der vorstehenden Ausführungen beschliesst die Konferenz, die vorlie¬ gende Fassung des Abschnittes II mit einem Zusatze zu ergänzen, wonach auch Vorsorge zu treffen sein werde für ein gemeinsames Vorgehen und wechselseitige Unterstützung bei Beschaffung von Rohstoffen und ausländischen Zahlungsmit¬ teln, bei Sicherung des Schiffsraumes, sowie auf den Gebieten des Kreditwesens und der im Auslande placierten Effekten. Zum III. Abschnitte, über das Verkehrswesen,führt der k.k. Eisenbahn¬ minister aus, dass die seinerzeitigen deutschen Vorschläge die Absicht erkennen lassen, für die Ausfuhr deutscher Erzeugnisse nach dem Orient gewisse Begünstigungen dauernden Charakters zu erlangen, den Eisenbahnverkehr nach und von Russland besonders zu pflegen und für die Herstellung einer unmittelba¬ ren Eisenbahnverbindung nach Bulgarien Vorsorge zu treffen. Die beiden letzter¬ wähnten Postulate seien allerdings ziemlich unklar gefasst. Die Hauptsache spiele wohl auf dem Gebiete des Tarifswesens und des Transportrechtes. Darüber seien schon Verhandlungen zwischen den beteiligten Eisenbahnverwaltungen im Zuge, sodass dieser Teil der Verkehrsfragen im Rahmen der Annäherungsverhandlungen keine wesentliche Rolle spielen dürfte. Bezüglich des Tarifwesens sei zu erwarten, dass sich Deutschland auf dem Gebiete der Parität, der Meistbegünstigung und der Bindung gewisser Tarife die Entschädigung holen werde, weshalb es taktisch richtig sei, Deutschland mit seinen konkreten Anträgen hervortreten zu lassen. Bevor es zu den Verhandlungen mit Deutschland komme, sei jedoch unbedingt eine interne Verständigung der beiden Fachministerien in Österreich und in Ungarn erforderlich, die wohl gleich in Angriff genommen werden könnte. Der kgl. ung. Finanzminister glaubt, dass man, um überflüssige Arbei¬ ten zu ersparen, sich vorläufig damit begnügen sollte, die deutsche Initiative abzu¬ warten, wozu der k.k. Minister Dr. Baernreither bemerkt, dass dies allerdings eine taktische Frage von Wichtigkeit sei. Da Österreich-Ungarn wegen der grossen deutschen Orientinteressen den Trumpf in der Hand habe, befinde es sich allerdings in der leichteren Lage, die deutschen Anträge erst an sich heran¬ treten zu lassen, um zu ihnen Stellung zu nehmen, was aber die vom k.k. Eisen¬ bahnminister beantragten vorherigen internen Beratungen der Fachministerien nicht ausschliessen sollte. Hiezu kommen noch die Deutschland gleichfalls beson¬ ders interessierenden Schiffahrtsfragen, speziell die Elbegebühren, die Kanalfrage, bezüglich welcher es auch zweckmässig erscheine, die deutschen Anträge abzu¬ warten. Die Konferenz einigt sich somit dahin, dass in dem beiliegenden Entwurf bei Abschnitt III nur der erste Satz beibehalten werde und es den beiden Fachmi¬ nistern anheimgestellt werde, eine vorbereitende Besprechung durchzuführen. Im Abschnitt IV ist die Vorbereitung der wirtschaftlichen Annäherung auf anderen als den früher erwähnten Gebieten vorgesehen, worunter insbesondere gemeint sind: Die Handelsgesetzgebung, Marken und Musterschutz, Schutz des gewerblichen Eigentums, Kartellwesen, Telegraphen-, Mass- und Gewichtswesen, Bekämpfung des unlautern Wettbewerbes, sozialpolitische Gesetzgebung. Bezüg- <pb/>lieh der Fragen des Auswanderungswesens im Zusammenhänge mit der Seeschiff¬ fahrt werde man besser die deutschen Anträge abzuwarten haben. Bezüglich des modus procedendi einigt sich die Konferenz dahin, dass nunnmehr seitens der beiden Handelsminister eine genaue schriftliche