Gemeinsamer Ministerrat, 24. 2. 1917
I. Sicherstellung des Munitions- und Geschützbedarfs
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z22.pdf.
II. Kriegskosten, militärische Bestellungen, industrielle Neuanlagen und Investitionen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z22.pdf#page=7.
Über Aufforderung Seiner Majestät gibt hierauf der Chef des General¬ stabes über die Stärke der Armeen der neutralen Staaten folgende Auf¬ schlüsse : Schweden: 9 Infanterie-Divisionen, 1 Kavallerie-Division; Norwegen: 4 -- 6 Infanterie-Divisionen; Dänemark: 4 Infanterie-Divisionen; Holland: 4--5 starke Infanteriedivisionen (ä 18 Bataillons); Spanien: y220 Infanterie-Divisionen, 2 Kavallerie-Divisionen; Nord-Amerika: Stehendes Heer: 3 Infanterie-Divisionen, 1 Kavallerie-Division (7107 Offiziere, 125.000 Mann), Miliz im Frieden nur en cadre: 8900 Offiziere Schweiz: 119.000 Mann; y26 Infanterie-Divisionen, davon 3 mobilisiert, 1 Kavallerie-Division. Seine Majestät geruhen sodann die vorstehenden Ausführungen dahin zu resümieren, dass Allerhöchstihm von allen an dem gemeinsamen Ministerrate beteiligten Herren geraten werde, den deutschen Vorschlag auf rücksichtsloses Einsetzen des U-Bootkrieges anzunehmen, worauf der Kronrat geschlossen wird. Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. Auf demselben Bogen unten links mit Bleistift geschrieben: »Gelesen K(arl)«. -- Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Baden, 2. Februar 1917.« Links unten die Unterschrift von Colloredo-Mansfeld. Die Unterschrift des Ministers des Äußern fehlt. -- Ebd. das handschriftliche Konzept des Protokolls aus der Feder des Protokollführers. Mit ebenfalls von ihm stammenden Korrekturen. 22. Wien, 24. Februar 1917 Die Probleme der Kriegsmaterial- und Geschützproduktion sowie der militärischen Investitionen. Arbeitermangel in den Fabriken. Transportschwierigkeiten. Inter¬ essengegensätze zwischen dem österreichischen und dem ungarischen Finanzkapital. Ende August 1916 kamen Hinderiburg und Ludendorff an die Spitze der Deutschen Obersten Heeresleitung. Die Berufung Hindenburgs und mehr die Ludendorffs auf den höchsten militärischen Posten war mit der höchsten Anspannung der militärischen Kräfte gleichbedeutend. Der Name Hindenburgs drückte auch dem Programm den Stempel auf, das das gesamte deutsche Wirtschaftsleben und die Arbeitskraft der ganzen deutschen Gesellschaft in den Dienst der Kriegführung stellen wollte. (Das Programm, das den im zweiten Weltkrieg aufgekommenen Begriff »totaler Krieg« fast 458 <pb/> erschöpfte, wurde durch das am 5. Dezember 1916 eingebrachte Vaterländische Hilfsdienstgesetz nur teilweise verwirklicht.) Dieses gab die Anregung zur Ausweitung des Auffenberg-Programms zur Modernisierung der österreichisch-ungarischen Artillerie, im allgemeinen zur quantitativen und qualitativen Entwicklung der Kriegs¬ materialproduktion. Die zunehmende Mechanisierung der Kriegsführung, das Über¬ handnehmen der technischen Gesichtspunkte überstiegen bei weitem die wirtschaft¬ liche und politische Leistungsfähigkeit Österreich-Ungarns. Die Debatte im gemeinsa¬ men Ministerrat vom 24. Februar zeigte dies aus mehreren Gesichtspunkten und mit einer ganzen Reihe von Daten. In der Einleitung ist ausführlich davon die Rede, wie die Verfügungen der Heeres¬ leitung den Beschlüssen des gemeinsamen Ministeriums vorangingen, bzw. wie diese die vorherige Einholung der Zustimmung der österreichischen und der ungarischen Regierung unterließ eben aus dem Grunde, daß die Monarchie mit der durch die Kriegstechnik diktierten Entwicklung Schritt halten mußte. Die Dinge kamen in diesem Zusammenhänge zum erstenmal im gemeinsamen Ministerrat vom 3. Juli 1916 mit größerem Nachdruck zur Sprache. Dieses Problem stand später in den gemeinsamen Ministerkonferenzen vom 2--5. Juli, 28. Oktober 1917, 24. Februar und 24. August 1918 auf der Tagesordnung. Protokoll des zu Wien am 24. Februar 1917 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des kgl. ung. Ministerpräsidenten Graf Tisza. K.Z. - G.M.K.P.Z. 533. Gegenwärtige: der k.k. Ministerpräsident Graf C1 a m - M a r t i n i c, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister Baron B u r i ä n, der k.u.k. Kriegsminister G. O. Freiherr von K r o b a t i n, der k.k. Finanzminister Dr. von Spitz- mü 11 e r, der kgl. ung. Finanzminister Dr. T e 1 e s z k y, der kgl. ung. Handels¬ minister Baron H a r k ä n y i, der k.k. Handelsminister Dr. Urban, der k.k. Landesverteidigungsminister GO. Freiherr von G e o r g i, der kgl. ung. Honvedminister FML. von S z u r m a y, der Vertrter des k.u.k. Armeeober¬ kommandos, Hauptmann des Generalstabes S c h i 11 e r. Schriftführer: Generalkonsul von Joannovics. Gegenstand: 1. Sicherstellung des Munitions- und Geschützbedarfs. 2. Kriegs¬ kosten, militärische Bestellungen, industrielle Neuanlagen und Investitionen. Der kgl. ung. Ministerpräsident eröffnet die Sitzung um 11 Uhr vormittags mit der Mitteilung, dass er in Abwesenheit des k.u.k. Ministers des Äussern über dessen Ersuchen den Vorsitz übernommen habe. 1. Sicherstellung des Munitions- und Geschützbedarfes. Zum ersten Gegenstände der Tagesordnung bemerkt der Vorsitzende einleitend, dass es sich um die Anregung der obersten Heeresleitung und des k.u.k. Kriegsministeriums handle, die Geschütz- und Munitions-Erzeugung in dem nötigen Masse zu fördern, damit durch einen reicheren Einsatz von Munition das Menschenmaterial geschont werde. Wenn die Regierungen diese Absicht grundsätzlich billigen, so seien doch vorerst gewisse Fragen zu klären, welche 459 <pb/>die Sicherheit geben, dass einerseits der beabsichtigte Zweck auch wirklich erreicht werde, andererseits dass die angesprochenen Leistungen den wirtschaftlichen Kräften der beiden Staaten entsprechen. Der Vorsitzende ersucht daher den k.u.k. Kriegsminister, sein Programm nach dieser Richtung hin eingehend dar¬ zulegen und zu begründen. Der k.u.k. Kriegsminister teilt mit, dass der in Rede stehende Gedanke noch in jener Zeit entstanden sei, wo die Verhältnisse eine rasche Entscheidung erfordert hätten, um das zu erreichen, was man anstrebe, nämlich durch eine Mechanisierung der Schützengräben das Menschenmaterial zu schonen. Es sei dies die Zeit nach dem Durchbruche bei Luck und während der grossen Somme- Offensive gewesen. Damals sei in Deutschland das sogenannte Hindenburg- Programm aufgestellt worden, welches eine ganz ungeheuere Vermehrung der Geschütze und Munition vorgesehen habe. Im August 1916 sei der preussische Kriegsminister zu einer Besprechung nach Wien gekommen, um zu beraten, wie dieses Programm auch für Österreich-Ungarn durchgeführt werden solle. Dies habe sich jedoch für Österreich-Ungarn in dem deutscherseits beantragten Umfange als nicht möglich erwiesen. Das Kriegsministerium habe daher unter Einschränkung der deutscherseits gestellten wesentlich höheren Anforderungen die Hebung der Erzeugung von Artillerie-Munition auf 4 Millionen Schuss monat¬ lich in Aussicht genommen, was die volle Arbeit der alten und der neu zu errich¬ tenden Fabriken, deren Bau sogleich in Angriff genommen wurde, erfordert hätte. Mit Ausnahme des Pulvers könnten alle Bestandteile gedeckt werden. Lediglich der Mangel an Pulver mache die Steigerung der Munitions-Erzeugung bis zu dem angegebenen Ausmasse derzeit unmöglich, ja es sei sogar das im Novem¬ ber v. J. erreichte Maximum der Produktion in den Wintermonaten infolge der schwierigen Kohlen- und Transport-Verhältnisse, sowie wegen des Azeton- Mangels wieder gesunken. Wegen der beabsichtigten gesteigerten Verwendung von Maschinengewehren sei auch eine Steigerung der Erzeugung von Gewehr- Munition notwendig, obwohl die Armee bei einer bisherigen Tagesproduktion von 5 Millionen Patronen daran bisher nie Mangel gelitten habe. Mit Rücksicht auf die wegen des Mangels an Pulver und Sprengmitteln der¬ malen an engere Grenzen gebundene Munitions-Erzeugung habe sich das Kriegs¬ y4ministerium genötigt gesehen, vorläufig ein neues Programm auf Grundlage einer monatlichen Erzeugung von 2 Millionen Schuss Artillerie-Munition aus¬ zuarbeiten, welches aber unbedingt durchgeführt werden müsse. Die bei den Fir¬ men abgeschlossenen Bestellungen seien mit diesem Programme nicht im Ein¬ klänge, weil sie noch zu einer Zeit gemacht wurden, als das 4 Millionen-Programm bestanden habe. Inzwischen sei die Reduktion der Bestellungen eingeleitet worden. Im ganzen seien jetzt 30 Millionen Artillerie-Geschosse mit Ablieferungs-Pflicht bis 31. Dezember 1917 bestellt. Wenn die neu zu errichtenden Pulverfabriken fertig werden, könnte von Mai--Juni angefangen die Steigerung auf 4 Millionen Schuss monatlich erreicht werden. Die Durchführung dieses Programmes hänge vor allem von der Beschaffung der zur Pulver- und Sprengstoff-Fabrikation notwendigen Rohmaterialien ab. Zu diesem Behufe habe das Kriegsministerium die Erweiterung der bestehenden 460 <pb/>und die Errichtung einiger neuer Fabriksanlagen vorgesehen und bitte die Kon¬ ferenz, die Meinung aufzunehmen, dass, ehe an die praktische Durchführung dieser Anlagen geschritten wurde, genauestens gerechnet wurde, um überflüssige oder unwirksame Investitionen zu vermeiden. Was die Beschaffung der zur Geschoss-Erzeugung nötigen Metalle, in erster Linie Kupfer und Blei, anbelange, so sei der auf dem 4 Millionen-Schuss-Programm für Geschütz-Munition und auf einer täglichen Erzeugung von 7.8 Millionen Gewehrpatronen basierte Bedarf an Kupfer für die ersten drei Monate des lau¬ fenden Jahres veranschlagt worden mit 4060 Tonnen pro Jänner, 4720 Tonnen pro Februar und 4940 Tonnen pro März. Als Deckung ergebe sich eine monatliche Kupfer-Produktion von je 700 Tonnen, ein Ertrag der Requisitionen von 1260 Tonnen pro Jänner, 2020 Tonnen pro Februar und 3070 Tonnen pro März, woraus ein Fehlbetrag von 2100 Tonnen pro Jänner, 2000 Tonnen pro Februar und 1170 Tonnen pro März resultiere, dessen Deckung bei Deutschland angespro¬ chen worden sei. Deutscherseits seien pro Jänner 2000 Tonnen, pro Februar und März aber nur je 500 Tonnen zugesagt worden, sodass der Bedarf nicht gedeckt erscheint. Da aber das 4 Millionen-Schuss-Programm -frühestens im Mai zur Durchführung gelangen werde und das Messing bei