Festlegung der Instruktionen für die Zoll- und Handelskonferenz und der Grundlagen für die nochmalige Beratung der dem Ministerrate vorbehaltenen Fragen zu erfolgen habe. Die Zoll- und Handelskonferenz werde nach Fertigstellung der für sie bestimmten Instruktion alsbald zusammentreten. Der k.u.k. Minister des Äusseren werde ersucht der kaiserlich deutschen Regierung mitzuteilen, dass man österrei- chisch-ungarischerseits in der Lage sei, mit den verantwortlichen deutschen Per¬ sönlichkeiten eine vertrauhche Besprechung abzuhalten, welche der gemeinsamen Detailarbeit der Unterhändler vorangehen sollte. Österreichischerseits wird hiezu bemerkt, dass diese Mitteilungen an die deutsche Regierung in der für gegeben erachteten Voraussetzung ergehen, dass man deutscherseits auch dermalen noch auf dem Standpunkte der im November 1915 gestellten Anträge stehe. Über Antrag des kgl. ung. Finanzministers wird ferner noch die Frage der Kohlensteuer im Zusammenhänge mit den Handelsvertragsverhandlungen zur Sprache zu bringen sein. Der Vorsitzende schhesst die Sitzung um 1 Uhr nachmittags. Die von den beiden Handelsministern im Sinne des vorstehenden Minister¬ ratsbeschlusses ausgearbeitete Instruktion für die Zoll- und Handelskonferenz wird dem vorhegenden Protokolle als Beilage 2 angeschlossen. a) Beilage 1. Für die Beratungen der Zoll- und Handelskonferenz über' die Vorbereitung der Verhandlungen mit der deutschen Regierung werden folgende Richtlinien aufgestellt: Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich schliessen einen Vertrag, in dem ein gemeinsames Vorgehen und gegenseitige Unterstützung auf dem Gebiete der Handelspolitik, der Finanzpohtik und des Verkehrswesens verabredet werden. I. Handelspolitik 1. Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich schliessen einen Vertrag mit gegenseitigen Zollbevorzugungen und Zollfreiheiten, namentlich für Agrarpro¬ dukte, die anderen Staaten nicht einzuräumen sind, wofern nicht einzelnen anderen Staaten im Einvernehmen Österreich-Ungarns mit dem Deutschen Reiche der Bei¬ tritt zu diesem Vertrage zugestanden wird. 2. Es wird vereinbart, bei der Feststellung der Vorzugszölle die Höhe der in unserem geltenden Handelsverträge mit dem Deutschen Reiche enthaltenen Vertragszölle im allgemeinen nicht zu überschreiten. Die Zollherabsetzungen und Zollfreiheiten sollen beiderseits soweit gehen, als dies ohne Gefährdung wich¬ tigster Produktionsinteressen möglich ist. Doch kann die für eine Ware eingeräumte Bevorzugung nicht grösser sein, als der für diese Ware in dem begünstigten Staate geltende Aussenzoll. 507 <pb/> 3. Welche Waren von der Yorzugsbehandlung ausgenommen sein sollen, wird einvernehmlich bestimmt. Bei den Waren, bei denen die Bevorzugung stattfindet, kann bei Verhandlungen mit dritten Staaten das Mass der eingeräumten Bevor¬ zugung nur im Einvernehmen verringert werden. 4. Die Bevorzugung soll sich auf möglichst viele Tarifpositionen erstrecken. Bei dei; Verhandlung über jede Zolltarifklasse wird jeder Teil die Herabsetzungen und Zollfreiheiten, die er zu gewähren bereit ist, dem anderen Teil anbieten, worauf über die eventuell weitergehenden Forderungen der Gegenseite zu ver¬ handeln sein wird. 5. Es wird eine Vereinbarung darüber getroffen werden, welchen anderen Staaten und unter welchen Bedingungen der Beitritt zu dem Vertrag offen zu halten ist. 6. Der Vertrag wird auf die Dauer von 20 Jahren geschlossen, längstens 5 Jahre nach seinem Inkrafttreten wird eine Revision einzelner Bestimmungen stattfinden. 7. Ein gemeinsames handelspolitisches Auftreten nach aussen wird grundsätz¬ lich in Aussicht genommen. II. Übergangswirtschaft Auf dem Gebiete der Übergangswirtschaft wäre einverständliches Vorgehen bei der Beseitigung der während des Krieges vorgenommenen Verkehrsbeschränkun¬ gen und gemeinsame Stellungnahme bei den Friedensverhandlungen behufs Ver¬ hütung eines Wirtschaftskrieges zu vereinbaren. Ferner wäre Vorsorge zu treffen für gemeinsames Vorgehen und wechselseitige Unterstützung bei der Beschaffung von Rohstoffen, ausländischen Zahlungsmitteln und Schiffsraum. III. Verkehrsfragen Hinsichtlich der verkehrspolitischen Fragen wäre die Initiative der deutschen Regierung zu überlassen. Aufgabe der Zoll- und Handelskonferenz soll lediglich die Vorbereitung des Materials für die Behandlung dieser Fragen sein. IV. Sonstige Wirtschaftsfragen Auch auf anderen Gebieten wäre eine möglichste Assimilierung der wirtschaft¬ lichen Gesetzgebung anzustreben. Aufgabe der Zoll- und Handelskonferenz wäre die Ausarbeitung von Vorschlägen und die Vorbereitung des Materiales hiefür. Beilage 2. Instruktion für die Zoll- und H a n d e 1 s k o n f e r e n z Für die Beratungen der Zoll- und Handelskonferenz über die Vorbereitung der Verhandlungen mit der deutschen Regierung werden folgende Richthnien aufge¬ stellt: Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich schliessen einen Vertrag, in dem ein gemeinsames Vorgehen und gegenseitige Unterstützung auf dem Gebiete der Handelspolitik, der Finanzpolitik und des Verkehrswesens -- sowie der Übergangs¬ wirtschaft -- verabredet werden. 508 <pb/> I. Handelspolitik 1. Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich schliessen einen Vertrag mit gegenseitigen Zollbevorzugungen und Zollfreiheiten, namenthch für Agrar¬ produkte, die anderen Staaten nicht einzuräumen sind, wofern nicht einzelnen anderen Staaten im Einvernehmen Österreich-Ungarns mit dem Deutschen Reiche der Beitritt zu diesem Vertrage zugestanden wird. 2. Die Grundlage der Verhandlungen bildet unser geltender autonomer Zoll¬ tarif mit den im Ausgleich vorgenommenen und den noch vorzunehmenden Änderungen. Die Zollherabsetzungen und Zollfreiheiten sollen beiderseits soweit gehen, als dies ohne Gefährdung wichtigster Produktionsinteressen möglich ist. Der einzuräumende Vorzugszoll kann jedoch nicht niedriger sein, als die Diffe¬ renz zwischen den Aussenzöllen der beiden Teile. 3. Bei den Waren, bei denen die Bevorzugung stattfindet, kann bei Verhandlun¬ gen mit vierten Staaten das Mass der eingeräumten Bevorzugung nur im Ein¬ vernehmen verringert werden. 4. Die Bevorzugung soll sich auf möglichst viele Tarifpositionen erstrecken. Bei der Verhandlung über jede Zolltarifklasse wird jeder Teil -- statt gegenseitiger Präsentierung von Forderungshsten -- die Herabsetzungen und Zollfreiheiten, die er zu gewähren bereit ist, dem anderen Teil anbieten, worauf über die eventuell weitergehenden Forderungen der Gegenseite zu verhandeln sein wird. Im Zusammenhänge mit der im obigen Sinne zu erfolgenden Ausarbeitung der Liste der unsererseits anzubietenden Konzessionen ist aber seitens der Zoll- und Handelskonferenz auch die Liste unserer Forderungen auszuarbeiten, welche letztere aber vorläufig der deutschen Regierung nicht mitzuteilen sein wird. Übrigens sind die mit der deutschen Regierung aufzunehmenden Verhandlungen derart zu führen, dass die Deutschen sich über ihre übrigen Wünsche schon im Zusammenhänge mit den Zolltariffragen in möglichst erschöpfender Weise äussern. 