den Hülsen und teilweise auch bei den Zündern durch Eisen und Stahl mit günstigem Erfolge ersetzt werden könne, so sei die Möglichkeit gegeben, Kupfer zu ersparen. Dies bedeute einen Mehrverbrauch an Eisen von 300 Waggons monatlich, sodass ungefähr 150--180 Waggons Kupfer monatlich erspart werden könnten. Über das bisherige Ergebnis der Requisitionen liegen dem Kriegsministerium die folgenden Daten vor: für Österreich mit dem Stande von 31. Jänner 1917: 47.390 Tonnen; für Ungarn mit dem Stande vom 1. November 1916: 11.800 Tonnen; für Österreich-Ungarn an Kirchenglocken: 15.000 Tonnen, ferner an Dach-Kupfer 3000 Tonnen, somit im ganzen: 77.190 Tonnen Kupfer, Messing und Bronze zusammengenommen, wobei zu berücksichtigen ist, dass bereits % der Glocken requiriert worden sind und ein grosser Teil der requirierten Metalle schon verarbeitet ist. Die Vorräte bei den Fabriken betragen augenblicklich 400 Waggons Kupfer und 700 Waggons Messing. Auf dem Lagerplatze der Metall- Zentrale in Wien befinden sich 15 Waggons, in Budapest nichts. Um für den weiteren Bedarf aufzukommen, seien vom Kriegsministerium neue Requisitions-Verordnungen entworfen und bei den Ressortministerien beantragt worden; doch sei hieraus, von der Einziehung der Türklinken abgesehen, ein so geringes Ergebnis zu erwarten, dass die dadurch verursachte Schädigung der industriellen Betriebe, welche die in den Maschinen und Anlagen enthaltenen Metalle abgeben sollen, nicht gerechtfertigt erschiene. Der aus der Produktion der serbischen Kupfer-Bergwerke auf Österreich- Ungarn entfallende Anteil (Bor und Plakalnica 150 Tonnen, Majdanpek 25 Tonnen monatlich) sei gleichfalls ein so geringer, dass er für die Deckung des Bedarfes kaum in Betracht komme, zumal eine Steigerung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei. Die Gesamtberechnung ergibt somit, dass von einem durchschnittlichen Monats- bedarfe von 500 Waggons Kupfer mit der Einführung der eisernen Patronenhülsen 461 <pb/>150 Waggons durch Eisen und Stahl ersetzt werden können, sodass der eigentliche Kupferbedarf sich auf 350 Waggons monatlich belaufe. Hievon seien 70 Waggons durch die eigene Produktion gedeckt, somit noch 280 Waggons monatlich zu decken. Der Gesamtvorrat und das voraussichtliche Ergebnis der noch vorzu¬ nehmenden Requisitionen würden im besten Falle insgesamt 1800 Waggons liefern, womit nach Inanspruchnahme aller in der Monarchie überhaupt vorhandenen und greifbaren Kupfermaterialien und unter schwerster Schädigung der Industrie nur ein etwa sechsmonatlicher Bedarf gedeckt wäre. Die Berechnung des Bleibedarfes ergebe ein Erfordernis von je 7070 Tonnen pro Jänner und Februar, zu dessen Deckung die Hüttenproduktion mit je 3700 Tonnen, Requisitionen mit je 300 Tonnen und ein bereits vereinbartes deutsches Kontingent von 400 Tonnen beitragen sollen. Das hieraus sich noch ergebende Defizit von 2670 Tonnen monatlich sei rechnungsgemässig nur teilweise durch ein deutscherseits zugestandenes Kontingent von je 1100 Tonnen gedeckt. Da aber die Hüttenproduktion nur je 3200 Tonnen, die Requisitionen nur 150 Tonnen monatlich ergeben haben, sei das rechnungsmässige Defizit noch erheblich grösser. Die vorstehende Berechnung sei mit Rücksicht auf den grossen Bedarf an Blei- Füllkugeln bis März aufgestellt worden; nun sei man im Begriffe, auf Eisenkugeln überzugehen, wodurch der monatliche Bedarf an Blei auf rund 4100 Tonnen sin¬ ken werde, wovon 4000 Tonnen durch die Hüttenproduktion und 500 Tonnen durch Requisitionen gedeckt werden sollen. Hiemit wäre der Bedarf überdeckt. In dein Mehrertrag der Requisitionen sei bereits die in Aussicht genommene Inanspruchnahme der bleiernen Wasserleitungsrohre in Rechnung gestellt. Der kgl. ung. Finanzminis ter schliesst aus der gegebenen Darstellung der Sachlage, dass die von den beiden Regierungen gleich von Anfang an gehegten Zweifel an der Durchführbarkeit des im Anschlüsse an das Hindenburg-Programm für Österreich-Ungarn entworfenen grossen Munitions- und Geschütz-Program- mes sich als gerechtfertigt gezeigt haben. Das Kriegsministerium sei heute genötigt, seine Bestellungen zu stornieren, und es handle sich nicht mehr darum zu ent¬ scheiden, ob weitere Bestellungen zu machen seien, sondern zu prüfen, wie die unbedingt nötigen Bestellungen durchgeführt werden können. Der Material¬ mangel sei die Hauptursache, aus welcher das Hindenburg-Programm nicht durchgeführt werden könne. Die neu zu errichtenden oder zu erweiternden" Fabriken seien nicht in der Lage, die Liefertermine einzuhalten, weil sie die in Deutschland bestellten Maschinen nicht erhalten. Die zweite grosse Schwierig¬ keit ergebe sich aus dem Arbeitermangel infolge ganz ungenügender Enthebung der geeigneten Arbeiter vom Frontdienste. Die dritte Schwierigkeit bestehe darin, dass infolge des Rohmaterial-Mangels den einzelnen Fabriken die erforderlichen Metallzuweisungen nicht zugehen. Hieraus folge, dass man nicht imstande sein werde, die Munitions-Erzeugung wesentlich zu steigern und im Gegenteil froh sein müsse, wenn der gegenwärtige Produktionsstand erhalten werden könne. Aus diesem Grunde erschiene als einzig richtiger Weg, ein neues Programm auf- a) Das im maschinengeschriebenen Text stehende Wort »bestehenden« wurde von Teleszky gestrichen und statt dessen folgender Text gesetzt: »neu zu errichtenden oder zu erweiternden«. 462 <pb/>zustellen auf Basis jener Materialien, die am knappsten vorhanden sind, und die Neuanlagen dem anzupassen, weil darüber hinausgehende Investitionen nur ver¬ geudetes Geld seien. Dies müsste der deutschen Regierung und Heeresleitung nachdrücklichst vor Augen gehalten werden, um sie zu veranlassen, mit den nöti¬ gen Maschinen und Rohstoffen auszuhelfen. Zu allen diesen Schwierigkeiten seien noch die Transportkalamitäten gekommen, welche es bewirkt haben, dass Fabriken wegen Kohlenmangels während längerer oder kürzerer Zeit6 Stillstehen oder ihren Betrieb einschränken musstenc. Die gleichen Schwierigkeiten bestehen auch bei der Geschütz-Erzeugung. Auch hier sei der Hauptfehler, dass man aus Deutschland nicht das bekomme, was zur Aufrechthaltung und Erweiterung der Betriebe nötig sei, zum Beispiel die Arbeits¬ maschinen oder'1 die Eisenkonstruktionen für den Bau der neuen Anlagen. Aus allen den angeführten Gründen können die in Betrieb stehenden Fabriken die Liefertermine nicht einhalten und die neuen Fabriken nicht rechtzeitig in Betrieb gesetzt werden. Das von der Heeresverwaltung aufgestellte Programm übersteige die wirtschaftlichen Kräfte der Monarchie. Es werde mehr erreicht werden können, wenn das Programm auf eine reale Grundlage gestellt und die vier hauptsächlichen Voraussetzungen der Erhaltung eines vollen und steigerungs¬ fähigen Betriebes: Rohstoffbeschaffung, Maschinenbeistellung, Arbeiterfrage und Transportfrage in befriedigender Weise erfüllt werden. Der k.u.k. Kriegsminister erwidert auf Vorstehendes, dass man, von y4den gleichen Erwägungen ausgehend, ein kleineres Programm entworfen habe, nämlich das der Erzeugung von 2 Millionen Schuss monatlich, dass man aber nach Inbetriebsetzung der Neuanlagen, die man für den Monat Juni erhoffe, das 4 Millionen-Programm in Aussicht genommen habe. Gegen die Einwendungen des Vorredners ergebe sich das Bedenken, ob man die Errichtung der Fabriken, deren Bau man mit Rücksicht auf das grössere Programm bereits in Angriff genommen habe, wieder sistieren solle. Es könne heute wohl niemand die Ver¬ antwortung hiefür übernehmen, weil, wenn der Krieg im Herbste noch fortdauern sollte, diese Fabriken jedenfalls gebraucht würden. Der kgl. ung. Finanzminister anerkennt, dass man es wohl überlegen müsse, ob man die angefangenen Arbeiten wieder rückgängig machen solle. Wenn man aber viele Industrie-Investitionen vornehme, von welchen die eine die andere hemme, so werde das Endergebnis ein schlechteres sein, als wenn man nur einige tatsächlich rechtzeitig durchführbare Industrie-Investitionen vorgenommen hätte/ Jedenfalls dürfen keine weiteren Neuanlagen gemacht werden. Ferner müsse in Deutschland eine viel energischere Sprache geführt werden, damit die notwendigen Maschinen und Konstruktionen, sowie auch Rohstoffe gehefert werden, und schliesslich müssen mit allem Nachdrucke jene Schwierigkeiten behoben werden, b) Im maschinengeschriebenen Text wurde das Wort »wochenlang« von Teleszky gestrichen und statt dessen »während längerer oder kürzerer Zeit« gesetzt. c) Nach »Stillstehen« wurde von Teleszky »oder ihren Betrieb einschränken« eingesetzt. d) Nach »zum Beispiel« wurde von Teleszky »die Arbeitsmaschinen oder« eingefügt. e) Nach »sein« wurde von Teleszky folgender Text eingefügt: »als wenn man nur einige tatsächlich rechtzeitig durchführbare Industrie-Investitionen vorgenommen hätte«. 463 <pb/>deren Beseitigung in der Gewalt der beiden Regierungen und des Armee-Ober¬ kommandos liege, das sind die Arbeiter- und Eisenbahnfragen. Wenn es sich um die Munitions-Erzeugung handle, so müssen etwaige Bedenken gegen die Ent¬ hebung von 20.000 Arbeitern vom Frontdienste in den Hintergrund treten. Könne dies nicht erreicht werden, so werden die Investitionen eingestellt werden müssen. Der kgl. ung. Finanzminister formuliert seinen Antrag somit dahin, dass diese Frage Deutschland und dem Armee-Oberkommando gegenüber mit allem Nachdrucke zur Sprache gebracht werde, weil die grössten Interessen damit verknüpft seien. Der kgl. ung. Handelsminister ergänzt diese Ausführungen bezüglich der Transport-Schwierigkeiten dahin, dass auch diese durch den Mangel an Leuten hervorgerufen seien. Der Mangel an Lokomotiven, der nur teilweise durch die aus finanziellen Gründen höchst unerwünschten Bestellungen in Deutschland gedeckt werden konnte, habe seine Ursache in dem von Woche zu Woche stei¬ genden Stande der Reparaturen. 