5. Möglichst günstige Veterinärvereinbarung auf jener Basis, auf der diese Fragen in den letzthin zustandegekommenen Ausgleichsbestimmungen zwischen Österreich und Ungarn ihre Regelung erfahren haben. 6. Schutz gegen die nachteiligen Folgen des letzthin zustandegekommenen deutschen Reichskohlensteuergese.tzes. 7. Die Zoll- und Handelskonferenz hat sich auch mit der Frage zu befassen, welchen anderen Staaten und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen der Beitritt zu dem Vertrag offen zu halten wäre. In den Verhandlungen mit Deutschland ist jedoch diesbezügüch dje Initiative Deutschlands zu erwarten. 8. Der Vertrag wird auf die Dauer von 20 Jahren geschlossen, längstens 5 Jahre nach seinem Inkrafttreten wird eine Revision einzelner Bestimmungen statt¬ finden, wobei mangels einer Einigung der Status quo aufrecht bleibt. Es ist durch die Zoll- und Handelskonferenz auch die Möglichkeit der Art und Weise der Lösung der Frage zu prüfen, ob es bei den heutigen gänzlich verscho¬ benen Preisverhältnissen nicht nötig wäre, zum Zwecke der Sicherung des erzielten 509 <pb/>Effektes des Zollschutzes solche Vereinbarungen zu treffen, welche es ermöglichen, dass die Zölle mit jenen Preiserhöhungen, die sich den Friedenspreisen gegenüber ergeben werden, in Einklang gebracht werden. IE Übergangswirtschaft Auf dem Gebiete der Übergangswirtschaft wäre einverständliches Vorgehen bei der Beseitigung der während des Krieges vorgenommenen Verkehrsbeschränkun¬ gen und gemeinsame Stellungnahme bei den Friedensverhandlungen behufs Ver¬ hütung eines Wirtschaftskrieges zu vereinbaren. Ferner wäre Vorsorge zu treffen für gemeinsames Vorgehen und wechselseitige Unterstützung bei der Beschaffung von Rohstoffen, ausländischen Zahlungsmitteln und Schiffsraum, sowie auf dem Gebiete des Kreditwesens. (Hintanhaltung einer Zurückflutung von im Auslande placierten heimischen Effekten durch im Friedensvertrag gemeinschaftlich zu verlangenden zweckdienlichen Massnahmen der betreffenden fremden Regie¬ rungen.) III. Verkehrsfragen Hinsichtlich der verkehrspolitischen Fragen wäre die Initiative der deutschen Regierung zu überlassen. IV. Sonstige Wirtschaftsfragen Auch auf anderen Gebieten wäre eine möglichste Assimilierung der wirtschaft¬ lichen Gesetzgebung anzustreben. Aufgabe der Zoll- und Handelskonferenz wäre die Ausarbeitung von Vorschlägen und die Vorbereitung des Materiales hiefür. Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. -- In der rechten oberen Ecke dieses Bogens mit Bleistift geschrieben: »fertig«. Auf dem ersten Blatt seitlich von der Hand des Herrschers: »gelesen«. -- Auf dem letzten Blatt die Kennt¬ nisnahme durch den Herrscher: »Laxenburg, am 22. Mai 1917.« Unter dem Text rechts die Unterschrift von Czernin, links die von Joannovics. -- Ebd. das maschinen¬ geschriebene Konzept des Protokolls, auf dem ersten Blatt unten die Unterschrift von Czernin, auf dem letzten Blatt die von Joannovics. 26. Laxenburg, 29. Juni 1917 Debatte über die Lösung der immer schwieriger werdenden Versorgungsprobleme- Spenden der Reichen. Ware gegen Ware. Die katastrophale Versorgungslage der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wird am beredtesten vom Verhandlungsmaterial dieses Ministerrates illustriert. (Siehe hierüber die Einleitung.) Über das zur Debatte stehende Problem siehe den Kommen¬ tar zum Ministerratsprotokoll vom 9. September 1916.' <pb/>