25% der Lokomotiven befinden sich jetzt in den Reparatur-Werkstätten, die mit ihren Arbeiten wegen Leutemangels im Rückstände seien. Wenn ferner^ die Produktion in den ungarischen Kohlen¬ werken gesteigert werden könnte, so wäre es möglich, die Eisenbahnen in der Kohlenbeförderung erheblich zu entlasten und auch dadurch günstigere Verhält¬ nisse in der Kohlenfrage zu schaffen. Auch für diese Betriebe werden die Arbeiter vom Frontdienste nicht enthoben. Es sei also ein unbedingtes Erfordernis, Kohlen-, Eisen-, Munitions- und Maschinenarbeiter möglichst rasch vom Frontdienste freizubekommen. Der Vorsitzende verkündet sohin als den Beschluss der Konferenz, dass volles Einvernehmen darüber bestehe, die maschinelle Leistung im Kriege auf das denkbarste Maximum zu erhöhen, um das Menschenmaterial zu schonen, dass aber die Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, durch die gegebenen Verhält¬ nisse an ziemlich enge Grenzen gebunden sei. In erster Linie ergeben sich Schwie¬ rigkeiten bei der Durchführung der notwendigen industriellen Anlagen, weil man die Eisenkonstruktionen für den Bau und die Maschinen für den Betrieb aus Deutschland nicht erhalten könne. Sehr störend wirke ferner die Schwierigkeit, gelernte Arbeiter aus der Front wiederzubekommen, was unbedingt notwendig sei. In der Rohstoffbeschaffung bereite die Kupfer-Beschaffung die grössten Schwierigkeiten. Wenn man auch vollauf mit den Neuerungen der Technik rechne, durch welche Ersatz für Kupfer geschaffen werde, so stehe dieses Metall doch nur in sehr beschränktem Masse zur Verfügung und, wenn das grosse Programm im übrigen auch erreichbar wäre, so wäre es doch undurchführbar, weil das vor¬ handene und in der Monarchie vielleicht noch beschaffbare Kupfer in wenigen Monaten verbraucht wäre. In diesen Erwägungen beschhesst die Konferenz, an das k.u.k. Kriegsministe¬ rium und an das k.u.k. Armee-Oberkommando mit dem Ersuchen heranzutreten, bezüglich der notwendigen Enthebung der geeigneten Arbeiter vom Front¬ dienste in der Weise vorzugehen, dass diejenigen zum Heeresdienste einberufenen f) Nach »wena« wurde von Harkänyi »ferner« eingeschoben. 464 <pb/>Arbeiter, welche für den Eisenbahndienst, für die Arbeiten in den Werkstätten der Bahnen, ferner für den Kohlen- und Grubenbau, endlich für industrielle Be¬ triebe, die mit der Munitions- und Geschütz-Erzeugung Zusammenhängen, erforderlich sind, raschestens freigegeben und diesen Betrieben zur Verfügung gestellt werden. Bezüglich der Maschinen- und Baukonstruktionen, sowie des Kupfers werden das Armee-Oberkommando und das Ministerium des Äussern ersucht, sich an die zuständige deutsche Stelle mit der Erklärung zu wenden, dass es eine Frage der Wehrfähigkeit der Monarchie sei, ob sie von Deutschland die erwähnten Materialien in dem benötigten Ausmasse bekomme, da nur im Falle einer genü¬ genden Unterstützung von deutscher Seite die notwendige Steigerung der Muni¬ tions-Erzeugung in Österreich-Ungarn möglich sei. Über Antrag des kgl. ung. Finanzministers wird der k.u.k. Kriegs¬ minister wegen der bereits vergebenen Bestellungen an Geschützen ermächtigt, den Geschütz-Fabriken jene Materialien, die sie zur Durchführung dieser Bestel¬ lungen brauchen, abzugeben, auch wenn sie den Liefertermin vom 31. Dezember 1917 nicht einhalten würden. Diese Ermächtigung kann jedoch nicht zur Grund¬ lage für neue finanzielle Investitionen dienen und ändert nichts an dem feststehen¬ den Beschlüsse, dass unter den dermalen gegebenen Verhältnissen Bestellungen über das Jahr 1917 hinaus nicht erfolgen dürfen. 2. Kriegskosten, militärische Bestellungen, industrielle Neuanlagen für Heeres¬ zwecke und Investitionen. Der k.u.k. Kriegsminister gibt eine Darstellung der perzentuellen Verteilung der in den drei Kriegsjahren durchgeführten Investitionen auf die beiden Staaten der Monarchie. Es wurden investiert: Österreich Ungarn 1914 ' 67.8% 32.2% 1915 71.34% 28.66% 1916 70.5% 29.5% Des weiteren gibt der k.u.k. Kriegsminister die ziffernmässigen Daten der für die Bestellungen von Geschützen und Munition im Inlande und im Auslande verausgabten Beträge bekannt. Es wurden ausgegeben in Millionen Kronen: Im Inland Im Ausland 1914 282.5 24.5 1915 1350.- 116.3 1916 1350.- 75.5 Der k.k. Finanzminister führt aus, dass für Heereszwecke bis jetzt insgesamt 46 Milharden Kronen aufgenommen wurden, wovon 30 Milharden durch die Kriegsanleihen beschafft, 13 Milharden bei den Banken aufgenommen wurden, während die Schuld an Deutschland 3 Milharden betrage. Angesichts dieser ganz ungeheueren Ziffern, welche die finanzielle Lage der Monarchie zu einer geradezu verzweifelten stempeln, sei es gerechtfertigt zu verlangen, dass das Erfordernis für Investitionen, sowie jenes für die Kriegsführung bei aller t 30 Komjdthy: Protokolle 465 <pb/>Anspannung der kriegerischen Leistungsfähigkeit doch möglichst eingeschränkt werde. In letzterer Hinsicht sei besonders die Forderung zu erheben, die an manche Industrien gezahlten übermässig hohen Preise herabzusetzen, da die Unternehmer Gewinne machen, die später nur schwer verantwortet werden könnten. Das vom Kriegsminister gegenwärtig beanspruchte Erfordernis von 1.7 Milliarden Kronen monatlich könnte vielleicht auf diesem Wege etwas reduziert werden. Der kgl. ung. Finanzminister schliesst sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an. Die Kosten der Kriegführung wachsen von Monat zu Monat. Man habe mit einem monatlichen Erfordernis von 764 Millionen Kronen begonnen und sei allmählich auf 1600 Millionen monatlich ohne Marine-Auslagen gestiegen; selbst dieser Betrag werde heute schon überschritten. Während die Kriegskosten Österreich-Ungarns namentlich im Jahre 1916 eine wesentliche Steigerung erfahren hätten, seien diejenigen Deutschlands seit 1916 stabil geblieben und betragen 2 Milliarden Mark monatlich einschliesslich der gewiss wesentlich höheren Marine¬ kosten. Es sei daher eine Einschränkung der Kosten, namentlich was die Aus¬ landsbestellungen betreffe, unbedingt erforderlich, schon mit Rücksicht auf die überaus ungünstige Gestaltung der Handelsbilanz, deren Passivum von rund 340 Millionen im Jahre 1910 auf nahe an 800 Millionen Kronen im Jahre 1914, auf 1122 Millionen im Jahre 1915 und auf 3150 Millionen im Jahre 1916 gestiegen sei, wobei zu berücksichtigen sei, dass diese Daten noch immer nicht ein richtiges Bild geben, weil ihnen teilweise noch die niedrigen Friedenspreise zugrunde liegen. Dies sei ein so erschreckendes Bild, dass das Kriegsministerium dringend ersucht werden müsse, die Auslandsbestellungen einzuschränken und die Kriegs¬ kosten nicht weiter zu erhöhen, wenn sie schon nicht herabgesetzt werden können. In Deutschland seien angeblich^ die Feldgebühren herabgesetzt worden. Dies sei in Österreich-Ungarn nicht der Fall. Im Gegenteile, es werden neuerdings'1 im Hinterlande Gebühren zuerkannt, welche bisher nicht zuerkannt wurden.' Die Feldgebühren seien wirklich zu hoch. Was die für die Geschossbestellungen gezahlten Preise anbelange, so seien sie zu Anfang des Krieges wohl zu hohe gewesen; jetzt seien aber die Materialpreise allerdings so stark gestiegen, dass eine Reduktion kaum ins Auge gefasst werden könnte. Man müsse aber das dringende Ersuchen stellen, zumindest keine weiteren Preiserhöhungen zu bewilligen. Auch die etwas zu weit gehende Arbeiterschutzpolitik der HeeresverwaltungJ, die zum Beispiele in den Erlässen des k.u.k. Kriegsministeriums Abt. 10. No. 3758/res., und 4563/res. ex 1917 zum Ausdruck kommt werde weitere Preissteige¬ rungen zur Folge haben und könne schon während, noch mehr aber nach dem g) Nach »seien« die Einfügung Teleszkys: »angeblich«. h) Nach »es werden« wurde von Teleszky »neuerdings« eingeschoben. i) Im maschinengeschriebenen Text des Protokolls wurde der Teil »den im Hinterlande Dienenden nicht zukommen« von Teleszky gestrichen und statt dessen »bisher nicht zuerkannt wurden« gesetzt. j) Nach dem Wort »Heeresverwaltung« wurde von Teleszky folgender Text eingefügt: »die zum Beispiele in den Erlässen des k.u.k. Kriegsministeriums Abt. 10. No. 3758/res. und 4563/res. ex 1917 zum Ausdruck kommt«. 466 <pb/>Kriege bei der Handhabung der Arbeiterfrage'' zu den grössten Schwierigkeiten führen. Auf diesem Gebiete seien die Kompetenzen nicht richtig eingehalten worden. Fragen der Sozialpolitik seien die schwierigsten und heiklichsten Fragen und' gehören in die Kompetenz der Regierungen. Für die Dauer des Krieges wurden diem Beschwerdekommissionen errichtet und die Lohnfragen der auf Grund des Kriegsleistungsgesetzes in Anspruch genommenen Betriebe gehören in die Kompetenz dieser Komissionen," sie seien nicht vom Kriegsministerium zu erle¬ digen. Dieses hätte sich vielmehr, falls es diesbezügliche Anträge zu stellen habe, mit diesen sich an die0 beiden Regierungen zu wenden/ Der k.k. Finanzminister verweist bezüglich der Kriegskosten auch auf die Lage der Österreichisch-Ungarischen Bank. Der Goldbestand betrage nur mehr 280 Millionen Kronen und 42 Milllionen Kronen in Geldwechseln auf ausländische Plätze. In den letzten Monaten seien von der Bank durchschnittlich 30 Millionen Gold angefordert worden. Auch aus diesem Grunde müssen die Anschaffungen im Auslande möglichst eingeschränkt werden. Was die Kriegsgewinne anbelange, so sei es zwar richtig, dass bei einer Rech¬ nung ins Detail auf den einzelnen Artikel kein grosses Gewinn Prozent entfalle. Dem stehe aber die Tatsache gegenüber, dass die grossen Fabriken: wie z. B. die Steyrer Waffenfabrik und die Hirtenberger Patronen-Fabrik9 doch die grössten Gewinne machen. Dies könne nur aus dem national-ökonomischen Gesetz der progressiven Steigerung des Gewinnes mit der Steigerung des Umsatzes erklärt werden. Der kolossale Umsatz könnte doch eine Handhabe bieten, um die Fa¬ briken so: namentlich die Steyrer Fabrik'' bei der Preisbestimmung kürzer zu halten. Bei anderen Unternehmungen verhalte es sich ähnlich.8 Was die Sozialpolitik anbelange, so seien die Verhältnisse in Österreich wegen der viel stärkeren Organisation der Sozialdemokratie andere, als in Ungarn. Doch seien in dieses Gebiet fallende Fragen jedenfalls im engsten Einvernehmen mit den Regierungen zu behandeln. Der k.k. Minister für Landesverteidigung bemerkt bezüglich der Beschwerdekommissionen, dass das betreffende Gesetz in Vorbereitung sei k) Nach den Wörtern »nach dem Kriege« wurde von Teleszky »bei der Handhabung der Arbeiterfrage« eingeschoben. l) Nach dem Wort »Sozialpolitik« wurde von Teleszky »seien die schwierigsten und heiklichsten Fragen und« eingeschoben. m) Vor »Regierungen« wurde von Teleszky »Für die Dauer des Krieges wurden die« eingeschoben. n) Nach »Beschwerdekommissionen« wurde von Teleszky folgender Text eingefügt: »errichtet und die Lohnfragen der auf Grund des Kriegsleistungsgesetzes in Anspruch genom¬ menen Betriebe gehören in die Kompetenz dieser Kommissionen«. o) Nach »mit« Einfügung Teleszkys: »diesen sich an die«. p) Nach »Regierungen« wurde von Teleszky »zu wenden« eingeschoben. g) Nach dem Wort »Fabriken« wurde von Spitzmüller folgender Text eingeschoben: »wie z. B. die Steyrer Wafifenfabrik und die Hirtenberger Patronen-Fabrik«. r) Nach dem Wort »Fabriken« wurde von Spitzmüller »so namentlich die Steyrer Fabrik« eingefügt. s) Nach dem Wort »halten« wurde von Spitzmüller folgender Satz eingefügt: »Bei anderen Unternehmungen verhalte es sich ähnlich.« 30* 467 <pb/>und es in der Hauptsache darauf ankommen werde, dass das Handelsministerium mit dem Ministerium für Landesverteidigung einvernehmlich vorgehe, damit man sich in Friedenszeiten nicht auf ein Präjudiz berufen könne. In diesem Zusammenhänge bespricht der k.k. Handelsminister auch die im k.u.k. Kriegsministerium getroffenen Vorbereitungen für die Rohstoff¬ versorgung nach dem Kriege, eine Frage, in welcher den zivilen Ministerien unbedingt der Vortritt gebühre. Es wäre sehr gefährlich, eine Frage von so emi¬ nenter Bedeutung an zwei Orten zu behandeln. Es ergibt sich demnach der vom Vorsitzenden verkündete Beschluss der Konferenz, dass alle Fragen, welche sich auf das Verhältnis der Arbeitsgeber zu den Arbeitsnehmern, ferner auf den Übergang von der Kriegswirtschaft zur Friedenswirtschaft und auf die Rohstoffversorgung beziehen, nur im Einverneh¬ men mit den beiden Regierungen und unter Berücksichtigung der aufgestellten Kompetenzen geregelt werden können. Bezüglich der im allgemeinen erörterten Frage der Kriegskosten wird unter Hinweis auf die schwierige finanzielle Lage der Monarchie die weitgehendste Sparsamkeit insbesondere bei Anschaffungen vom Auslande für notwendig erkannt. Der kgl. ung. Handelsminister bringt anschliessend hieran in Erin¬ nerung, dass bei Erweiterung der ungarischen Wafifenfabrik auch deren Ein¬ richtung auf die Erzeugung von Maschinengewehren in Aussicht genommen sei, was jedoch an der Einforderung der hohen Patentgebühren seitens der Steyrer Wafifenfabrik zu scheitern drohe. Das Kriegsministerium müsse sich in Hinkunft auf den Standpunkt stellen, dass bei Lieferungen für die eigenen Kriegszwecke die Patente, sonstigen Behelfe und Erfahrungen von der besitzenden Fabrik der anderen Fabrik frei zur Verfügung zu stellen seien. Dies wäre der Steyrer Wafifen¬ fabrik für den vorliegenden Fall bündig zu sagen. Das Kriegsministerium sei auch unbedingt' in der Lage, dies durchzusetzen." Die Konferenz stimmt diesem Anträge zu. Hierauf gibt der k.u.k. Kriegsminister eine eingehende Darstellung der in Gestalt von neuen industriellen Anlagen oder durch Erweiterung der beste¬ henden Betriebe durchgeführten Investitionen im Gesamtbeträge von ungefähr 402 Millionen Kronen, wovon etwa 70% auf Österreich, 30% auf Ungarn ent¬ fallen. Diese Anlagen dürften auch im Frieden Dienste zu leisten in der Lage sein. Sie seien unter dem Zwange der Notwendigkeit und mit Rücksicht auf den Um¬ stand errichtet worden, dass die anderenfalls notwendig gewesenen sehr umfang¬ reichen Bezüge aus Deutschland sehr teuer zu stehen gekommen wären, weil sich Deutschland in den Preisen der Ware auch die Kosten seiner Anlagen bezah¬ len lasse. Es erscheine daher wirtschaftlich rationeller, den industriellen Betrieb im Inlande zu erweitern, um auch im Inlande kaufen zu können. Der Kriegs¬ minister bittet daher, seine Darlegungen zur Kenntnis nehmen zu wollen. Der Vorsitzende erwidert, dass sich die Regierungen in einer sehr schwierigen Lage befinden, weil sie geschaffenen Tatsachen gegenüber gestellt t) Nach »sei« schrieb Harkänyi »unbedingt«. u) Im maschinengeschriebenen Text wurde »einfach anzuordnen« von Harkänyi in »dies durchzusetzen« korrigiert. 468 <pb/>werden, die mit einvernehmlich gefassten Beschlüssen nicht im Einklänge stehen. Er habe durchaus nicht die Absicht, Rekriminationen zu erheben, könne aber die Tatsache nicht stillschweigend übergehen, dass hier Investitionen gemacht worden seien, zum Teile ohne die Regierungen zu befragen, zum Teile im direkten Widerspruche mit den im gemeinsamen Ministerrate gefassten Beschlüssen. Im besonderen sei auch darauf hinzuweisen, dass die gemachten Investitionen nicht bloss aus diesen formellen, sondern auch aus materiellen Gesichtspunkten bean¬ ständet werden können. Die Notwendigkeit einzelner Anlagen sei anfechtbar. Wenn der Standpunkt, dass es zweckmässiger sei, die unbedingt nötigen Investi¬ tionen zu machen, als die Waren aus dem Auslande zu beziehen, auch als richtig anerkannt werde, so gebe es aber noch einen dritten Standpunkt, nämlich die Anlagen im Einvernehmen mit den Regierungen durchzuführen, weil es sich frage, ob man sie nicht wirtschaftlicher hätte gestalten können unter Heranziehung der bestehenden Industrien und mit Berücksichtigung der dauernden wirtschaft¬ lichen Interessen des Staates. Die Regierungen hätten hiebei eine sicherlich nütz¬ liche Mitarbeit leisten können. Der Vorsitzende erklärt daher, nicht umhin zu können, seinem Bedauern dar¬ über Ausdruck zu geben, dass diese Umgehungen der Regierungen stattgefunden haben. Er müsse als einstimmigen Beschluss der Konferenz die kategorische Erklärung beantragen, dass in Hinkunft Kapitalsanlagen und Investitionen nur mit Zustimmung der Regierungen erfolgen können und dass der k.u.k. Kriegs¬ minister ersucht werde, die noch im Zuge befindlichen Investitionen den beiden Regierungen bekanntzugeben, damit den Handelsministerien Gelegenheit geboten werde, in dieselben Einblick zu nehmen und etwa zu berücksichtigende Momente wirtschaftlicher Art zur Geltung zu bringen. Der k.k. Ministerpräsident erklärt, sich diesem Anträge vollinhalt¬ lich anzuschliessen, zumal er die Überzeugung habe, dass gerade in diesen Fragen das Zusammenwirken des Kriegsministeriums mit den beiden Regierungen von ausserordentlichem Werte sei. Es brauche nur auf die Stickstoffabriken verwiesen zu werden. Selbst bei Berücksichtigung des Umstandes, dass nach dem Kriege wahrscheinlich eine Überproduktion an Stickstoff bestehen werde, sei die Versor¬ gung der unter den Kriegswirkungen im Rückgänge befindlichen Landwirtschaft der Monarchie mit Dungmitteln eine wirtschaftliche Notwendigkeit von solcher Bedeutung, dass die k.k. Regierung, wenn sie befragt worden wäre, sich für die Errichtung der Stickstoffabriken ausgesprochen hätte. Ebenso verhalte es sich auch mit der Frage der Erzeugung von Lokomotiven und Waggons. Die Waggon¬ fabriken seien am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Vielleicht wäre es möglich gewesen und noch heute möglich, zur Waggonfabrikation alle surro- gierend arbeitenden Fabriken heranzuziehen. Aus allen diesen Erwägungen ergebe sich die Nützlichkeit und Notwendigkeit der Kooperation des Kriegs¬ ministeriums mit den Regierungen. Der kgl. ung. Finanzminister gibt zu, dass die lange Dauer des Krieges manches gerechtfertigt habe, was sonst nicht zu rechtfertigen gewesen wäre. Dadurch sei die Heeresverwaltung einigermassen exkulpiert. Allerdings wäre es möglich gewesen, manche Anlagen billiger zu errichten. 469 <pb/>Die Investitionen der Heeresverwaltung seien im allgemeinen in drei Gruppen zu teilen: a) in die erste Gruppe gehören jene Anstalten, welche die Heeresverwaltung selbst errichtet und in Betrieb gesetzt habe. Dies seien die eigenen Betriebe der Heeresverwaltung, für welche nach dem vom Kriegsministerium vorgelegten Aus¬ weise 402(!)Millionen Kronen angesprochen werden, wovon auf Österreich 275, auf Ungarn 125 Millionen Kronen entfallen. Von den bereits durchgeführten Inve¬ stitionen entfallen auf Österreich 208, auf Ungarn bloss 54 Millionen Kronen, sodass die gegenwärtige Lage für Ungarn eine wesentlich schlechtere sei. b) In die zweite Gruppe fallen jene Anlagen, bei welchen die Heeresverwaltung mit Subventionen gearbeitet habe. Hier sei der Perzentsatz für Ungarn anschei¬ nend zwar ein günstigerer, doch kommen bei diesen Subventionen meist die Preisunterschiede zwischen dem Kriegs- und dem Friedenszustande zum Aus¬ drucke, um welche die Fabrik teurer errichtet wurde. Dies sei wirtschaftlich ver¬ lorenes Geld und damit könne der Ausgleich für Ungarn nicht gefunden werden. c) Von der dritten Gruppe sei überhaupt nicht gesprochen worden. Es seien dies die von den privaten Unternehmern selbst vorgenommenen Investitionen, bei welchen die betreffenden Unternehmer durch die entsprechend erhöhten Preise bei den Bestellungen schadlos gehalten werden, indem die Amortisationskosten in die Preise eingerechnet werden. Über den Umfang und die Verteilung dieser Art von Investitionen auf die beiden Staaten der Monarchie seien keine Auf¬ schlüsse gegeben worden, doch könne naturgemäss angenommen werden, dass in dieser Beziehung Österreich wesentlich besser daran sei, als Ungarn. Der kgl. ung. Finanzminister erklärt, Vorstehendes in der Absicht vorgebracht zu haben, damit der vom Vorsitzenden gestellte Beschlussantrag auf alle erwähnten drei Gruppen angewendet werde. Die Konferenz stimmt zu und erklärt den Antrag des Vorsitzenden für ange¬ nommen. Der Vorsitzende schliesst die Sitzung um Vz 9 Uhr abends. Origmal-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. Statt des General¬ obersten Freiherrn von Krobatin unterschrieb am 21. April sein Nachfolger, G.d.I. Stöger-Steiner. Oben rechts mit Bleistift geschrieben: »All(er)h(öchst) eingeseh(en)«. Darunter, ebenfalls mit Bleistift geschrieben: »f(ertig)«. Auf dem Blatt mit dem Ver¬ zeichnis der Anwesenden seitwärts mit Bleistift geschrieben: »gelesen. Karl«. -- Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Laxenburg, am 7. Juli 1917.« Unter dem Titel rechts die Unterschrift von Tisza, links die von Joannovics. -- Ebd. ohne jede Unterschrift und Handzeichen das Konzept des Protokolls in Maschi¬ nenschrift mit zwei Durchschlägen, auf dem einen mit einigen eigenhädigen Korrekturen des Protokollführers. Auf den anderen Durchschlag wurden diese Korrekturen nicht übertragen, auf dem ersten Blatt oben mit Bleistift geschrieben: »gesehen Czernin«. 47° <pb/>